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Zu der Frage, wann ein Rechtsanwalt gegen das Verbot der Werbung gemäß § 43 b BRAO verstößt, wenn er einem potentiellen Mandanten in einem persönlichen Anschreiben seine Dienste anbietet und einen konkreten Beratungsbedarf darstellt.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Geschäftswert wird auf 10.000,00 € (5.000,00 € Hauptantrag und 5.000,00 € Hilfsantrag) festgesetzt.
5 . Die Berufung wird zugelassen.
GRÜNDE:
2I.
3Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen einen belehrenden Hinweis der Beklagten vom 11.05.2016.
4Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Rügebescheid aufgehoben und der belehrende Hinweis ausgesprochen.
5Gegenstand des Hinweises ist ein Schreiben des Klägers mit dem er sich an einen Herrn H in C gewandt hat und ihm zum einen ein "Merkblatt für Geschäftsführer" für in einem Insolvenzverfahren befindlichen Unternehmen übermittelt hat.
6Im Anschreiben selbst stand unter dem Begriff "Sie brauchen Hilfe, weil Sie als Geschäftsführer der insolventen....GmbH fürchten, mit Ihrem Privatvermögen zu haften?"
7Des Weiteren führte er unter anderem aus:
8"Nun ist es an der Zeit, dass Sie in dem Verfahren Ihre privaten Interessen wahren und sich für die Zukunft neu aufstellen".
9Geschäftsführer müssen sich in der Unternehmensinsolvenz regelmäßig gegen Forderungen folgender Anspruchssteller verteidigen:
10Das Finanzamt wird Sie wegen rückständiger Steuerschulden der ........GmbH voraussichtlich innerhalb von zwei bis drei Monaten nach dem gerichtlichen Beschluss vom .......um Stellungnahme und - sofern es nicht um Lohn-, sondern Umsatzsteuer handelt, um Berechnung der Haftungsquote bitten. Als Geschäftsführer haften Sie für Steuerschulden der Gesellschaft nach §§ 69, 34 der Abgabenordnung mit Ihrem privaten Vermögen.
11Sozialversicherungsträger haben im Falle nicht abgeführter Arbeitnehmerbei-träge zur Sozialversicherung einen Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB gegen Sie, da es sich bei der Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen um eine Straftat handelt (§ 266 a StGB).
12Weitere potenzielle Anspruchsteller sind die Agentur für Arbeit sowie Ihre Hausbank, sofern Sie oder Ihre Angehörigen persönliche Sicherheiten (Bürgschaften, Hypotheken etc.) gewährt haben. Dass sonstige Gläubiger (auch insbesondere Lieferanten) die Geschäftsführung oder den/die Gesellschafter unmittelbar in Anspruch nehmen, kommt dagegen äußerst selten vor.
13Dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter gegenüber sind Sie kraft Gesetzes zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet.
14Der (vorläufige) Insolvenzverwalter prüft auch die gegen Sie gerichteten Ansprüche der Insolvenzmasse; vor allem Haftungs- und Anfechtungs-ansprüche. Das in der Praxis schärfste Schwert des Insolvenzverwalters ist der nach § 64 S. 1. GmbH-Gesetz gegen Sie gerichtete Anspruch auf Erstattung sämtlicher Zahlungen, welche die .......GmbH nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit leistete.
15Die Beklagte sieht in diesem Vorgang einen Verstoß gegen § 43 b BRAO und führt dazu aus, dem Rechtsanwalt sei aufgrund dieser Vorschrift nicht alles an Werbung gestattet, was wettbewerbsrechtlich zulässig sei.
16Unabhängig von der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des Wettbewerbssenates des Bundesgerichtshofes liege ein Verstoß gegen diese Vorschrift vor, weil der Kläger versucht habe, die Entscheidungsfreiheit des Adressaten zugunsten seiner Mandatierung zu beeinträchtigen, indem er eine ihn bedrängende Bedrohungslage vermittelt habe. Er habe bei ihm in diesem Schreiben den Eindruck eines aktuellen anwaltlichen Beratungsbedarfes erweckt.
17Dem tritt der Kläger entgegen und vertritt die Auffassung, der belehrende Hinweis sei rechtswidrig. Er beruft sich vorrangig auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts-hofes aus dessen Urteilen vom 13.11.2013 und 10.07.2014, die zum Wettbewerbs-recht ergangen seien.
18Auch seien seine Ausführungen zu den Risiken eines Geschäftsführers, der in der Insolvenz der Gesellschaft haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden könnte, nicht nur sachlich, sondern geradewegs zurückhaltend formuliert.
19Das fragliche Schreiben sei in Form und Inhalt keine Belästigung, Nötigung oder Überrumpelung. Dem Adressaten werde nicht suggeriert, möglichst schnell handeln zu müssen, um einen Rechtsverlust zu vermeiden.
20Der Kläger hat beantragt,
21den dem Kläger von der Beklagten wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Werbung um die Erteilung eines Auftrages gem. § 43 b BRAO erteilten belehrenden Hinweis vom 11.05.2016 aufzuheben;
22hilfsweise festzustellen, dass es grundsätzlich mit § 43 b BRAO vereinbar ist, wenn der Kläger Geschäftsführer juristischer Personen, über deren Vermögen innerhalb der letzten 12 Wochen ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wurde, anschreibt und ihnen unter Hinweis auf die ihnen drohenden haftungsrechtlichen Inanspruchnahmen anwaltliche Beratung und Vertretung anbietet, sofern dieses Schreiben in Form und Inhalt sachlich gefasst sind.
23Die Beklagte hat beantragt,
24die Klage insgesamt abzuweisen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die zu Protokoll der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung sowie den Inhalt der Beiakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Gründe:
27Die Klage des Klägers ist form- und fristgerecht erhoben worden und damit zulässig. Die Klage ist jedoch unbegründet.
28a. Hauptantrag
29Das streitgegenständliche Schreiben des Klägers verstößt gegen § 43 b BRAO.
30Dabei ist dem Kläger zunächst zu konzedieren, dass er nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH-Urteil vom 10.07.2014. I ZR 188/12) nicht per se gegen das Verbot der Werbung gem. § 43 b BRAO verstößt, wenn er einem potenziellen Mandanten in einem persönlichen Anschreiben seine Dienste anbietet und einen konkreten Beratungsbedarf darstellt. Ein Werbeverbot kann allerdings dann gerechtfertigt sein, um den potenziellen Mandanten vor einer Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit durch Belästigung, Nötigung und Überrumpelung zu schützen (siehe BGH a.a.O. Tz 21; Träger in Feuerich/Weyland, BRAO-Kommentar, 9. Auflage, § 43 b Rn 31).
31Dabei ist im Zuge des Ausgleiches der Interessen des Rechtsanwaltes und des Mandanten im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen (siehe BGH a.a.O; OLG Köln BRAK-Mitteilung 2012, 281).
32Im Rahmen dieser Einzelfallwürdigung sind neben der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit, der Würde oder der Integrität der Rechtsanwaltschaft auch Art und Grad der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch Form, Inhalt oder das verwendete Mittel der Werbung zu berücksichtigen.
33Des Weiteren ist zu prüfen, ob und wie weit die Interessen des Verbrauchers deshalb nicht beeinträchtigt sind, weil er sich in einer Situation befindet, in der er auf Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung Nutzen bringen kann (BGH a.a.O.).
34Diese Einzelfallwürdigung fällt im vorliegenden Fall zu Ungunsten des Klägers aus.
35Mit der Aufzählung der möglichen gegen einen Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft drohenden Inanspruchnahme bis hin zur Möglichkeit eines Strafverfahrens wegen der nicht erfolgten Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen gem. § 266 a StGB überschreitet der Kläger das Gebot der Sachlichkeit und erweckt vielmehr bei dem Adressaten den Eindruck, ohne eine Mandatierung des Klägers begebe er sich in mehrfacher Hinsicht in Gefahr. Die Darstellung eines solchen Szenarios ist dann als belästigend im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anzusehen, welche die Entscheidungsfreiheit des angeschriebenen Geschäftsführers unzulässig beeinträchtigt.
36Dies wird besonders deutlich bei dem Hinweis des Klägers auf das Finanzamt, welches den Geschäftsführer etwaig in Anspruch nehmen wird, ohne dass der Kläger eine irgendwie geartete Kenntnis davon hätte, ob der Geschäftsführer der insolventen Gesellschaft Steuerschulden hat oder nicht.
37Gleiches gilt für etwaige Ansprüche von Sozialversicherungsträgern.
38Wegen dieser fehlenden Kenntnis des Klägers kann er sich auch nicht darauf zurückziehen, dass er etwaig nur über mögliche Geschehensabläufe den Adressaten sachlich habe informieren wollen (lnsolvenz der Gesellschaft), in der er auf Rechtsrat angewiesen ist. Allerdings sind die Adressaten in einer solchen Situation auch auf eine sachliche Werbung angewiesen, wobei das Schreiben des Klägers aus den vorgenannten Gründen diesem Erfordernis nicht entspricht. Dieses ist vielmehr zumindest als drohend hinsichtlich der möglichen Konsequenzen für den Adressaten bei Nichterteilung des Mandates zu bewerten und beeinträchtigt ihn damit in seiner Entscheidungsfreiheit. Damit geht es über die Grenzen des Zulässigen i.S.v. § 43 b BRAO hinaus.
39b. Hilfsantrag
40Der Hilfsantrag ist gem. § 43 Abs. 1 VwGO unzulässig. Denn der Hilfsantrag ist nicht auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet.
41Der Antrag des Klägers beschränkt sich auf eine allgemeine Wiedergabe der gesetzlichen Regelung des § 43 b BRAO und den dortigen Teilbereich der Sachlichkeit, ohne dass ein konkreter Bezug zu einem über den Hauptantrag hinausgehenden Sachverhalt hergestellt wird.
42Soweit es um ein Anschreiben konkreter Geschäftsführer juristischer Personen geht, wird diese Frage bereits mit der Bescheidung des Hauptantrages beantwortet.
43Es kann nicht Aufgabe des Senates sein, Formulierungen für den Kläger zu finden, die sich als mit § 43 b BRAO vereinbar erweisen.
44Die Berufung war gem. §§ 112 c Abs. 1 BRAO, 124 VwGO zuzulassen, da entscheidungserhebliche Fragen zur anwaltlichen Werbung mit belästigendem, nötigendem oder drohendem Inhalt gem. § 43 b BRAO nicht abschließend geklärt sind.
45Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 Abs. 2 VwGO, 709 Abs. 1 ZPO.
46Rechtsmittelbelehrung:
47Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils Berufung eingelegt werden.
48Sie ist bei dem Bundesgerichtshof, Hausanschrift Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, Postanschrift, 76125 Karlsruhe, einzureichen.
49Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfü-gung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von Ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
50Die Festsetzung des Streitwertes ist unanfechtbar.