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Art. 12 Satz 1 des Gesetzes über die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit den Europawahlen (KWahlZG) vom 24. Juni 2008 (GV. NRW. S. 514 ff.) ist mit demokratischen Grundsätzen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Landesverfassung (LV NRW) i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) insoweit unvereinbar und nichtig, als hierdurch Art. 1 Nr. 3 KWahlZG schon für die Neuwahlen zur am 21. Oktober 2009 beginnenden Kommunalwahlperiode in Kraft gesetzt worden ist.
Die notwendigen Auslagen der Antragsteller sind vom Land Nordrhein-Westfalen zu erstatten.
Gründe:
2A.
3Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob das Gesetz über die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit den Europawahlen vom 24. Juni 2008 (GV. NRW. S. 514) hinsichtlich der Festlegungen zum Wahltag für das Jahr 2009 mit dem im Demokratieprinzip wurzelnden Grundsatz der Volkssouveränität vereinbar ist.
4I. 1. Die allgemeinen Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und die Europawahlen finden in fünfjährigem Turnus jeweils in demselben Jahr statt. Bislang lagen die Termine für die Europawahl stets im Juni und für die Kommunalwahlen im Herbst. Im Zeitraum von Juni 2009 bis Mai 2010 liegen mit der Europa-, Kommunal-, Bundestags- und Landtagswahl insgesamt vier Wahlen innerhalb von elf Monaten. Vor diesem Hintergrund verabschiedete der Landtag auf Initiative der Fraktionen der CDU und FDP das KWahlZG. Es zielte nach der Begründung im Gesetzentwurf (LT- Drs. 14/6512) darauf, mehrere Wahltermine in demselben Jahr zu vermeiden und dazu dauerhaft die Kommunalwahlen am Tag der Europawahl stattfinden zu lassen. Hierdurch sollte der Gefahr einer noch weiter sinkenden Wahlbeteiligung bei enger Abfolge von Wahlen entgegengewirkt sowie die Akzeptanz von Europa- und Kommunalwahl gestärkt werden. Die Zusammenlegung der Wahlen sollte zu entscheidenden Kosteneinsparungen durch nur eine Wahlorganisation und anteilige Erstattung bestimmter Kosten für die Europawahl durch den Bund führen. Eine Verbindung mit der im vierjährigen Turnus stattfindenden Bundestagswahl wurde nicht befürwortet: Sie könne nur einmalig im Jahr 2009 erfolgen und lasse eine nicht erwünschte Überlagerung kommunalpolitischer durch bundespolitische Themen erwarten.
5Durch die angestrebte Vorverlegung des Wahltermins auf den Tag der Europawahl Anfang oder Mitte Juni 2009 sollte die laufende Wahlperiode der Gemeinde-, Kreis- und Bezirksvertretungen, die zuvor bereits abweichend von §§ 36 Abs. 1, 42 Abs. 1 Gemeindeordnung GO NRW und § 27 Abs. 1 Kreisordnung KrO NRW einmalig über den 30. September 2009 hinaus bis zum 20. Oktober 2009 verlängert worden war (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wahlperiode der im Jahr 2004 gewählten kommunalen Vertretungen vom 17. Juni 2003, GV. NRW. S. 312, vgl. dazu den Gesetzentwurf LT-Drs. 13/3725, S. 5), nicht verkürzt werden. Nach der Gesetzesbegründung sei die Konsequenz hinzunehmen, dass der Beginn der neuen Wahlperiode im Jahr 2009 einmalig etwas mehr als vier Monate nach der Wahl liegen würde, wobei weite Teile dieses Zeitraums auf die in der Regel sitzungsfreie Sommerpause entfallen würden. Dies liege noch im gesetzgeberischen Ermessen und sei aus den gewichtigen Gründen gerechtfertigt, die für die dauerhafte Bündelung der Kommunal- mit den Europawahlen sprächen. Die amtierenden Vertretungen seien bis zum Ablauf ihrer Wahlzeit demokratisch legitimiert; es könne erwartet werden, dass sie ihre Befugnisse bis dahin verantwortungsvoll wahrnähmen. Ohnehin seien Vertretungen zwangsläufig noch eine gewisse Zeitspanne im Amt, wenn die Zusammensetzung der neuen Vertretungen schon bekannt sei, weil Volksvertretungen regelmäßig noch während der laufenden Wahlperiode zu wählen seien. Im Verhältnis zur Länge der laufenden Wahlperiode, die aus besonderen Gründen durch gesetzliche Regelung 5 Jahre und 20 Tage dauere, sei die Zeitspanne von Anfang oder Mitte Juni bis zum 20. Oktober 2009, in der es aufgrund einer Sondersituation einmalig zu einem Nebeneinander von amtierenden und noch nicht amtierenden Vertretungen komme, äußerst gering. Die mit dem Vorziehen der Wahl verbundene Verkürzung der neuen Wahlperiode betreffe nur eine geringfügige Zeitspanne im Verhältnis zu der grundsätzlich fünfjährigen Dauer der Wahlperiode. Sie erfolge aus dem sachlich gerechtfertigten Grund, ab 2014 regelmäßig Wahlperioden über volle fünf Jahre zu ermöglichen.
62. Der Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform führte im Mai 2008 eine öffentliche Anhörung durch. Neben Rechtswissenschaftlern äußerten sich u. a. Vertreter des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen und des Landkreistags Nordrhein-Westfalen, der Wahlleiter der Landeshauptstadt Hannover, der Oberbürgermeister der Stadt Mönchengladbach sowie Vertreter einiger Interessenverbände (Ausschussprotokoll 14/664). Zur abschließenden Ausschusssitzung im Juni 2008 wurde ein gemeinsamer Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und FDP eingebracht (Anlage zum Ausschussprotokoll 14/681). Dieser trug im Wesentlichen in der Anhörung geäußerten Bedenken insoweit Rechnung, als die allgemeinen Kommunalwahlen entgegen dem Gesetzentwurf nicht zwingend auf den Wahltag für das Europaparlament gelegt werden sollten. Hierfür sollte vielmehr in Anlehnung an eine Regelung im baden-württembergischen Kommunalwahlrecht ein zeitlicher Rahmen vom 1. April bis zum 15. Juli festgelegt werden, innerhalb dessen der Innenminister den Wahltag möglichst am Tag der Europawahl festzulegen habe. Die Schwankungsbreite orientierte sich an den europarechtlich vorgegebenen äußersten zeitlichen Grenzen für die Europawahltermin. Ferner sollten die Fristen vom Beginn der Wahlperiode an gerechnet werden, um Unsicherheiten bezüglich ihres vorher nicht feststehenden Endes zu vermeiden. Abschließend nahm der Ausschuss den Änderungsantrag sowie den geänderten Gesetzentwurf an.
7Am 20. Juni 2008 verabschiedete der Landtag in dritter Lesung das KWahlZG (Plenarprotokoll 14/96, S. 11443), das am 15. Juli 2008 verkündet und in wesentlichen Teilen am Tag nach der Verkündung in Kraft gesetzt wurde.
83. § 47 Abs. 1 Satz 2 GO NRW a. F. bestimmte bis zum Inkrafttreten des KWahlZG, dass die erste Gemeinderatssitzung nach einer Neuwahl innerhalb von vier Wochen stattfinden musste. Entsprechende Regelungen wie für die Gemeinderäte enthielten der unveränderte § 27 KrO NRW und der durch Art. 3 KWahlZG geänderte § 32 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW a. F. für die Kreistage. Die erste Sitzung der gleichfalls für fünf Jahre gewählten Bezirksvertretungen war innerhalb von drei Wochen nach der Neuwahl einzuberufen (§ 36 Abs. 1 und 3 Satz 1 GO NRW a. F.).
9Im Kommunalwahlgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juni 1998 (GV. NRW. S. 454) KWahlG NRW war bis zum Inkrafttreten des KWahlZG über den Zeitpunkt des Wahltags nur in § 14 Abs. 1 geregelt, dass dies ein Sonntag sei und der Wahltag vom Innenminister bzw. von der Aufsichtsbehörde festgelegt und bekannt gemacht werde.
10Kern der Regelungen im KWahlZG ist in Art. 1 Nr. 3 Buchst. a) und b) die Neufassung von § 14 Abs. 1 und 2 KWahlG NRW. Sie lauten nunmehr wie folgt:
11(1)1Wahltag ist ein Sonntag. 2Die allgemeinen Neuwahlen finden in der Zeit zwischen dem 1. April und dem 15. Juli statt; sie sollen am Tag der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden. 3Der Wahltag wird vom Innenminister festgelegt und bekannt gemacht (Wahlausschreibung). 4Im Übrigen wird der Wahltag von der Aufsichtsbehörde festgelegt und bekannt gemacht, soweit dieses Gesetz und die Wahlordnung nichts anderes bestimmen.
121Die Wahlperiode endet bei allgemeinen Wahlen mit Ablauf des Monats, in dem die Wahl stattgefunden hat. 2Die neue Wahlperiode beginnt am ersten Tag des folgenden Monats.
13Nach der Neufassung von § 47 Abs. 1 Satz 2 GO NRW durch Art. 2 Nr. 3 des KWahlZG muss die erste Ratssitzung nach Beginn der Wahlzeit innerhalb von drei Wochen stattfinden. Entsprechende Regelungen enthalten die Neufassungen von § 36 Abs. 3 Satz 1 GO NRW durch Art. 2 Nr. 2 KWahlZG sowie § 32 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW durch Art. 3 des KWahlZG.
14Artikel 12 bestimmt das Inkrafttreten:
15Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Abweichend von Satz 1 treten die Änderungen der §§ 3 Abs. 2 Satz 2 und 3, 4 Abs. 1 und 17 Abs. 4 des Kommunalwahlgesetzes durch Artikel 1 am 1. August 2014 in Kraft. Für die am 21. Oktober 2009 beginnende Wahlperiode gelten die in Satz 2 genannten Vorschriften des Kommunalwahlgesetzes mit der Maßgabe, dass die dort bestimmten Monatszahlen um jeweils 4 Monate verringert werden.
164. Mit Bekanntmachung vom 11. Dezember 2008 (MBl. NRW. S. 601, Neubekanntmachung MBl. NRW. 2009 S. 16) bestimmte das Innenministerium, dass die nächsten allgemeinen Kommunalwahlen am 7. Juni 2009 stattfinden.
17II. 1. Mit dem am 19. September 2008 eingeleiteten Normenkontrollverfahren beantragen die Antragsteller festzustellen,
18dass Art. 12 Satz 1 des Gesetzes über die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit den Europawahlen (KWahlZG) vom 24. Juni 2008 (GV. NRW. S. 514) mit der Verfassung insoweit unvereinbar und nichtig ist, als hierdurch Art. 1 Nr. 3 KWahlZG schon für die Neuwahlen zur am 21. Oktober 2009 beginnenden Kommunalwahlperiode in Kraft gesetzt worden ist.
19Sie machen geltend:
20a) Der Antrag sei begründet. Eine Verletzung des Grundsatzes der Volkssouveränität und subjektiver Wahlrechte folge aus der konkreten Art und Weise, in der die Europa- und die allgemeinen Kommunalwahlen für das Jahr 2009 zusammengelegt worden seien. Die Zusammenlegung der Kommunal- und der Europawahlen sei als solche verfassungsrechtlich unbedenklich. Die gewählte rechtstechnische Umsetzung greife jedoch in die Volkssouveränität ein, weil sie im kommenden Jahr einmalig zu einem erheblichen Auseinanderfallen der Wahl und der Konstituierung der kommunalen Vertretungen mit einem Ausmaß von 19 bis 22 Wochen führe. Während dieser Zeit bleibe die Wahlentscheidung ohne Auswirkung. Das Prinzip der Volkssouveränität sei als Kern des in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltenen Demokratieprinzips gemäß Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1 GG unabänderlich; es gelte über Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 78 LV NRW auch für kommunale Wahlen. Als Verfassungsprinzip sei es spezifizierungsbedürftig, abwägungsoffen und enthalte ein Optimierungsgebot. Es gebiete daher die möglichste Verwirklichung der Volkssouveränität durch den Gesetzgeber in Abwägung mit verfassungsrechtlich gesetzten Gegengründen.
21b) Die Volkssouveränität werde zentral durch die Regelungen über das Wahlverfahren ausgestaltet. Wahlen ermächtigten die Regierenden und gäben zugleich den Wählern die Möglichkeit, die Mandatsausübung durch Neu- bzw. Abwahl zu sanktionieren. Die Ermächtigungsfunktion der Wahl gliedere sich in drei Aspekte: Die Entscheidung des Volkes müsse unverzüglich beachtet werden, sie bedürfe der periodischen Erneuerung und ihre Legitimationswirkung reiche nur bis zur im vorhinein vorgesehenen Zeit und bis zur Neuwahl. Im Hinblick auf die Repräsentationsfunktion der Wahlen bedürfe es eines hinreichend engen Legitimationszusammenhangs zwischen dem Handeln der Repräsentanten und dem Wählerwillen. Die Legitimationskraft der Wahlen werde umso mehr eingeschränkt, je länger der Volkswille suspendiert werde. Auch in die Sanktionsfunktion der Wahl werde eingegriffen, solange die alten Vertretungsgremien noch amtierten, die neuen aber bereits gewählt seien. Denn diese Zeit sei sanktionsfrei und damit verantwortungslos. Ohne kontrollierende Öffentlichkeit gebe es jedoch keine von der Volkssouveränität geprägte Demokratie. Auch wenn die Öffentlichkeit selbst nicht eingeschränkt werde, werde mit dem Entfallen der Sanktionsmöglichkeit jeder Druck von den politischen Akteuren genommen, den Volkswillen zu beachten. Bei einer verfrühten Wahl hätten die Wähler nicht die Möglichkeit zu einer Sanktion auf der Grundlage einer Gesamtbilanz des vergangenen Regierungshandelns. Durch die Suspendierung des Volkswillens im Jahr 2009 werde die Volkssouveränität unter mehreren dieser Gesichtspunkte erheblich eingeschränkt.
22c) Die Einschränkungen seien verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Unbedenklich seien unvermeidliche Folgen der gesetzlichen Ausgestaltung des Wahlverfahrens, soweit sie auf die möglichste Realisierung der Volkssouveränität ausgerichtet seien. In den Verfassungen der Bundesländer werde ein Übergangszeitraum von höchstens zwei Monaten von der Wahl bis zum Zusammentritt neu gewählter Landtage eingeräumt. Eine Vermutung spreche dafür, dass dieser Zeitraum organisatorisch notwendig und insoweit auch verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Bei kommunalen Vertretungen betrage die gesetzlich vorgeschriebene Übergangszeit bundesweit maximal sechs Wochen. Der durch das KWahlZG für das Jahr 2009 eingeführte Zeitraum zwischen Wahl und erstem Zusammentreten der gewählten Gremien gehe weit über die faktisch unvermeidliche Dauer hinaus.
23Für einen solchen Zeitraum müsse die Volkssouveränität nur aus gewichtigeren verfassungsrechtlich tragfähigen Gegengründen zurücktreten. Legitime Zwecke von Verfassungsrang könnten die erhebliche Vorverlegung des Wahltermins in die laufende Wahlperiode durch das KWahlZG jedoch nicht rechtfertigen:
24Das Ziel, die Wahlbeteiligung auch bei der Europawahl zu erhöhen, stelle sich zwar als legitimer Zweck von Verfassungsrang dar. Es sei aber gegenüber dem Gebot, den Wählerwillen unverzüglich umzusetzen, von geringerem Gewicht. Der Gesetzgeber messe dem Ziel, die Wahlbeteiligung an der Kommunalwahl zu erhöhen, selbst nur geringes Gewicht zu, indem er davon absehe, diese durch eine rechtlich unproblematische Verbindung mit der ohnehin Ende September 2009 stattfindenden Bundestagswahl zu erhöhen. Das Kostenargument des Gesetzgebers habe bereits keinen Verfassungsrang, so dass es Eingriffe in das Demokratieprinzip nicht rechtfertigen könne. Darüber hinaus könne auch die gewünschte Kosteneinsparung soweit sie durch Zusammenlegung von Wahlen überhaupt erreicht werden könne in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise verfolgt werden, indem die Kommunalwahlen mit den Bundestagswahlen gekoppelt würden. Die reine Zweckmäßigkeitserwägung, eine Überlagerung der Kommunalwahl durch bundespolitische Themen sei unerwünscht, rechtfertige nicht das Zurückstellen verfassungsrechtlicher Prinzipien. Diese Überlagerung sei als zufällige Folge des Zusammentreffens verschiedener Wahlintervalle rechtlich unbedenklich.
25d) Die lange Wartezeit bis zum Zusammentritt der gewählten Gremien im Jahr 2009 berge zudem konkrete Gefahren: Sie ermögliche vorübergehend eine Politik, die in der Bevölkerung keinen Rückhalt mehr habe, aber vom Wähler nicht sanktioniert werden könne. Die lange Übergangsphase lasse ebenso befürchten, dass politischer Stillstand eintrete, weil abgewählte Vertreter notwendige Entscheidungen nicht mehr treffen wollten. Obwohl die Sommerpause in diesen Zeitraum falle, fänden in ihm zwei bis drei Sitzungszyklen der kommunalen Gremien statt, in denen viele Entscheidungen anstünden.
26e) Da die Vorverlegung der Wahl mithin verfassungswidrig sei, würden auch subjektive Wahlrechte derjenigen, die erst kurz nach dem Wahltag wahrberechtigt oder wählbar würden, auf in der Verfassung nicht vorgesehenem Weg entzogen. Dies sei auch unabhängig von Verstößen gegen die Volkssouveränität nicht durch Gründe von Verfassungsrang gerechtfertigt.
272. Der Landtag beantragt,
28den Antrag zurückzuweisen.
29Er hält den Normenkontrollantrag für unbegründet und trägt vor:
30a) Das auch landesverfassungsrechtlich verankerte Demokratieprinzip verlange einen effektiven und praktisch wirksamen Legitimationszusammenhang. Notwendig sei ein hinreichendes Legitimationsniveau, das durch das Zusammenwirken verschiedener Formen demokratischer Legitimationsvermittlung erreicht werden könne. Damit seien Absenkungen des Legitimationsniveaus nicht ausgeschlossen. Als nach Optimierung drängendes Rechtsprinzip impliziere das Demokratieprinzip von vornherein auch rechtfertigungsbedürftige Reduzierungen seines (effektiven) Gewährleistungsgehalts.
31b) Die demokratische Legitimationsleistung der Wahl kommunaler Vertretungen sei geringer als die der Wahl von Parlamenten in Bund und Ländern. Kommunalen Gremien werde hinreichende Legitimation neben der institutionellen Legitimation durch die Verfassung nicht nur organisatorisch-personell durch Wahl vermittelt. Im Rahmen eines Legitimationsgeflechts seien sie zusätzlich sachlich-inhaltlich durch ihre mit Kontrollinstrumenten wie dem Beanstandungsrecht von Bürgermeistern und Landräten, der Kommunalaufsicht, der gerichtlichen Kontrolle und der Amtshaftung abgesicherte Gesetzesbindung legitimiert. Die Legitimationsleistung der Wahl kommunaler Vertretungen werde zudem durch weitere Legitimationsstränge wie die Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten oder Instrumente der direkten Demokratie ergänzt und in ihrer Bedeutung relativiert.
32c) Das für die Kommunalverwaltung unverzichtbare demokratische Legitimationsniveau werde durch die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahl mit der Europawahl im Juni 2009 unter Beibehaltung der laufenden Wahlperiode nicht in Frage gestellt. Die demokratische Effektivität von Wahlen steige bei kurzen Wahlperioden und einer unverzüglichen Umsetzung des Wählerwillens. Deshalb bedeute die vom Gesetzgeber in Kauf genommene Karenzzeit zwischen Wahl und Beginn der neuen Wahlperiode zunächst einen "Einflussknick". Hierdurch werde jedoch das verfassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau nicht unterschritten. Die eingeschränkte Legitimationsleistung durch den frühen Wahltermin sei durch verfassungsrechtlich legitime Belange gerechtfertigt. Rechtfertigende Belange müssten nicht selbst verfassungsrechtlicher Natur sein, sondern lediglich vor der Verfassung Bestand haben. Es gehe nicht um die Herstellung "praktischer Konkordanz", sondern um eine mit größeren normativen Gestaltungsspielräumen versehen "Ausgestaltung" des Demokratieprinzips. Da neben die Wahl weitere legitimationsstiftende insbesondere sachlich-inhaltliche Legitimationsquellen für kommunale Gremien träten, erhalte der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Kommunalwahl mehr Spielraum für die Berücksichtigung mit dem Demokratieprinzip kollidierender Belange als auf staatlicher Ebene. Die Zusammenlegung der Kommunalwahlen mit den Europawahlen solle die Wahlverfahren effektivieren, um eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zu erreichen, ohne dass die Kommunalwahl durch eine alternativ mögliche Koppelung mit der Bundestagswahl von bundespolitischen Themen überlagert werde. Ferner sollten die real- und personalplebiszitäre Dimension der Wahlen optimiert, der Verfahrensaufwand verringert und Kosten gespart werden. Um diese Ziele zu erreichen, habe sich der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums gegenüber anderen möglichen Lösungen für die vorzugswürdige entschieden. Die Nachteile, die mit der gewählten moderaten Verlängerung einer jedenfalls unbedenklichen üblichen Karenzzeit verbunden seien, seien hingegen begrenzt. Eine handlungsfähige Kommunalvertretung sei durchgehend gewährleistet. Die Zeit von der Wahl bis zum Beginn der neuen Wahlperiode sei nur etwas länger als die verfassungsrechtlich nur für die ungleich wichtigere Landtagswahl festgeschriebene Höchstdauer von drei Monaten. Für die kommunale Ebene enthalte die Verfassung keine entsprechenden (ausdrücklichen) Vorgaben. Aufgrund der mit der Umstellung auf gemeinsame Wahltermine verbundenen Sondersituation komme es auch nur einmalig zu einer etwas längeren Karenzzeit, die im Verhältnis zur Gesamtdauer der fünfjährigen Wahlperiode gering sei und von der weite Teile auf die Sommerpause und Herbstferien entfielen.
333. Auch die Landesregierung beantragt,
34den Antrag zurückzuweisen.
35Sie hält den Normenkontrollantrag für unbegründet und trägt vor:
36a) Die Vorverlegung der Kommunalwahl auf den Tag der Europawahl bereits im Jahr 2009 durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. a) KWahlZG halte sich im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Ausgestaltung des Wahlrechts. Es gehe nicht um einen Eingriff in das Demokratieprinzip. Die Landesverfassung enthalte anders als für Landtagswahlen keinen zeitlichen Rahmen für den Tag der Kommunalwahl. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers werde zu Unrecht eingeengt, wenn dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Volkssouveränität der konkrete Regelungsinhalt entnommen werde, der Wählerwille müsse unverzüglich beachtet werden. Ein solches Gebot gebe es nicht. Ein für die Wahlterminierung eingeräumter Spielraum könne grundsätzlich genutzt werden, solange sich die Entscheidung nicht auf sachwidrige Erwägungen stütze. Das gelte erst recht, wenn verfassungsrechtliche Zeitvorgaben fehlten. Allerdings müsse der Gesetzgeber im Rahmen einer Abwägung mit anderweitigen von ihm verfolgten Gemeinwohlbelangen beachten, dass die Durchführung der Wahl im Hinblick auf das Gebot der Periodizität der Wahl zeitnah zum Beginn der neuen Wahlperiode verfassungsrechtlich geboten sei. Für die Kommunalwahlen lasse sich eine feste Grenze für den frühest möglichen Wahltag nicht ziehen; die Grenzziehung hänge von den jeweiligen Umständen ab. Gegenüber der verfassungsrechtlich für Landtagswahlen einzuhaltenden Dreimonatsfrist sei dem Gesetzgeber ein sehr viel größerer Gestaltungsspielraum zuzugestehen, weil die kommunalen Vertretungen keine Parlamente seien.
37b) Bei einer Kommunalwahl vier Monate und 13 Tage vor dem Ende der Wahlperiode sei immer noch eine Zeitnähe zum Beginn der neuen Wahlperiode gegeben. Die zur dauerhaften Umstellung der Wahltermine erfolgte nur einmalige Vorverlegung der Wahl könne auf hinreichend gewichtige Gründe gestützt werden. Primäres Ziel der Zusammenlegung der Kommunalwahl mit der Europawahl schon ab 2009 sei eine dauerhafte Bündelung beider Wahlen, um die Wahlbeteiligung an beiden Wahlen zu erhöhen und eine zweimalige Wahlorganisation zu ersparen. Für 2009 sei es zusätzlich darum gegangen, eine Bündelung mit der Bundestagswahl im September oder einen dritten Wahltermin nach der Sommerpause zu vermeiden. Durch das Vorziehen der Wahlen ergebe sich im Jahr 2009 kein übermäßiger Legitimationsverlust der alten Volksvertretungen. Verglichen mit einer mit Blick auf die Regelung für Landtagswahlen in Art. 34 Abs. 1 LV NRW jedenfalls unproblematischen Durchführung der Kommunalwahlen bis zu drei Monate vor Ablauf der Wahlperiode sei die zusätzliche Legitimationseinbuße rechtlich nicht fassbar. Die Gefahr sanktionsloser unkontrollierter Machtausübung bestehe auch nach der vorgezogenen Wahl schon deshalb nicht, weil die alten Volksvertreter weiterhin der Rechtsaufsicht und der gerichtlichen Kontrolle unterlägen. Im Übrigen bestehe eine Sanktionsmöglichkeit für die Amtsführung auch nach dem 7. Juni 2009 turnusgemäß anlässlich der Wahlen im Jahr 2014. Dass sich nicht alle gewählten Vertreter der Wiederwahl stellen würden, stelle ihre durch die Wahl vermittelte demokratische Legitimation ohnehin nicht in Frage. Ebenso trete durch die begrenzte Übergangszeit kein Repräsentationsverlust ein und werde das Wahlrecht der Erstwähler nicht verletzt.
38c) Die legitimen Ziele des Gesetzgebers ließen sich auch nicht anderweitig besser umsetzen. Eine denkbare Verkürzung der laufenden Wahlperiode mit dem Ziel, die neue Wahlzeit in kürzerem Abstand von einer Wahl im Juni 2009 beginnen zu lassen, wäre erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt. Die Möglichkeit, es für 2009 noch bei einem gesonderten Termin für die Kommunalwahl zu belassen, hätte den auf eine höhere Wahlbeteiligung ausgerichteten Zielen des Gesetzgebers nicht entsprochen. Im Übrigen habe sich weder ein Wahltermin während oder kurz nach der Sommerpause noch in zeitlicher Nähe zur Bundestagswahl angeboten. Eine Zusammenlegung mit der Bundestagswahl habe im Hinblick auf die damit verbundenen Gefahren für die Chancengleichheit der Parteien, freien Wählergemeinschaften und unabhängigen Kandidaten nicht erfolgen sollen.
39B.
40Der Antrag ist gemäß Art. 75 Nr. 3 der Verfassung für das Land Nordrhein- Westfalen LV NRW , § 47 Buchst. a) des Verfassungsgerichtshofgesetzes VerfGHG zulässig. Die zur Überprüfung gestellten Regelungen des KWahlZG können als Landesrecht im Normenkontrollverfahren auf ihre Vereinbarkeit mit der Landesverfassung geprüft werden. Der Antrag ist wie erforderlich von mehr als einem Drittel der insgesamt 187 Mitglieder des Landtags gestellt worden.
41C.
42Der Antrag ist begründet. Art. 12 Satz 1 des KWahlZG ist mit demokratischen Grundsätzen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 LV NRW i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG insoweit unvereinbar und nichtig, als hierdurch Art. 1 Nr. 3 schon für die Neuwahl zur am 21. Oktober 2009 beginnenden Kommunalwahlperiode in Kraft gesetzt worden ist.
43I. 1. Die Landesverfassung schreibt in Art. 78 Abs. 1 LV NRW vor, dass die Organe gemeindlicher Selbstverwaltung gewählt werden müssen. Sie genügt damit dem Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG, dessen Geltung als Landesverfassungsrecht Art. 1 Abs. 1 LV NRW vermittelt (vgl. VerfGH NRW, OVGE 47, 304, 305).
44a) Die danach dem Gesetzgeber vorbehaltenen Regelungen des kommunalen Wahlrechts müssen dementsprechend außer den Wahlrechtsgrundsätzen der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch den Homogenitätsvorgaben von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG und damit insbesondere den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes genügen. In diesen Grenzen erlaubt das Grundgesetz eine in Einzelheiten sehr unterschiedliche Ausgestaltung des Landes- und Kommunalwahlrechts (vgl. BVerfGE 99, 1, 11 ff.). So sind etwa die konkreten Ausformungen des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag in Art. 38 ff. GG für das Wahlrecht in den Ländern nicht verbindlich (BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 20. Dezember 1998 2 BvR 69/98 , NVwZ-RR 1999, 281 und BVerfGE 99, 1, 7 f.). Art. 28 Abs. 1 GG fordert allerdings mit der Einhaltung der Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats in den Ländern ein Mindestmaß an Homogenität zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten (vgl. BVerfGE 90, 60, 84 f. und BVerfGE 83, 37, 58).
45b) Was die "grundsätzlichen" demokratischen Vorgaben "im Sinne dieses Grundgesetzes" für die Verfassungshoheit der Länder beinhalten, ist einzelfallbezogen anhand einer "Gesamtinterpretation des Grundgesetzes und seiner Einordnung in die moderne Verfassungsgeschichte" zu bestimmen (BVerfGE 5, 85, 112; vgl. Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 28 Rn. 15). Hierzu zählen zumindest die Erfordernisse, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes entwickelt worden sind, sowie die durch Art. 79 Abs. 3 GG auf Bundesebene verfassungsfesten Grundsätze, wie sie in Art. 1 und 20 GG niedergelegt sind. Nur was für den Bund unabdingbare Grundlage der Art und Form seiner politischen Existenz ist, kann und muss er auch seinen Gliedern vorschreiben (Hofmann, Bundesstaatliche Spaltung des Demokratiebegriffs?, in: FS Neumayer, 1985, S. 281, 294).
46c) Zu den auf Bundesebene unabänderbaren Grundsätzen der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" des Grundgesetzes gehört die Volkssouveränität (vgl. BVerfGE 44, 125, 145 und BVerfGE 2, 1, 11 ff.). Entsprechend sind durch Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch für die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern zwingend vorgegeben die Grundentscheidung des Art. 20 Abs. 2 GG für die Volkssouveränität und die daraus folgenden Grundsätze der demokratischen Organisation und Legitimation von Staatsgewalt. Hierzu gehört, dass sich die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden. Entscheidend ist dabei, dass ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation, ein bestimmtes Legitimationsniveau, erreicht wird (vgl. BVerfGE 107, 87 f., BVerfGE 93, 37, 66 ff., BVerfGE 89, 155, 182 und BVerfGE 83, 60, 71 f.).
472. Das erforderliche Legitimationsniveau muss kommunalen Vertretungen wegen Art. 78 Abs. 1 LV NRW und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG im Wege der Volkswahl vermittelt werden. Es wird nur dann erreicht, wenn das Wahlverfahren denselben demokratischen Grundsätzen genügt, wie sie für die Wahlen zum Bundestag und zu den Landesparlamenten gelten (vgl. BVerfGE 83, 37, 53 und 55). Hierbei ist das demokratische Prinzip wirksam zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 99, 1, 13). Dies geschieht in erster Linie durch Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze, ist aber auch bei der Terminierung von Wahlen zu beachten. Wahltermine müssen so gelegt werden, dass das "Ausgehen von Staatsgewalt" vom Volk im Sinne eines hinreichenden Legitimationsniveaus noch konkret erfahrbar und praktisch wirksam ist (vgl. BVerfGE 107, 59, 91). Obwohl der Bund und die Länder diesen Erfordernissen durch sehr unterschiedliche Einzelregelungen entsprechen, lässt eine Gesamtschau auf diese Bestimmungen Rückschlüsse auf eine gemeinsame Verfassungsüberzeugung zu, welche konkreten Mindestanforderungen das Homogenitätsprinzip in Bund und Ländern an das erforderliche demokratische Gewährleistungsniveau stellt (dazu unten a)). Hierzu gehört, dass zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Gremien äußerstenfalls drei Monate liegen dürfen (dazu unten b) und c)).
48a) Im Hinblick auf die durch Art. 28 Abs. 1 GG geforderte Homogenität in Bund und Ländern lassen sich Rückschlüsse auf das erforderliche demokratische Gewährleistungsniveau aus gemeinsamen Verfassungsüberzeugungen ziehen, die übereinstimmend als demokratische Mindestanforderungen bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts beachtet werden müssen. Zwar haben der Bund und die Länderverfassungen von der Berechtigung, Wahlmodalitäten für ihre Parlamente eigenständig auszuformen, mit teilweise erheblicher Variationsbreite Gebrauch gemacht, ohne dass dies für sich genommen bereits auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Teilweise enden die Wahlperioden flexibel in Abhängigkeit von konkreten Wahlterminen, teilweise sind sie auf einen bestimmten Zeitraum von vornherein festgelegt (dazu etwa Klein/Giegerich, Grenzen des Ermessens bei der Bestimmung des Wahltags, AöR 112 (1987), 544, 546 f. u. 553 f.). Trotz aller Regelungsverschiedenheit im Detail schreiben das Grundgesetz und alle Länderverfassungen jedoch übereinstimmend vor, dass das Parlament innerhalb eines eng umrissenen Zeitraums erstmals zusammen treten muss. Sämtlichen einschlägigen Fristvorgaben in den Länderverfassungen und im Grundgesetz liegt nämlich die Überzeugung zugrunde, dass der Zeitraum zwischen der Wahl und der Konstituierung der gewählten Gremien begrenzt sein muss, damit periodische Neuwahlen den notwendigen Verantwortungszusammenhang zwischen dem Volk und seinen Organen begründen können. Dem steht nicht entgegen, dass das in allen Verfassungen enthaltene Zusammentrittsgebot innerhalb kurzer Fristen seinen Ursprung bereits im konstitutionellen Staatsrecht hat und ursprünglich vor allem die Funktion hatte, die zeitliche Kontinuität der Tätigkeit der Volksvertretung zu gewährleisten (vgl. BayVerfGH, VerfGH 27, 119, 131 ff.). Im demokratischen Staat des Grundgesetzes bedarf es eines baldigen Zusammentretens der gewählten Gremien nämlich auch, damit die im Wahlakt neu konstituierte demokratische Legitimation und neu bestimmte Zusammensetzung des Parlaments möglichst unmittelbar verfassungsrechtlich wirksam wird (vgl. Schlussbericht der Enquete- Kommission Verfassungsreform 1976, BT-Drs. 7/5924, S. 37 f.; ähnlich Klein/Giegerich, a.a.O., S. 573).
49b) Als gemeinsame Verfassungsüberzeugung lässt sich den geltenden Verfassungsbestimmungen sowie der Verfassungswirklichkeit das demokratische Grunderfordernis entnehmen, dass zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Volksvertretungen äußerstenfalls drei Monate liegen dürfen. Diese Frist schöpft ausdrücklich nur noch die nordrhein-westfälische Landesverfassung voll aus. Nach dem Vorbild des früheren Art. 39 GG findet in Nordrhein-Westfalen die Neuwahl zum Landtag im letzten Vierteljahr der Wahlperiode statt (Art. 34 Abs. 1 Satz 2 LV NRW). Der Landtag tritt spätestens am 20. Tag nach der Wahl, jedoch nicht vor dem Ende der Wahlperiode des letzten Landtags zusammen (Art. 37 LV NRW). Auch wenn die Regelung ein Zusammentreten des Landtags in einer kurzen Frist von 20 Tagen erklärtermaßen anstrebt, nimmt sie doch äußerstenfalls ein Auseinanderfallen von Wahlen und der Konstituierung des neuen Parlaments um bis zu drei Monate hin. Hierdurch sollte die Ermessensbreite für die Festsetzung des Wahltags vergrößert werden, um etwa auf die allgemeine Urlaubs- und Reisezeit Rücksicht nehmen zu können und die Möglichkeit zu erhöhen, den Wahltag mit anderen Wahlterminen abzustimmen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf für die Verfassungsänderung, LT-Drs. 6/1295).
50Im Verfassungsrecht des Bundes und aller Länder findet sich keine längere Frist. Eine dreimonatige Höchstfrist zwischen Wahl und Konstituierung ist auch in der Staatspraxis der beiden einzigen Länder durchweg eingehalten worden, deren Verfassungen äußerste zeitliche Grenzen nicht ausdrücklich vorgeben. Soweit der Bund und die meisten Länder kürzere Fristen setzen, soll dies Legitimationseinbußen vermeiden, die bundesverfassungsrechtlich im Rahmen des Homogenitätsprinzips noch hinzunehmen wären und die das Grundgesetz bis zu seiner Änderung im Jahr 1976 für den Bundestag selbst hingenommen hat. Erst die Neuregelung des Art. 39 GG verkürzte den maximalen Zeitraum zwischen Wahl und Ende der Wahlperiode auf 30 Tage, weil man das zuvor mögliche und tatsächlich erfolgte Auseinanderfallen der Wahlen zum Bundestag und dem Beginn der neuen Wahlperiode um bis zu drei Monate und eine noch deutlich längere Zeitspanne von einem knappen halben Jahr, in der der Bundestag nicht voll arbeitsfähig war, aus verfassungspolitischen Gründen für problematisch und unerwünscht hielt (Gesetzentwurf, BT-Drs. 7/5307, S. 3 sowie Ausschussbericht BT-Drs. 7/5491, S. 6).
51c) Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild: Der Bundestag und die Landtage von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen treten jeweils spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammen (Art. 39 Abs. 2 GG, Art. 62 Abs. 4 BbgVerf, Art. 28 M-VVerf, Art. 9 Abs. 3 Nds.Verf, Art. 67 Abs. 2 SaarlVerf, Art. 44 Abs. 3 Satz 1 SächsVerf, Art. 45 Abs. 1 Satz 2 VerfLSA, Art. 13 Abs. 4 Satz 1 SchlHVerf, Art. 50 Abs. 3 Satz 2 ThürVerf). In Hamburg findet die erste Sitzung der Bürgerschaft spätestens drei Wochen nach der Wahl statt (Art. 12 Abs. 3 HmbVerf). In Bayern muss der neue Landtag spätestens am 22. Tag nach der Wahl zusammen treten (Art. 16 Abs. 2 BayVerf). In Berlin tritt das Abgeordnetenhaus spätestens sechs Wochen nach der Wahl zusammen (Art. 54 Abs. 5 Satz 2 VvB). Der Zusammentritt des Landtags von Rheinland-Pfalz muss spätestens 60 Tage nach seiner Wahl erfolgen (Art. 83 Abs. 2 Satz 2 Rh-PfVerf). In Hessen und Nordrhein-Westfalen müssen die Landtage 18 Tage (Art. 83 Abs. 2 Satz 1 HessVerf) bzw. 20 Tage (Art. 37 LV NRW) nach der Wahl zusammentreten, jedoch nicht vor dem Ende der starren Wahlperiode des letzten Landtags. In Hessen muss die Wahl vor Ablauf der Wahlperiode stattfinden (Art. 79 HessVerf), in Nordrhein-Westfalen im letzten Vierteljahr der Wahlperiode (Art. 34 Satz 2 LV NRW). In Bremen tritt die Bürgerschaft innerhalb eines Monats nach Ablauf der Wahlperiode der vorhergehenden Bürgerschaft zusammen (Art. 81 BremLVerf); die Neuwahl findet innerhalb des letzten Monats der Wahlperiode statt (Art. 75 Abs. 4 BremLVerf). Die erste Sitzung des baden-württembergischen Landtags muss spätestens am 16. Tag nach Beginn der Wahlperiode stattfinden; einen frühesten Zeitpunkt für die vor Ablauf der Wahlperiode durchzuführende Neuwahl legt die Verfassung allerdings nicht fest (Art. 30 Abs. 2 und 3 LV BW).
52Danach räumen die Verfassungsbestimmungen in Bund und Ländern Höchstfristen für das erste Zusammentreten des Parlaments von zwischen 18 und 60 Tagen nach der Wahl ein, soweit sie wie die meisten Verfassungen derartige Fristen festlegen. Diese Fristen sind außer in Hessen und Nordrhein-Westfalen strikt einzuhalten. Eine vergleichbare zwingende Frist von insgesamt zwei Monaten ergibt sich auch in Bremen zwischen dem frühestmöglichen Wahltag und dem spätesten Termin für die Konstituierung der neuen Bürgerschaft. In Nordrhein-Westfalen und Hessen verlängern sich vom Wahltag an bemessene Fristen bis zum Ende der Wahlperiode, wenn die Neuwahl länger als die Dauer der Frist vor Ablauf der Wahlzeit stattgefunden hat. Um gleichwohl äußerste Grenzen zu setzen, müssen in Nordrhein-Westfalen Neuwahlen im letzten Vierteljahr der Wahlperiode stattfinden. Da ihr Ende festgelegt ist, ergibt sich hieraus eine maximale Dauer zwischen Wahl und Konstituierung des Landtags von drei Monaten. Nur in Baden-Württemberg und Hessen ist weder eine strikte Höchstfrist zwischen Wahltag und Konstituierung noch der früheste Zeitpunkt für Neuwahlen festgelegt. Gleichwohl lagen auch in diesen beiden Ländern zwischen den Wahlen und dem ersten Zusammentreten der jeweiligen Landtage ausnahmslos Zeiträume von weniger als drei Monaten (vgl. für die Zeit bis 1987 die Aufstellung bei Klein/Giegerich, a.a.O., 558 f., für die Zeit danach siehe die Zusammenstellung der Wahltermine der jeweiligen statistischen Landesämter im Internet unter http://www.statistik- hessen.de/themenauswahl/wahlen/index.html sowie http://www.statistik.baden- wuerttemberg.de/Wahlen/Landesdaten/).
53II. Aus den Erwägungen zu I. ergibt sich als demokratischer Grundsatz, dass zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Gremien äußerstenfalls drei Monate liegen dürfen. Diesen Anforderungen trägt Art. 12 Satz 1 KWahlZG bezogen auf das Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 3 KWahlZG schon für die Neuwahl zur am 21. Oktober 2009 beginnenden Kommunalwahlperiode nicht hinreichend Rechnung.
541. Dadurch, dass Art. 12 Satz 1 KWahlZG die Vorgaben über den Wahltermin in Art. 1 Nr. 3 KWahlZG schon für die Neuwahl zur am 21. Oktober 2009 beginnenden Kommunalwahlperiode in Kraft gesetzt hat, ergibt sich ein Zeitraum zwischen den mittlerweile auf den 7. Juni 2009 terminierten allgemeinen Kommunalwahlen und der Konstituierung der neu gewählten Gremien von voraussichtlich mindestens vier Monaten und 13 Tagen. Dieser Zeitraum kann sich auf über fünf Monate verlängern, wenn die neugewählten Vertretungen nicht unmittelbar nach Ablauf der laufenden Wahlperiode zusammentreten, sondern die hierfür gewährte Frist von bis zu drei Wochen nach Beginn der Wahlzeit (Art. 2 Nr. 3 KWahlZG) ganz oder teilweise ausschöpfen und die bisherigen Ratsmitglieder in dieser Zeit ihr Mandat gemäß § 42 Abs. 2 GO NRW weiter ausüben. In jedem Fall wird ein einzuhaltender Zeitraum von höchstens drei Monaten zwischen Wahl und Konstituierung der neuen Vertretungen deutlich überschritten.
552. Die Überschreitung dieses äußersten Zeitraumes von drei Monaten kann auch nicht deshalb hingenommen werden, weil es sich um einen einmaligen Vorgang handelt, der nur für die Kommunalwahl des Jahres 2009 und auch nur deshalb eintreten würde, weil der Gesetzgeber die dauerhafte Zusammenlegung der Kommunalwahl mit der Europawahl bezweckt.
56Dabei kann dahinstehen, ob das aus den Erwägungen zu I. abgeleitete Erfordernis von so hohem Verfassungsrang ist, dass sich dessen Durchbrechung überhaupt rechtfertigen lässt; jedenfalls ließe sich eine auch nur einmalige Durchbrechung nur dann rechtfertigen, wenn hierfür ausnahmsweise gewichtigere Belange von Verfassungsrang oder zumindest sonstige "zwingende" Gründe des Gemeinwohls angeführt werden könnten, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das dem Gebot der alsbaldigen Konstituierung der gewählten Vertretung die Waage halten kann (vgl. StGH Baden-Württemberg, ESVGH 24, 155, 158 f. zu Neugliederungen von Gebietskörperschaften; siehe auch zu den Anforderungen an die Rechtfertigung von Differenzierungen im Wahlsystem BVerfG, DVBl. 2008, 1045, 1046). Das gilt unabhängig davon, ob das Demokratieprinzip als Optimierungsgebot verstanden wird oder nur einen verfassungsrechtlichen Rahmen vorgibt.
57Die einmalige Überschreitung des verfassungsrechtlich gebotenen Dreimonatszeitraums verstößt bereits deshalb gegen die Verfassung, weil das Ziel des Gesetzgebers, die allgemeinen Kommunalwahlen dauerhaft mit den Europawahlen zusammenzulegen, auch auf anderem, verfassungsrechtlich unbedenklichem Wege erreichbar ist.
58Dabei ist das Ziel der Zusammenlegung der Wahlen legitim. Da mit ihm die Erhöhung der Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen angestrebt wird, kann ihm wegen der gewünschten Stärkung demokratischer Legitimation auch Verfassungsrang beigemessen werden. Der Gesetzgeber ist auch grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er ein solches Ziel anstreben und auf welchem Wege er es umsetzen will. Bieten sich zur Erreichung des Ziels indessen mehrere Wege an, von denen einer Verfassungsgrundsätze verletzt, ein anderer indessen nicht, so überschreitet der Gesetzgeber die ihm durch die Verfassung gezogenen Grenzen, wenn er sich für den erstgenannten Weg entscheidet.
59So ist es hier. Der Gesetzgeber hätte sein Ziel, Kommunalwahlen und Europawahlen zusammenzulegen, auf verfassungsrechtlich unbedenkliche Weise erreichen können. Mit der Verkürzung der nächsten Wahlperiode und der Zusammenlegung der Wahlen ab dem Jahr 2014 würden die verfassungsrechtlichen Bedenken entfallen. Allein der Wunsch des Gesetzgebers, die mit der Zusammenlegung der Wahltermine angestrebten Ziele bereits im Jahr 2009 vor allem mit Rücksicht auf die in diesem Jahr zusätzlich anstehende Bundestagswahl zu verwirklichen, rechtfertigt hingegen nicht, die Überschreitung des verfassungsrechtlich gebotenen Zeitraumes hinzunehmen. Die vom Gesetzgeber ferner angeführten Gründe für die Zusammenlegung der Wahltermine bereits 2009 sind nicht hinreichend gewichtig, um eine einmalige Ausnahme von dem demokratischen Grundsatz zu rechtfertigen, dass zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Gremien äußerstenfalls drei Monate liegen dürfen. Das gilt selbst unter Berücksichtigung eines dem Gesetzgeber in Übergangsfällen etwa zuzubilligenden größeren Gestaltungsspielraums sowohl für die Erhöhung der Wahlbeteiligung als auch für das Einsparpotential.
60D.
61Gemäß § 54 Abs. 4 VerfGHG ist die Anordnung gerechtfertigt, dass den Antragstellern die notwendigen Auslagen zu erstatten sind. Sie haben durch ihren Antrag zur Klärung einer wesentlichen verfassungsrechtlichen Frage beigetragen. Sie können nicht wie Landtag und Landesregierung die für die Führung des Rechtsstreits erforderlichen Aufwendungen aus Mitteln öffentlicher Haushalte bestreiten.
62