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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist eine Fischereigenossenschaft i.S.v. § 22 Abs. 1 LFischG NRW, die nach § 2 ihrer Genossenschaftssatzung u.a. die Fischereirechte für die Weser zwischen N. und der Landesgrenze bei T. sowie für weitere benachbarte Gewässer umfasst. Sie verpachtet diese Fischereirechte zum einen an die Berufsflussfischerei Reiter, zum anderen an diverse Angel- oder Sportfischereivereine. Zum Schutz der Fischbestände ihrer Gewässer plant sie Maßnahmen zur Vergrämung von Kormoranen im Bereich des EU-Vogelschutzgebietes "Weseraue".
3Mit Schreiben vom 12.08.2008 beantragte die Klägerin beim Beklagten unter Nr. 1 (letale Vergrämung) für den Abschuss von Kormoranen innerhalb von Naturschutzgebieten im Bereich des EU-Vogelschutzgebietes "Weseraue" die Erteilung zum einen einer artenschutzrechtlichen Ausnahme nach § 43 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG bzw. einer artenschutzrechtlichen Befreiung nach § 62 BNatSchG und zum anderen die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahme bzw. Befreiung von den entgegen stehenden Verboten der jeweils einschlägigen Naturschutzgebietsverordnungen (NSG-VO). Dabei grenzte sie den zur Genehmigung gestellten Abschuss räumlich und zeitlich wie folgt ein: a) im NSG "Weseraue": auf Flächen, die in der VO als "vegetationskundlich bedeutsame Flächen" und "Randzone" bzw. als Flächen ohne jagdliche Beschränkungen ausgewiesen sind in der Zeit vom 16.09. bis zum 15.02.; auf Flächen mit zeitweisem Jagdverbot gem. § 3 Abs. 2 Buchst. w Nr. 2 VO in der Zeit vom 16.09. bis zum 31.10.; ausnahmsweise im Bereich unterhalb der Staustufe T. bis Strom-km 237,5 in der Zeit vom 16.09. bis zum 15.02.; b) im NSG "Staustufe T. ": oberhalb der Staustufe bis Strom-km 236,0 sowie an dem in § 7 Buchst. e VO bezeichneten Gewässer in der Zeit vom 16.09. bis zum 15.02.; c) im NSG " Mittelweser": in der Zeit vom 16.09. bis zum 15.02.
4Unter Nr. 2 ihres Antrags beantragte sie für die Vergrämung von Kormoranen mittels Lasergerät oder anderer nicht-letaler Mittel (nicht-letale Vergrämung) im Naturschutzgebiet "M. Marsch" die Erteilung zum einen einer artenschutzrechtlichen Ausnahme nach § 43 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG bzw. einer Befreiung nach § 62 BNatSchG sowie zum anderen einer naturschutzrechtlichen Befreiung nach § 69 LG NRW. Die Vergrämung solle danach in der Zeit vom 16.02. bis zum 31.05. erfolgen, und zwar sobald Kormorane mit dem Nestbau oder der Balz beginnen, längstens jedoch bis zum Schlupf von Jungvögeln. Sie ziele nicht auf eine Vertreibung der Brutkolonie, sondern ausschließlich auf die Verhinderung ihrer Ausdehnung.
5Neben weiteren Naturschutzgruppen und -verbänden, die vom Beklagten um Stellungnahme zu diesem Antrag gebeten worden waren, äußerte sich der NABU-Kreisverband N. -M1. dahingehend, dass die beantragte Befreiung zu versagen sei. Der behauptete fischereiwirtschaftliche Schaden im Sinne von § 43 Abs. 8 Nr. 1 BNatSchG sei bislang nicht nachgewiesen worden. Die Auffassung der Klägerin, dem Kormoranfrassdruck könne man nur durch den Abschuss von Kormoranen innerhalb des Vogelschutzgebietes Herr werden, entbehre jeder Grundlage. Eine wie auch immer geartete Maßnahme zur Verminderung des Kormoranbestandes habe zur Folge, dass die Vögel mit vermehrter Einwanderung und höherer Brutrate reagierten. Grund hierfür sei das überreiche Nahrungsangebot z.B. durch Fischbesatz. In den im Antrag aufgeführten Gebieten hielten sich zu jeder Jahreszeit Brut- bzw. Rastvögel auf, viele davon gehörten zu den geschützten Arten und stünden auf der Roten Liste. Die Störungsempfindlichkeit der verschiedenen Arten zur Brutzeit sei hoch. Mausernde und rastende Vögel seien ebenfalls störungsempfindlich.
6In seiner Sitzung vom 29.09.2008 sprach sich der Beirat der Unteren Landschaftsbehörde des Beklagten mehrheitlich gegen den Antrag der Klägerin aus.
7Mit Schreiben vom 02.10.2008 nahm das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) dahingehend Stellung, dass es aus artenschutzfachlicher und artenschutzrechtlicher Sicht einem Abschuss von Kormoranen bzw. einer Auflösung der Brutkolonie im EU-Vogelschutzgebiet "Weseraue" nicht zustimmen könne. Entscheidend für eine Zulassung von Abschüssen innerhalb von Schutzgebieten sei nach dem Ministerialerlass vom 20.12.2007 die Frage, ob das Ziel der Kormoran-VO - Schutz der Fischbestände und der Fischereiwirtschaft durch Reduktions- und Vergrämungsabschüsse von Kormoranen - nicht schon außerhalb der in Rede stehenden Schutzgebiete erreicht werden könne. Entsprechende Maßnahmen und ihre Auswirkungen habe die Klägerin nicht dargelegt. Außerhalb des EU-Vogelschutzgebietes liegende Abgrabungsgewässer und Flussabschnitte stünden den Kormoranen als Nahrungsgewässer zur Verfügung. Über die in den letzten zwei Jahren vorgenommenen Vergrämungsmaßnahmen in diesem Bereich lägen zwar Abschussstatistiken vor, fachlich prüfbare Unterlagen fehlten jedoch. Die Aussage der Klägerin, das Ziel der Kormoran-VO könne nicht auch schon außerhalb des EU-Vogelschutzgebietes erreicht werden, sei weder belegt noch erläutert. Darüberhinaus würde der Schutzzweck des EU-Vogelschutzgebietes erheblich beeinträchtigt, weil rastende und überwinternde Wat- und Wasservögel verschiedener besonders zu schützender Arten sehr sensibel auf Störungen durch Jagd reagierten. Die im Antrag vorgenommene Differenzierung in Teilflächen unterschiedlicher Naturschutzbedeutung sei vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des EU-Vogelschutzgebietes nicht zielführend. Die Nutzungsdichte durch wertgebende Vogelarten sei in den Teilbereichen zwar unterschiedlich, aber überall so groß, dass Störungen durch zusätzliche Jagdausübung für Rast und Überwinterung der Arten relevant seien.
8Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 06.10.2008 versagte der Beklagte sowohl die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 43 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG i.V.m. § 6 Nr. 1 Kormoran-VO als auch einer artenschutzrechtlichen Befreiung nach § 62 BNatSchG zur letalen bzw. nicht letalen Vergrämung von Kormoranen im EU-Vogelschutzgebiet Weseraue. Den weitergehenden Antrag auf Befreiung von den Verbotsbestimmungen der NSG-Verordnungen sah er deshalb als gegenstandslos an.
9Zur Begründung führte er aus, das Vorhaben der Klägerin verstoße gegen die artenschutzrechtlichen Verbote aus § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG, denn alle europäischen Kormoranarten seien als europäische Vogelarten im Sinne der Verbotsvorschriften besonders geschützt. Die auf der Grundlage von § 43 Abs. 8 Satz 4 BNatSchG ergangene Kormoran-VO lasse zwar ausnahmsweise den Abschuss von Kormoranen unter bestimmten Voraussetzungen zu, nach deren § 2 Abs. 2 Nr. 2 sei aber der Abschuss in Vogel- und Naturschutzgebieten davon ausgenommen. Die Tatbestandbestandsvoraussetzungen von § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG lägen, ohne dass es einer weiteren Prüfung bedürfe, vor, weil das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MUNLV) in seinem Erlass vom 20.12.2007 festgestellt habe, dass durch den Kormoran eine Gefährdung sowohl der Fischereiwirtschaft als auch der heimischen Tierwelt in Nordrhein-Westfalen gegeben sei.
10Zumindest fraglich sei hingegen, ob die weitere Ausnahmevoraussetzung in § 43 Abs. 8 Satz 2, 1. Halbsatz, BNatSchG vorliegt, wonach eine Ausnahme nur erteilt werden darf, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. Denn über den Abschuss von Kormoranen außerhalb der Schutzgebiete lägen lediglich die Streckenangaben aus zwei Jahren Bejagung ohne Daten zu den hierfür tatsächlich getätigten Aufwendungen vor. Allerdings sei es auf Grund der naturräumlichen Gegebenheiten sehr wahrscheinlich und auch durch langjährige ornithologische Beobachtungen zu bestätigen, dass sich die Mehrzahl der Kormorane im Wesergebiet innerhalb des EU-Vogelschutzgebietes und dort innerhalb der Naturschutzgebiete aufhält. Insofern sei nachvollziehbar, dass ein Abschuss dort erfolgversprechender sei.
11Im Rahmen der - bei unterstelltem Fehlen alternativer Maßnahmen - erforderlichen Ermessensentscheidung sei der durch Art. 14 GG geschützte Anspruch der Klägerin auf Ausnutzung des Fischereirechtes abzuwägen mit den Belangen des Natur- und Artenschutzes unter Einbeziehung der heimischen Fischfauna.
12Es werde nicht bestritten, dass der Kormoran-Fraß zu einer Reduzierung der Fischbestände in der Weser und ihren Nebengewässern führe. Ob dadurch allerdings der gesamte Fischertrag abgeschöpft werde, sei fraglich. Ebenfalls fraglich sei, ob der Rückgang der Aalbestände und damit die sinkenden Fangergebnisse des Fischereibetriebs Reiter nicht auch auf andere Gründe zurückzuführen sei.
13Beschränkte Vergrämungsaktionen und Reduktionsabschüsse in Schutzgebieten könnten nur dann zugelassen werden, wenn sie mit dem Schutzzweck der betroffenen Gebiete vereinbar seien. Der in Rede stehende Weserabschnitt sei mitsamt seinen umliegenden Flächen unter dem Namen "Weserstaustufe T. " als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung im Sinne der "Ramsar-Konvention" anerkannt. Auf Grund der ornithologischen Bedeutung sei das Gebiet zudem als EU-Vogelschutzgebiet "Weseraue" ausgewiesen worden. Zusätzlich seien die Kernbereiche dieses Gebiets noch mit der nationalen Schutzkategorie Naturschutzgebiete versehen worden. Die besondere Bedeutung des Gebiets beruhe auf seiner ganzjährigen Funktion als wichtiges Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet für diverse Vogelarten.
14Insbesondere im Hinblick auf die Regelung in Art. 4 der EU-Vogelschutzrichtlinie sei zweifelsfrei festzustellen, dass die Ausweisung der Weseraue als EU-Vogelschutzgebiet in Kombination mit dem Status eines Feuchtgebietes von internationaler Bedeutung zu einer herausragenden Verantwortung der zuständigen Behörden bezogen auf die hier vorkommenden ziehenden Wat- und Wasservogelarten führe. Dieser besonderen doppelten internationalen Verpflichtung unterlägen in Nordrhein-Westfalen nur noch zwei weitere Gebiete, nämlich der Untere Niederrhein sowie die Rieselfelder nördlich Münster.
15Die beantragten Maßnahmen führten eindeutig zu erheblichen Beeinträchtigungen des EU-Vogelschutzgebietes in seinen für Erhaltungsziele und Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen. Sie seien abzulehnen, weil davon auszugehen sei, dass es hierdurch - zusätzlich zu bereits vorhandenen Störungen - zu weiteren Störungen von anderen Wat- und Wasservogelarten (u.a. Bless- und Saatgänse) und damit von für den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen des Vogelschutzgebiets kommen könne. Von der Jagd ausgehende Störungen seien in der wissenschaftlichen Literatur belegt. Der Störfaktor sei insbesondere in Rast- und Überwinterungsgebieten größer. Die Jagd könne hier sowohl zur Vertreibung von Arten als auch zur Erhöhung der Fluchtdistanz führen und so die Nahrungsaufnahme für den erhöhten Energiebedarf erschweren und damit die physiologische Konstitution verschlechtern. Es werde nicht verkannt, dass die nach den NSG-VO teilweise zugelassene Jagdausübung bereits zu problematischen Störsituationen für die dortige Vogelwelt führen könne. Dies dürfe allerdings nicht dazu verleiten, weitere Störungen zuzulassen. Dies gelte umso mehr, als solche zusätzlichen Jagdgänge häufig stattfinden müssten, um einen deutlichen Vergrämungseffekt zu erzielen, da im Herbst/Winter-Bestand der Kormorane eine stetige Fluktuation herrsche und eine vertriebene Kormorangruppe sehr schnell durch eine andere ersetzt werden würde.
16Das NSG "Weseraue" habe eine besondere Bedeutung als Leitlinie und Trittstein des Vogelzugs sowie als bedeutendes Überwinterungsgebiet. Artabhängig würden Uferbereiche oder Marschbereiche genutzt. Mit der Störungsintensität in diesem Bereich stehe und falle die Eignung des Gebiets als Rast- und Überwinterungsbereich und damit die Wertigkeit des EU-Vogelschutzgebietes. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Äsungsbereiche durch Kiesabbau in den letzten Jahren immer mehr abgenommen hätten, so dass die verbliebenen Marschbereiche so störungsarm wie möglich zu gestalten seien.
17Das NSG "Staustufe T. " habe nach der VO eine ganzjährige besondere Bedeutung als Nahrungs-, Brut-, Mauser-, Rast-, Durchzugs- und Überwinterungsgebiet vor allem für Wasser- und Watvögel. Gerade der Bereich direkt oberhalb des Stauwehres stelle für rastende und überwinternde Wasservogelarten auf Grund der dortigen geringen Fließgeschwindigkeit einen herausragend wichtigen Bereich dar, insbesondere auch dann, wenn die Stillgewässer rund um die Weser zugefroren seien.
18Auch das NSG "Mittelweser" zähle zu den Kern-Naturschutzgebieten im EU-Vogelschutzgebiet "Weseraue" und habe eine ganzjährige wichtige Funktion für den Vogelschutz. Nach dem Entwurf zur neuen NSG-VO besitze das Gebiet auf Grund der Biotopstrukturen, der geografischen Lage und der extensiven Nutzung eine ganzjährige besondere Bedeutung als Nahrungs-, Brut-, Mauser-, Rast-, Durchzugs- und Überwinterungsgebiet, vor allem für Wasser- und Wiesenvögel. Dabei habe das große Stillgewässer eine besondere Funktion vor allem als Schlafplatz für nordische Gänse und Schwäne. Aus diesem Grund solle - wie auch schon in der am 21.09.2007 abgelaufenen NSG-VO - die Wasservogeljagd komplett verboten werden, weil durch Jagen an oder in der Nähe der Wasserflächen erhebliche Störungen der Wasser- und Watvögel wahrscheinlich seien. Die Funktion als Rast- und Überwinterungsgebiet beginne Ende September/Anfang Oktober und ziehe sich bis Ende März hin.
19Die nicht-letale Vergrämung im Bereich des NSG "M. Marsch" sei ebenfalls abzulehnen. Ein Lasereinsatz innerhalb der Brutzeit gehe sogar deutlich über das hinaus, was durch die Kormoran-VO an Vergrämungsmaßnahmen außerhalb von EU-Vogelschutzgebieten zugelassen werde. Die vorhandene Daten belegten, dass es bisher keine stetige Bestandszunahme der dortigen Brutkolonie gegeben habe. Auf Grund der begrenzt vorhandenen Brutbäume sei auch künftig nicht von einem gravierenden Anstieg auszugehen. Die Maßnahme sei aber auch unabhängig von der zahlenmäßigen Entwicklung der Brutkolonie abzulehnen, weil sie andere Brutvögel störe, die Augen der Komorane verletzt werden könnten und eine Gefährdung von sich in der Nähe aufhaltenden Menschen nicht auszuschließen sei.
20Die Erteilung einer Befreiung nach § 62 BNatSchG komme nicht in Betracht, weil die Befreiungsvorschrift des § 43 BNatSchG im Hinblick auf die Verbotsregelungen des § 42 BNatSchG spezieller sei. Ein atypischer, von § 43 BNatSchG nicht erfasster Fall liege nicht vor.
21Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 06.11.2008 Klage erhoben.
22Mit Bescheid vom 25.02.2008 hat der Beklagte auch die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung auf der Grundlage von § 69 LG NRW abgelehnt. Hiergegen hat die Klägerin am 23.03.2009 im Parallelverfahren - 1 K 774/09 - Klage erhoben.
23Zur Begründung ihrer Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 06.10.2008 trägt die Klägerin Folgendes vor: Sie habe einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags, weil der Beklagte seine Ablehnung der Erteilung einer Ausnahme nach § 43 Abs. 8 BNatSchG auf Gründe gestützt habe, die artenschutzrechtlich irrelevant seien, nämlich die Unvereinbarkeit der beantragten Maßnahmen mit dem Schutzzweck der einschlägigen NSG-VO. Infolgedessen habe der Beklagte ermessenswidrig die notwendige weitere Prüfung der im Antrag enthaltenen örtlichen und zeitlichen Beschränkungen der letalen Vegrämung unterlassen, mit denen die Klägerin erkennbar in sinngemäßer Anwendung den artenschutzrechtlichen Regelungen der Kormoran-VO Rechnung habe tragen wollen. So werde nur ein geringer Bruchteil des 2.749 ha großen EU-Vogelschutzgebiets während eines sehr engen Zeitfensters betroffen.
24Ermessensfehlerhaft sei auch die "nachgeschobene" Erwägung des Beklagten, ein Kormoranabschuss könne zur Lösung der Probleme der heimischen Fischbestände nicht beitragen, weil er insoweit nicht alle relevanten Tatsachen und Gesichtspunkte ermittelt bzw. zutreffend berücksichtigt habe. Es könne als absolut gesichert angesehen werden, dass der häufig in Schwärmen agierende Kormoran erhebliche fischereiliche Schäden an den heimischen Fischbeständen verursache, zu denen auch besonders geschützte und gefährdete Arten gehörten wie z.B der Aal.
25Der Beklagte habe zu Unrecht eine erhebliche Störung anderer Arten angenommen, weil solche durch geeignete zeitliche und örtliche Einschränkung sowie Verhaltensvorgaben derart minimiert werden könnten, dass die Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der betreffenden Arten nicht signifikant seien.
26Jedenfalls zu Gunsten der Berufsfischerei Reiter, deren betriebliche Existenz durch erhebliche kormoranbedingte Aalschäden gefährdet sei, komme auch eine Befreiung nach § 62 BNatSchG in Betracht. Ähnlich unzumutbar werde der Fischereiverein T. in Bezug auf das Gewässer "E" (§ 7 NSG-VO "Staustufe T. ") belastet, da dieser trotz ausdrücklich zugelassener fischereilicher Nutzung sehenden Auges dulden müsse, dass der Kormoran dieses Gewässer leer fischt.
27Rechtsfehlerhaft sei auch die Ablehnung der beantragten nicht-letalen Vergrämung im NSG "M. Marsch". Insoweit sei bereits die Erfüllung des Verbotstatbestands in § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG fraglich, weil es sich bei der in Rede stehenden Kormoran-Kolonie im Hinblick darauf, dass der Kormoran als "wandernde Art" , zum Überleben nicht lebensraumspezifisch an dieses Gebiet gebunden sei, nicht um eine "lokale Population" i.S. der Legaldefinition der erheblichen Störung handeln dürfte. Darüberhinaus fehle es jedenfalls deshalb an einer erheblichen Störung, weil angesichts der Beschränkung auf die Verhinderung einer Ausweitung der Kolonie eine signifikante Verschlechterung des Erhaltungszustands der betroffenen Art "Kormoran" nicht zu besorgen sei.
28Die Klägerin beantragt,
29den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 06.10.2008 zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 12.08.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
30Der Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Er meint, die Versagung einer Ausnahmegenehmigung nach § 43 Abs. 8 Nr. 1 und 2 BNatSchG von den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG sei im streitgegenständlichen Bescheid zu Recht erfolgt. Die nicht-letale Vergrämung mittels Lasergerät erfülle den Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Die Kormoranbrutkolonie in der M. Marsch, die durch ihre Singularität in diesem Gebiet auch ganz klar räumlich abgrenzbar sei, unterfalle dem Begriff der "lokalen Population". Der Laserbeschuss dieser lokalen Population mit dem Ziel, deren Größe auf niedrigem Niveau zu halten, habe einen deutlich negativen Effekt und stelle deshalb eine erhebliche Störung ihres Erhaltungszustands dar. Außerdem sei nicht erwiesen, dass eine jährlich wiederkehrende Belaserung der nur aus unter 50 Brutpaaren bestehenden Kolonie nicht auch zu einer Aufgabe derselben führen kann. Die im Bescheid angeführte Störung anderer Vogelarten ergebe sich aus dem Umstand, dass der Laserschütze entweder durch Gehölzbereiche oder an den Uferrand treten müsse, um ein freies Schussfeld auf die Kolonie zu haben.
33Der Beigeladene beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Er meint, die Klage sei mangels Klagebefugnis bereits unzulässig, weil die Klägerin keine eigenen Rechte geltend mache, sondern solche Dritter bzw. der Natur. Die Klage sei außerdem unbegründet. Eine Ausnahme zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden komme nicht in Betracht, weil solche bereits nicht konkret dargelegt seien. Abgesehen davon wäre der Abschuss von Kormoranen in der Weseraue aber auch ein untaugliches Mittel, um Schäden in der Region abzuwehren. Zum einen erhöhe der Scheucheffekt den Energiebedarf der Kormorane und damit den Fischfraß. Zum anderen könnten selbst umfangreiche Abschüsse nicht verhindern, dass die attraktiven Nahrungsgewässer durch andere Kormorane besetzt würden. Hierfür spreche der Umstand, dass die Weseraue entlang einer bedeutenden Leitlinie für den kontinentalen Vogelzug liege. Während des Winterhalbjahres zöge eine hohe Zahl von Kormoranen aus dem Nord- und Ostseeraum sowie aus Skandinavien durch. In Bayern würden seit Jahren Tausende von durchziehenden oder überwinternden Kormoranen abgeschossen, ohne dass dies zu einer irgendwie messbaren Vergrämung geführt hätte.
36Selbst wenn man überwiegende Allgemeinwohlgründe für den Abschuss von Kormoranen annähme, gäbe es zu ihrer Verfolgung andere Möglilchkeiten. Als milderes Mittel zum Abschuss im Vogelschutzgebiet komme eine nicht letale Vergrämung durch konzertierte Vertreibungsaktionen auf einzelnen Gewässern der Region außerhalb des Vogelschutzgebietes in Betracht, die für den Vogelschutz weniger bedeutsam seien. Ansonsten sei zunächst die letale Vergrämung außerhalb der Kerngebiete des Vogelschutzgebiets zu versuchen.
37Schließlich verstoße die Vergrämung der Kormorane gegen das Verschlechterungsverbot aus Art. 9 und 13 VRL. Die von der Klägerin aufgezeigte Zielsetzung, die Brutkolonie auf eine Größe von 30 Brutpaaren zu beschränken, sei nicht praktikabel, weil die mit dem Laserbeschuss einher gehende Störung letztlich zur Auflösung der Brutkolonie führen würde.
38Weiterhin würden andere Vogelarten durch den beim Abschuss hervorgerufenen "Schussknall" in artenschutzrechtlich relevanter Weise gestört. Alle Teilflächen des Vogelschutzgebietes hätten eine hohe Bedeutung für Vögel, die sie jedoch nur im Zusammenhang mit anderen Teilflächen erfüllen könnten. Einschränkungen der Funktionen in einzelnen Teilflächen könnten sich daher regelmäßig auf die Populationen der Arten in anderen Teilflächen oder sogar im gesamten Gebiet auswirken. Eine Rückentwicklung des lokalen Vorkommens einer Population sei nur dann als unerheblich anzusehen, wenn nach dem verfügbaren naturschutzfachlichen Erkenntnisstand eine Störung sicher ausgeschlossen sei.
39Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
40Entscheidungsgründe:
41Die Klage bleibt ohne Erfolg.
42Die Kammer hegt bereits Zweifel, ob die Klage in vollem Umfang zulässig ist, namentlich, ob die Klägerin im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist. Dies setzt voraus, dass die in Anspruch genommene Norm den Schutz der klagenden Partei bezweckt. Daran dürfte es vorliegend fehlen, soweit die Klägerin - eine Fischereigenossenschaft nach § 22 LFischG NRW - eine Ausnahme gemäß § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG "zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt" erstreiten will. Denn insoweit dient die Ausnahmeregelung offenkundig dem Schutz der Natur und die Klägerin ist nicht dazu berufen, derartige Vorschriften gleichsam in Prozessstandschaft für die geschützten Tiere und Pflanzen durchzusetzen.
43Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 14.01.2004 - 9 ZB 03.2305 -, NuR 2004, 597 und bei juris (Rn. 24). Fraglich ist darüberhinaus, ob die Klägerin als Fischereigenossenschaft die Erteilung einer Ausnahme nach § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG "zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden" geltend machen kann. Auf existenzbedrohende Einbußen bei dem Flussfischereibetrieb Reiter, der Gewässer der Klägerin gepachtet hat, kann sich die Klägerin ebensowenig berufen wie auf gesunkene Erträge der anderen Pächter, die an den Gewässern der Klägerin Sportfischerei betreiben. Ob Auswirkungen eines reduzierten Fischbestandes auf die Höhe des erzielbaren Pachtzinses als fischereiwirtschaftliche Schäden im Sinne von § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG zu qualifizieren sind, muss im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden, weil die Klage jedenfalls in vollem Umfang unbegründet ist.
44Der streitbefangene Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 08.10.2008 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil sie keinen Anspruch auf die begehrte Neubescheidung ihres Antrags vom 12.08.2008 hat, § 113 Abs. 5 VwGO. Dies gilt sowohl für die Versagung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme nach § 43 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG (I.) als auch für die Ablehnung einer artenschutzrechtlichen Befreiung nach § 62 BNatSchG (II.).
45I. 1. Der beabsichtigte Abschuss von Kormoranen erfüllt jedenfalls den Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Nach dieser Vorschrift ist es u.a. verboten, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu töten. Der Kormoran ist als europäische Vogelart eine besonders geschützte Art, § 10 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b) bb), Nr. 9 BNatSchG i.V.m. Art. 1 der Richtlinie des Rates vom 02.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vögel - 79/409/EWG -, (Vogelschutzrichtlinie - VRL). Ob der Abschuss von Kormoranen darüberhinaus auch den Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG erfüllt, weil der Kormoran oder andere streng geschützte europäische Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten insbesondere durch den Schussknall und die erforderliche Nachsuche erheblich gestört werden, kann die Kammer offen lassen, weil der Ausnahmetatbestand des § 43 Abs. 8 Sätze 1 und 2 BNatSchG bereits hinsichtlich des Tötungsverbots nicht erfüllt ist.
46Nach § 43 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG können die nach Landesrecht zuständigen Behörden von den Verboten des § 42 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen u.a. gemäß Nr. 1 zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden oder gemäß Nr. 2 zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt. Nach Satz 2 dieser Regelung darf eine Ausnahme nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG weitergehende Anforderungen enthält.
47Ob eine Ausnahme vom Tötungsverbot zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt - die Klägerin verweist insoweit auf den Aal und weitere seltene Fischarten - geboten ist, bedarf keiner Entscheidung, weil - wie bereits dargelegt - eine Versagung auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletzen würde.
48Erhebliche fischereiwirtschaftliche Schäden im Sinne von § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG durch Kormoranfraß an den Gewässern der Klägerin vermag die Kammer auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse nicht festzustellen. Der Erlass des MUNLV vom 20.12.2007, mit dem das Ministerium die nachgeordneten Behörden landesweit anweist, im Hinblick auf die Kormoranvergrämung vom Vorliegen dieser Voraussetzung auszugehen, hat für das Gericht keine Bindungswirkung. Weder in diesem Erlass noch anderweitig gibt es belastbare Untersuchungen, die belegen, ob und ggf. in welchem Umfang ein nachzuweisender Rückgang des Fischbestandes in den Gewässern der Klägerin und insbesondere in den betroffenen Weserabschnitten auf den Kormoranfraß zurückzuführen ist. Gerade mit Blick auf weitere mögliche Ursachen für einen Rückgang des Fischbestandes wie z.B. Umweltbelastungen und Staustufen ist eine solche Ermittlung aber unerläßlich. Letztlich brauchte die Kammer dieser Frage aber nicht weiter nachzugehen, weil es an weiteren Ausnahmevoraussetzungen fehlt.
49Zum einen ist - wenn man zu Gunsten der Klägerin erhebliche fischereiwirtschaftliche Schäden durch Kormoranfraß unterstellt - die Alternativlosigkeit eines Kormoranabschusses innerhalb des EU-Vogelschutzgebietes "Weseraue" nicht gegeben. Nach § 43 Abs. 8 Satz 2, 1. Halbsatz BNatSchG darf eine Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 BNatSchG nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 1 VRL, demzufolge die Mitgliedstaaten von den Verbotsregelungen aus bestimmten Gründen abweichen können, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt.
50Dass es vorliegend an der erforderlichen Alternativlosigkeit des Kormoranabschusses innnerhalb des Vogelschutzgebietes fehlt, ergibt sich für die Kammer aus Folgendem:
51Der Abschuss von Kormoranen zum Zwecke der Bestandsregulierung ist in Nordrhein-Westfalen erst seit Erlass der Kormoran-VO vom 02.05.2006 zugelassen. In räumlicher Hinsicht sind hiervon - abgesehen davon, dass sich die zum Abschuss vorgesehen Tiere näher als 100 m an einem stehenden oder fließenden Gewässer befinden müssen - nur befriedete Bezirke nach § 4 LJG NRW sowie Nationalparke, Naturschutzgebiete und EU-Vogelschutzgebiete ausgenommen. Dass diese weitreichende Abschussregelung zur Abwendung der - unterstellten - fischereiwirtschaftlichen Schäden der Klägerin nicht ausreicht, kann nicht festgestellt werden. Denn es fehlt an einer fundierten Evaluation der auf Grund dieser Abschussregelung gemachten Erfahrungen. Die bloßen Abschusszahlen für zwei Jahre reichen insoweit nicht aus. Aus ihnen wird nicht ersichtlich, ob tatsächlich jeder zumutbare Aufwand betrieben worden ist, um den Kormoranfraß in den Gewässern der Klägerin durch Bejagung außerhalb der Schutzgebiete zu reduzieren. Angesichts des Umstands, dass es eine Vielzahl von Wasserflächen in der näheren Umgebung der Schutzgebiete gibt, die von den Kormoranen zur Nahrungssuche aufgesucht werden, ist die Möglichkeit, auf der Basis intensiver Abschussbemühungen außerhalb der Schutzgebiete eine erhebliche Reduktion des Kormoranfraßes auch in den Gewässern innerhalb der Schutzgebiete zu erreichen, keineswegs fern liegend. Solange die Klägerin die behauptete Ungeeignetheit nicht anhand einer nachvollziehbaren Evalution der Bemühungen auf der Grundlage der geltenden Kormoran-VO belegt, kann eine Alternativlosigkeit des Abschusses innerhalb der Schutzgebiete nicht angenommen werden.
52Zum anderen vermag die Kammer nicht festzustellen, dass der beantragte Kormoranabschuss im EU-Vogelschutzgebiet das in § 43 Abs. 8 Satz 2, 2. Hs. BNatSchG verankerte Verschlechterungsgebot wahrt. Danach darf eine Ausnahme nur zuglassen werden, wenn sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert. Diese Regelung dient der Umsetzung des Art. 13 VRL, wonach die Anwendung der aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen in bezug auf die Erhaltung aller unter Artikel 1 fallenden Vogelarten nicht zu einer Verschlechterung der derzeitigen Lage führen darf. Bei der Beurteilung des künftigen Erhaltungszustands der betroffenen Arten ist zwar nicht allein auf die jeweilige örtliche Population abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Population als solche in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet als lebensfähiges Element erhalten bleibt.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.03.2008 - 9 A 3/06 -, bei juris (Rn. 249), m.w.N.
54Dies ist mit Blick auf einige im Vogelschutzgebiet vorkommenden Zugvogelarten (insbesondere arktische Gänse und Schwäne) nach dem Vorbringen der im Verwaltungsverfahren beteiligten Naturschutzverbände sowie der Vertreterin der Biologischen Station in der mündlichen Verhandlung keineswegs sichergestellt. Denn danach ist es nicht fernliegend, dass bereits ein häufiges Aufscheuchen dieser Tiere während ihrer Rastzeit im Vogelschutzgebiet "Weseraue" - insbesondere durch Schussknall und Nachsuche - die Konstitution der Tiere derart schwächt, dass deren späterer Bruterfolg in nördlichen Gefilden beeinträchtigt wird. Die Kammer geht dabei von einer intensiven Bejagung der Kormorane aus, da angesichts der Attraktivität des in Rede stehenden Habitats für Kormorane und der damit einhergehenden raschen Neubesetzung durch nachziehende Kormorane ein nachhaltiger Vergrämungseffekt nur bei kontinuierlichem Abschuss erreichbar sein dürfte. Jedenfalls enthält der Antrag der Klägerin insoweit keinerlei Einschränkungen innerhalb der angegebenen Abschusszeiten. Vor diesem Hintergrund reicht die von der Klägerin angeführte allgemeine wissenschaftliche Untersuchung zu den Auswirkungen der Jagd auf Wasservögel jedenfalls nicht aus, um eine Verschlechterung des Erhaltungszustands anderer Vogelarten hinreichend sicher ausschließen zu können. Dies bedarf vielmehr einer die besonderen Gegebenheiten des EU-Vogelschutzgebietes "Weseraue" in den Blick nehmenden naturschutzfachlichen Prüfung.
552. Die beantragte nicht-letale Vergrämung von Kormoranen mittels Laser verstößt gegen das Störungsverbot des § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Danach ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Der Begriff der lokalen Population erfasst die Gesamtheit der Individuen einer Art, die während einer bestimmten Phase des jährlichen Zyklus in einem anhand ihrer Habitatansprüche abgrenzbaren Raum vorkommen.
56Vgl. Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band IV (Stand: August 2008), § 42 Rn. 8.
57Die Kormoran-Brutkolonie im Bereich des NSG "M. Marsch" bildet danach eine lokale Population, deren Erhaltungszustand durch eine jedenfalls teilweise Verhinderung des Brutgeschäfts verschlechtert wird.
58Die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 43 Abs. 8 Satz 1 und 2 BNatSchG liegen nicht vor. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur letalen Vergrämung - insbesondere zur fehlenden Alternativlosigkeit der Vergrämung im Naturschutzgebiet - Bezug genommen werden. Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass an der Umsetzbarkeit der Zielsetzung der Klägerin, die Brutkolonie nicht zu vertreiben, sondern lediglich auf eine bestimmte Zahl von Brutpaaren zu beschränken erhebliche Zweifel bestehen.
59II. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG liegen ebenfalls nicht vor. Nach § 62 BNatSchG kann von den Verboten des § 42 auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift bei richtlinienkonformer Bestimmung des Anwendungsbereichs, soweit das Verbot, von dem befreit werden soll, - wie hier - dem Schutz europäischer Vogelarten dient, deshalb unangewendet bleiben muss, weil die nach Gemeinschaftsrecht zugelassenen Abweichungsmöglichkeiten in Art. 9 Abs. 1 VRL vollen Umfangs in § 43 Abs. 8 BNatSchG übernommen wurden.
60So Gellermann, a.a.O., § 62 Rn. 3 m.w.N.
61Jedenfalls fehlt es an einer im Einzelfall unzumutbaren Belastung durch die Aufrechterhaltung von Tötungs- und Störungsverbot. Denn es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass ein Rückgang der Pachterträge für die Genossenschaft oder deren Mitglieder, die im Wesentlichen öffentlich-rechtliche Körperschaften bzw. deren Untergliederung sind, eine unzumutbare Belastung darstellen könnte.
62Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kammer hat es für billig angesehen, die Klägerin nicht auch mit den außergerichtlichen Kosten des nach § 65 Abs. 1 VwGO (nur) einfach beigeladenen Naturschutzverbandes zu belasten.
63Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.