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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 9.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
2Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
3den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin im Rahmen des Soforthilfeprogramms des Landes Nordrhein-Westfalen („NRW Soforthilfe 2020“) eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 € zu gewähren,
4wird abgelehnt.
5Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
6Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin
7vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
8Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch - also das Bestehen des zu sichernden Anspruches (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) - sind von der Antragstellerin gemäß § 123
9Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
10Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat keinen Erfolg, da die Antragstellerin mit ihrem Rechtsschutzbegehren eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt und die Voraussetzungen für eine darauf gerichtete einstweilige Anordnung nicht erfüllt sind.
11Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine
12Vorwegnahme der Hauptsache der noch nicht erhobenen Klage.
13Denn mit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ins Auge gefassten vorläufigen Gewährung der Soforthilfe verfolgt die Antragstellerin sachlich vollumfänglich dasselbe Ziel wie im Hauptsacheverfahren. Gegen die an die Identität des Streitgegenstandes anknüpfende Annahme einer Vorwegnahme der Hauptsache lässt sich nicht einwenden, dass die Antragstellerin nur eine in zeitlicher Hinsicht beschränkte Vorwegnahme der Hauptsache begehrt und die vorläufige Gewährung der Soforthilfe jederzeit wieder aufgehoben und das gezahlte Geld zurückgefordert werden könnte, wenn in der Hauptsache eine negative Entscheidung erginge. Zwar mag die vorläufige Gewährung der begehrten Soforthilfe als solche beendet werden können. Bereits in der Zwischenzeit bis zur rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung entfaltet eine solche vorläufige Gewährung aber erhebliche Wirkungen, die nicht oder nur teilweise rückgängig gemacht werden können. Denn bei Erlass der beantragten Entscheidung wäre nicht nur die Antragstellerin betroffen, sondern auch andere (potenzielle) Empfänger, die auf Zahlungen aus dem begrenzten Fördermitteltopf angewiesen sind. Aus der Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Mittel ergibt sich, dass bei vorläufiger Gewährung von Fördermitteln an die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung die an andere zu vergebenden Gelder gekürzt würden und diese unter Umständen in ihrer Existenz bedroht sein könnten. Diese Folgen könnten nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden.
14Im Übrigen folgt eine Vorwegnahme der Hauptsache daraus, dass eine Rückforderung der vorläufig gewährten Soforthilfe bei negativem Ausgang des Hauptsacheverfahrens zwar rechtlich möglich, aber möglicherweise tatsächlich nicht Erfolg versprechend wäre. Es ist nicht ersichtlich, wie die Antragstellerin, die sich zur Begründung des Anordnungsgrundes darauf beruft, ohne Gewährung der Soforthilfe einer „Existenzgefährdung“ ausgesetzt zu sein, in der Lage sein soll, die unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit gezahlten, aber sodann verbrauchten Gelder zurückzuzahlen.
15Ein auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtetes Rechtsschutzziel widerspricht
16grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes,
17vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1997 – 11 VR 3/97 – juris; BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 1989 – BVerwG 2 ER 301.89, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15.
18Etwas anderes muss im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) allerdings gelten, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre,
19vgl. BVerwG aaO.
20Dies ist dann der Fall, wenn das Recht der Antragstellerin sonst vereitelt würde oder wenn ihr aus sonstigen Gründen eine bloße vorläufige Regelung nicht zumutbar ist, z.B. weil sie Nachteile erleidet, die bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr
21ausgeglichen werden können. In diesen Fällen ist für den Erlass der einstweiligen Anordnung darüber hinaus vorauszusetzen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit eines
22Obsiegens in der Hauptsache besteht. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss demnach offensichtlich erfolgreich erscheinen.
23Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung unter Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht kommen.
24Die Antragstellerin hat nicht wie erforderlich glaubhaft gemacht, dass ihr ohne die begehrte einstweilige Anordnung nicht mehr ausgleichbare Nachteile drohen. Zwar kann dies beispielsweise angenommen werden, wenn ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährdet würde. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der „Soforthilfen NRW 2020“ wäre aber erforderlich, dass die Antragstellerin die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz ihres Unternehmens darlegt. Eine solche Existenzgefährdung hat die Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung und in ihrem Vorbringen aber nicht dargelegt und damit auch nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht.
25Nach dem Sinn und Zweck der „Soforthilfen NRW 2020“ werden diese zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Unternehmen gewährt und dienen ausschließlich zur Deckung der laufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen des Unternehmens. In einer Gesamtschau der beschlossenen Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen – Kurzarbeitergeld und Erleichterung der Prüfungsvoraussetzung für die Gewährung von ALG II – ergibt sich, dass die Beihilfen aus dem Programm „Soforthilfe NRW 2020“ ausschließlich für bestehende Verbindlichkeiten des Unternehmens gewährt und verwendet werden sollen. In Abgrenzung dazu soll etwa das Gehalt von Mitarbeitern durch das Kurzarbeitergeld gewährt werden und für den persönlichen Lebensunterhalt ALG II beantragt und verwendet werden.
26Dieser Sinn und Zweck der „Soforthilfen NRW 2020“ ergibt sich bereits aus der Formulierung im Antragsformular und Ziffer 6.1, 4. Spiegelstrich: „Sonstige Erklärungen des Antragstellers“:
27„Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die Corona-Krise wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder(...) - die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z. B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten).“
28Außerdem werden die Beihilfen nach den Informationen auf der Homepage des Antragsgegners in dessen Verwaltungspraxis,
29vgl. https://www.wirtschaft.nrw/nrw-soforthilfe-2020; „Was wird gefördert?“, Abrufdatum 07. Mai 2020,
30für folgenden Zweck gewährt:
31„Die Unternehmen sollen bei der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzierungsengpässen, u.a. für laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u.ä. sowie den Erhalt von Arbeitsplätzen durch einen Zuschuss unterstützt werden. (Zur Reduzierung von Personalkosten gibt es das Kurzarbeitergeld.)“
32Auch auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft „Maßnahmenpaket für Unternehmen gegen die Folgen des Coronavirus“ vom 29. April 2020 (Stand 05. Mai 2020) Ziffer I. 1. findet sich ergänzend dazu folgende Klarstellung:
33„Die Soforthilfe deckt nicht die privaten Lebenshaltungskosten (z.B. Miete der Privatwohnung, eigene Krankenversicherungsbeiträge oder Altersvorsorge) ab. In solchen Fällen hilft der von der Bundesregierung beschlossene vereinfachte Zugang zu ALG II (siehe III),“
34vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/massnahmenpaket-fuer-unternehmen-gegen-die-folgen-des-coronavirus.pdf?__blob=publicationFile&v=22, Abrufdatum 07. Mai 2020.
35Dies ergibt sich ebenso aus der Homepage des Antragsgegners selbst. Unter Fragen und Antworten: „Wird der Zuschuss aus der Soforthilfe als Einkommen auf die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II angerechnet?“ findet sich folgende Antwort:
36„Nein. Die NRW-Soforthilfe hat einen anderen Zweck: sie soll die wirtschaftliche Existenz sichern. Die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II sichern dagegen den Lebensunterhalt und umfassen insbesondere Bedarfe für Ernährung, Kleidung, Hausrat, etc. sowie die Kosten für Unterkunft und Heizung.“
37vgl. https://www.wirtschaft.nrw/nrw-soforthilfe-2020; Abrufdatum 07. Mai 2020.
38Die Antragstellerin hat vorliegend nicht glaubhaft gemacht, dass eine Existenzgefährdung ihres Unternehmens vorliegt oder sie die Beihilfen für Verbindlichkeiten ihres Unternehmens benötigt, bzw. dass überhaupt Verbindlichkeiten des Unternehmens bestehen. Vielmehr hat sie ausschließlich geltend gemacht, ihre private Existenz sei bedroht. Denn sie benötige die Beihilfen zur Deckung ihres privaten Lebensunterhalts, namentlich für die Miete für ihre private Wohnung in Höhe von 355,00 Euro, ihre Krankenversicherung in Höhe von 195,35 Euro, ihre Studiengebühren sowie weitere Lebenshaltungskosten. Hierauf bezieht sich auch die abgegebene eidesstattliche Versicherung. Für diese privaten Verbindlichkeiten und den Lebensunterhalt ist nach der dargestellten Systematik ALG II zu beantragen.
39Die Antragstellerin hat als Unterlegene die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154
40Abs. 1 VwGO).
41Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG. Die Kammer legt dabei
42den vollen Betrag der begehrten Soforthilfe zu Grunde, weil die Antragstellerin die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.
43Rechtsmittelbelehrung
44Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
45Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
46Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
47Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
48Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
49Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
50Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
51Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
52Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.