Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Der Antragsgegner wird vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen zur Bestreitung der Kosten des Umzugs von der Wohnung in der Straße B in E in die Wohnung im Lweg, X. Etage, in E in Höhe von 2.169,78 EUR zu gewähren. Der Antragsteller trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
2Der schriftsätzlich und sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
3den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen zur Bestreitung der Kosten des Umzugs von der Wohnung in der Straße B in E in die Wohnung im Lweg, X. Etage, in E in Höhe von 2.169,78 EUR zu gewähren,
4ist zulässig und begründet. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechts-schutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG vom 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R, BSG vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B). Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtsuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Vorverlagerung der Entscheidung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen soll. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Eine solche besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist nur zu bejahen, wenn dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG vom 16.05.1995, 1 BvR 1087/91). Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) für Vornahmesachen dürfen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (vgl. BVerfG vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12; BVerfG vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12). Die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Auflage 2020, § 86 b Rn. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgeabwägung stärkeres Gewicht gewinnt. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (BVerfG vom 13.04.2010 - 1 BvR 216/07, BVerfGE 126, 1 (27 f.) m.w.N.). Dabei ist eine weitergehende tatsächliche und rechtliche Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs von Verfassungs wegen dann erforderlich, wenn dem Antragsteller eine erhebliche, über den Randbereich hinausgehende Verletzung seiner Grundrechte droht, die durch eine nachträgliche Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12, a.a.O.). Ist einem Gericht die vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Ausgehend hiervon hat die Antragstellerin nach dem Ergebnis der Ermittlungen unter Berücksichtigung der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur summarischen Prüfungsdichte, insbesondere der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen und den Unterlagen, die sich aus der Verwaltungsakte des Antragsgegners ergeben, einen Anspruch auf die vorläufige Gewährung der Kosten für den beabsichtigten Umzug nach Maßgabe des Angebots der S GmbH vom XX.XX.XXXX (Bl. 85 d.A.). Denn zum einen ist das grundsätzlich in § 22 Abs. 6 SGB II eingeräumte Ermessen des Antragsgegners bei der Gewährung von Umzugskosten dem Grunde nach auf Null reduziert (und zwischen den Beteiligten auch unstreitig). Zum anderen stellen sich die in Anlehnung an das Angebot der S GmbH vom XX.XX.XXXX tenorierten Kosten als angemessen dar. Insbesondere erscheint es bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage unzumutbar, die Antragstellerin auf die Durchführung des Umzugs mithilfe von Freunden, Familie, studentischen Umzugshelfern, Fahrer des Umzugswagens und Elektriker zu verweisen. Grundsätzlich können Leistungsberechtigte, denen ein Anspruch auf Gewährung von Umzugskosten dem Grunde nach zusteht, nur eine Zusicherung des Leistungserbringers zu angemessenen Umzugskosten verlangen. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 SGB II, nach welchem die Obliegenheit besteht, die Hilfebedürftigkeit zu verringern. Somit besteht auch die grundsätzliche Verpflichtung, einen Umzug selbst zu organisieren und durchzuführen (BSG vom 06.05.2010 B 14 AS 7/09 R; BSG vom 06.10.2011 B 14 AS 152/10 R). In besonderen Fällen wie Erkrankung, Behinderung oder aufgrund sonstiger besonderer Umstände, kann jedoch die Übernahme von Kosten für einen gewerblich organisierten Umzug in Betracht kommen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 27.11.2012 - L 5 AS 902/12 B ER; SG Dresden vom 06.06.2006 S 23 AS 838/06 ER). So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin hat zunächst glaubhaft gemacht, dass ein Umzug mit Hilfe von Freunden und Familie nicht möglich ist. Seit der Trennung von ihrem Ehemann, aufgrund derer auch der Antragsgegner den Umzug in die neue Wohnung mit Bescheid vom 29.07.2020 als erforderlich anerkannt hat (vgl. Bl. 48 d.A.), ist der vormals gemeinsame Freundeskreis zerbrochen. Die Mutter der Antragstellerin ist gesundheitlich nicht in der Lage zu helfen. Selbst eine vorübergehende Beaufsichtigung der beiden minderjährigen Kleinkinder der Antragstellerin im Alter von X Jahren bzw. XX Monaten ist ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Dass die Übernahme der Betreuung der Kinder durch den Kindsvater oder dessen Eltern für die Zeit des Umzugs ausscheidet, hat die Antragstellerin ebenfalls glaubhaft gemacht, indem sie auf komplexe Vorgaben des zuständigen Jugendamts zum Umgang des Kindsvaters hingewiesen hat, nach denen der Vater die beiden Kinder aufgrund einer Suchterkrankung und damit einhergehender Kindswohlgefährdung lediglich an einzelnen Tagen in der Woche für höchstens 1 bis 4 Stunden sehen darf. Ein Umgang der Eltern des Vaters mit den Kindern ist danach überhaupt nicht gestattet. Als Folge dessen besteht auch der Antragsgegner nicht mehr darauf nicht mehr darauf, dass die Antragstellerin den Umzug mithilfe von Familie und Freunden durchführt, sondern mit studentischen Hilfskräften, einem Fahrer des Umzugswagens und einem Elektriker zum Anschluss der Starkstromgeräte in der Küche. Aber auch darauf kann die Antragstellerin nicht verwiesen werden, weil die Durchführung des Umzugs mit drei studentischen Hilfskräften, einem Fahrer des Umzugswagens und einem Elektriker in der derzeitigen Situation der Coivid-10-Pandemie unzumutbar ist. Gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung zum Schutz von Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-Co-V-2 des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 10.11.2020 (CoronaSchVO) hat jede Person im öffentlichen Raum grundsätzlich einen Abstand von mindestens 1,5 m zu anderen Personen einzuhalten, sofern nicht nachfolgende Regelungen der CoronaSchVO dies ausdrücklich zulassen. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 9 CoronaSchVO kann der Mindestabstand bei zwingenden Zusammenkünften zur Berufsausübung unterschritten werden. Darüber hinaus sind alle in die Grundregeln des Infektionsschutzes einsichtsfähigen Personen verpflichtet, sich so zu verhalten, dass sie sich und andere keinen vermeidbaren Infektionsgefahren aussetzt. Dazu gehört auch ein verantwortungsbewusstes Verhalten im privaten Umfeld. Diese Verhaltensanordnung folgt aus § 1 Abs. 2 CoronaSchVO. Vor dem Hintergrund dieser Verhaltensregeln ist die Durchführung des Umzugs mit drei studentischen Hilfskräften, einem Fahrer des Umzugswagens sowie einem Elektriker für die Antragstellerin unzumutbar, unabhängig davon, dass hinsichtlich des Aufenthalts der beteiligten Personen außerhalb der beiden Wohnungen sogar Verstöße gegen § 2 CoronaSchVO infrage kommen. Allein die ausdrückliche Aufforderung in § 1 Abs. 2 CoronaSchVO, nicht sich und andere Personen vermeidbaren Infektionsgefahren auszusetzen, erscheint dem Gericht ausreichend, um die Unangemessenheit der Kosten durch einen Umzug mit einem Umzugsunternehmen zu verneinen, weil nur so entsprechend der CoronaSchVO das Infektionsrisiko auf ein Minimum beschränkt werden kann. Unter Gesichtspunkten des Infektionsschutzes ist von erheblicher Bedeutung, ob lediglich Personen eines Arbeitgebers, die im Zweifelsfall täglich körpernah ihre Arbeit verrichten, oder drei studentische Hilfskräfte, ein Fahrer und ein Elektriker gemeinsam mit der Antragstellerin den Umzug durchführen. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 CoronaSchVO darf der Mindestabstand im öffentlichen Raum von 1,5 m unter anderem dann unterschritten werden, wenn das Zusammentreffen bis zu 10 Personen aus Angehörigen von zwei Hausständen bestehen. An dieser Stelle kommt hinreichend zum Ausdruck, dass es im Sinne des Infektionsschutzes möglichst vermieden werden soll, dass mögliche Träger des Virus mehr als einen weiteren Hausstand der Gefahr einer Infektion aussetzen. Somit soll dem Zweck der CoronaSchVO entsprechend (§ 1 Abs. 1) eine wirksame und zielgerichtete Begrenzung der Infektionsgefahren herbeigeführt werden. Dieser Zweck würde konterkariert, wenn die Antragstellerin gezwungen wäre, einen Fahrer des Umzugswagens, drei studentische Umzugshelfer und den Elektriker zum Anschluss der Starkstromgeräte separat zu beauftragen und während des Umzugs zu leiten und zu überwachen. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Umzug körperlich sehr anstrengend ist, die Beteiligten also entsprechend stark ein- und ausatmen werden. Das allein erhöht bereits das Risiko einer Infektion. Im Vergleich zu einem Umzug mit einem einzigen Umzugsunternehmen, deren Mitarbeiter selbstredend ebenfalls stark ein- und ausatmen werden, während sie sich körperlich immer wieder in unmittelbarer Nähe zueinander befinden, arbeiten weder die studentischen Umzugshelfer noch der Elektriker oder der Fahrer regelmäßig miteinander. Verglichen mit den zwei Haushalten, deren Angehörige sich gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 CoronaSchVO bei Unterschreitung des Mindestabstands im öffentlichen Raum treffen dürfen, entsprechen die Mitarbeiter eines Unternehmens eher einem einzigen Haushalt, als es bei den separat beauftragten studentischen Umzugshelfer, dem separat beauftragte Elektriker und dem separat beauftragten Fahrer der Fall ist. Es ist davon auszugehen, dass nicht einmal die studentischen Umzugshelfer regelmäßig zusammenarbeiten, so dass um den Vergleich mit den Haushalten beizubehalten bei einer Einzelbeauftragung von Fahrer, Studenten und Elektriker neben der Antragstellerin fünf "Haushalte" aufeinandertreffen und schwere körperliche Arbeit verrichten, wohingegen bei der Beauftragung eines Umzugsunternehmens von einem "Haushalt" auszugehen ist. Auf Grundlage dieser Annahmen und unter Berücksichtigung der Zielsetzung sowie der Regelungen der CoronaSchVO wäre die Einzelbeauftragung, wie der Antragsgegner sie für angemessen hält, für die Antragstellerin nicht zumutbar, so dass der Anordnungsanspruch für das Gericht hinreichend glaubhaft gemacht ist. Dem Kostenvoranschlag der S GmbH sind im Rahmen der nur summarisch vorzunehmenden Prüfung keine Positionen zu entnehmen, welche die Summe von 2.169,78 EUR unangemessen erscheinen lassen. Insbesondere sind die vormals im Angebot vom XX.XX.XXXX (über 2.575,78 EUR) enthaltenen Montagearbeiten für Leuchtmittel nicht mehr enthalten, welche als unangemessen zu beurteilen gewesen wären. Der Anordnungsgrund ist vorliegend ebenfalls gegeben, wobei an diesen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen waren. Zu beachten ist nämlich, dass Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein beweglichen System bilden, bei welchem die Anforderungen an den Anordnungsgrund entsprechend sinken, je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind (ThürLSG vom 17.11.2014 L 6 KR 1214/14 B ER, BayLSG vom 23.03.2015 L 1 R 138/15 B ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 30.07.2019 L 7 SO 2356/19 ER-B). Die Antragstellerin hat ausreichend glaubhaft gemacht, dass das Wohneigentum zur Vermeidung weitere finanzieller Nachteile möglichst zeitnah geräumt und dementsprechend veräußert werden muss. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.