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Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Kläger.
G r ü n d e :
2Die Erinnerung, mit der die Kläger die Berücksichtigung ihrer außergerichtlichen Kosten begehren, ist gemäß §§ 165, 151 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, jedoch nicht begründet. In dem angegriffenen Beschluss sind die den Klägern vom Beklagten zu erstattenden Kosten zutreffend festgesetzt worden.
3I. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist zu Recht davon ausgegangen, dass auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100, 1008 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - VV RVG - die Geschäftsgebühr anzurechnen ist. Nach der Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ist eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens nach Nr. 3100 VV RVG anzurechnen, wenn diese Gebühr für die anwaltliche Vertretung wegen desselben Gegenstandes entstanden ist.
4Vgl. VG Minden, Beschlüsse vom 20.02.2009 - 9 K 3089/08 - und vom 27.10.2008 - 9 K 504/08 -, juris. Im Übrigen zur Anrechnungsproblematik in diesem Sinne u. a.: BVerwG, Beschluss vom 22.07.2009 - 9 KSt 4.08 (9 A 3.06) -, juris; BGH, Beschluss vom 11.11.2008 - VIII ZB 26/08, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.01.2009 - I-10 W 120/08 -, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 27.11.2008 - 13 OA 190/08 -, juris; Dagegen anderer Auffassung u. a.: OVG NRW, Beschluss vom 25.04.2006 - 7 E 410/06 -, NJW 2006, 1991 (1992); VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.04.2008 - 11 S 2474/07, NJW 2008, 2360 (2361).
5Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Anrechnungsvorschrift liegen vor. Wegen desselben Gegenstandes ist eine Geschäftsgebühr nach der Nr. 2300 VV RVG entstanden.
6Eine Geschäftsgebühr nach der Nr. 2300 VV RVG entsteht gemäß Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages. Für sie ist hingegen kein Raum, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts eine Angelegenheit betrifft, die in einem anderen Abschnitt des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt ist. Maßgeblich ist danach, dass nicht bereits ein unbedingter Klageauftrag bestanden hat. Denn bei Vorliegen eines unbedingten Klageauftrages ist das vorgerichtliche Tätigwerden, insbesondere das Führen außergerichtlicher Verhandlungen Teil des Rechtszugs. Dies folgt aus § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVG.
7Vgl. VG Minden, Beschluss vom 25.08.2009 - 9 K 2844/08 -.
8So ist es hier. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat diese bereits nach einer Akteneinsicht anlässlich eines behördlichen Besprechungstermins am 05.06.2009 mit dem Ziel vertreten, eine einvernehmliche Lösung mit der Beigeladenen herbeizuführen.
9Der Beklagte kann sich auch auf die Anrechnung berufen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Gründe des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 29.07.2010 und die dort genannten Entscheidungen, denen sich das Gericht anschließt, Bezug genommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der durch Gesetz vom 30.07.2009 (BGBl. I S. 2449) in das RVG eingefügte und zum 05.08.2009 in Kraft getretene § 15a RVG keine andere Beurteilung erlaubt. Der Anwendung dieser Vorschrift steht im vorliegenden Fall § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG entgegen, wonach eine Vergütung u. a. nach bisherigem Recht zu berechnen ist, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG - wie hier - vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden ist.
10Hieran ändert auch nichts die von den Klägern zitierte zivilgerichtliche Rechtsprechung. Denn der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.07.2009 - 9 KSt 4/08 - hat für den Bereich verwaltungsgerichtlicher Kostenfestsetzung die grundsätzliche Anrechnung der Geschäftsgebühr, die in einem vorangegangenen Verfahren vor der Verwaltungsbehörde angefallen ist, nach Maßgabe der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG bestätigt. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die in der Zivilrechtsprechung für die in dortigen Verfahren umstrittene Frage, ob § 15 a RVG als Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage auch auf Altfälle Anwendung findet oder als Änderung des geltenden Rechts gemäß § 60 Abs.1 RVG für Altfälle keine Anwendung findet,
11vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.06.2010 - 18 E 1722/09 -, juris und vom 22.02.2010 - 12 E 1740/09 -, juris; zum Meinungsstand BGH, Beschluss vom 09.12.2009 - XII ZB 175/07 - juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.12.2009 - I - 10 W 126/09 - juris, jeweils m.w.N., nicht an.
12§ 15 a Abs. 2 RVG ist so nicht mit der Begründung anzuwenden, dass § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG auf die Vergütung abstellt und damit seinem Wortlaut nach nur das Verhältnis Rechtsanwalt/Mandant regelt, nicht das des letzteren zu einem erstattungspflichtigen Dritten.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.07.2009 - 9 KSt 4/08 -, juris; So aber: OLG Dresden, Beschluss vom 13.08.2009 - 3 W 0793/09 -, S. 5 f.; Hansens, Drei berichtigende Absätze des Gesetzgebers zur Gebührenanrechnung, AnwBl. 2009, 535.
14Einem solchen Verständnis steht entgegen, dass mit Blick auf § 162 VwGO vorbehaltlich ihrer tatsächlichen Notwendigkeit nicht mehr als die mit der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung verbundenen tatsächlichen, auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetztes berechneten Aufwendungen des Erstattungsberechtigten festzusetzen sind,
15vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.07.2009 - 9 KSt 4/08 -, juris; Schmidt, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 12. Auflage, München 2006, § 162 Rn. 3,
16die hier nach den obigen Ausführungen allein in Höhe der um den Anrechnungsbe-trag gekürzten Verfahrensgebühr angefallen sind.
17II. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat weiterhin die Terminsgebühr zu Recht abgesetzt. Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 letzter Halbsatz VV RVG entsteht die Terminsgebühr u.a. für die (anwaltliche) Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts. Die Kläger haben zwar eine außergerichtliche Einigung mit der Beigeladenen erzielen können, aber ohne dass an dieser Besprechung der Beklagte teilgenommen hat. Mangels der Beteiligung des erstattungspflichtigen Beklagten muss der Erstattungsanspruch hier ausscheiden. Führt der Erstattungsberechtigte mit dem Streithelfer seines Gegners Erledigungsgespräche und hat der Erstattungspflichtige nicht einmal diesen Gesprächen zugestimmt, so kann er für hierdurch anfallende Kosten nicht belangt werden.
18Vgl. Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar 19. Auflage 2010, Vorb. 3 VV, Rdnr. 154.
19Anderenfalls würden dem Beklagten die Kosten des Besprechungstermins, an dem er weder teilgenommen noch zu dem er sein Einverständnis erteilt hat, aufgedrängt werden. Im Übrigen wird auf die entsprechenden Ausführungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in seinem Beschluss vom 29.07.2010 verwiesen, denen das Gericht folgt.
20III. Auch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG ist nicht angefallen. Es fehlt danach an der Voraussetzung, dass durch den Abschluss des Vergleichs der Streit beseitigt worden ist, vgl. Nr. 1000 Nr. 1 RVG. Der Streit, der beseitigt hätte werden müssen, bestand in erster Linie zwischen den Klägern und dem Beklagten über die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung vom 27.04.2006 und des Verlängerungsbescheides vom 25.05.2009. Dieser Streit ist aus der Sicht des Beklagten durch den Abschluss des außergerichtlichen Vertrags zwischen den Klägern und der Beigeladenen nicht beseitigt worden, da dieser die streitgegenständlichen Bescheide unberührt gelassen hat und für die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht von ausschlaggebender Bedeutung gewesen ist.
21IV. Letztlich ist eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG nicht entstanden. Danach entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Nach dem Wortlaut der Nr. 1002 VV RVG muss der angegriffene Verwaltungsakt aufgehoben oder geändert werden.
22Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 05.02.2009 - 22 M 09.40001 -, juris; Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar 19. Auflage 2010, VV 1002, Rdnr. 13.
23Im vorliegenden Verfahren wurden die angefochtenen Bescheide durch den außergerichtlichen Vergleich zwischen den Klägern und der Beigeladenen aber weder geändert noch aufgehoben.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.