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Die Beschwerden der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Köln vom 27.09.2021 werden zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. G Q aus Kerpen wird abgelehnt.
Gründe:
2Die Antragstellerin begehrt laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
3Die am 00.00.1969 geborene Antragstellerin ist rumänische Staatsangehörige. Sie lebte seit Ende November 2017 in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: Deutschland); im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners.
4Ab dem 06.03.2018 bis zum 15.09.2019 war sie auf Grundlage aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge sozialversicherungspflichtig bei der Firma Q1 Dienstleistung GmbH & Co. KG als Reinigungshilfe beschäftigt. Im Oktober 2019 arbeitete die Antragstellerin vier Stunden für diese Firma, in den Monaten Dezember 2019 und Januar 2020 wieder in sozialversicherungspflichtigem Umfang. Für die Zeit ab dem 10.02.2020 wurde ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen, zunächst bis Juni 2020 befristet. Arbeitgeberseitig wurde das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen zum 16.09.2020 gekündigt.
5Im Anschluss hielt sich die Antragstellerin zunächst in Rumänien bei ihrem Sohn auf und reiste am 17.01.2021 wieder nach Deutschland ein.
6Sie wohnte zunächst bei ihrer Schwester in der M-Straße 30 in Erftstadt, ab dem 13.09.2021 wohnt sie in der C-Straße 67.
7Am 11.06.2021 legte die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten unter Bezugnahme auf einen Leistungsantrag Unterlagen zur Beschäftigung bei der Fa. Q1 Dienstleistung GmbH & Co. KG vor. Im Rahmen des sich anschließenden Antragsverwaltungsverfahrens forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zur Mitwirkung auf, der die Antragstellerin nachzukommen suchte.
8Am 27.08.2021 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Köln (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
9Die Antragstellerin könne nicht ohne Einkommen leben.
10Sie hat beantragt,
11den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ab Eingang des Antrags vom 11.06.2021 SGB II-Leistungen nach Maßgabe des Gesetzes zu gewähren,
12hilfsweise,
13den Antragsgegner zu verpflichten, über den Antrag vom 11.06.2021 eine Entscheidung herbeizuführen.
14Der Antragsgegner hat beantragt,
15den Antrag abzulehnen.
16Eine Hilfebedürftigkeit könne nicht einmal im Ansatz geprüft werden. Es sei nicht dargelegt worden, weshalb das Arbeitsverhältnis bei der Fa. Q1 im April 2020 offenbar beendet worden sei. Offen sei, wovon die Antragstellerin seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Fa. Q1 gelebt habe.
17Die Antragstellerin hat diverse Unterlagen vorgelegt, bzgl. derer auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird.
18Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 27.09.2021 abgelehnt. Es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin habe die vom Antragsgegner angeforderten Unterlagen nach wie vor nicht vollständig vorgelegt bzw. die erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben, um eine zeitnahe Prüfung ihres Leistungsanspruches zu ermöglichen. Der Antragsgegner sei offensichtlich zu einer zeitnahen Prüfung bereit. Mit weiterem Beschluss vom selben Tage hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt.
19Gegen die folgende Leistungsversagung des Antragsgegners (Bescheid vom 04.10.2021; Widerspruchsbescheid vom 28.10.2021) hat die Antragstellerin eine weiterhin rechtshängige Klage beim SG erhoben (S 40 AS 3658/21).
20Gegen die ihr am Tag der Beschlussfassung zugestellten Beschlüsse vom 27.09.2021 hat die Antragstellerin am 14.10.2021 Beschwerde eingelegt.
21Sie ist der Ansicht, sie habe die Leistungsvoraussetzungen nachgewiesen und unterliege keinem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Sie verfüge nach mehr als einjähriger Beschäftigung über ein Aufenthaltsrecht infolge ihrer Arbeitnehmereigenschaft (§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern <FreizügG/EU>). Es werde verkannt, dass sie mehr oder weniger zweieinhalb Jahre durchgearbeitet habe. Dann habe sie eine Auszeit für sich benötigt, die dem Aufenthaltsrecht nicht entgegenstehe. Die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit liege aufgrund fristgerechter Kündigung vor. Das LSG Baden-Württemberg habe entschieden, dass die Unfreiwilligkeit nicht durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) bestätigt sein müsse (Beschluss vom 07.08.2020, L 7 AS 1376/20 ER-B).
22Die Antragstellerin beantragt,
231. ihr unter Abänderung des Beschlusses des SG Köln vom 27.09.2021 ab Eingang des Antrages bei Gericht SGB II-Leistungen nach Maßgabe des Gesetzes zu gewähren,
242. ihr unter Abänderung des Beschlusses des SG Köln vom 27.09.2021 Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren und
253. ihr Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren.
26Der Antragsgegner beantragt,
27die Beschwerde zurückzuweisen.
28Es fehlten Kontoauszüge für die Zeit ab März 2021. Weiterer Aufklärungsbedarf bestehe hinsichtlich der etwaigen Unfreiwilligkeit des früheren Arbeitsverhältnisses. Es fehle an einer Bestätigung der Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit durch die BA. Außerdem bestünden Unklarheiten bzgl. der Kosten der Unterkunft und der Hilfebedürftigkeit.
29Die Antragstellerin hat diverse Unterlagen, u.a. zwei eidesstattliche Versicherungen vorgelegt. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird wie auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Bezug genommen wird zudem auf die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners.
30II.
31Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des SG Köln vom 27.09.2021 haben keinen Erfolg.
32A.
33Die Beschwerden sind statthaft (§§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) und auch im Übrigen zulässig.
34Das Begehren des einstweiligen Rechtsschutzes ist, zuletzt für die Zeit ab Eilantragstellung, zukunftsoffen auf die Gewährung laufender Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gerichtet. Alleine der Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 von 446 € (§ 8 Nr. 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ab dem Jahr 2021 <RBEG vom 09.12.2020>) übersteigt bereits nach zwei Monaten den maßgeblichen Beschwerdewert (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 2 lit. b, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das SG allein wegen des Fehlens hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt, so dass § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. a SGG nicht zum Tragen kommt. Die Antragstellerin hat die Beschwerden auch fristgerecht eingelegt (§ 173 S. 1 SGG).
35B.
36Die Beschwerden sind aber unbegründet.
37Das SG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen.
381. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R und Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, jeweils juris).
392. Nach diesen Maßgaben ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches abzulehnen.
40a) Die Antragstellerin hat im streitigen Zeitraum ab 27.08.2021 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II.
41Das für die Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebliche SGB II bestimmt in § 7 Abs. 1 SGB II die nach diesem Gesetz Leistungsberechtigten. Die Grundvoraussetzungen sind nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II neben der hier unproblematischen Einhaltung von Altersgrenzen (Nr. 1 i.V.m. § 7a SGB II) und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet (Nr. 4) die Erwerbsfähigkeit (Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II) und Hilfebedürftigkeit (Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II).
42aa) Während an der Einhaltung der Altersgrenzen, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthaltes der Antragstellerin in Deutschland kein Anlass zu Zweifeln besteht, können die Hilfebedürftigkeit betreffende Zweifel letztlich dahinstehen. Diese Zweifel ergeben sich, weil unverständlich bleibt, wovon die Antragstellerin seit Ende ihrer Beschäftigung im September 2020 und dem Zeitpunkt der Antragstellung beim Antragsgegner im Juni 2021 bzw. seither gelebt hat. Nicht nachvollziehbar wird, wie sie ohne eigene Mittel bei ihrer Schwester ausziehen und im September 2021 eine Wohnung anmieten konnte, wobei neben einer Miete von 350 € monatlich eine Kaution von 700 € zu zahlen war. Die Erklärungen der Antragstellerin hierzu sind vage geblieben. Sie hat eidesstattlich versichert, seit Beendigung ihrer Beschäftigung Mitte September 2020 habe sie, während des Aufenthaltes in Rumänien bei ihrem Sohn, kaum Ausgaben gehabt. Nach ihrer Rückkehr im Januar 2021 sei sie durch ihre Schwestern mit Lebensmitteln und Geld unterstützt worden. Soweit sie angefügt hat, sie müsse das Geld zurückzahlen, fehlt dem jede Substantiierung, zumal im Falle einer darlehensweisen Unterstützung unverständlich bleibt, weshalb die Antragstellerin erst ein halbes Jahr nach ihrer Rückkehr nach Deutschland SGB II-Leistungen beantragt hat. An den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit einer lediglich darlehensweisen Unterstützung unter Verwandten sind demgegenüber strenge Anforderungen zu stellen, um eine Darlehensgewährung eindeutig von einer Schenkung oder freiwilligen Unterhaltsleistungen abgrenzen zu können (BSG Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R, Rn. 21f., juris). Zuvor hatte die Antragstellerin vortragen lassen, sie habe von Zuwendungen ihrer Verwandten und Bekannten im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners gelebt.
43Auch die Umstände um die Anmietung und den Bezug einer eigenen Wohnung lassen den Erhalt der erforderlichen Hilfe von anderen (§ 9 Abs. 1 SGB II), etwa dem Vermieter der Antragstellerin, nicht fern liegen. Dieser trat im Rahmen der Antragstellung als „Integrationshelfer“ auf, nahm die Post der Antragstellerin c/o entgegen und vermietete ihr schließlich trotz fehlender Einkünfte eine Wohnung unter seiner eigenen Anschrift. Ungewöhnlich mutet in diesem Zusammenhang auch an, dass ein schriftlicher Mietvertrag erst nachträglich verfasst worden ist. Während die Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 22.11.2021 andere Nachnamen der sie unterstützenden Schwestern angegeben hat, erklärt ihr Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom selben Tag, die Antragstellerin sei durch ihre Schwester mit dem Nachnamen „G1“ unterstützt worden. Diesen Nachnamen trägt auch der Vermieter der Antragstellerin.
44bb) Die Antragstellerin unterliegt jedenfalls einem Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Hiernach sind Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (lit. a) oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (lit. b – vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU) von der Leistungsgewährung ausgenommen. Mit der Ausnahme knüpft der deutsche Gesetzgeber an den Spielraum, den der europäische Gesetzgeber in Art. 24 Abs. 2, 14 Abs. 4 lit. b Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2014 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL 2004/38/EG - sog. Freizügigkeitsrichtlinie), vorsieht. Auf der Ebene des Europarechts sind Fragen des Ausschlusses von Unionsbürgern von (deutschen) Grundsicherungsleistungen durch den EuGH bereits – für die nationalen Gerichte bindend – geklärt. In den Rechtssachen Dano (EuGH Urteil vom 11.11.2014, C-333/13), Alimanovic (EuGH Urteil vom 15.09.2015, C-67/14) und García-Nieto (EuGH Urteil vom 25.02.2016, C-67/14, sämtlich in juris) erklärte der EuGH die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II für europarechtskonform.
45Die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung erfordert eine Prüfung des Grundes bzw. der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum bestehende Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, welches die Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern in nationales Recht umsetzt, oder eines Aufenthaltsrechts nach den gemäß § 11 Abs. 14 FreizügG/EU im Wege eines Günstigkeitsvergleichs anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Das Vorliegen der Voraussetzungen für ein anderes materiell bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem Zweck der Arbeitsuche hindert den Leistungsausschluss (vgl. z.B. BSG Urteile vom 03.12.2015, B 4 AS 43/15 R und vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, sämtlich in juris).
46Da die Antragstellerin als rumänische Staatsangehörige (europäische) Ausländerin ist und jedenfalls über kein anderes Aufenthaltsrecht als zum Zwecke der Arbeitsuche verfügt, wird sie indes vom Leistungsausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfasst.
47Die seit Mitte September 2020 nicht mehr erwerbstätige Antragstellerin verfügt insbesondere nicht über das allein in Betracht zu ziehende Aufenthaltsrecht aus fortwirkender/fiktiver Arbeitnehmerschaft i.S.d. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 FreizügG/EU. Hiernach bleibt das Aufenthaltsrecht für Arbeitnehmer bei unfreiwilliger durch die Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit unberührt. Mit der Norm wird Art. 7 Abs. 3 lit. b RL 2004/38/EG in nationales Recht umgesetzt, nach dem die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer nicht mehr ausübt, erhalten bleibt, wenn er sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt.
48Zwar war die sozialversicherungspflichtige Tätigkeit der Antragstellerin bei der Fa. Q1 mit regelmäßig 20 Wochenstunden und einer zeitweise über dem Mindestlohn liegenden Vergütung zweifelsfrei geeignet, ihre Arbeitnehmereigenschaft i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU zu begründen (vgl. zu den Anforderungen zuletzt: Beschluss des Senates vom 08.11.2021, L 12 AS 1284/21 B ER, Urteil des Senates vom 06.10.2021, L 12 AS 1004/20, zur Veröffentlichung bei juris vorgesehen). Auch sind die kürzeren Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses im Gesamtzeitraum vom 06.03.2018 bis 16.09.2020 unschädlich (eingehend: BSG Urteil vom 13.07.2017, B 4 AS 17/16 R, Rn. 22ff. m.w.N., juris; Tewocht in BeckOK, Ausländerrecht, 10/2021, § 2 FreizügG/EU Rn. 52; Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 7 Rn. 106).
49Jedoch fehlt es an einer durch die BA bestätigte unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG erstreckt sich eine zur Anspruchsbegründung erforderliche Bestätigung der Arbeitslosigkeit auf deren Unfreiwilligkeit (BSG a.a.O. Rn. 34; ferner: LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 20.10.2021, L 8 SO 157/21 B ER, Rn. 14, juris; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 25.05.2021, L 2 AS 225/21 B ER, Rn. 42f., juris; Tewocht in BeckOK, Ausländerrecht, 10/2021, § 2 FreizügG/EU Rn. 51; Brinkmann in Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Auflage 2021, § 2 FreizügG/EU Rn. 50; Oberhäuser in Hofmann, NK-AuslR, 2. Auflage 2016, § 2 FreizügG/EU Rn. 36; a A. LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 07.08.2020, L 7 AS 1376/20 ER-B, Rn. 23, juris).
50An der Tatbestandvoraussetzung fehlte es aber selbst dann, wenn man die Notwendigkeit der Bestätigung nicht auf die Unfreiwilligkeit erstreckte. Es liegt auch keine Bestätigung der Arbeitslosigkeit der BA vor. Vielmehr hat die BA den Antrag auf Arbeitslosengeld I mit Bescheid vom 16.06.2021 mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin sei nicht erreichbar gewesen und damit nicht arbeitslos (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung <SGB III>). Aber auch, wenn man berücksichtigt, dass die Antragstellerin sich gegen die Ablehnung der BA im Klageverfahren befindet, und man bis zur Endgültigkeit einer die Arbeitslosigkeit negierenden Entscheidung der BA oder einer Entscheidung der Ausländerbehörde die Bestätigung der Arbeitslosigkeit durch die BA für entbehrlich hielte (LSG Baden-Württemberg a.a.O.), fehlt es jedenfalls an der Glaubhaftmachung sowohl der Arbeitslosigkeit (2) als auch der Unfreiwilligkeit (1) derselben.
51(1) Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit liegt vor, wenn diese unabhängig von dem Willen des Antragstellers bzw. nicht aus einem in seinem Verhalten liegenden Grund eingetreten oder durch einen legitimen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner Seite gerechtfertigt ist (vgl. LSG NRW Beschluss vom 17.03.2016, L 19 AS 390/16 B ER, Rn. 23, juris; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 11.11.2014, L 8 SO 306/14 B ER, Rn. 22, juris; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 2 FreizügG/EU Rn. 123; Brinkmann in Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Auflage 2021, § 2 FreizügG/EU Rn. 50) bzw. wenn der Arbeitnehmer die Gründe, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung/Aufhebungsvertrag) geführt haben, nicht zu vertreten hat (vgl. Ziffer 2.3.1.2 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU <AVV FreizügG/EU>). Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses allein steht der Annahme einer Unfreiwilligkeit danach nicht entgegen (vgl. EuGH Urteil vom 11.04.2019, C-483/17, Rn. 48, juris – Rs Tarola).
52Die Antragstellerin hat, trotz mehrfachen Hinweises, keine substantiierten Angaben zu den Umständen des Arbeitsplatzverlustes im September 2020 gemacht. Die Ansicht, die Unfreiwilligkeit ergebe sich allein aus der fristgerechten Kündigung des Arbeitgebers, gibt keinen Aufschluss über die Frage der Unfreiwilligkeit des Arbeitsplatzverlustes. Nachdem das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin zuletzt bis Ende Juni 2020 befristet worden war, ist es offenbar bis 16.09.2020 fortgesetzt worden. Der für diesen Zeitpunkt ausgesprochenen Kündigung vom 31.08.2020 lassen sich ebenso wenig Gründe entnehmen wie der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin vom 08.11.2021. Die Angaben der Antragstellerin in ihrer weiteren eidesstattlichen Versicherung vom 22.11.2021 reichen zur Glaubhaftmachung der Unfreiwilligkeit nicht aus, soweit sie darin lediglich angegeben hat, ihre Vorgesetzte sei verstorben und der Nachfolger habe ihr streckenweise kalendertäglich zwei durchzuführende Arbeiten zugewiesen, aber nur eine bezahlt und alsdann das Arbeitsverhältnis fristgerecht gekündigt.
53(2) Es fehlt zudem an der Glaubhaftmachung der Arbeitslosigkeit. Der Begriff der Arbeitslosigkeit in § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU knüpft an den im SGB III näher definierten Begriff an (so auch Ziffer 2.3.1.2 AVV FreizügG/EU). Das folgt entsprechend der Systematik des nationalen Rechts daraus, dass es auf die Feststellungen der zuständigen Agentur für Arbeit ankommt und für diese mangels speziellerer Regelungen vorrangig das SGB III und die dort enthaltene Definition der Arbeitslosigkeit die maßgebliche und einschlägige gesetzliche Regelung darstellt (LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 28.10.2015, L 29 AS 2344/15 B ER, Rn. 46, juris). Gemäß § 138 Abs. 1 SGB III ist Voraussetzung der Arbeitslosigkeit neben der Beschäftigungslosigkeit (Nr. 1) und der Verfügbarkeit (Nr. 3) das Bemühen, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 2).
54Der Rückgriff auf die Bestimmung des Begriffes der Arbeitslosigkeit im SGB III steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 3 lit. b RL 2004/38/EG, durch die zwischenzeitlich einerseits geklärt ist, dass § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU keine zeitliche Beschränkung des fortwirkenden Arbeitnehmerstatus erfährt (offenlassend noch: BSG Urteil vom 13.07.2017, B 4 AS 17/16 R, Rn. 33, juris; zur Entwicklung: Hessischer VGH Beschluss vom 16.04.2021, 9 A 2282/19, Rn. 34-36, juris), andererseits materielle Voraussetzung bleibt, dass sich der EU-Ausländer dem Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat uneingeschränkt zur Verfügung stellt. Die Fiktion der Erwerbstätigeneigenschaft entfällt, wenn der Unionsbürger nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaates fähig ist und hierfür zur Verfügung steht (EuGH Urteil vom 11.04.2019, C-483/17, Rn. 27, 40, 44, 52, 54, 48, juris – Rs. Tarola; ferner Urteil vom 13.09.2018, C-618/16, Rn. 37, juris – Rs. Prefeta; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 2 FreizügG/EU Rn. 110, 127). Die Möglichkeit für einen Unionsbürger, die Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft zu behalten, ist insofern an den Nachweis im konkreten Einzelfall gebunden, dass er dem Arbeitsmarkt des Aufnahmestaates zur Verfügung steht. Dabei muss er sich nicht nur der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellen, sondern auch die notwendigen Eigenbemühungen vornehmen, um eine Arbeitsstelle zu finden. Darüber hinaus muss der Unionsbürger binnen angemessener Frist zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und damit zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit fähig sein (Hessischer VGH Beschluss vom 16.04.2021, 9 A 2282/19, Rn. 38 <zur angemessenen Fristbestimmung Rn. 40f.>, juris; Sächsisches LSG Beschluss vom 12.07.2021, L 7 AS 651/21 B ER, Rn. 36, juris; Dienelt a.a.O. Rn. 135; vgl. auch EuGH Urteil vom 19.06.2014, C-507/12, Rn. 42, juris – Rs. Saint Prix).
55Nach diesen Maßstäben wäre die Fiktion der Arbeitnehmereigenschaft im Falle der Antragstellerin erloschen. Nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ist sie in ihr Heimatland zurückgekehrt und erst vier Monate später wieder nach Deutschland eingereist. Dabei gibt sie an, sie habe, nachdem sie mehr oder weniger zweieinhalb Jahre durchgearbeitet habe, eine Auszeit für sich benötigt. Selbst für die Zeit ab ihrer Rückkehr nach Deutschland Mitte Januar 2021 fehlen Vortrag und Anhaltspunkte dafür, dass sich die Antragstellerin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hätte. Kontakt mit der BA hat die Antragstellerin erst Ende März 2021 zum Erhalt von Arbeitslosengeld I aufgenommen. Eigenbemühungen der Antragstellerin zur Reintegration in den Arbeitsmarkt sind nicht ersichtlich. Der Vortrag allein, die Antragstellerin würde sofort arbeiten, wenn sie eine Arbeitsstelle fände, reicht ersichtlich nicht aus, um eine Arbeitslosigkeit im dargelegten Sinne glaubhaft zu machen. Selbst wenn die Antragstellerin sich zwischenzeitlich der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellte und notwendige Eigenbemühungen unternähme, änderte dies nichts daran, dass die Fortwirkungen ihrer Erwerbstätigeneigenschaft mit ihrer „Auszeit“ untergegangen ist und ein auf einer Arbeitnehmerschaft beruhendes Aufenthaltsrecht hiernach neu erworben werden müsste.
56b) Für die Antragstellerin ergibt sich auch kein Anspruch auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach §§ 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 19 Abs. 1 i.V.m. 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII). Sie unterliegt insoweit dem § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entsprechenden Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII in der seit dem 29.12.2016 gültigen Fassung (vgl. Groth in BeckOK, SGB XII, 09/2021, § 23 Rn. 16g; zur alten Rechtslage hingegen: BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, juris Rn. 44ff; BSG Urteil vom 23.02.2017, B 4 AS 7/16 R, juris Rn. 27ff.). In Bezug auf dessen Europarechtskonformität sind die Entscheidungen des EuGH zu § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (EuGH Urteil vom 11.11.2014, C-333/13, juris - Rs. Dano; EuGH Urteil vom 15.09.2015, C-67/14, juris - Rs. Alimanovic) übertragbar. Auch insoweit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG (hier nicht durch Art. 4 VO 883/2004 flankiert) gem. § 24 Abs. 2 RL 2004/38/EU einschränkbar (vgl. BSG Urteil vom 09.08.2018, B 14 AS 32/17 R, juris Rn. 33; Groth, a.a.O. Rn. 16j; Brall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, Art. 3 VO 883/2004/EG Rn. 77).
57c) Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 bis 6 SGB XII werden von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin nicht geltend gemacht.
58Der Senat hält an der Auffassung fest, dass derartige Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 bis 6 SGB XII als „aliud“ regelmäßig einen eigenständigen, nicht einbezogenen Streitgegenstand im Verhältnis zu einem Anspruch auf laufende Grundsicherungsleistungen zum Lebensunterhalt darstellen (Senatsbeschluss vom 21.06.2017, L 12 AS 807/17 B ER, Rn. 29, juris; so auch: LSG NRW Urteil vom 19.11.2020, L 19 AS 1204/20, Rn. 61, juris; LSG NRW Beschluss vom 31.08.2017, L 20 SO 319/17 B ER, Rn. 50, juris; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 26.05.2017, L 15 AS 62/17 B ER, Rn. 21, juris; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, 07/2021, § 23 Rn. 86; Deckers in Grube/Wahrendorf/Flint, 7. Auflage 2020, SGB XII § 23 Rn. 70; Birk in LPK-SGB XII, 12. Auflage 2020, § 23 Rn. 38; in Bezug auf den Streitgegenstand anders: LSG NRW Beschluss vom 28.01.2018, L 7 AS 2299/17 B, Rn. 15, juris; möglicherweise auch: BSG Urteil vom 27.01.2021, B 14 AS 25/20 R, Rn. 36, juris, allerdings unter Bezugnahme auf Hessisches LSG Beschluss vom 21.08.2019, L 7 AS 285/19 B ER, Rn. 51, juris) und es überdies einer – vorliegend nicht ersichtlichen – Ausreisebereitschaft bedürfte (Bayerisches LSG Beschluss vom 24.04.2017, L 8 SO 77/17 B ER, Rn. 44, juris; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 07.11.2019, L 7 SO 934/19, Rn. 49, juris; vgl. BR-Drs. 587/16, S. 8; a. A. Hessisches LSG Urteil vom 01.07.2020, L 4 SO 120/18, Rn. 65, juris; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 11.07.2019, L 15 SO 181/18, Rn. 61, juris).
59Der Senat erkennt in dem vollständigen Ausschluss von laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt zuletzt auch keinen Verfassungsverstoß (zu alledem ausführlich: Urteil des Senates vom 06.10.2021, L 12 AS 1004/20, zur Veröffentlichung vorgesehen; zum fehlenden Verfassungsverstoß ferner: Senatsbeschluss vom 21.06.2017, L 12 AS 807/17 B ER, Rn. 30f., juris; LSG NRW Beschluss vom 16.03.2017, L 19 AS 190/17 B ER, Rn. 43ff., juris; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 07.11.2019, L 7 SO 934/19, Rn. 50, juris; Bayerisches LSG Beschluss vom 24.04.2017, L 8 SO 77/17 B ER, Rn. 36, juris; a. A. SG Darmstadt Beschluss vom 14.01.2020, S 17 SO 191/19 ER, Rn. 598ff. m.w.N., juris; Siefert in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 23 Rn. 99).
60Deshalb bedarf es keiner Beiladung des SGB XII-Trägers nach § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG.
61C.
62Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das SG ist ebenso unbegründet wie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind mangels Erfolgsaussicht abzulehnen; § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO. Auf die Ausführungen unter B. wird verwiesen.
63D.
64Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
65Der Beschluss ist gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.