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Unter Aufhebung des Beschlusses vom 25.11.2015 wird der Beklagte verurteilt, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 18.06.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Streitig ist die Erteilung einer Institutsermächtigung.
3Mit Beschluss vom 08.08.2012 erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 7) für deren Klinik für Kinder- und Jugendmedizin für die Zeit bis zum 30.09.2014 eine Institutsermächtigung zur Erbringung zahlreicher Leistungen. Mit Beschluss vom 25.09.2014 verlängerte der Zulassungsausschuss diese Institutsermächtigung bis zum 31.12.2017.
4Unter dem 04.03.2015 beantragte die Beigeladene zu 7), die Ermächtigung der Pädiatrischen Institutsambulanz um die bisher erteilten persönlichen Ermächtigungen für D N1 (Fachärztin für Urologie), PD N2 X (Facharzt für Neurochirurgie), S1 Q (Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie) sowie L1 S2-I1 (Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde) zu erweitern. Für den Fall der antragsgemäßen Erweiterung der Institutsermächtigung sowie der einzelnen Überweisungsbefugnisse würden die Ärzte auf ihre persönlichen Ermächtigungen verzichten.
5Mit Beschluss vom 18.06.2015 entsprach der Zulassungsausschuss unter Ziffern XIV (Kinderurologie), XV (neurochirurgische Behandlungsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen), XVI (Kinderorthopädie) und XVII (HNO-Behandlungen bei Kindern und Jugendlichen) dem Antrag.
6Diesem Beschluss widersprach die Klägerin unter Verweis auf den Vorrang der persönlichen Ermächtigung vor einer Institutsermächtigung.
7Nach Ansicht der hierzu gehörten Beigeladenen zu 7) verkennt die Klägerin, dass das Leistungsspektrum des I2 Klinikums L2 im kinderärztlichen Bereich mit dem eines Universitätsklinikums grundsätzlich vergleichbar sei. Bestimmte Bereiche würden im Rahmen der Institutsambulanz von Fachärzten mit entsprechender Schwerpunkt- und Zusatzqualifikation abgedeckt und führten zu einer hervorragenden ambulanten Betreuung und Versorgung von pädiatrischen Patienten am linken Niederrhein. Die in der Institutsambulanz tätigen Fachärzte wiesen zahlreiche und überlappende Qualifikationen auf, die durch die Vernetzung in der Institutsambulanz noch zu einer weiteren Verbesserung der Versorgung führen würden. Mit dem jetzt vorliegenden Antrag auf Erweiterung der Institutsambulanz um die bereits erteilten persönlichen Ermächtigungen werde keine Leistungserweiterung betrieben, sondern das bereits bestehende Leistungsspektrum erweitert. Durch die Einbeziehung und Vernetzung der vorgenannten Bereiche werde die Patientenversorgung noch weiter verbessert und die Versorgungseffizienz gesteigert. Diese Feststellungen habe auch der Beklagte in seiner Sitzung am 08.08.2012 geteilt, als er den Ablehnungsbescheid auf Erteilung der Ermächtigung für die Institutsambulanz aufgehoben habe Diese Ansicht werde auch von den Obfrauen der Krefelder Kinder- und Jugendärzte geteilt, die ausdrücklich die Umwandlung der persönlichen Ermächtigungen in die Institutsambulanz unterstützt und befürwortet hätten.
8Mit Beschluss vom 25.11.2015, ausgefertigt als Bescheid am 10.12.2015, wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Er habe in seiner Sitzung vom 08.08.2012 bereits vom Grundsatz eine Ausnahme gemacht, dass Ermächtigungen von Krankenhausärzten Ermächtigungen von Institutsambulanzen vorgingen. Insofern möge er in dem jetzt zu entscheidenden Fall keinen Unterschied sehen, der ihn veranlassen könnte, eine andere Haltung einzunehmen. Schon zum damaligen Zeitpunkt gingen die Beteiligten davon aus - so habe sich die Klägerin auch geäußert -, dass die Erteilung einer Institutsermächtigung vor dem Hintergrund zu erteilen sei, dass das Leistungsspektrum im kinderärztlichen Bereich mit dem Leistungsspektrum eines Universitätsklinikums grundsätzlich vergleichbar sei. Aus diesem Grund hätte die Klägerin die Institutsermächtigung der Antragstellerin befürwortet.
9Hiergegen richtet sich die am 21.12.2015 erhobene Klage.
10Die Klägerin trägt vor, die ambulante vertragsärztliche Versorgung sei in erster Linie durch niedergelassene Vertragsärzte zu gewährleisten. Verbleibende Versorgungslücken seien vorrangig durch Ermächtigung von Krankenhausärzten gemäß § 116 SGB V i.V.m. § 31a Ärzte-ZV zu schließen, in zweiter Linie durch Ermächtigung weiterer Ärzte (§ 31 Abs. 1 Ärzte-ZV) und erst danach durch Institutsermächtigungen unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1a und 1b Ärzte-ZV. Gründe, die die Durchbrechung des Grundsatzes der Vorrangigkeit der persönlichen Ermächtigung vor einer Institutsermächtigung rechtfertigen könnten, seien vorliegend nicht gegeben. Die persönlichen Ermächtigungen der betroffenen Ärzte seien bis zum 31.12.2017 verlängert worden. Für die inzwischen ausgeschiedene Frau N1 (Urologie) sei eine persönliche Ermächtigung für den Oberarzt K T erteilt worden. Unerheblich sei, ob das Leistungsspektrum der Beigeladenen zu 7) mit demjenigen eines Universitätsklinikums vergleichbar sei. Auch in den Hochschulkliniken gelte der Vorrang der persönlichen Ermächtigung gegenüber Institutsermächtigungen.
11Die Klägerin beantragt,
12den Beschluss des Beklagten vom 25.11.2015, bei ihr eingegangen am 11.12.2015, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über ihren Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 18.06.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er verteidigt seinen Bescheid.
16Er stellt nicht den Grundsatz der Nachrangigkeit der Institutsermächtigung infrage. Zum einen werde hier keine wirkliche Leistungsausweitung betrieben, weil das bereits bestehende Leistungsspektrum erweitert werde. Zum anderen sei der Ausnahmecharakter der Entscheidung zu berücksichtigen. Die Beteiligten seien bisher davon ausgegangen, dass das Leistungsspektrum im kinderärztlichen Bereich mit demjenigen einer Universitätsklinik grundsätzlich vergleichbar sei. Aus diesem Grunde habe die Klägerin die Institutsermächtigung befürwortet, so dass hiervon abzuweichen kein Anlass bestehe.
17Die Beigeladene zu 7) beantragt ebenfalls,
18die Klage abzuweisen.
19Die übrigen Beteiligten stellen keine Klageanträge.
20Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da dieser rechtswidrig ist. Rechtsfehlerhaft hat der Beklagte der Beigeladenen zu 7) eine Institutsermächtigung erteilt.
23Der Beklagte stützt seine Entscheidung auf § 31 Abs. 2 Ärzte ZV. Nach dieser Bestimmung können die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) Regelungen treffen, die über die Voraussetzungen des Absatzes 1 hinaus Ermächtigungen zur Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vorsehen. Das ist mit § 5 Abs. 1 BMV-Ä, § 9 Abs. 1 EKV-Ä geschehen. Nach diesen Vorschriften können die Zulassungsausschüsse über die Ermächtigungstatbestände des § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV hinaus gemäß § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV geeignete Ärzte und in Ausnahmefällen ärztlich geleitete Einrichtungen durch Durchführung bestimmter, in einem Leistungskatalog definierter Leistungen auf der Grundlage des EBM ermächtigen, wenn dies zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist.
24Von den hierin liegenden Beurteilungs- und Ermessensspielräumen hat der Beklagte nach seiner Entscheidungsbegründung unzureichend Gebrauch gemacht. Selbst wenn die Erteilung der persönlichen Ermächtigungen für K T (Facharzt für Urologie), PD N2 W (Facharzt für Neurochirurgie), S1 Q (Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie) sowie L1 S2-I1(Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde) hinreichend zum Ausdruck bringen sollte, dass dem Grunde nach eine Versorgungslücke besteht, fehlt es an einer tragfähigen Begründung dafür, dass hier ein Ausnahmefall vorliegt, der die Erteilung einer Institutsermächtigung rechtfertigt.
25Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Institutsermächtigungen - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Sonderregelungen - nur subsidiär gegenüber vorrangig zu erteilenden persönlichen Ermächtigungen (st. Rspr., z.B. BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 32/01 R (Rn. 33) m.w.N.). Allein der - nicht näher konkretisierte - Hinweis des Beklagten, dass das Leistungsspek-trum der Beigeladenen zu 7) im kinderärztlichen Bereich demjenigen eines Universitätsklinikums vergleichbar sei, reicht nicht aus, um die Subsidiarität zu überwinden. Denn auch für Hochschulkliniken gilt der Vorrang der persönlichen Ermächtigung von Ärzten gegenüber Institutsambulanzen (z.B. BSG, Urteil vom 01.07.1998 - B 6 KA 43/97 R - [Rn. 26]). Der Erteilung persönlicher Ermächtigungen an die vier Krankenhausärzte standen vorliegend auch keine rechtlich relevanten Hindernisse entgegen (dazu BSG, Urteil vom 26.01.2000 - B 6 KA 51/98 R (Rn. 19 f.)). Das zeigt bereits der Umstand, dass entsprechende Ermächtigungen tatsächlich erteilt und bis zum 31.12.2017 verlängert worden sind.
26Auch rechtstatsächliche Weiterentwicklungen vermögen den Nachrang der Institutsermächtigung vorliegend nicht zu lockern. Nach Köhler-Hohmann (jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 116, Fußn. 22) seien Institutsermächtigungen, die eine Bedarfsprüfung voraussetzten, bezüglich der Bewertung der Vorrangstellung problematisch. Das BSG sei bisher grundsätzlich von einer Vorrangstellung von persönlichen Ermächtigungen vor Institutsermächtigungen nach § 31 Ärzte-ZV ausgegangen. Mit der Zulassung von ärztlich geleiteten Einrichtungen in Form von MVZ dürfte das bisherige Verhältnis der Teilnahmeformen beeinflusst worden sein und nicht mehr die Personenbezogenheit der Leistungserbringung, sondern die sachliche Fähigkeit, Leistungen aus einer Hand zu erbringen, im Vordergrund stehen. Diese Erwägungen sind dogmatisch sicherlich bedenkenswert. Solange jedoch gesetzliche, untergesetzliche und bundesmantelvertragliche Vorschriften nicht entsprechend angepasst worden sind, verbleibt es schon nach deren Wortlaut bei der bisherigen Rangfolge der verschiedenen Formen der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (dazu näher z.B. BSG, Urteil vom 26.01.2000 - B 6 KA 51/98 R (Rn. 16)).
27Für den Nachrang der erstrebten Institutsermächtigung spricht hier des Weiteren, dass in ihrem Rahmen Leistungen erbracht werden sollen, die bei den - ärztlichen oder nichtärztlichen - Leistungserbringern eine bestimmte Qualifikation voraussetzen. Auch soweit die Qualifikationserfordernisse nicht für den Arzt selbst, sondern für die nichtärztlichen Behandler gelten, die auf seine Veranlassung und unter seiner ärztlichen Verantwortung tätig werden, sind klare Verantwortungsstrukturen erforderlich. Der Arzt trägt in jedem einzelnen Behandlungsfall die Verantwortung für die Verordnung der Heilbehandlung und deren sachgerechte Durchführung. Dies kann bei persönlichen Ermächtigungen eher sichergestellt werden als bei Institutsermächtigungen. Daher unterliegt in solchen Bereichen der Nachrang der Institutsermächtigung besonders strengen Maßstäben (BSG, Urteil vom 26.01.2000 - B 6 KA 51/98 R (Rn. 22)), ohne dass wie in den Fällen, in denen Leistungen ausschließlich von in bestimmter Weise qualifizierten Ärzten erbracht und abgerechnet werden dürfen, die Erteilung von Institutsermächtigungen überhaupt ausgeschlossen ist (dazu BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 32/01 R ( [Rn. 33) m.w.N.)
28Dass sich die Beigeladene zu 7) zu ihren Gunsten auf die Befürwortung durch überweisungswillige Ärzte berufen kann, hier repräsentiert durch die Obfrauen der Krefelder Kinder- und Jugendärzte, relativiert die Sperrwirkung des Subsidiaritätsgrundsatzes schließlich nicht (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.2001 - B 6 KA 86/00 R (Rn. 28)). Der angefochtene Beschluss des Beklagten war daher aufzuheben. Der Beklagte wird erneut zu bewerten und bei seiner erneuten Entscheidung besonders zu begründen haben, ob und inwiefern hier ein "Ausnahmefall" vorliegt, der tatbestandliche Voraussetzung für eine Institutsermächtigung ist.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 2, 162 Abs. 1 VwGO.