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1. Das allein optische Veränderungen eines Tieres dienende Tätowieren ver-stößt gegen § 1 Satz 2 und § 6 Abs. 1 TierSchG. 2. Es gibt keinen vernünftigen Grund Tieren ausserhalb der tierschutzrechtlichen Gestattungen Schmerzen durch das Stechen von Nadeln zuzufügen. 3. Ein "Tatooservice für Tiere" ist schon grundgesetzlich nicht durch Art. 12 GG geschützt, weil sich der Tier-schutz (Art. 20 a GG) bereits auf der Schutzbereichsebene gegenüber der Be-rufsfreiheit durchsetzt.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e
2Der – sinngemäße – Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 1 K 1823/10 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26. Juli 2010 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die gegenüber dem Antragsteller verfügte Untersagung, keine Tiere mit Ausnahme zu den in § 5 Abs. 3 Nr. 7 TierSchG genannten Zwecken zu tätowieren oder tätowieren zu lassen, ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtmäßig.
6Die Tätowierungs-Untersagung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 16 a Satz 1 TierSchG. Danach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.
7Die getroffene Anordnung ist zur Verhütung künftiger Verstöße gegen § 1 Satz 2 TierSchG und § 6 Abs. 1 Satz 1 TierSchG notwendig. Für das Gericht steht aufgrund der in dem Verwaltungsvorgang des Antragsgegners enthaltenen Vermerke und Fotografien fest, dass der Antragsteller jedenfalls Vorbereitungen unternommen hat, einem Schimmelpony auf dessen rechten hinteren Oberschenkel eine "Rolling-Stones-Zunge" zu tätowieren.
8Mitarbeiter des Beklagten stellten am 20. Juli 2010 um 11.00 Uhr im Rahmen einer Anlasskontrolle aufgrund einer Beschwerde fest, dass dem Schimmelpony bereits von dem Antragsteller am rechten hinteren Oberschenkel eine größere Fläche Haare wegrasiert worden war. Der Antragsteller, auf diesen Umstand angesprochen, räumte ein, dass beabsichtigt sei, das Pferd am Nachmittag desselben Tages tätowieren zu lassen. Damit lag ein Sachverhalt vor, der bei ungehindertem Geschehensablauf zu einem Schadenseintritt bei dem Pferd geführt hätte. Zur Vermeidung dieses künftigen Verstoßes erließ der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller zunächst mündlich eine Untersagungsverfügung. In Kenntnis der durch Ordnungsverfügung vom 26. Juli 2010 schriftlich bestätigten Untersagungsverfügung trieb der Antragsteller die Tätowierung gleichwohl weiter voran, indem er auf der vorbereiteten Stelle am rechten hinteren Oberschenkel des Schimmelponys eine ca. 15 cm große Vorlage der "Rolling-Stones-Zunge" in Form von schwarzen Linien vortätowierte, wie Mitarbeiter des Antragsgegners bei einer Überprüfung am 24. August 2010 feststellten. Nach der Einlassung des Antragstellers erfolgte dieser Tätowier-Versuch ohne Betäubung oder Schmerzstillung. Der Versuch sei nur deshalb abgebrochen worden, weil sich herausgestellt habe, dass die Haut des Pferdes für die Tätowierungsnadel zu dick gewesen sei.
9Die Tätowierung eines warmblütigen Wirbeltieres stellt einen Verstoß gegen § 1 Satz 2 TierSchG dar. Diese Vorschrift verbietet es, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen zuzufügen. Das Einstechen von Farbpigmenten mittels Nadeln in die Haut ist nach der allgemeinen Erkenntnislage mit Schmerzen verbunden. Das wird im Einzelnen zutreffend in der angefochtenen Ordnungsverfügung ausgeführt (dort Seite 1 dritter Absatz und Seite 2 erster bis dritter Absatz). Hierauf wird in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen.
10Aus dem Tierschutzgesetz folgt kein die Schmerzzufügung gestattender vernünftiger Grund. Er ergibt sich nicht aus dem Hinweis des Antragstellers auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG, wonach eine Betäubung nicht erforderlich ist, wenn bei vergleichbaren Eingriffen am Menschen eine Betäubung in der Regel unterbleibt. Zwar erfolgen Tätowierungen am Menschen im Regelfall ohne Betäubung, was allerdings nicht bedeutet, dass der mit derartigen Eingriffen in die Haut verbundene Schmerz bei einem Tier zu vernachlässigen ist. Grundsätzlich hängen die Schmerzen vom eigenen Empfinden bzw. der eigenen Empfindlichkeit ab, die bei Menschen unterschiedlich ausgeprägt ist. Bei der Frage nach der Vergleichbarkeit müssen deshalb sowohl die physiologischen Eigenschaften des Tieres wie auch seine Angst und seine Unfähigkeit, den Sinn des Schmerzes einzusehen und dessen zeitliche Dimensionen abzuschätzen, bedacht werden.
11Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 5 Rn. 6; Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 5. Aufl., München 1999, § 5 Rn. 22.
12Im Gegensatz zu einem Tier können sich Menschen auf die mit einer Tätowierung, die sie freiwillig vornehmen lassen, verbundenen Schmerzen einstellen. Anders als ein Tier können sie die Prozedur jederzeit unter- oder gar abbrechen lassen. Das Tier ist jedoch dem Willen des Tätowierers unterworfen. Aus dem Verwaltungsvorgang des Antragsgegners ergibt sich, dass die Vortätowierung an dem Schimmelpony durch den Antragsteller 2 Stunden gedauert haben soll und sie nur abgebrochen wurde, weil die Tätowiernadel für die Pferdehaut nicht geeignet war.
13Das erklärte Motiv des Antragstellers, "sein Pferd individuell verschönern" zu lassen, stellt ebenfalls keinen vernünftigen Grund im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG dar. Die Tätowierung des Schimmelponys und weiterer Tiere dient nicht einer Kennzeichnung im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 7 TierSchG, sondern allein einem individuellen und wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers, der mit einem "Tattooservice für Tiere" Geld verdienen will, wie sich aus der vorliegenden Gewerbeanmeldung ohne weiteres ersehen lässt. Dieses Interesse ist nicht grundrechtlich geschützt. In der Kollision zwischen dem verfassungsrechtlich verankerten Tierschutz (Art. 20 a GG) und dem Bestreben des Antragstellers, einer tierschutzwidrigen gewerblichen Tätigkeit nachzugehen, setzt sich schon auf der Schutzbereichsebene der Tierschutz gegenüber der Berufsfreiheit durch.
14Das allein optischen Veränderungen des Tieres dienende Tätowieren verstößt außerdem gegen § 6 Abs. 1 TierSchG. Diese Bestimmung verbietet das vollständige oder teilweise Zerstören von Geweben eines Wirbeltieres, es sei denn, es liegt ein Fall des § 5 Abs. 3 Nr. 7 TierSchG vor. Der Antragsgegner hat unwidersprochen dargelegt, dass bei einer Tätowierung mittels Nadelstichen, die bis zu 3000-mal pro Minute in die Haut eindringen, Farbpigmente in die mittlere von drei Hautschichten eingebracht werden. Das ständige Eindringen der Nadeln führt dabei zu Gewebezerstörungen und Reizungen der Schmerzrezeptoren, die bei einem Tier zu einem Schmerzempfinden führen.
15Vgl. Wissdorf/Gerhards/Huskamp/Deegen, Praxisorientierte Anatomie des Pferdes, Hannover 2010, 3. Aufl., Kapitel 2, S. 14.
16Dass die Untersagung der Tiertätowierung geeignet und erforderlich zur Verhütung der vorgenannten Verstöße ist und angesichts der Schwere des Eingriffs sowie der Bedeutung des Tierschutzes auch angemessen ist, bedarf keiner weiteren Begründung.