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Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 11.08.2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 in Gestalt des Ablehnungsbescheids vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2019 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum von August bis Dezember 2017 und Januar 2018 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung eines Einkommens aus den Ehrenämtern für den Fraktionsvorsitz im Stadtrat der Stadt T und für den Sitz im Kreistag des Landkreises V zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Sozialgericht Dortmund
3Az.: S 70 AS 836/19 |
Verkündet am: 06.12.2021 |
Im Namen des Volkes
5Urteil
6In dem Rechtsstreit
7Klägerin
8Proz.-Bev.:
9gegen
10Beklagter
11hat die 70. Kammer des Sozialgerichts Dortmund auf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2021 durch die Vorsitzende, die Richterin Eulitz, sowie den ehrenamtlichen Richter Megger und die ehrenamtliche Richterin Stork für Recht erkannt:
12Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 11.08.2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 in Gestalt des Ablehnungsbescheids vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2019 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum von August bis Dezember 2017 und Januar 2018 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung eines Einkommens aus den Ehrenämtern für den Fraktionsvorsitz im Stadtrat der Stadt T und für den Sitz im Kreistag des Landkreises V zu gewähren.
13Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
14Tatbestand:
15Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum August 2017 bis Januar 2018.
16Die Klägerin ist politisch tätig. Seit 2014 ist sie Mitglied des Rats der Stadt T und war dort im streitgegenständlichen Zeitraum Vorsitzende ihrer Fraktion. Seit September 2015 war sie daneben Mitglied des Kreistags des Landkreises V.
17Für die Mitgliedschaften im Stadtrat und im Kreistag erhielt sie jeweils Aufwandsentschädigungen. Diese betrugen im streitgegenständlichen Zeitraum für die Mitgliedschaft im Stadtrat insgesamt 900,30 € monatlich, für die Mitgliedschaft im Kreistag 393,13 € monatlich zuzüglich Sitzungsgeldern und Fahrtkosten in unterschiedlicher Höhe.
18Daneben ging sie noch zwei selbstständigen Tätigkeiten nach, sie gab Nachhilfestunden und Yogaunterricht.
19Bereits vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum hatte die Klägerin Leistungen vom Beklagten bezogen. Die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat hatte der Beklagte bisher als privilegiertes Einkommen nicht auf ihre Leistungen angerechnet, so zuletzt noch in der abschließenden Festsetzung vom 05.12.2017 zum Vorzeitraum. Nach ihrer Aufnahme im Kreistag hatte sich die Klägerin an den Beklagten gewandt und um Prüfung gebeten, ob die Privilegierung auch für die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Kreistag gelte. Daraufhin hatte ihr der Beklagte am 22.12.2015 geschrieben, dass die monatliche Pauschale für die Kreistagsmitgliedschaft in voller Höhe als Einkommen anzurechnen sei. Diese diene, im Gegensatz zur Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat, dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II. Die Aufwandsentschädigung für das Kreistagsmandat wurde erstmals im Bewilligungsbescheid vom 28.04.2016 zum Zeitraum August 2015 bis Januar 2016 angerechnet.
20Im Juli 2017 stellte die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag. Auf diesen bewilligte der Beklagte den hier streitgegenständlichen Zeitraum zunächst vorläufig mit Bescheid vom 10.08.2017. Es wurde ein zu erwartendes Einkommen i.H.v. 566,34 € brutto und 416,34 € netto prognostiziert. Aus einem Berechnungsvermerk zum Bescheid ist ersichtlich, dass dabei nur die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Kreistag einberechnet und die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat als privilegiert außen vor gelassen wurde (Blatt 258 Verwaltungsakte zu S 70 AS 308/19-Bl. 186, Bd. II). Gegen die vorläufige Bewilligung erhob die Klägerin am 07.09.2017 Widerspruch.
21Mit Bescheid vom 22.01.2019 setzte der Beklagte den Zeitraum abschließend fest. Einen Anspruch lehnte er ab, da übersteigendes Einkommen vorhanden sei und keine Hilfebedürftigkeit bestehe. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte aus der Tätigkeit als Yogalehrerin 1,84 €, aus der Tätigkeit als Nachhilfelehrerin 35,42 €, die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat in Höhe von 900,30 € und die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Kreistag mit 393,13 €, also insgesamt 1.330,69 € monatlich.
22Den von der Klägerin gegen die vorläufige Bewilligung erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2019 als unbegründet zurück.
23Am 20.02.2019 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Aufwandsentschädigungen für die ehrenamtlichen politischen Tätigkeiten seien als privilegiertes Einkommen anzusehen. Die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat sei bisher nicht als Einkommen berücksichtigt worden, daher bestehe Vertrauensschutz. In der Vergangenheit habe der Beklagte rechtsverbindlich festgestellt, dass keine Anrechnung auf die Leistungen erfolge. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der zuständigen Sachbearbeiterin aus August 2015. Die Aufwandsentschädigungen dienen einem anderen Zweck als den der Unterhaltssicherung. Es sollen davon die Kosten für die Wahrnehmung der politischen Mandate gedeckt werden, so z.B. Fahrtkosten, Material, Weiterbildung, etc. Auch der Gesetzgeber sei dieser Auffassung, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Partei „Die Linke“ ergebe. Außerdem habe sie diese auch komplett für ihre Mandatstätigkeit verbraucht und nicht für den Lebensunterhalt aufwenden können.
24Die Klägerin beantragt,
25den Beklagten unter Abänderung des Bescheids zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen vom 11.08.2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 in Gestalt des Ablehnungsbescheids vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2019 zu verurteilen, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung einer Aufwandsentschädigung für die Stellung als Fraktionsvorsitzende im Stadtrat und im Kreistag zu gewähren.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Begründend trägt er vor, die Aufwandsentschädigungen aus der politischen Tätigkeit seien als Einkommen auf die Leistungen anzurechnen. Es sei keine Ausnahme ersichtlich. Die einzige in Betracht kommende Regelung, § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II, passe nicht auf den vorliegenden Fall. Für die Aufwandsentschädigungen werde keine bestimmte Verwendung vorgegeben. Es sei kein anderer Zweck ersichtlich, als die Deckung des Lebensunterhalts. Lediglich die Sitzungsgelder und die Fahrtkosten seien davon auszunehmen. Die veränderte Vorgehensweise hinsichtlich der Einkommensanrechnung basiere auf einer veränderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Der Klägerin seien zudem Leistungen nur unter Vorläufigkeitsvorbehalt bewilligt worden, weshalb ein Vertrauensschutz nicht bestehe.
29Das Gericht hat am 16.05.2019 auf zwei Urteile des BSG, einmal vom 26.05.2011, Az. B 14 AS 93/10 R, und einmal vom 12.09.2018, Az. B 14 AS 36/17 R, hingewiesen. In diesen wurden bei solchen Aufwandsentschädigungen für politische Ehrenämter die Voraussetzungen des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II verneint.
30Die Klägerin hat erwidert, die Urteile seien nur teilweise übertragbar. In ihrem Fall dienen die Entschädigungen einem anderen Zweck. Das BSG setze sich nur mit Grundentschädigungen auseinander. Zudem beziehe sich die Rechtsprechung noch auf den § 11a SGB II in alter Fassung, welcher noch auf § 9 Einkommenssteuergesetz verwies.
31Der Beklagte hat erwidert, dass die Gesetzesänderung kein Unterschied mache. Das BSG habe festgestellt, dass Aufwandsentschädigungen nicht abzusetzen seien.
32Das Gericht hat am 22.05.2020 den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Es hat darauf hingewiesen, dass im § 11 der Hauptsatzung des Kreises V (HS V) eine Zweckbestimmung gesehen werden könnte. Zudem gibt es eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen vom 10.01.1989, 8 A 1753/87, die eine Zweckbestimmung im hiesigen Verfahren stützt. Die Beteiligten haben im Termin einen Vergleich auf Widerruf geschlossen, den der Beklagte fristgemäß widerrufen hat.
33Der Beklagte hat weiter vorgetragen, dass die Rechtsprechung des BSG seine Auffassung unterlege. Demnach bestimme sich ein Zweck aus der Verwendung, nicht aus der Entstehung. Der § 11 HS V enthalte keinen Verwendungszweck.
34Die Klägerin hat weiter vorgetragen, die Grundsätze der Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen seien auch hier anwendbar. Die HS V unterscheide explizit zwischen Verdienstausfall und Aufwandsentschädigung. Der Vorläufigkeitsvorbehalt betreffe zudem nicht das Vertrauen in die Einteilung des Einkommens als privilegiert und nicht privilegiert.
35Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe:
37I.
38Die Klage hat Erfolg, sie ist zulässig und begründet.
39Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid zur vorläufigen Bewilligung vom 11.08.2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 in Gestalt der Ablehnung vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2019. Die Ablehnung vom 22.01.2019 ist nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2017, B 14 AS 36/16 R, Rn. 19 – zitiert nach juris).
40II.
41Die Klage ist begründet.
42Die vorläufige Bewilligung vom 11.08.2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 25.11.2017 in Gestalt der Ablehnung vom 22.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2019 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
43Die Klägerin hat Anspruch auf Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 7 ff., 19 ff. SGB II.
44Sie hatte im streitgegenständlichen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II nicht überschritten und war erwerbsfähig, § 8 SGB II.
45Sie war auch hilfebedürftig, § 9 Abs. 1 SGB II. Der Beklagte hatte zu Unrecht Einkommen in Form der Aufwandsentschädigungen für die politischen Mandate auf die Leistungen angerechnet.
46Die Aufwandsentschädigungen sind Einnahmen in Geld gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und daher als Einkommen einzuordnen. Sie unterfallen aber der Ausnahmeregelung des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Die Prüfung des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II erfolgt in drei Schritten (so zur gleichlautenden Vorschrift des § 83 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch: BSG, Urteil vom 23.03.2010, B 8 SO 17/09 R, Rn. 24 – zitiert nach juris). In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die öffentlich-rechtliche Vorschrift einen über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehenden Zweck beinhaltet. Eine ausdrückliche Zweckbestimmung muss in der jeweiligen Vorschrift nicht genannt werden. Es genügt, wenn sich dieser aus der Gesetzesbegründung, den Voraussetzungen der Gewährung oder dem Gesamtzusammenhang der Regelung eindeutig ableiten lässt (BSG, aaO; Soehngen, juris-PK, 5. Auflage, § 11a SGB II, Rn. 38). In einem zweiten Schritt ist der Zweck der konkret infrage stehenden Sozialhilfeleistung zu ermitteln und in einem dritten Schritt sind die Zwecke beider Leistungen einander gegenüberzustellen.
47Sowohl die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft als Fraktionsvorsitzende im Stadtrat von T als auch die für die Mitgliedschaft im Kreistag des Landkreises V erfüllen diese Voraussetzungen.
48Die Aufwandsentschädigung für das Mandat im Stadtrat basiert auf dem § 10 der Hauptsatzung der Stadt T (HS T) in der Fassung vom 22.02.2017.
49Dieser lautet:
50„§ 10 – Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgeld, Verdienstausfallersatz
51Die Mitglieder des Rates erhalten eine Aufwandsentschädigung in Form eines monatlichen Pauschalbetrages nach Maßgabe der Entschädigungsverordnung – EntschVO.
Stellvertretende Bürgermeister/innen nach § 67 Abs. 1 GO, Vorsitzende der Ausschüsse des Rates mit Ausnahme des Wahlprüfungsausschusses und Fraktionsvorsitzende – bei Fraktion mit mindestens 8 Mitgliedern auch ein/e stellvertretende/r Vorsitzende/r, mit mindestens 16 Mitgliedern auch 2 stellvertretende Vorsitzende – erhalten neben den Entschädigungen, die den Ratsmitgliedern nach § 45 GO zustehen, eine zusätzliche Aufwandsentschädigung nach § 46 GO NRW i.V.m. der EntschVO.
[…]“
Dieser ist eine öffentlich-rechtliche Vorschrift, da er einen Träger der öffentlich-rechtlichen Verwaltung, die Stadt T, zur Leistung verpflichtet (Schmidt, Eicher/Luik/Harich, 5. Auflage, § 11a, Rn. 19).
56Der Zweck der Vorschrift ist es, die durch die Mandatsausübung entstandenen Aufwendungen auszugleichen. Dieser Zweck ergibt sich aus der Bezeichnung als „Aufwandsentschädigung“ (dazu bereits zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 77 Bundessozialhilfegesetz: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.01.1989, 8 A 1753/87, Rn. 8 – zitiert nach juris). Aus der Systematik des § 10 HS T zeigt sich zudem, dass mit den Aufwendungen nicht die Sicherung des Lebensunterhalts der Mandatsträger gemeint sein kann, denn für eine solche ist der Verdienstausfall nach Nummer 4 vorgesehen. Dieser deckt den Ausfall von Arbeitsleistung und damit von Lohn durch eine Mandatsausübung ab. Weiter wird auch ein sogenanntes Haushaltsgeld nach § 10 Nr. 4 lit. d HS T gewährt. Dieses dient der Absicherung von Personen, die nicht oder nur gering erwerbstätig sind. Die Aufwandsentschädigung ist von diesem Verdienstausfall getrennt geregelt. Sie ist daher von diesem abzugrenzen und kann nicht denselben Zweck erfüllen. Die gewährte Höhe der Aufwandsentschädigung stütz dies ebenso, denn diese wird mit der Art des politischen Mandats verknüpft. So wird nach § 10 Nr. 2 HS T für eine besondere Mandatsausübung auch eine höhere Aufwandsentschädigung gewährt. Nach § 10 Nr. 3 HS T haben sachkundige Bürger oder Einwohner lediglich einen Anspruch auf ein Sitzungsgeld, denn diese haben durch ihr Mandat auch keinen darüber hinausgehenden Aufwand. Mit einer Unterhaltssicherung hat dies nichts zu tun, da die Kosten des Lebensunterhalts gerade nicht von der Art des Mandats abhängen. Dies ist im Übrigen auch aus der Bestimmung zur Höhe der Entschädigung nach der Verordnung über die Entschädigung der Mitglieder kommunaler Vertretungen und Ausschüsse (EntschVO) ersichtlich. In dieser werden die monatlichen Pauschalen höher, je mehr Einwohner vertreten werden. Dies kann nicht aus einem Gedanken der Unterhaltssicherung folgen, da der Unterhaltsbedarf sich nicht mit wachsender Einwohnerzahl erhöht. Wohl aber erhöht sich mit mehr Einwohnern der Mandatsaufwand, da mehr Leute durch die politische Tätigkeit erreicht werden müssen. Dies führt zu höheren Kosten, z.B. höhere Ausgaben für Infomaterial wegen höherer Stückzahlen u.Ä., welche durch die höhere Entschädigung ausgeglichen werden.
57Dass die Aufwandsentschädigung vom Verdienstausfall getrennt ist, unterscheidet den vorliegenden Fall auch von der Rechtsprechung, auf die sich der Beklagte bezieht. In den dortigen Fällen umfassten die in Frage stehenden Leistungen auch den Verdienstausfall (BSG, Urteil vom 26.05.2011, B 14 AS 93/10 R; Urteil vom 24.08.2017, B 4 AS 9/16 R; Urteil vom 12.09.2018, B 14 AS 36/17 R und LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.11.2018, L 15 AS 55/18).
58Der Beklagte hatte zudem die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Stadtrat in der vorläufigen Bewilligung noch als privilegiertes Einkommen abgesetzt. Die Frage, ob dies zu einem Vertrauenstatbestand führt und ob der Beklagte dieses Einkommen daher überhaupt in die abschließende Bewilligung, unter Umgehung der strengeren Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, einbeziehen durfte, muss aufgrund der Anwendbarkeit von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II aber nicht geklärt werden (zur Problematik: SG Berlin, Urteil vom 15.06.2018, S 37 AS 153/18, Rn. 34 ff. – zitiert nach juris).
59Für die Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Kreistag stellt sich dies ebenso dar.
60Diese wurde aufgrund der Vorschriften des § 6 Abs. 1 HS V in der Fassung vom 07.11.2014 nach Beschluss vom 28.03.2017 i.V.m. § 30 Abs. 5 der Kreisordnung Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) in der Fassung vom 29.11.2016 erbracht.
61Diese lauten:
62„HS V
63§ 6 - Ersatz des Verdienstausfalls und Aufwandsentschädigung
64(1) Kreistagsmitglieder erhalten eine Aufwandsentschädigung (§ 30 Absatz 5 KrO NRW) als monatliche Pauschale und Sitzungsgeld (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 i.V.m. Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b der Entschädigungsverordnung Nordrhein-Westfalen).
65(2) […]
66KrO NRW
67§ 30 – Entschädigung der Kreistagsmitglieder
68(1) […]
69(5) Unabhängig von einem Anspruch auf Verdienstausfall besteht ein Anspruch auf angemessene Aufwandsentschädigung nach folgenden Maßgaben:
70Einem Kreistagsmitglied kann die Aufwandsentschädigung teilweise als Sitzungsgeld für Kreistags-, Kreisausschuss-, Ausschuss und Fraktionssitzungen gezahlt werden.
Ein Ausschussmitglied, das nicht Kreistagsmitglied ist (sachkundiger Bürger), erhält ein Sitzungsgeld für die im Rahmen seiner Mandatsausübung erforderliche Teilnahme an Kreisausschuss-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen.
Ein stellvertretendes Ausschussmitglied, das nicht Kreistagsmitglied ist, erhält unabhängig vom Eintritt des Vertretungsfalles für die im Rahmen seiner Mandatsausübung erforderliche Teilnahme an Fraktionssitzungen ein Sitzungsgeld.
(6) […]“
75Auch diese Leistung wird von einem Träger der öffentlich-rechtlichen Verwaltung, dem Landkreis V, erbracht und ist daher öffentlich-rechtlich im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II.
76Auch hier wird die Aufwandsentschädigung vom Verdienstausfall getrennt. So wird in § 6 HS V in der Überschrift der Verdienstausfall gesondert aufgeführt. Noch deutlicher wird dies im § 30 KrO NRW, auf dessen Absatz 5 der § 6 Abs. 1 HS V verweist. In diesem wird im ersten Absatz der Ersatz für den Verdienstausfall geregelt, der durch die Mandatsausübung entsteht. Weiter besteht in Absatz 3 ein Haushaltsgeld für die nicht oder nur gering erwerbstätigen Mandatsträger. Diese Leistungen dienen der Lebensunterhaltssicherung. Der § 30 Abs. 5 KrO NRW gibt „[u]nabhängig von einem Anspruch auf Verdienstausfall“ einen Anspruch auf Aufwandsentschädigung. Der Verdienstausfall wird explizit von der Aufwandsentschädigung getrennt. Bei der Aufwandsentschädigung wird auch hier in verschiedene Mandatsformen unterteilt. In § 30 Abs. 5 KrO NRW werden die Entschädigungen der sachkundigen Bürger und der stellvertretenden Ausschussmitglieder geregelt. Auch diese erhalten, wie in der HS T, lediglich ein Sitzungsgeld für die erforderliche Teilnahme an Fraktionssitzungen und auch die Höhe der Aufwandsentschädigung für Kreistagsmitglieder bestimmt sich nach der EntschVO. Daher gilt das oben bereits Ausgeführte auch hier.
77Da somit nur noch Einnahmen aus den Tätigkeiten für Nachhilfe und Yogaunterricht anzurechnen sind und diese sich im streitgegenständlichen Zeitraum im unteren, zweistelligen Bereich bewegten, ist ein Anspruch der Klägerin auf die begehrten Leistungen vom Beklagten gegeben.
78Das Gericht konnte den Beklagten dem Grunde nach verurteilen, da die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG vorliegen. Es wird gemäß § 54 Abs. 4 SGG eine Leistung in Geld begehrt. Alle Voraussetzungen des strittigen Anspruchs mit Ausnahme der Anspruchshöhe sind geprüft und festgestellt (s. Bolay, Berchtold, 6. Auflage, SGG § 130, Rn. 3). Der Beklagte hat einen Bescheid über die Höhe der Leistungen zu erlassen.
79III.
80Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
81Rechtsmittelbelehrung:
82Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
83Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
84Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
85schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
86Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
87Sozialgericht Dortmund, Ruhrallee 1-3, 44139 Dortmund
88schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
89Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
90Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
91- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
92- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
93Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
94Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
95Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Dortmund schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
96Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
97Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
98Ab dem 1. Januar 2022 gilt ergänzend:
99Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Absatz 4 Nummer 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).