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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.11.2020 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab dem 01.11.2017 bis zum 03.07.2018 (für die Zeit seines Aufenthalts im I L Institut) höhere Hilfe zum Lebensunterhalt unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 ohne Anwendung von § 27b SGB XII aber unter Anrechnung des gezahlten Essensgeldes nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten um die Höhe der Regelleistung für den Lebensunterhalt während des Aufenthalts des Klägers in einer Rehabilitationseinrichtung. Umstritten ist, ob sich der Bedarf des Klägers nach § 27a SGB XII oder nach § 27b SGB XII richtet.
3Bei dem am 00.00.1980 geborenen Kläger besteht eine psychische Erkrankung. Nach der Feststellung des Rentenversicherungsträgers ist er seit 1999 voll erwerbsgemindert, jedoch erhält er keine Rente, da er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Bis Juli 2016 erhielt er Alg II, mit Bescheid vom 14.07.2016 lehnte das Jobcenter Bielefeld die (Weiter)Zahlung von Alg II ab, da der Kläger nicht erwerbsfähig sei. Der Kläger wohnt in einer genossenschaftlichen Wohnung in Bielefeld.
4Am 18.07.2016 beantragte der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt, die die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.2016 für August 2016 iHv 787,83 € bewilligte (404 € Regelleistung, 404,50 € Unterkunfts- und Heizkosten – 30 € bereinigtes Einkommen aus ebay-Verkäufen). Ohne gesonderten Bescheid wurde die Hilfe zum Lebensunterhalt in den Folgemonaten weiterbewilligt.
5Mit Bescheid vom 12.09.2017 bewilligte die Barmer dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit Unterkunft und Verpflegung für zunächst 90 Tage im Institut für Rehabilitation Gütersloh – I L Institut. Seine Wohnung behielt der Kläger bei. Bestandteil dieser Maßnahme war die Durchführung eines Berufspraktikums, Fahrtkosten sind dadurch nicht entstanden. Das Institut stellte dem Kläger ein eingerichtetes Einzelzimmer in einer Wohngruppe zur Verfügung, darüber hinaus konnte der Kläger eine Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsräume nutzen. Übernachten musste der Kläger grundsätzlich in der Klinik, regelmäßig verbrachte der Kläger das Wochenende aber zu Hause. Seine Freizeit durfte er in seiner bisherigen Wohnung verbringen. Eine Essensversorgung fand nicht statt. Die Klinik stellte dem Kläger für die Hauptmahlzeiten einen Betrag iHv 5,70 €/Tag zur Verfügung, die dieser mit den anderen Teilnehmern selbst einkaufte und zubereitete. Die Reinigung der Einzelzimmer und der Gemeinschaftsräume erfolgte durch die Teilnehmer. Seine Freizeit organisierte der Kläger selbst. Der Kläger nahm an der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 24.10.2017 bis zum 03.07.2018 teil.
6Mit Bescheid vom 23.10.2017 hob die Beklagte den Bescheid vom 27.07.2016 gestützt auf § 48 SGB X ab dem 01.11.2017 auf. Der Kläger habe einen veränderten Leistungsanspruch gem. § 27b SGB XII, da er in einer vollstationären Einrichtung untergebracht sei. Er erhalte den Barbetrag zur persönlichen Verfügung, Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung sowie die Kosten der Unterkunft. Mit Bescheid vom 25.10.2017 bewilligte die Beklagte für November 2017 Hilfe zum Lebensunterhalt iHv 694,36 € (Regelleistung 110,43 €; Unterkunfts- und Heizkosten 404,50 €; Krankenversicherungsbeiträge 151,36 €; Pflegversicherungsbeiträge 28,07 €).
7Gegen die Bescheide legte der Kläger – vertreten durch den LWL als Träger der Rehaeinrichtung – am 17.11.2017 Widerspruch ein. Bei dem Aufenthalt im I L Institut handele es sich um einen vorübergehenden Krankenhausaufenthalt und keine Unterbringung in einer Einrichtung iSd § 27b SGB XII. Er kehre regelmäßig in seine Wohnung zurück. Dinge des täglichen Bedarfs, wie Körperpflegeprodukte, Waschmittel, Telefonkosten etc. müssten von ihm selbst getragen werden. Viele Lebenshaltungskosten fielen weiterhin an, die er aus der ungekürzten Regelleistung finanzieren müsse. Lediglich für die Verpflegung sei in der Einrichtung gesorgt.
8Nach Beiziehung von Unterlagen über die Klinik wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 24.01.2018 zurück. Bei dem I L Institut handele es sich um eine Einrichtung iSd §§ 13, 27b SGB XII. Damit habe der Kläger für November/Dezember 2017 einen Anspruch auf Regelleistung iHv jeweils 110,43 € und ab Januar 2018 iHv 112,32 € (27% der Regelbedarfsstufe 1).
9Hiergegen richtet sich die am 22.02.2018 bei dem Sozialgericht Detmold erhobene Klage. Der Kläger hat dargelegt, seine Bedarfssituation habe sich durch die Aufnahme in der Klinik nicht geändert. Er habe während des Klinikaufenthalts das Berufspraktikum absolviert und sei regelmäßig in seine Wohnung zurückgekehrt, um dort nach der Post zu sehen und den Haushalt zu führen. Für die Versorgung mit Lebensmitteln habe er einen Barbetrag erhalten, eine weitere Lebensmittelversorgung sei nicht erfolgt. Eine Reduzierung des Regelsatzes sei lediglich in Höhe der Bedarfsdeckung für die Hauptmahlzeiten gerechtfertigt.
10Der Kläger hat beantragt,
11die Bescheide vom 23.10.2017 und 25.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen zu bewilligen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Bei dem I L Institut handele es sich um eine Einrichtung iSd § 27b SGB XII, dort sei der Kläger untergebracht gewesen. Selbst wenn die Unterbringung nur als teilstationäre Maßnahme zu beurteilen sei, falle diese unter den Einrichtungsbegriff. Die Gesamtverantwortung für den Hilfeprozess habe beim Einrichtungsträger gelegen. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, dass weitere Aufwendungen zB für Stromkosten, Bekleidung, Lebensunterhalt bei Erprobungsaufenthalten in der Wohnung zusätzlich zu den gewährten Beträgen übernommen werden könnten. Eine hierauf gestützte einzelfallbezogene Erhöhung des Barbetrags scheitere daran, dass der Kläger entsprechende Nachweise nicht vorgelegt habe.
15Das Sozialgericht hat das I L Institut schriftlich zur Gestaltung der Einnahme von Mahlzeiten befragt und Unterlagen zur Höhe des Vergütungssatzes beigezogen (Kooperationsvereinbarung zwischen der DRV Westfalen und den westfälisch-lippischen Krankenkassen; Festlegung des Vergütungssatzes ab 01.01.2018 durch die DRV; Belegungsvertrag zwischen der DRV und dem I L Institut). Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Schreiben des Instituts vom 23.08.2019 und die genannten Unterlagen verwiesen.
16Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
17Mit Urteil vom 17.11.2020 hat das Sozialgericht (ohne mündliche Verhandlung) die Klage abgewiesen. Der Kläger habe während der 90tägigen Reha keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen. Er habe sich in einer Einrichtung befunden. Dies werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass Kostenträger die gesetzliche Krankenversicherung gewesen sei, auch der Umstand, dass es sich bei dem I L Institut um eine Klinik iSd § 107 SGB V handele, sei unbeachtlich. Ausweislich des beigezogenen Leistungserbringervertrags handele es sich um eine stationäre Einrichtung.
18Gegen die ihm am 26.11.2020 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 28.12.2020 (Montag) Berufung eingelegt. Er wiederholt die erstinstanzliche Begründung und meint weiterhin, bei dem I L Institut handele es sich jedenfalls in seinem Fall nicht um eine Einrichtung iSd § 13 SGB XII. Seine Lebenssituation sei nicht mit der einer vollstationär untergebrachten Person in einem Pflegheim vergleichbar gewesen. Selbst wenn es sich um eine Einrichtung handeln sollte, habe die Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass der Barbetrag gem. § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII lediglich einen Mindestbetrag darstelle, der in seinem Fall angemessen erhöht werden müsse (Bezugnahme auf BSG Urteil vom 24.03.2021 – B 8 SO 16/19 R).
19Der Kläger beantragt,
20das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.11.2020 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 23.10.2017 und 25.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2018 zu verurteilen, ihm höhere Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts zu gewähren.
21Die Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Das I L Institut habe nach dem Therapiekonzept die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Klägers übernommen. Unerheblich sei, ob im Rahmen dieses Therapiekonzepts einzelne Verrichtungen im Tagesablauf selbständig wahrgenommen wurden.
24Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
25Entscheidungsgründe
26Streitgegenstand des Verfahrens ist ein höherer Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt unter entsprechender Änderung der Bescheide vom 23.10.2017 und 25.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2018 ab 01.11.2017 für die Zeit des Aufenthalts im I L Institut (bis 03.07.2018). Grundsätzlich wird die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht als Dauerverwaltungsakt, sondern nur für einen Monat bewilligt, bei den Auszahlungen in den Folgemonaten handelt es sich um konkludente Leistungsverfügungen (BSG Beschluss vom 21.10.2019 – B 8 SO 54/19 B). Ausdrückliche oder konkludente Bescheide bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides werden analog § 86 SGG Gegenstand des Verfahrens (BSG Urteil vom 09.12.2016 – B 8 SO 14/15 R). Davon abweichend hat die Beklagte in dem Bescheid vom 23.10.2017 die Hilfe zum Lebensunterhalt „ab 1.11.2017“ bewilligt, was für das Vorliegen eines Dauerverwaltungsakts spricht (BSG Urteil vom 08.02.2007 – B 9b AY 1/06 R; BSG, Urteil vom 17.06.2008 – B 8/9b AY 1/07 R). Der Widerspruchsbescheid ist ebenfalls zeitlich offen und bezieht sich der Sache nach auf den Aufenthalt des Klägers in der Reha-Klinik. Der Kläger hat seinen Klageantrag zeitlich nicht beschränkt. Auch die Entscheidung des Sozialgerichts bezieht sich nicht auf einen begrenzten Zeitraum, soweit das Sozialgericht davon spricht, der Kläger habe „während der 90tägigen Reha“ keinen Anspruch auf höhere Leistungen, ist dies nur ein Begründungselement, ohne dass das Sozialgericht vom Regelungsgegenstand der angefochtenen Bescheide und des Klageantrags abweichen wollte. Die Kosten der Unterkunft und die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind nicht Streitgegenstand.
27Die Berufung ist statthaft und zulässig. Der Berufungsstreitwert (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, mehr als 750 €) ist erreicht. Der Kläger begehrt eine höhere Regelleistung gem. § 27a SGB XII in der 2017/2018 gF. 2017 betrug die für den Kläger maßgeblich Regelbedarfsstufe 1 gem. Anlage zu § 28 SGB XII 409 € monatlich, 2018 dann 416 €. Erhalten hat der Kläger monatlich 110,43 € (2017) bzw. 112,32 € (2018). Die monatliche Differenz beträgt 2017 damit 298,57 € bzw. 2018 303,68 € (gesamt für die ersten drei Monate schon 900,68 €).
28Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässig mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG). Allein die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist nicht ausreichend. Zwar hat die Beklagte ihren Bescheid vom 28.11.2017 auf § 48 SGB X gestützt, was auf die Zulässigkeit einer isolierten Anfechtungsklage hindeuten könnte. Jedoch handelt es sich bereits bei diesem Bescheid nicht um einen Aufhebungsbescheid und dem Hinweis auf § 48 SGB X damit um einen unbeachtlichen Begründungsfehler. Der Bewilligungsbescheid vom 27.07.2016 ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, denn er bewilligt Leistungen nur für August 2016 und verweist hinsichtlich der nachfolgenden Monate auf jeweils neue monatweise Bewilligungen.
29Die Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat für die Zeit des Aufenthalts in der Reha-Klinik einen höheren Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt unter Zugrundelegung des § 27a SGB XII und der Anlage zu § 28 SGB XII als erwachsene alleinstehende Person, die in einer Wohnung lebt. Diese beträgt 2017 409 € monatlich und 2018 416 € monatlich. Das in der Rehaklinik ausgezahlte Essengeld ist als Einkommen zu berücksichtigen.
30Der Kläger ist dem Grunde nach leistungsberechtigt für die begehrte Hilfe zum Lebensunterhalt. Er erfüllte im streitigen Zeitraum die Grundvoraussetzungen der §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII. Da er nicht erwerbsfähig war, hatte er keinen vorrangigen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II iSd § 21 SGB XII. Grundsicherung nach dem SGB XII stand ihm nicht zu, da der Kläger nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert iSd § 41 Abs. 3 SGB XII war. Die DRV ist von einer Behebbarkeit der Leistungsminderung ausgegangen. Leistungsausschlussgründe lagen nicht vor.
31Der Bedarf des Klägers richtet sich auch während seines Aufenthalts im I L Institut nicht nach § 27b SGB XII in der vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2019 gF (aF). Die Vorschrift lautete:
32„ (1) Der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen umfasst den darin erbrachten sowie in stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt. Der notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen entspricht dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Nummer 1, 2 und 4. (2) Der weitere notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung; § 31 Absatz 2 Satz 2 ist nicht anzuwenden. Leistungsberechtigte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, erhalten einen Barbetrag in Höhe von mindestens 27 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28. Für Leistungsberechtigte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, setzen die zuständigen Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen für die in ihrem Bereich bestehenden Einrichtungen die Höhe des Barbetrages fest. Der Barbetrag wird gemindert, soweit dessen bestimmungsgemäße Verwendung durch oder für die Leistungsberechtigten nicht möglich ist.“
33Bei der vom Kläger besuchten Reha-Klinik handelt es sich nicht um eine Einrichtung iSd § 27b SGB XII aF.
34Der Begriff der Einrichtung ist in § 13 Abs. 2 SGB XII legaldefiniert. Einrichtungen sind hiernach alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen. Diese Vorschrift nimmt ausdrücklich nur auf § 13 Abs. 1 SGB XII Bezug und ist funktionsdifferent auszulegen (Waldhorst-Kahnau in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 13 SGB XII, Rn. 67). Bei einer Einrichtung iSd § 27b SGB XII aF handelt es sich um einen in einer besonderen Organisationsform zusammengefassten Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dient (BSG Urteil vom 23.07.2015 - B 8 SO 7/14 R). Prägend für die "verantwortliche Trägerschaft" im Sinne des Einrichtungsbegriffs ist, dass der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsberechtigten übernimmt. Die Hilfeleistung in einer Einrichtung kann sich also schon per se nicht auf eine einzelne Verrichtung beschränken, sondern umfasst - schon durch die Eingliederung des Hilfebedürftigen in die Räumlichkeiten des Trägers - die gesamte Betreuung des Leistungsberechtigten, solange sich dieser in der Einrichtung aufhält. In stationären Einrichtungen übernimmt der Einrichtungsträger daher von der Aufnahme der leistungsberechtigten Person bis zu ihrer Entlassung nach Maßgabe eines angewandten Gesamtkonzepts die Gesamtverantwortung für deren tägliche Lebensführung. Dementsprechend liegt § 27b Abs. 1 SGB XII die Wertung zugrunde, dass der notwendige Lebensunterhalt in Situationen, in denen die Gesamtverantwortung des Einzelnen für seine tägliche Lebensführung aufgehoben ist, zum größten Teil nach anderen Vorschriften als dem dritten Kapitel des SGB XII tatsächlich erbracht wird (vgl. BSG Urteil vom 14.12.2017 - B 8 SO 16/16 R). Das ist beispielsweise in Pflegeheimen der Fall, deren Leistungsspektrum sich nach den Rahmenverträgen richtet, die zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen sowie dem Verband der privaten Krankenversicherung im Land und den Vereinigungen der Träger der ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen im Land abgeschlossen werden. Bei Rahmenverträgen über stationäre Pflege sind die überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die Arbeitsgemeinschaften der örtlichen Träger der Sozialhilfe als Vertragspartei am Vertragsschluss zu beteiligen. Diese Rahmenverträge gelten dann gem. § 75 Abs. 5 SGB XII (in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung) auch für die Leistungen nach dem SGB XII. Der Landesrahmenvertrag für das Land NRW enthält in § 2 nicht nur Pflegeleistungen, sondern in Abs. 3 auch die Leistungen der sozialen Betreuung. Durch diese soll die Pflegeeinrichtung für die Pflegebedürftigen einen Lebensraum gestalten, der ihnen die Führung eines selbständigen und selbstbestimmten Lebens ermöglicht sowie zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft innerhalb und außerhalb der Einrichtung beiträgt. Hilfebedarf bei der persönlichen Lebensführung und bei der Gestaltung des Alltags nach eigenen Vorstellungen soll durch Leistungen der sozialen Betreuung ausgeglichen werden, soweit dies nicht durch das soziale Umfeld (z. B. Angehörige) geschieht. Ziel ist es insbesondere, Vereinsamung, Apathie, Depression und Immobilität zu vermeiden und dadurch einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit vorzubeugen bzw. die bestehende Pflegebedürftigkeit zu mindern. In diesem Sinne dienen die Leistungen im Rahmen der sozialen Betreuung der Orientierung zur Zeit, zum Ort, zur Person, der Gestaltung des persönlichen Alltags und einem Leben in der Gemeinschaft, der Unterstützung bei der Erledigung persönlicher Angelegenheiten. Anhand dieser Leistungen der sozialen Betreuung wird deutlich, dass ein Pflegeheim nicht nur die Verantwortung für die Pflege der Bewohner übernimmt, sondern darüber hinaus z.B. für die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und für die Freizeitgestaltung. Auch die dadurch entstehenden Kosten sind von der Einrichtung zu tragen. Dementsprechend ist bei einer Unterbringung in einem Pflegeheim die Gesamtverantwortung des Bewohners für seine tägliche Lebensführung aufgehoben, so dass es gerechtfertigt ist, dass er nur noch den Barbetrag nach § 27b Abs. 3 SGB XII erhält (SG Detmold Urteil vom 27.02.2020 – S 11 SO 59/18).
35Diese Voraussetzungen erfüllt der Aufenthalt im I L Institut nicht. Dort wurde nicht die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Klägers übernommen. Nach dem Belegungsvertrag vom 29.09.2014 zwischen der DRV Westfalen und dem I L Institut, der ausweislich der Kooperationsvereinbarung zwischen den DRV Westfalen und den Krankenkassen(verbänden) auch für die belegende Krankenkasse verbindlich ist, beschränken sich die vom Institut erbrachten Leistungen auf solche der medizinischen Rehabilitation (§ 1 des Belegungsvertrags) auf der Grundlage des jeweiligen Therapiekonzepts (§ 2 Abs. 2 des Belegungsvertrags). Die Rehabilitationseinrichtung stellt entsprechend dem Krankheitsbild, der Funktionseinschränkung und der Belastbarkeit des Rehabilitanden eine adäquate therapeutische Versorgung sicher (§ 2 Abs. 7 des Belegungsvertrags). Auch zusätzliche Leistungen sind nach § 4 des Belegungsvertrags nur im Rahmen der medizinischen Rehabilitation zulässig. Sonstige Zusatzleistungen beziehen sich nur auf die räumliche Ausstattung (Garage, Telefon, Internet pp), nicht aber auf Betreuungsleistungen (§ 4 Abs. 3 des Belegungsvertrags). Es handelt sich um eine Rehabilitationseinrichtung iSd § 107 Abs. 2 SGB V, in der wie in einem Krankenhaus (dazu SG Detmold Urteil vom 27.02.2020 – S 11 SO 59/18) keine Betreuung im Sinne einer Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Patienten übernommen wird.
36Diese sich wie ausgeführt bereits aus dem vertraglich geregelten Leistungserbringungsrecht abzuleitende Wertung wird durch die Angaben des Klägers hinsichtlich der Gestaltung des Aufenthalts bestätigt. Die Patienten waren gehalten, ihre Freizeit selbst zu gestalten, ihre Wohnung beizubehalten und regelmäßig aufzusuchen, dort auch zu übernachten und das Essen selbst zuzubereiten. Diese Angaben sind glaubhaft, werden von der Beklagten nicht bestritten und entsprechen sowohl dem Leistungserbringungsauftrag als auch dem Therapiekonzept des Instituts, das nicht auf eine Heimunterbringung und –betreuung, sondern auf eine Wiederherstellung der Gesundheit, Integration in die Gesellschaft und Erlangung der Erwerbsfähigkeit der Rehabilitanden gerichtet ist (§ 1 Abs. 3 des Belegungsvertrags). Deshalb ist mit dem Aufenthalt auch die Absolvierung eines Berufspraktikums verbunden gewesen. Zwar gibt es einige Freizeitangebote, die aber nicht auf eine Übernahme der Gesamtverantwortung für die Lebensführung gerichtet sind.
37Eine Kürzung des Regelbedarfs nach § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII in der ab 01.01.2017 bis zum 05.12.2019 gF angesichts der in der Rehabilitationseinrichtung erbrachten Leistungen (zB Strom- und Wasserverbrauch, ggfs. gewisse Freizeitaktivitäten, Möbel, Spiele etc) kommt nicht in Betracht. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nur eröffnet, wenn die anderweitige Bedarfsdeckung ebenfalls durch Leistungen nach dem SGB XII erfolgt. Eine Berücksichtigung als Einkommen scheidet dann nämlich schon deshalb aus, weil nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen nach dem SGB XII von dem Einkommensbegriff ausdrücklich ausgenommen sind. Dies ist der maßgebende Gesichtspunkt für die Abgrenzung beider Vorschriften. Der Anwendungsbereich des § 27a Abs. 4 SGB XII ist deshalb zur Vermeidung von Doppelleistungen dann eröffnet, wenn es bei der Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt - etwa als Teil der Eingliederungshilfeleistung - zu Überschneidungen mit den durch den Regelsatz pauschal abgegoltenen tatsächlichen Bedarfen kommt. Einer solchen Überschneidung kann nicht im Rahmen der Einkommensberücksichtigung, sondern allein durch Minderung des Bedarfs begegnet werden, soweit die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Absenkung des Regelsatzes vorliegen. In anderen Fällen, in denen die Leistung nicht (institutionell) als Sozialhilfe erbracht werde, ist im Rahmen der normativen Abgrenzung eine Berücksichtigung als Einkommen iS von § 82 SGB XII zu prüfen; Einkommen mindert also im Sinne der gesetzlichen Regelung nicht bereits den Bedarf (BSG Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 17/09 R). Demnach kommt im vorliegenden Verfahren eine abweichende Bedarfsfestsetzung nicht in Betracht, da die Leistungen, die der Kläger während der Behandlung im Krankenhaus erhalten hat, nicht durch einen Träger der Sozialhilfe finanziert worden sind, sondern durch die Krankenversicherung des Klägers.
38Auch eine Einkommensanrechnung – außer der für das Essen gezahlten Beträge (dazu sogleich) - scheidet aus. Nach § 82 Abs. 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Einnahmen in Geldeswert sind solche Zuflüsse, die einen Marktwert haben und sich daher in Geld tauschen lassen. Einnahmen mit Geldeswert sind z.B. Sachleistungen in Form von Waren oder Dienstleistungen, die mit ihrem Marktwert als Einkommen zu berücksichtigen sind. Die Leistungen, die der Kläger von dem Institut erhalten hat, wie z.B. Versorgung mit Wasser und Strom oder Freizeitangebote, stellen kein Einkommen dar, weil es dafür keinen Markt gibt und sie sich daher nicht in Geld tauschen lassen (vgl. SG Detmold Urteil vom 27.02.2020 – S 11 SO 59/18).
39Auf die Hilfe zum Lebensunterhalt ist allerdings gem. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII das in dem Institut gezahlte Essensgeld als Einkommen anzurechnen.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (die Anrechnung des Essensgeldes hat der Kläger nicht angegriffen).
41Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.