Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10.10.2018 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.5.2014 bis 31.10.2014, insbesondere für die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts, welches er mit seinen im Ausland wohnenden Kindern ausübt.
3Der am 00.00.1967 geborene Kläger ist Vater von S (geb. 00.00.2008) und T (geb. 00.00.2010), welche bei der Mutter in Polen leben, ferner Vater des aus einer anderen Beziehung stammenden Sohnes U (geb. 00.00.1997), welcher wie der Kläger in Münster lebt.
4Der Kläger lernte nach den Feststellungen in dem familiengerichtlichen Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 5.3.2013 (39 F 41/13) seine Frau über das Internet kennen und heiratete diese am 17.2.2007. Diese hatte ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis in einem polnischen staatlichen Ingenieurbüro; ihr Erziehungsurlaub endete im Sommer 2013. Nach den Ausführungen des Familiengerichtes bestand zur Zeit der Geburt des Kindes S die Vereinbarung, dass man nach fünf Jahren in Deutschland gemeinsam nach Polen ziehe. In der Folgezeit kam es zu erheblichen Spannungen, die Kindesmutter hielt sich immer wieder für lange Zeit in Polen auf, so etwa das gesamte Jahr 2010 (in welchem die Tochter T geboren wurde). Im Juni 2011 kam es zur Trennung.
5Im September 2013 trafen der Kläger und seine Frau eine Vereinbarung über einen begleiteten Umgang des Klägers mit den Kindern in den Räumen der Diakonie. Zu diesem Zeitpunkt war bereits absehbar, dass die Frau des Klägers nach Polen ausreisen würde, denn in dem Beschluss heißt es: „Die Kindeseltern sind sich darüber einig, dass die begleiteten Kontakte solange stattfinden sollen, mindestens vier Mal, solange die Kindesmutter sich noch mit den Kindern in Deutschland aufhält.“ Nach einem Bericht des Kommunalen Sozialdienstes plante sie sodann ohne Kenntnis des Klägers die Abreise nach Polen für den 10.10.2013.
6Am 5.6.2014 erging in Polen ein familiengerichtlicher Beschluss, mit welchem bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens festgestellt wurde, dass der Kläger das Recht habe, Umgangskontakte mit seinen beiden Kindern jeden zweiten und vierten Samstag des Monats für zwei Stunden in Anwesenheit der Mutter der Kinder sowie eines Umgangspflegers auszuüben, wobei der Kläger verpflichtet wurde, eine individuelle Therapie und eine gemeinsame psychologische Therapie mit der Kindesmutter aufzunehmen und die mit der Anwesenheit des Umgangspflegers verbundenen Kosten zu tragen. Am 1.8.2014 fand ein familiengerichtliche Hauptsachetermin in Polen statt. Die Beteiligten des dortigen Verfahrens schlossen einen Vergleich, nach welchem der Kläger das Recht hatte, sich mit den Kindern an jedem zweiten und vierten Samstag an einem öffentlichen Ort in Anwesenheit der Kindesmutter zu treffen. Vom 1.8.2014 bis zum 31.10.2014 sollte noch der sogenannte „Kurator“ dabei sein. Das Umgangsrecht bestand zunächst für zwei Stunden ab dem 1.11.2014 ohne Anwesenheit des Kurators für drei Stunden und ab dem 1.2.2015 ohne Anwesenheit des Kurators für vier Stunden. Der Kläger verpflichtete sich in diesem Vergleich, die Kosten im Zusammenhang mit der Anwesenheit des Kurators zu decken sowie eine individuelle psychologische Therapie betreffend die Beziehung zwischen den Kindern und ihm sowie die Zusammenarbeit der Eltern im Bereich der Kontakte aufzunehmen.
7Nach der Trennung von seiner Frau im Sommer 2011 und deren Abreise mit den Kindern nach Polen ist der Kläger nach seinen Angaben zu seiner Mutter gezogen und lebt in deren Haushalt in Münster. Nach Angaben des Klägers lebt seine Mutter zwar grundsätzlich in Deutschland, halte sich aber insbesondere in den Sommermonaten, aber auch über Weihnachten, bei seinen Schwestern in Polen auf; dies eher für Monate als für Wochen. Die Schwestern des Klägers und seine Mutter leben in derselben Gegend, in der auch die ‑ inzwischen geschiedene – Frau und die Kinder leben.
8In dem streitgegenständlichen Zeitraum lebte in den Monaten Juni bis Juli 2014 nach einem Streit mit seiner Mutter der zu diesem Zeitpunkt fast 17-jährige Sohn U im Haushalt des Klägers. Nach Rückkehr in den Haushalt seiner Mutter ist er zu der Familie des Klägers nach Polen in den Urlaub gefahren und hat dort auch Zeit mit dem Kläger verbracht, der schon zuvor nach Polen abgereist war.
9Der Kläger bezog ab dem 1.5.2014 Arbeitslosengeld nach dem SGB III i. H. v. 38,65 € täglich (1.159,50 € monatlich). Den SGB II-Erstantrag des Klägers vom 8.5.2014 lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 21.5.2014 ab. Die Beklagte berücksichtigte bei ihrer Berechnung als Bedarf Regelleistung, Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe einschließlich der Kosten eines gesondert angemieteten Pkw-Stellplatzes und rechnete bereinigtes Einkommen aus Arbeitslosengeld sowie einen Betrag von 500 € von der Mutter des Klägers an. Die Mutter des Klägers erhielt im hier streitgegenständlichen Zeitraum eine Altersrente von brutto 991,47 € (netto 889,84 €) und zusätzlich eine Witwenrente i. H. v. 841,08 € brutto netto 754,87 €.
10Am 27.5.2014 beantragte der Kläger die Übernahme sämtlicher Kosten, die im Zusammenhang mit seinem Umgangsrecht mit seinen Kindern stünden. Dazu würden die Kosten des Umgangspflegers („Kurators“) zählen, welcher die Kontakte in Polen begleiten würde, die Reisekosten zweimal monatlich, wobei er die Strecke von ca. 1000 km von Münster nach Pszczyna in Polen mit dem Auto zurücklegen müsse, da er Rückenprobleme habe. Ferner gehöre dazu die Übernahme von Übersetzungskosten für Dokumente, welche er bei dem Familiengericht in Polen habe einreichen müssen. Am gleichen Tag legte er mit einem gesonderten Schreiben Widerspruch ein. Er wiederholte und vertiefte die Ausführungen in seinem Antrag. Fliegen sei für ihn nicht günstiger. Nach einem ärztlichen Attest solle längeres Stehen und insbesondere langes Sitzen, ohne die Möglichkeit eines selbstständigen Positionswechsels, vermieden werden. Er könne in einem Flugzeug nicht aufstehen und einige Schritte gehen, es sei für ihn sehr schwierig, 1,5 Stunden in einer starren Position zu verharren. Zudem seien bei den Flugkosten auch noch Kosten für die Anreise zum Flughafen, Parkgebühren und ähnliches zu berücksichtigen. Auch sei der nächstgelegene Flugplatz Kattowitz immer noch weit von dem Ort entfernt, an welchem der Umgang stattfinden solle. Er schulde 300 € monatlich Unterhalt für die Kinder S und T, welcher tituliert sei, die er aber nicht zahlen könne. Rechtswidrig sei ein weiteres Einkommen i. H. v. 500 € von seiner Mutter angerechnet worden.
11Mit Bescheid vom 25.6.2014 bewilligte die Beklagte vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1.6.2014 bis 31.8.2014 in Höhe vom 147,06 € monatlich. Sie berücksichtigte die Regelleistung, Mehrkosten für die dezentrale Warmwasserbereitung, Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe und rechnete Einkommen aus Arbeitslosengeld sowie einen Betrag von 416,36 € als Unterhalt von der Mutter des Klägers an und setzte 300 € als Unterhaltszahlungen des Klägers ab. Sie berücksichtigte ferner Kosten der Wahrnehmung des Umgangsrechts in Höhe von pauschal 400 € pro Monat.
12Nach Erteilung des Bewilligungsbescheides vom 25.6.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 27.5.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 30.6.2014 als unbegründet zurück. Zu berücksichtigen seien die Regelleistung und die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, welche angemessen seien, nicht allerdings die Kosten für einen gesondert angemieteten Pkw-Stellplatz. Erhöhend sei zudem die Pauschale aufgrund der dezentralen Warmwasserbereitung zu berücksichtigen. Bedarfsmindernd würde sich das bereinigte Arbeitslosengeld auswirken, nicht abzusetzen sei hier für den Monat Mai 2014 die familiengerichtlich festgesetzte Unterhaltszahlung für die beiden Kinder S und T, weil im Monat Mai 2014 eine entsprechende Zahlung nicht erfolgt sei. Aufgrund der Regelung in § 9 Abs. 5 SGB II sei Unterhalt durch die Mutter des Klägers, welche in einem Haushalt mit dem Kläger lebe, zu berücksichtigen. Für Mai 2014 ergebe sich kein Leistungsanspruch. Ab Juni 2014 bestehe hingegen ein Leistungsanspruch nach dem SGB II. Die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts würden dem Grunde nach anerkannt. Bei einer einfachen Wegstrecke von ca. 1.000 km und einer Pauschale von 0,20 € je Entfernungskilometer werde ein Betrag von 400 € monatlich anerkannt. Kosten für Gerichts- und Dolmetschergebühren sowie die Kosten für diverse Therapien könnten nicht berücksichtigt werden. Kosten der Umgangspflegschaft seien nicht zu berücksichtigen, weil die Notwendigkeit nicht nachgewiesen sei.
13Dagegen hat der Kläger am 1.7.2014 bei dem Sozialgericht Münster Klage erhoben.
14Eine Änderung der Bewilligung erfolgte mit Bescheid vom 24.7.2014, weil für den Zeitraum ab dem 2.6.2014 ein Aufenthalt des Sohnes U im Haushalt des Klägers berücksichtigt wurde, ferner eine ungenehmigte Ortsabwesenheit des Klägers. Für den Monat Juni 2014 wurden endgültig höhere, für den Monat Juli 2014 endgültig niedrigere Leistungen bewilligt. Am selben Tag erging zugleich ein Sanktionsbescheid für die Zeit vom 11.7.2014 bis 10.10.2014 i. H. v. 30 % der Regelleistung. Mit Bescheid vom 8.8.2014 wurden für den Monat Juli 2014 endgültig höhere Leistungen bewilligt. Die Kürzung aufgrund der Ortsabwesenheit wurde herausgenommen und die Sanktion aufgehoben. Mit Bescheid vom 22.10.2014 wurden Leistungen für die Monate September und Oktober 2014 (endgültig) bewilligt. Auch hier wurden Umgangskosten in Höhe von pauschal 400 € berücksichtigt, ferner ein Unterhaltsbeitrag der Mutter des Klägers in Höhe von 416,36 € monatlich. Die Beklagte berücksichtigte über alle Monate Arbeitslosengeld in Höhe vom 1.038,30 € monatlich, wie es sich aus dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 8.4.2014 ergab. Sie ließ unberücksichtigt, dass das Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 23.9.2014 für die Zeit ab dem 1.5.2014 i. H. v. 1.159,50 € bewilligt worden war.
15Der Kläger trug vor, familiengerichtlich habe er vor Ausreise seiner Frau in Deutschland ein Umgang jede Woche abwechselnd samstags bzw. sonntags in der Zeit von 9:00 bis 19:00 Uhr erstritten. Wegen der Blockaden durch die Kindesmutter sei eine Umgangspflegschaft eingerichtet worden. Er habe immer wieder vor dem deutschen Familiengericht darauf hingewiesen, dass er sehr große Schwierigkeiten bekommen werde, die Kinder zu sehen, wenn der Mutter das alleinige Sorgerecht zugesprochen und diese nach Polen zurückkehren würde. Dennoch habe die Mutter das alleinige Sorgerecht bekommen. In Polen habe er im Ergebnis ein Umgangsrecht zweimal im Monat zugesprochen bekommen.
16Unter Berücksichtigung von Fahrtkosten für die ersten 30 km i. H. v. 0,30 € und für die weiteren Kilometer i. H. v. 0,20 € würden für jeden Umgangskontakt Kosten von ca. 475 € entstehen. In diesem Betrag enthalten seien Kosten der Gerichtstermine und der Übersetzungen und Ähnliches. Der Umgang müsse nach der gerichtlichen Anordnung im „Spielsaal Radocha“ stattfinden, für den er den Eintritt zahlen müsse. Neben den Reisekosten aus Anlass der Ausübung des Umgangsrechts habe er Reisekosten wegen der Gerichtstermine. In Polen würde es keine Prozesskostenhilfe oder ein vergleichbares System geben. Der Kläger ist der Auffassung, dass daher die Anwalts- und Gerichtskosten, welche dafür anfallen, dass er eine Ausweitung des Umgangsrechts erstreite, vom SGB II-Leistungsträger zu übernehmen seien. Er ist der Auffassung, dass eine Deckelung der Kosten des Umgangsrechts allein aus fiskalischen Gründen ausscheide; dazu verweist er auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Az. B 4 AS 4/14 R. Die Mutter setze alles daran, das Umgangsrecht zu erschweren. Um den Kontakt zu seinen Kindern nicht zu verlieren, sei daher die persönliche Anreise zweimal im Monat unumgänglich. Eine Reduzierung der Umgangskontakte komme vor diesem schwierigen familiären Hintergrund nicht in Betracht. Zur Ermöglichung der bisherigen Umgangskontakte habe er Geld von seiner Mutter und einem Freund geliehen bekommen.
17Er könne sich nicht vorstellen, eine Arbeit bzw. eine Wohnung in der Nähe der polnischen Grenze zu suchen. Dies sei ihm wegen der dort herrschende Ausländerfeindlichkeit nicht zuzumuten. Er habe selbst schlechte Erfahrungen gemacht.
18Belege oder andere Nachweise für die tatsächlichen Fahrten nach Polen könne er nicht mehr vorlegen. Aufgrund seiner Rückenbeschwerden müsse er sich ständig bewegen können. Eine Busfahrt würde ca. 16 Stunden dauern, eine Autofahrt mit dem Pkw zwischen acht und zehn Stunden. Fliegen könne er nicht, da es in einem Flugzeug zu eng sei.
19Aufgrund der bisher aufgelaufenen Kosten habe er Schulden bei seiner Mutter, welche er allerdings nicht genau beziffern könne. Er habe eine Kontovollmacht. Sie habe ihm gestattet, sich Geld zu nehmen, er müsse dies aber zurückgeben.
20Das Sozialgericht hat am 24.5.2017 einen Erörterungstermin durchgeführt und einen Vergleichsvorschlag unterbreitet unter Berücksichtigung höherer Kosten des Umgangs aber auch unter Anrechnungen von Zuwendungen der Mutter des Klägers. Die Beklagte erklärte sich im Nachhinein bereit, den Mehrbedarf auch für den Monat Mai und für den Monat Juli i. H. v. weiteren 200 € nachzuzahlen. Im Übrigen aber seien aus ihrer Sicht zentrale Fragen ungeklärt. Sie bestreite, dass die tatsächlichen Kosten des Umgangsrechts 800 € monatlich betragen würden. Selbst wenn dies der Fall sei, würde sich die Frage stellen, ob solche Kosten unbegrenzt zu übernehmen seien. Aus ihrer Sicht sei die Grenze des „sozial üblichen“ erreicht. Andere Kosten als die reinen Umgangskosten seien von der Anspruchsgrundlage des § 21 Abs. 6 SGB II von vornherein nicht gedeckt.
21Das Sozialgericht Münster hat am 28.3.2018 einen Verhandlungstermin durchgeführt, der vertagt wurde. Der Kläger gab an, seine Mutter habe sich seiner Erinnerung nach von etwa Ende Mai bis Ende September 2014 in Polen aufgehalten. Das Umgangsrecht habe sich schlecht entwickelt, im Ergebnis habe er nur noch zu seinem Sohn Kontakt.
22Im Nachgang zu diesem Termin bezifferte der Kläger die Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts einschließlich Gerichtsgebühren, Anwalts- und Übersetzungskosten für den Zeitraum Mai 2014 bis Oktober 2014 auf 7.281,86 €.
23Am 10.10.2018 fand ein weiterer Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht statt. In diesem Termin wurde der von dem Kläger benannte Freund, welcher ihm Geld geliehen habe, als Zeuge vernommen.
24Das Sozialgericht Münster hat die Klage mit Urteil vom 10.10.2018 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht Kosten des Umgangsrechts nach § 21 Abs. 6 SGB II im streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von monatlich 400 € berücksichtigt entsprechende Leistungen und bewilligt. Die Berücksichtigung eines höheren Bedarfs komme nicht in Betracht. Auch sei die Anrechnung nach § 9 Abs. 5 SGB II zu Recht erfolgt. Der Kläger bilde mit seiner Mutter eine Haushaltsgemeinschaft. Haushaltsaufgaben und -kosten würden geteilt; zudem habe der Kläger seit vielen Jahren eine Vollmacht für das Bankkonto seiner Mutter.
25Gegen das der Bevollmächtigten des Klägers am 7.11.2018 zugestellte Urteil hat diese im Namen des Klägers am 4.12.2018 bei dem Sozialgericht Berufung eingelegt. Der Kläger ließ weiter vortragen, dass der Betrag i. H. v. 400 € nicht die Kosten des Umgangsrechts decke. Die Kosten des Umgangsrechts seien auch nicht durch Zuwendungen Dritter gedeckt. Nach „intensiven Recherchen“ habe er nunmehr ein Notizbuch entdeckt, in welchem er vermerkt habe, welche Beträge ihm seine Mutter jeweils übergeben habe. Zunächst trug er vor, das Notizbuch könne nicht vorgelegt werden, da es eine Art Tagebuch sei und auch persönliche Dinge enthalte. Letztlich legte er doch eine Auswahl an Kopien aus dem Kalender samt Übersetzungen vor. Er habe die Summen selber notiert, um einen Überblick zu behalten, welche Beträge er seiner Mutter zurückgeben müsse. Es sei nicht richtig, als Begrenzung für die Aufwendungen, die er im Rahmen des Umgangsrechts habe, auf das Einkommen eines Durchschnittsverdieners abzustellen. Er würde die regelmäßigen Fahrten auch dann durchführen, wenn er erwerbstätig wäre. Er würde dann in anderen Bereichen sparen. Anwendbar sei zur Bemessung der Fahrtkosten das Bundesreisekostengesetz; daher seien 0,20 € pro gefahrenen Kilometer in Ansatz zu bringen.
26Im Juni 2020 schloss der Kläger sodann mit seiner Mutter einen schriftlichen Darlehensvertrag in deutscher Sprache rückwirkend für die Zeit ab Mai 2014. Der Kläger erhält danach monatlich max. 1.000 €. Das Darlehen sei i. H. v. 2 % jährlich zu verzinsen. Die Gesamtsumme dürfe 75.000 € nicht überschreiten. Der Kläger und seine Mutter bestätigten ergänzend schriftlich, dass sie diesen Vertrag bereits 2014 mündlich geschlossen und nun schriftlich niedergelegt hätten.
27Der Senat hat am 3.9.2021 einen Erörterungstermin durchgeführt. Der Kläger gab dort an, dass es richtig sei, dass er sich die Wohnung in Münster grundsätzlich mit seiner Mutter geteilt habe.
28Eine Autofahrt nach Polen dauere ca. 9 - 12 Stunden. In der Regel sei er im streitgegenständlichen Zeitraum freitags hingefahren und erst am Sonntag zurück. Er habe eine Kontovollmacht, weil er diverse Geldgeschäfte für seine Mutter getätigt habe, die zum damaligen Zeitpunkt bereits über 90 Jahre alt gewesen sei. Dies habe er in ihrem Namen und Auftrag getan. Er habe sich im März 2018 vor dem Sozialgericht Münster nicht an die vereinbarten Details zum Darlehen erinnern können, weil er mit seinen Gedanken noch bei dem familiengerichtlichen Prozess wegen des Umgangsrechts gewesen sei, welcher im Juli 2014 stattgefunden habe. Dies habe auch im Jahr 2018 noch sein Denken beherrscht. Nach seiner Einschätzung handele es sich bei dem Vergleich in dem Protokoll des polnischen Familiengerichts vom 1.8.2014 nicht um einen Vergleich, da seine Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Er gehe davon aus, dass die Justiz nicht neutral sei. Er habe nur die Wahl erhalten, diesen Vergleich zu akzeptieren oder nichts zu bekommen. Das sei auch so gesagt worden. Er habe bereits gegenüber dem deutschen Familiengericht in der Vergangenheit deutlich gemacht, wie groß die Schwierigkeiten hinsichtlich der Ausübung des Umgangsrechts würden, wenn seine Frau mit den Kindern nach Polen zurückkehre. Vor diesem Hintergrund hätte es nicht passieren dürfen, dass seine Frau das Sorgerecht bekommt. Das deutsche Familiengericht habe allerdings seine Einwendungen beiseite gewischt. Er sei der Auffassung, dass die Folgekosten vollständig von deutschen Sozialleistungsträgern übernommen werden müssten. Letztlich hätten die Kosten ihren Ursprung in dieser familiengerichtlichen Fehleinschätzung. Bei der Ausübung des Umgangsrechts handele es sich nicht nur um sein Recht, sondern insbesondere seine Pflicht gegenüber den Kindern. Er habe die Umstände nicht in der Hand. Er selbst könne sich zwar vorstellen, mit seinen Kindern zu skypen oder zu telefonieren, dies werde allerdings durch die Kindesmutter unmöglich gemacht. Er sei daher gezwungen, die Mühen des persönlichen Kontakt auf sich zu nehmen.
29Der Kläger beantragt sinngemäß,
30das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10.10.2018 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.5.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.6.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.6.2014 sowie der Änderungsbescheide vom 24.7.2014, 8.8.2014 und 22.10.2014 zu verpflichten, ihm für die Monate Mai bis Oktober 2014 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in gesetzlicher Höhe unterer Berücksichtigung von Unterhaltskosten in Höhe von 8.115,46 € zu gewähren.
31Die Beklagte beantragt,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Die Beteiligten haben in dem Erörterungstermin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
34Entscheidungsgründe:
351) Der Senat hat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden, nachdem die Beteiligten sich hiermit übereinstimmend einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
362) Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache indes nicht begründet. Das Sozialgericht hat seine zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 56 SGG) zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21.5.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.6.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.6.2014 sowie der Änderungsbescheide vom 24.7.2014, 8.8.2014 und 22.10.2014 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
37Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II. Er kann insbesondere keine weiteren Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts mit seinen Kindern beanspruchen.
38Soweit die Beklagte mit diesen Bescheiden die SGB-II-Leistungen endgültig bewilligte, erledigt sich dadurch die vorläufige Bewilligung (§ 31 Abs. 2 SGB X; § 96 SGG).
39Seine darauf gerichtete Klage und Berufung haben nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, dem Alter, der Entwicklung und der Zahl der Kinder, der Entfernung der Wohnorte, der ursprünglichen Entscheidung der Eltern für einen gemeinsamen Umzug, der sozialen und beruflichen Bindungen, der gesetzlich festgelegten Orientierung an einfachen und grundlegenden Bedürfnissen sowie der Selbsthilfeobliegenheit des Klägers keinen Erfolg. Bereits mit dem Betrag von pauschal 400 € monatlich ist es – bei sparsamem Verhalten – dem Kläger möglich, sein Umgangsrecht wahrzunehmen. Hinzu kommt für den hier streitgegenständlichen Zeitraum, dass er darüber hinaus einen monatlichen Betrag von ca. 113 € zu viel erhalten hat.
403) Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers allerdings – zunächst unter Außerachtlassung eines Anspruchs nach § 21 Abs. 6 SGB II wegen der Kosten des Umgangsrechts – für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht zutreffend ermittelt, sondern dem Kläger zu Unrecht zu hohe Leistungen nach dem SGB II gesichert.
41a) Zur Überzeugung des Senates sind die bei dem Kläger berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 SGB II) zu Unrecht und im Ergebnis zugunsten des Klägers zu hoch bemessen.
42Nach § 22 Abs. 1 Satz SGB II werden die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind, was hier unstreitig ist. Der Kläger bewohnt die Wohnung der Mutter gemeinsam mit dieser. Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind nach gefestigter Rechtsprechung des BSG im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutzen (st. Rechtspr., siehe etwa BSG, 22.8.2013 – B 14 AS 85/12 R –, Rn. 20 mit zahlr. Nachw.). Abweichend sind Fälle zu beurteilen, in denen eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrages bei objektiver Betrachtung angezeigt ist oder wenn der Nutzung einer Wohnung andere bindende vertragliche Regelungen zugrunde liegen (BSG, a. a. O., Rn. 21). Das ist hier nicht der Fall. Im Außenverhältnis zum Vermieter schuldet die Mutter die Mietzahlung. Im Innenverhältnis zahlt der Kläger nach eigenen Angaben die Miete allein; seine Mutter beteilige sich nicht, weil sie ihn vor Jahren unterstützt habe. Tatsächlich finden sich auf den in den Leistungsakten vorliegenden Kontoauszügen aber auch Mieterstattungen durch die Mutter. Eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrages ergibt sich damit bei objektiver Betrachtung nicht, zumal der Kläger und seine Mutter zur Überzeugung des Senates „aus einem Topf wirtschaften“ (dazu sogleich).
43Die Beklagte hat bei ihren Berechnungen die Kosten der Unterkunft und Heizung für die gesamte Wohnung nicht zwischen dem Kläger und seiner Mutter aufgeteilt, sonders als alleinigen Bedarf des Klägers berücksichtigt. Dies ist nach Auffassung des Senates nicht zutreffend.
44b) Grundsätzlich zutreffend hat die Beklagte eine Leistungsanrechnung nach § 9 Abs. 5 SGB II vorgenommen. Danach wird, wenn Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten leben, vermutet, dass sie von diesen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.
45Der Kläger und seine Mutter leben als Verwandte in einer Haushaltsgemeinschaft. Eine Haushaltsgemeinschaft erfordert ein nicht nur vorübergehendes Zusammenwohnen und ein gemeinsames Wirtschaften. Es ist qualitativ mehr erforderlich als das in Wohngemeinschaften anzutreffende gemeinsame Wohnen, innerhalb derer grundsätzlich getrennt gewirtschaftet wird, d.h. anfallende Kosten strikt aufgeteilt und abgerechnet werden. Es bedarf eines Wirtschaftens „aus einem Topf“ (siehe dazu etwa Karl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Stand 13.12.2021, Rn. 167 mit weiteren Nachw.). Auch nach den Angaben des Klägers selbst ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein getrenntes Wirtschaften. Er gab bereits bei Antragstellung an, dass er seine Mutter pflege und sich um diese kümmere. Der Kläger hat eine Vollmacht für das Konto seiner Mutter; Telefon und Stromkosten werden auf dem Konto der Mutter verbucht, die Zahlungen gegenüber dem Vermieter auf seinem Konto. Es gibt diverse Erstattungs- bzw. Ausgleichszahlungen durch die Mutter des Klägers. Objektive Anhaltspunkte für eine in irgendeine Form getrennte Kassenführung gibt es nicht.
46Der Kläger und seine Mutter bildeten auch in den Zeiträumen weiterhin eine Haushaltgemeinschaft, in denen seine Mutter sich – nach den Angaben des Klägers – bei ihren anderen Kindern in Polen aufhielt. Auch in dieser Zeit unterhielt die Mutter weiter den Wohnsitz in Münster, der Kläger hatte weiterhin Zugriff auf das Konto seiner Mutter und in den laufenden Zahlungen ergaben sich keine Veränderungen.
47Die Beklagte hat allerdings den Umfang der Unterstützungsleistung durch die Mutter – bei objektiver Betrachtung – nicht zutreffend berechnet. Spiegelbildlich zu der Berücksichtigung der vollen Kosten der Unterkunft bei dem Kläger hat sie eine Berücksichtigung bei der Mutter unterlassen. Beides gleicht sich wegen der hälftigen Berücksichtigung in § 1 Abs. 2 Satz 1 Alg II-VO nicht aus. Nach dieser Vorschrift sind bei der § 9 Abs. 5 SGB II zugrunde liegenden Vermutung, die um die Absetzbeträge nach § 11b SGB II bereinigten Einnahmen in der Regel nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Betrags des nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II maßgebenden Regelbedarfs zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie darüber hinausgehend 50 Prozent der diesen Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen nicht überschreiten. Die Mutter des Klägers erhielt im hier streitgegenständlichen Zeitraum eine Altersrente von brutto 991,47 € (netto 889,84 €) und zusätzlich eine Witwenrente i. H. v. 841,08 € brutto (netto 754,87 €). Einem bereinigten Einkommen von 1.614,71 € stand ein Bedarf von 1.009,01 € gegenüber (2x Regelleistung 391 € und 1/2 Kosten der Unterkunft und Heizung von 227,01 €). Die Hälfte des überschießenden Betrages ergibt eine Unterhaltsvermutung von 302,85 € statt des von der Beklagten berücksichtigten Betrages von 416,36 €.
48Der um diese Differenz von 113,51 € zu niedrig bemessenen Leistungsgewährung an den Kläger stehen (objektiv) fehlerhaft berücksichtigte Kosten der Unterkunft i. H. v. 227,01 € gegenüber, so dass dem Kläger 113,50 € zu viel bewilligt wurden.
494) Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf einen höheren Mehrbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts mit seinen in Polen lebenden Kindern als den von der Beklagten bereits berücksichtigten Betrag von 400 € monatlich.
50Nach § 21 Abs. 6 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Dass Eltern im Rahmen des Arbeitslosengeldes II grundsätzlich Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen der Kosten des Umgangsrechts mit von ihnen getrennt lebenden Kindern haben, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 u. a; Beschluss vom 25.10.1994 – 1 BVR 1197/93). Als Reaktion darauf hat der Gesetzgeber mit Gesetz vom 27.5.2010 § 21 Abs. 6 SGB II geschaffen. Der Gesetzgeber hatte speziell die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern als Anwendungsfall der Härtefallklausel des § 21 Abs. 6 SGB II vor Augen (BT-Drucks. 17/1465, Seite 9). § 21 Abs. 6 SGB II blieb in der hier maßgeblichen Fassung vom 13.5.2011 unverändert.
51a) Bei den vom Kläger geltend gemachten Gerichtskosten, Anwalts- und Übersetzungskosten sowie den Fahrtkosten zu den beiden Gerichtsterminen bestehen bereits Zweifel, ob es sich um „Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts“ handelt, oder ob dies nicht einer Wahrnehmung des Umgangsrechts vorausgeht. Dies kann der Senat aber offen lassen, denn es handelt sich jedenfalls nicht um laufende, sondern um einmalige Bedarfe. Bis zum 31.12.2020 war Voraussetzung für die Härtebedarfsleistung nach Abs. 6, dass es sich um einen laufenden Bedarf handeln musste. Es sollte damit eine Abgrenzung bewirkt werden zu den einmalig auftretenden Bedarfsspitzen, die durch ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II gedeckt werden sollen. Nach der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., Rn. 207) und der Entwurfsbegründung zu § 21 Abs. 6 (BT-Drucks. 17/1465, Seite 8 f.) sollte es sich ausschließlich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen Bedarf handeln (siehe dazu auch S. Knickrehm, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 2021, § 21 Rn. 68).
52b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Übernahme höherer monatlicher Reise- und Übernachtungskosten.
53Bei diesen weiteren, von dem Kläger geltend gemachten Kosten handelt es sich nicht um unabweisbare Bedarfe. Nach § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II ist ein Mehrbedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
54aa) Der von dem Kläger geltend gemachte Bedarf weicht – selbst unter Außerachtlassung der o.g. einmaligen Kosten – erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab. Der Kläger macht an laufenden Kosten einen Betrag von durchschnittlich 997 € monatlich geltend. Die Beklagte erkennt diese Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf mit der monatlichen, pauschalisierten Berücksichtigung eines Mehrbedarfs von 400 € an; der Mehrbedarf dem Grunde nach steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
55bb) Mit dem ihm durch die Beklagte bereits gewährten monatlichen Betrag von 400 € ist der Mehrbedarf des Klägers zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten und der Zuwendungen Dritter allerdings gedeckt.
56(1) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass fiskalische Erwägungen (vollständig) unberücksichtigt bleiben müssen.
57Zutreffend ist, dass diese nicht den alleinigen Ausschlag geben dürfen (so BSG, 18.11.2014 – B 4 AS 4/14 R –, Rn. 21: „Eine Einschränkung der Kosten des Umgangsrechts allein aus fiskalischen Gründen scheidet daher aus“.) Unzutreffend ist allerdings zur Überzeugung des Senats die Auffassung, dass fiskalische Aspekte vollkommen unberücksichtigt bleiben müssten, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung mithin nicht stattfinde. Der Senat leitet diese Einschränkung und ihre Grenzen insbesondere aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.10.1994 (1 BvR 1197/93) und der darauf ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.8.1995 (5 C 15/94) sowie den darauf Bezug nehmenden Entscheidungen des Bundessozialgerichts ab. Das Bundessozialgericht führt in der Entscheidung vom 28.11.2018 – B 4 AS 48/17 R – vor diesem Hintergrund aus: „Dem Umfang nach sind die daraus sich ergebenden Ansprüche vorrangig an den Abreden der Eltern zu bemessen; auch existenzsicherungsrechtlich ist maßgebend, wie die Eltern ihre durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Entscheidung über die Ausübung ihrer Elternverantwortung handhaben […]. Härtefallmehrbedarfe wegen eines Umgangsrechts bestehen danach unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in Höhe der kostengünstigsten und gleichwohl bezogen auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Umgangsrechts verhältnismäßigen sowie zumutbaren Art der Bedarfsdeckung“ (Rn. 16 f.). Es ist daher eine individualisierende Betrachtung verfassungsrechtlich geboten, die alle das Eltern-Kind-Verhältnis bestimmenden Umstände würdigt. Es sind demnach das Alter, die Entwicklung und die Zahl der Kinder, die Intensität ihrer Bindung zum Umgangsberechtigten, die Einstellung des anderen Elternteils zum Umgangsrecht, insbesondere das Vorliegen und der Inhalt einverständlicher Regelungen, die Entfernung der jeweiligen Wohnorte beider Elternteile und die Art der Verkehrsverbindungen in den Blick zu nehmen (BSG, 18.11.2014 – B 4 AS 4/14 R ‑, Rn. 21). Im Rahmen dieser Vorgaben ist bei der Beurteilung der „Einsparmöglichkeiten“ zu berücksichtigen, dass die getätigten Ausgaben im Sinne eines durch Grundsicherungsleistungen zu deckenden Bedarfs aus Sicht eines verständigen Leistungsberechtigten nicht offenkundig außer Verhältnis zu dem stehen dürfen, was einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht (BSG, 18.11.2014 – B 4 AS 4/14 R –, Rn.23).
58Zur Überzeugung des Senats sind die vom Kläger geltend gemachten weiteren Aufwendungen aus Sicht eines verständigen Leistungsberechtigten offenkundig außer Verhältnis. Der durchschnittliche Nettolohn eines Arbeitnehmers betrug 2014 monatlich 1.812 € (Quelle: Statista 2021, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/370558/umfrage/monatliche-nettoloehne-und-gehaelter-je-arbeitnehmer-in-deutschland/). Bereits ohne Unterhaltsforderungen, welchen ein solcher Arbeitnehmer bei ansonsten vergleichbaren Verhältnissen in einem höheren Maß ausgesetzt wäre, macht der Kläger Umgangskosten von mehr als der Hälfte eines durchschnittlichen Nettolohns geltend.
59(2) Tatsächlich sind die Einsparmöglichkeiten des Klägers hinsichtlich des Ortes, der zeitlichen Lage und der Häufigkeit des Umgangsrechts beschränkt. Hierzu gibt es eine familiengerichtliche Grundlage. Es steht dem Senat nicht zu, zu beurteilen, ob in dem familiengerichtlichen Verfahren vor dem polnischen Gericht auch ein anderer Vergleich hätte geschlossen werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.10.1994 (1 BvR 1197/93) der Ersetzung der elterlichen bzw. familiengerichtlichen Festlegungen durch alternative familienrechtliche Einschätzungen enge Grenzen gesetzt (a.a.O., Rn. 21 f., 28). Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass hier die Vereinbarung der Eltern hinsichtlich des Umfangs des Umgangsrechts missbräuchlich dazu genutzt werden soll, dass der – nicht sozialhilfebedürftige – sorgeberechtigte Elternteil seine Unterhaltspflicht teilweise auf den Sozialhilfeträger verschiebt (dazu BVerfG, a. a. O., Rn. 24), hat der Senat nicht.
60Darauf beschränken sich aber die Einsparmöglichkeiten nicht. Dem Senat sind keine überzeugenden Gründe ersichtlich geworden, weshalb der Kläger nicht etwa durch einen Umzug die Wegstrecke und damit die Kosten zumindest senken kann. Soweit der Kläger vorträgt, er sei schon einmal in der Nähe von Berlin beinahe überfallen worden, ein Umzug näher an die polnische Grenze sei ihm daher unzumutbar, steht das einem Umzug nicht entgegen. Falls dies zutreffend sein sollte, handelt es sich um einen Schicksalsschlag, welchen Menschen ganz unterschiedlich verarbeiten. Es gibt aber neben dem Umfeld von Berlin zahlreiche weitere, das Umgangsrecht erleichternde Wohnorte. Die pauschale, nicht belegte These einer allgemeinen „Ausländerfeindlichkeit im gesamten Osten Deutschlands“ steht als bloße Behauptung einem Umzug ebenfalls nicht im Wege. Eine Bindung aufgrund eines innegehabten Arbeitsplatzes besteht nicht. Der Kläger hat auch keine Berufsausbildung, welche ihm nur Tätigkeiten in der Region von Münster finden lassen würde. Auch die vom Kläger vorgetragenen sozialen Gründe überzeugen nicht in einem solchen Maße, als dass diese die ihm nach § 2 Abs. 1 SGB II obliegende Selbsthilfemöglichkeit ausschließen. Zunächst trägt er vor, dass er sich um seine Mutter in Münster kümmern müsste. Diese hat allerdings ihren Lebensmittelpunkt ebenso in Polen wie in Münster. Zudem hatte der Kläger bereits bei Geburt der beiden Kinder beabsichtigt, mit Mutter und Kindern nach Polen zu ziehen. Bereits zu diesem Zeitpunkt muss er sich die Frage gestellt haben, wie er die von ihm vorgetragene Fürsorge gegenüber seiner Mutter wahrnehmen will. Schließlich steht auch er Umgang mit dem in Münster lebenden, im streitgegenständlichen Zeitraum fast volljährigen Sohn einem Umzug nicht entgegen. Die soziale Bindung ist hier eine andere als zu den jüngeren Kindern, zu denen sie erst noch gefestigt werden muss. Skypen oder Telefonieren ist mit dem älteren Sohn ebenfalls leichter möglich ebenso wie auch das Reisen. Bereits im streitgegenständlichen Zeitraum konnte der Sohn selbständig nach Polen zu seinen Verwandten (und auch zu dem sich in Polen aufhaltenden Kläger) reisen.
61Auch bei den Übernachtungskosten war zur Überzeugung des Senates dem Kläger ein sparsames Verhalten tatsächlich möglich. In dem Ort bzw. in der Umgebung des Ortes, in welchem in Polen das Umgangsrecht ausgeübt wurde, leben zwei Schwestern des Klägers und (zeitweilig) seine Mutter. Der Kläger selbst ist dort geboren. Es sollte ihm daher möglich sein, preisgünstige Übernachtungsmöglichkeiten zu finden. Tragfähige und überzeugende Gründe, warum er nicht bei seinen Familienangehörigen in Polen in den sehr kurzen Zeiträumen, in denen er in Polen sein Umgangsrecht ausübte, übernachten konnte, hat der Kläger nicht genannt.
62(3) Der Kläger erhielt zur Wahrnehmung des Umgangsrechts schließlich finanzielle Unterstützung auch durch seine Mutter. So hat die Mutter bspw. dem Kläger im April 2014 „Kosten für die Fahrt nach Polen wegen Umgangsprozess“ überwiesen, Zahlungen zum Kontoausgleich vorgenommen und Unterhalt für die Kinder des Klägers gezahlt. Die schriftliche Bestätigung der Mutter des Klägers, dass sie keine Unterstützungszahlungen an ihren Sohn leiste, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Sie sah sich zugleich nicht in der Lage, als Zeugin auszusagen. Der Senat versteht die Bestätigung der Mutter so, dass sie ihre Unterstützung als Unterstützung der Enkel, nicht ihres Sohnes, ansieht.
63Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei diesen Zuwendungen der Mutter des Klägers nicht um Darlehen handelt.
64Der Vortrag des Klägers, der 2020 geschlossene schriftliche Darlehensvertrag gebe nur wieder, was auch bereits 2014 mündlich gewesen vereinbart sei, ist nicht glaubhaft. Sollte es bereits seit 2014 eine solche Vereinbarung mündlich gegeben haben, so ist es lebensfremd und widersprüchlich, dass der Kläger sich in zahlreichen Gerichtsterminen zuvor nicht daran erinnern konnte. In dem Verhandlungstermin im März 2018 führte er aus, seine Mutter habe ihm gestattet, sich Geld zu nehmen, er müsse dies aber zurückgeben. Es ist nicht glaubhaft, dass er in diesem Zusammenhang sich nicht an die monatlichen Höchstbeträge, nicht an den Gesamthöchstbetrag und auch nicht an die Zinspflicht erinnern konnte. Er gab auch an, er wisse nicht, wieviel er sich geliehen habe – obwohl er sich dies in ein Notizbuch geschrieben haben will, woran er sich erst viele Jahre später erinnert haben will. Lebensnah wäre die Auskunft gewesen, dass er es derzeit nicht sagen könne, es sich aber aufgeschrieben habe. Es handelt sich dabei offensichtlich auch nicht um ein nachlässig nebenbei geführtes Notizbuch, sondern – nach eigenem Vortrag des Klägers – um eine Art Tagebuch, welches derart persönliche Notizen enthalte, dass es dem Gericht nicht vorgelegt werden könne.
65Soweit der Kläger ursprünglich vortrug, er dürfe sich Geld von dem Konto seiner Mutter nehmen, müsse dies aber zurückgeben, genügt diese – vom Senat als zutreffend unterstellte – Abrede nicht, um darin eine Darlehensverabredung zu sehen. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass es der Prüfung privater Geldzuwendungen allein darauf ankommt, ob ein Darlehensvertrag entsprechend § 488 BGB zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist. Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, sei es allerdings geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen. Dies setze voraus, dass sich die Darlehensgewährung auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lasse (BSG, 17.6.2010 – B 14 AS 46/09 R –, Rn. 20 ff.). Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden sei, könnten einzelne Kriterien des so genannten Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden (BSG a.a.O.). Damit genügt der damalige Vortrag des Klägers, er könne sich Geld nehmen, müsse es aber zurückzahlen, für die Annahme eines Darlehens in keinem Fall.
66Für eine Unterstützung durch die Mutter des Klägers hinsichtlich der Fahrten nach Polen spricht schließlich, dass sich keine Belege für Tankkosten in der geltend gemachten Höhe in den von dem Kläger vorgelegten Unterlagen finden. Es ist jedenfalls in einem gewissen Maße nachvollziehbar, dass der Kläger Tankquittungen nicht aufbewahrt hat, wenn er von einer pauschalen Erstattung aufgrund der Entfernung ausging. Auf den Kontoauszügen, welche der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegt hat, finden sich aber weder Barabhebungen in annähernd entsprechender Höhe noch Abbuchungen, welche auf ein Tanken hinweisen. Auch Ausgleichszahlungen etwa für eine Kreditkarte finden sich nicht. Der Senat hat keinen Grund anzunehmen, dass der Kläger die Fahrten nicht vorgenommen hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Kosten anderweitig gedeckt wurden. So gibt es bspw. erhebliche Barabhebungen vom Konto der Mutter, von denen der Kläger auch nicht bestreitet, dass ein Teil für ihn bestimmt war. Er trägt allerdings nachträglich vor, dass es sich um Darlehen gehandelt hat. Das hält der Senat, wie dargelegt, aber nicht für glaubhaft.
67c) Ein Anspruch auf Übernahme der von dem Kläger behaupteten Kosten ergibt sich schließlich auch nicht wegen einer „Fehleinschätzung“ des Familiengerichts. Der Kläger ist der Überzeugung, dass sämtliche Kosten des Umgangsrechts „von einem deutschen Sozialleistungsträger“ übernommen werden müsste, weil das damals zuständige Familiengericht trotz seiner Hinweise und der konkreten Gefahr, dass die Mutter mit den Kindern nach Polen auswandere, das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht (auch) auf ihn übertragen habe. Für dieses Begehren gibt es keine Anspruchsgrundlage; die familiengerichtliche Beurteilung geht der sozialrechtlichen vielmehr, wie zuvor ausgeführt, voraus.
68Die Berufung des Klägers war daher insgesamt zurückzuweisen.
695) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
706) Gründe, im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Dass die Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts mit den Kindern im Existenzsicherungsrecht dem Grunde nach zu decken sind, ist höchstrichterlich geklärt und hier auch nicht streitig. Streitig ist hier allein die konkrete Höhe der erforderlichen Kostenübernahme und damit die tatsächliche Würdigung eines Einzelfalls.