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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 31.05.2017, Aktenzeichen 10 Ca 4180/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30 a BZRG vorzulegen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis gemäß § 30 a BZRG vorzulegen.
3Der 1954 geborene Kläger ist seit 1978 bei dem Beklagten als Mitarbeiter in der Verwaltung beschäftigt; er erzielt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von zuletzt 5.000,00 Euro. Der Kläger ist ausgebildeter Betriebswirt. Zudem hat er im Jahr 1978 eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher absolviert und war insgesamt ein dreiviertel Jahr bei dem Beklagten als Erzieher im Anerkennungsjahr beschäftigt. Seitdem ist der Kläger für den Beklagten rein kaufmännisch tätig; zuletzt in der Geschäftsstelle in E. Der Beklagte ist anerkannter Träger in der Jugendhilfe, Sozialhilfe und der sozialtherapeutischen Versorgung und an den Standorten N / Nland, C, E und C1 tätig. In E bietet der Beklagte Hilfen für Jugendliche und junge Erwachsene an, die entweder alleine oder in Gruppen in Wohnungen von vorrangig Sozialpädagogen oder Sozialarbeitern betreut werden. Der Beklagte erbringt Leistungen nach § 72 SGB VIII und erfüllt in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt die Aufgabe des Kinderschutzes. Unter dem 04.12.2007 schloss der Beklagte mit dem Jugendamt der Stadt E eine Vereinbarung gemäß § 8 a Abs. 2 und § 72 a Satz 2 SGB VIII (vgl. Blatt 13 ff d. A.). Zwischen den Parteien gibt es einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der in der Zeit vor 2008 abgeschlossen wurde. In diesem Arbeitsvertrag ist als Tätigkeit des Klägers ausschließlich eine Verwaltungstätigkeit in der Geschäftsstelle des Beklagten genannt. Der Arbeitsvertrag enthält darüber hinaus nach übereinstimmender Bekundung der Parteien eine Entwicklungsklausel / Versetzungsklausel, wonach die Tätigkeit des Klägers bei Veränderungen des Beklagten angepasst werden kann.
4Zu den Tätigkeiten des Klägers gehört unter anderem die Anmietung von Wohnungen für die betreuten Kinder und Jugendlichen. Der Kläger führt mit den Vermietern Verhandlungen und schließt die Mietverträge ab. Allerdings trifft der Kläger weder auf die Vermieter, noch auf die betreffenden Jugendlichen, die in die Wohnung einziehen. Die praktische Arbeit vor Ort, mithin die Besichtigung der Wohnungen sowie die Herstellung des persönlichen Kontakts mit den Vermietern, erledigen die Kollegen des Klägers. Der Kläger übernimmt anschließend die gesamte juristische Abwicklung der Veträge. Die Mietverträge werden zwischen dem Vermieter und dem Beklagten abgeschlossen, so dass der Kläger grundsätzlich für die Erstellung der Mietverträge weder Name und Geburtsdatum, noch sonstige Daten der Jugendlichen benötigt. Nur in den Fällen, in denen die Jugendlichen über die vom Beklagten zu erbringende Maßnahme hinaus in den angemieteten Wohnungen weiterhin wohnen, werden Nutzungsverträge zwischen dem Beklagten und den Jugendlichen oder jungen Erwachsenen geschlossen, in denen Name, Geburtsdatum und Adresse der Jugendlichen / jungen Erwachsenen aufgeführt werden. Vereinzelt kann es auch vorkommen, dass minderjährige Jugendliche einen Nutzungsvertrag abschließen. Zu den weiteren bestimmungsgemäßen Tätigkeiten des Klägers gehören die Verhandlung und der Abschluss von Leistungs- und Entgeltvereinbarungen mit öffentlichen Trägern sowie die Vereinbarung und der Abschluss von Versicherungsverträgen. Zudem ist der Kläger im Rahmen der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes tätig. Nicht zu seinen Zuständigkeiten gehört es, sich um die Kostenzusicherung für einzelne Maßnahmen zu kümmern. Die zu Abrechnungszwecken geführten Akten, die auch Name, Geburtsort und Adresse der Jugendlichen erhalten, werden in den Verwaltungsräumen in E in einem abgeschlossenen Schrank aufbewahrt. Der Kläger verfügt nicht über einen Schlüssel zu diesem Aktenschrank. Für seine Tätigkeit benötigt er diese Akten auch nicht. Neben den für Abrechnungszwecke geführten Akten gibt es konkrete Fallakten in Bezug auf die einzelnen Jugendlichen, die Entwicklungsberichte, ärztliche Gutachten, Hilfepläne etc. enthalten. Diese Fallakten werden grundsätzlich in den Einrichtungen des Beklagten vor Ort geführt. In die Verwaltung nach E gelangen die Fallakten grundsätzlich erst nach Beendigung der Maßnahme. Dort werden sie dann im Keller, in einem abgeschlossenen Schrank, archiviert. Den Schlüssel zu diesem Aktenschrank im Keller hat der Mitarbeiter Q. Vertretungsweise hat der Kläger die in der Verwaltung eingehende Post zu öffnen und zuzuordnen. In Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass in der Verwaltung in E Entwicklungsberichte, ärztliche Gutachten oder Hilfeprotokolle eingehen. Grundsätzlich gehören diese fallbezogenen Unterlagen aber in die Einrichtungen vor Ort. Der beklagte Verein hat ein Intranet-Portal, auf das auch der Kläger Zugriff hat. Diesem Intranet-Portal können Name, Geburtsdatum, die Art der Maßnahme sowie unter Umständen auch der Wohnort der Jugendlichen entnommen werden. Ärztliche Gutachten, Entwicklungsberichte oder Hilfeprotokolle finden sich im Intranet nicht.
5Zwischen den Parteien wurde 2010 ein Abmahnungsrechtstreit geführt. Der Beklagte hatte dem Kläger mit Schreiben vom 01.07.2010 eine Abmahnung erteilt, weil dieser der Aufforderung, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen, nicht nachgekommen war. In der Güteverhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach der Beklagte sich verpflichtete, die Abmahnung zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der Personalakte zu entfernen (vgl. Blatt 21 ff d. A.). Der Kläger legte dem Beklagten im Rahmen dieser Auseinandersetzung ein erweitertes Führungszeugnis vor.
6Im Februar 2016 bat der beklagte Verein den Kläger erneut um Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nach § 30 a BZRG. Diese Aufforderung erfolgte zunächst als Umlaufschreiben an die Teams (vgl. Blatt 23 d. A.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.06.2016 lehnte der Kläger die Vorlage ab und wies den Beklagten darauf hin, dass eine Pflicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht bestehe, da er weder Kontakt zu Kindern und Jugendlichen noch Zugriffsmöglichkeiten auf Akten von Minderjährigen habe. Eine Gefährdungslage nach § 30 a BZRG liege nicht vor, so dass von ihm die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht verlangt werden könne (vgl. Blatt 24 f d. A.). Mit Schreiben vom 17.08.2016 wurde der Kläger seitens des Beklagten nochmals aufgefordert, ein erweitertes Führungszeugnis bis zum 01.10.2016 einzureichen, ansonsten würden arbeitsrechtliche Schritte gegen ihn eingeleitet werden (vgl. Blatt 26 d. A.). Bis auf den Kläger legten sämtliche Mitarbeiter des Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis vor.
7Mit der beim Arbeitsgericht am 21.10.2016 eingegangenen Klageschrift hat der Kläger die Feststellung begehrt, nicht verpflichtet zu sein, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30 a BZRG vorzulegen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er nicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verpflichtet sei. Er sei ausschließlich in der Verwaltungsabteilung der Geschäftsstelle in E tätig und gehöre nicht zu dem Personenkreis, der bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß Kontakt zu Kindern und Jugendlichen habe. Er arbeite in einer vom pädagogischen Betrieb vollständig abgeschlossenen Verwaltungsabteilung. Einen Zugang zu den Akten über minderjährige Kinder habe er nicht; für seine Arbeit benötige er diese Akten auch nicht. Die abrechnungsrelevanten Akten würden ausschließlich von denjenigen Mitarbeitern geführt und verwahrt, die die Abrechnungen mit dem Jugend- und Sozialamt vornähmen; die Aufbewahrung erfolge in einem verschlossenen Schrank. Ohnehin würden diese Akten ausschließlich nur Daten enthalten, die für Abrechnungszwecke relevant seien, keine darüber hinaus gehenden persönlichen Daten oder Informationen über die Hintergründe der Maßnahme. Die tiefergehenden Informationen seien nur in den Akten vorhanden, die ausschließlich dem pädagogischen Personal vorbehalten seien und im Keller der Verwaltung in einem verschlossenen Schrank archiviert würden. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass es bei der Gefahr für die Kinder und Jugendlichen im Sinne des § 30 a BZRG immer um den konkreten Umgang mit den Jugendlichen und Kindern und nicht um Kenntnisse über die Situation der Jugendlichen gehe. Es sei nicht nachvollziehbar, wie aus der völlig abstrakten Möglichkeit, sich Kenntnisse über den Inhalt der Akten zu verschaffen, eine besondere Gefahrensituation entstehen soll. Weiter hat der Kläger vorgetragen, dass es zutreffend sei, dass er in Vertretungssituationen die Post öffne und in die Postfächer verteile. Er könne sich aber nicht daran erinnern, in diesen Vertretungszeiten irgendwann einmal einen Hilfeplan oder ein ärztliches Gutachten verteilt zu haben. Dies sei in den letzten acht Jahren nicht der Fall gewesen. Im Postfach würden sich regelmäßig Rechnungen, Kostenübernahmeerklärungen etc. befinden. Wie aus der Kenntnis über diese finanziellen Verpflichtungen eine Gefahrensituation entstehen solle, erschließe sich nicht. Gleiches gelte für die Kenntnis darüber, dass ein Minderjähriger in einer vom Verein angemieteten Wohnung lebe. Diese Kenntnis hätten im Übrigen auch die Hausverwaltungsunternehmen, die Vermieter, das Job-Center und das Sozialamt. Auch wenn einmal ein Minderjähriger im Ausnahmefall in die Verwaltung käme, hätte dieser dort keinen Kontakt zum Kläger, der mit völlig anderen Tätigkeiten befasst sei. Im Übrigen sei der Kläger nie allein in der Geschäftsstelle. Die Vorlagepflicht eines erweiterten Führungszeugnisses setze aber eine regelmäßige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und nicht nur einen gelegentlichen Kontakt mit diesen voraus. Dies habe das LAG Hamm in seinen beiden Entscheidungen aus 2014 genau so gesehen. Schließlich würde auch die Möglichkeit, sich über das Intranet des Beklagten Kenntnis von Namen, Geburtsdaten und Maßnahmen betreffend die Jugendlichen und Kinder zu beschaffen, zu keiner besonderen Gefahrensituation führen.
8Der Kläger hat beantragt,
9festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30 a BZRG vorzulegen.
10Der Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger verpflichtet sei, ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30 a BZRG vorzulegen. Als Träger der Jugendhilfe müsse er Wert darauf legen, dass auf einer Position, wie sie der Kläger bekleide, kein einschlägig vorbestrafter Mitarbeiter tätig sei. Trotz seiner Verwaltungstätigkeit habe der Kläger die Möglichkeit, in einer der unmittelbaren Gefährdung von Kindern und Jugendlichen vergleichbaren Weise Kontakt mit Kindern und Jugendlichen aufzunehmen. Hierzu hat der Beklagte behauptet, dass der Kläger die Möglichkeit des Zugriffs auf Akten von betreuten Jugendlichen habe, was bereits zu einer besonderen Gefahrensituation für die Betroffenen führen könne. Gerade die im Keller archivierten Fallakten enthielten Name, Anschrift, Geburtsdatum, Hilfepläne, Ordnerprotokolle, psychiatrische Gutachten, Familiengeschichte, Jugendamtsberichte, Arztberichte, Zeugnisse etc. der betreuten Jugendlichen. Auch wenn der Kläger weder die Fallakten, noch die abrechnungsrelevanten Akten für seine Tätigkeit benötige, könne er sich doch den Zugang zu den Akten verschaffen. Dies würde von keinem anderen Mitarbeiter kontrolliert werden. Den Schlüssel zu den Aktenschränken könne sich der Kläger unproblematisch ausleihen. Zudem habe er einen eigenen Schlüssel zu der Geschäftsstelle des Beklagten und könne diese auch außerhalb der Arbeitszeiten aufsuchen. Weiter hat der Beklagte behauptet, dass jedes Projekt bei dem Beklagten ein offenes Postfach auf dem Flur der Geschäftsstelle habe, an welchem auch der Kläger von und zu seinem Arbeitsplatz vorbeigehe. In diesen offenen Postfächern würden sich z.T. freizugänglich für die Mitarbeiter Hilfepläne, ärztliche Gutachten, gerichtliche Ladungen, Urteile, Inkassoschreiben etc. befinden. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der Kläger in Vertretungssituationen die Post öffne und einsortiere und dabei vom Inhalt entsprechender Gutachten, Hilfepläne etc. Kenntnis nehmen könne. Gerade die Kenntnisnahmemöglichkeit einer finanziellen Verpflichtung oder Notlage der Jugendlichen könne als Werkzeug für den Einstieg in die Gefahrensituation ausgenutzt werden. Gleiches gelte auch für die im Rahmen der Erstellung von Nutzungsverträgen dem Kläger bekannt werdenden Daten wie Name, Anschrift und eventuell Geburtsdatum der Jugendlichen. Aufgrund seiner Befugnisse im Hinblick auf den Zugang zum Intranet-Portal könne der Kläger auf die dort digital angelegten Daten wie Name, Geburtsdatum, Betreuungsform etc. der Jugendlichen zugreifen. Im Übrigen sei generell nicht auszuschließen, dass der Kläger in Kontakt mit von dem Beklagten betreuten Jugendlichen kommen könne, da Mitarbeiter des Beklagten vereinzelt aus organisatorischen und sonstigen Gründen ihre Klienten mit in die Räumlichkeiten der Geschäftsstelle nehmen würden. Ungefähr zweimal im Jahr würden zudem komplette Fallakten in die Geschäftsstelle des Beklagten gelangen und dort im Büro eines Kollegen abgelegt werden. Zu diesen Büros habe der Kläger jederzeit Zugang. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Akten in einem derartigen Umfang höchstsensible Daten von und über Minderjährige enthielten, dass sie ganz besonders vor Unbefugten und nicht durch die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses geprüfte Person gesichert und geschützt werden müssten. Dem Beklagten sei es nicht möglich zu prüfen, ob und wie ein Verwaltungsmitarbeiter die ihm grundsätzlich gegebene Zugangsmöglichkeit zu den Daten mit den Minderjährigen nutze. Es könne nicht darauf ankommen, ob der Mitarbeiter die Akten / Daten für die Ausübung seiner Tätigkeit benötige. Weiterhin hat der Beklagte die Auffassung vertreten, dass nach der gesetzlichen Regelung in § 30 a BZRG und den Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamm ein Anspruch auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses nicht nur bei unmittelbarem Kontakt zu Minderjährigen bestünde, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausübe, die in einer vergleichbaren Weise geeignet sei, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Nach dem Landesarbeitsgericht Hamm sei dafür stets erforderlich, dass der jeweilige Arbeitnehmer bestimmungs- und arbeitsplatzgemäß Kontakt mit Kindern und Jugendlichen habe, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden könne. Bei der Beurteilung habe der Arbeitgeber einen Spielraum. Hier habe der Kläger trotz seiner Verwaltungstätigkeit die Möglichkeit, in einer der unmittelbaren Gefährdung vergleichbaren Art und Weise, Kontakt mit Kindern und Jugendlichen aufzunehmen.
13Mit Urteil vom 31.05.2017 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
14Der Kläger sei verpflichtet, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen. Letztlich sei das Interesse eines einschlägig vorbestraften Arbeitnehmers an einer Beschäftigung in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe ohne den Umstand, vorbestraft zu sein, angeben zu müssen, gegen das Interesse an einem möglichst umfassenden Kinder- und Jugendschutz abzuwägen. Für einen einschlägig vorbestraften Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst, der in einem Haus eingesetzt werde, in dem keine zu betreuenden Kinder und Jugendlichen untergebracht seien, wäre eine solche Vorlagepflicht sehr einschneidend, weil er, wenn ihm aufgrund etwaiger Verurteilungen gekündigt würde, dann in dem Berufsfeld des Sozial- und Erziehungsdienstes kaum noch eine Möglichkeit hätte, tätig zu werden, da potentielle Arbeitgeber häufig auch im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe tätig seien. Bei einem Verwaltungsmitarbeiter wie dem Kläger kämen aber ganz überwiegend Arbeitgeber auch außerhalb des Bereichs der Sozialarbeit für eine Beschäftigung in Betracht. Ein solcher Mitarbeiter habe daher nicht in dem gleichen Umfang ein berechtigtes Interesse daran, auch für einen Träger der Kinder- und Jugendhilfe tätig zu sein. Entscheidend sei aber, dass der Kläger bei dem Beklagten für die Verwaltung der Kinder- und Jugendhilfe zuständig sei und Einblick und Einfluss nehmen könne in diesen Bereich. Ein einschlägig vorbestrafter Mitarbeiter könne diese Einblick- und Einflussmöglichkeit missbrauchen. Ein Mitarbeiter wie der Kläger könne zum Beispiel bei der Auswahl der Wohnungen oder der Vermieter darauf achten, ob bezüglich der dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen kriminelles Vorgehen erschwert oder begünstigt würde. Es würde den Kinder- und Jugendschutz gefährden, wenn der Beklagte als Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe die Missbrauchsmöglichkeit einzeln für jeden seiner Arbeitnehmer darlegen müsse, der im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und sei es auch nur in der Verwaltung tätig sei. Die potentielle Gefährdung durch hauptamtlich beschäftigte Mitarbeiter sei grundsätzlich höher als durch nebenamtlich beschäftigte Mitarbeiter, die meist nur geringfügig, kurzfristig und untergeordnet eingesetzt würden. Dem trage die unterschiedliche Regelung in § 78 a Abs. 2 und Abs. 3 SGB VIII aus gutem Grund Rechnung. Schließlich würde es auch dem Ruf des Beklagten hinsichtlich seiner Tätigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe schaden, wenn sich herausstellen würde, dass in der Verwaltung auf einer gehobenen Position ein einschlägig vorbestrafter Arbeitnehmer tätig sei.
15Gegen das am 07.07.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.07.2017 eingelegte und am 15.08.2017 begründete Berufung des Klägers, die er unter Wiederholung und Vertiefung seines Sachvortrags erster Instanz ergänzend wie folgt begründet:
16Das Arbeitsgericht habe die gesetzliche Verpflichtung gemäß § 30 a BZRG zu weit ausgelegt. Nach der Auslegung des Arbeitsgerichts müsse im Grunde jeder Arbeitnehmer, der im Bereich der Jugendhilfe tätig sei, völlig unabhängig davon, ob er Kontakt zu Kindern und Jugendlichen habe, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Das Arbeitsgericht habe fälschlich angenommen, dass der Zugang zu Klientenakten gleichbedeutend sei mit dem Zugang zu Minderjährigen. Dabei habe das Arbeitsgericht die schon gefestigte Rechtsprechung des LAG Hamm übersehen, wo ausgeführt werde, dass die Auslegung und Anwendung des § 30 a BZRG nicht zu einer uferlosen Verpflichtung zur Vorlage führen dürfe, da auch die grundgesetzlich geschützten Interessen des betroffenen Arbeitnehmers zu berücksichtigen seien. Erforderlich sei nach dem LAG Hamm daher stets, dass die jeweilige Berufsgruppe bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß Kontakt mit Jugendlichen und Kindern habe, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden könne. Ein solcher bestimmungsgemäßer Kontakt könne nicht schon dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer über mögliche Kenntnisse aus Akten zu Kindern in Kontakt treten könne. Unter Beachtung der grundgesetzlich geschützten personenbezogenen Daten des Mitarbeiters gebe es keine Rechtfertigung dafür, von allen Mitarbeitern im Bereich der Jugendhilfe ein erweitertes Führungszeugnis zu verlangen. Die Auslegung des Arbeitsgerichts verletze den Kläger in seinem grundgesetzlich geschützten Recht auf informelle Selbstbestimmung. Dem Arbeitsgericht sei es mehr um den Ruf des Beklagten, als um den mit dem Gesetz beabsichtigten Schutz der Minderjährigen gegangen. Zu bedenken sei auch, dass bereits durch die Bestrafung der Tat diese gesühnt und dem Grunde nach die Angelegenheit erledigt sei. Bei der Regelung in § 30 a BZRG gehe es aber nicht um die Sanktion von vorbestraften Arbeitnehmern, sondern darum, dass die Gefahrenpotentiale für Kinder und Jugendliche gemindert werden sollen. Der Ruf einer Einrichtung unterliege nicht dem Schutzzweck des BZRG.
17Der Kläger beantragt,
18das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 31.05.2017, Aktenzeichen 10 Ca 4180/16, abzuändern und festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30 a BZRG vorzulegen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Der Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt im Wesentlichen seine erstinstanzlichen Ausführungen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass im Einklang mit der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hamm eine Vorlagepflicht für ein erweitertes Führungszeugnis dann bestehe, wenn von den in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigten Arbeitnehmern für die Kinder und Jugendlichen eine Gefahr ausgehen könne. Das Gericht habe auch die Interessen des Klägers berücksichtigt und abgewogen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei es nicht erforderlich, dass der Kläger bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß unmittelbar Kontakt mit Kindern- und Jugendlichen haben müsse, um zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verpflichtet zu sein. Nach der gesetzlichen Regelung in § 30 a BZRG und den Entscheidungen des LAG Hamm aus 2014 bestehe ein Anspruch auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausübe, die in vergleichbarer Weise geeignet sei, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. In den bisherigen Entscheidungen habe das Landesarbeitsgericht Hamm diese gesetzliche Regelung dahingehend konkretisiert, dass dafür stets der bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäße Kontakt erforderlich sei, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden könne. Weiter sei aber auch stets ausgeführt worden, dass dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zustünde. Da der Kläger trotz seiner Verwaltungstätigkeit sehr wohl die Möglichkeit habe, in einer der unmittelbaren Gefährdung vergleichbaren Weise Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen, bestünde eine Vorlagepflicht. Zutreffend habe das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang festgestellt, dass der Kläger Zugang zu den Schränken und somit zu den dort befindlichen Akten habe. Ob der Kläger diesen Zugang nutze, kontrolliere bei dem Beklagten niemand. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Kläger allein in den Räumen der Geschäftsstelle sei, wozu er grundsätzlich die Möglichkeit habe, da er einen Schlüssel für die Geschäftsstelle besitze. Zudem habe der Kläger aufgrund seiner Beschäftigung Einfluss darauf, wie zugänglich sensible Daten für die Beschäftigten und damit auch für ihn gemacht würden. Ebenfalls sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Post öffne und sich ungefähr zweimal pro Jahr komplette Fallakten in der Geschäftsstelle befänden. Besonders die Kenntnis über finanzielle Verpflichtungen der Jugendlichen, die sich aus den abrechnungsrelevanten Akten ergeben könnten, könnte der Kläger für von ihm zu schaffende Gefahrensituationen ausnutzen. Hinzu komme, dass der Kläger auch beim Abschluss von Mietverträgen unter Umständen Kenntnisse über die Jugendlichen erlangen könne oder sich solche Kenntnisse durch seine Zugriffsmöglichkeit auf das Intranet-Portal verschaffen könne. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bei der Beklagten mit Leitungsaufgaben betraut sei, so dass auch unter Berücksichtigung seiner Stellung von ihm erwartet werden könne, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen und gegenüber den anderen Mitarbeitern mit gutem Beispiel voranzugehen.
22Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe
24Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
25I. Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und nach § 519 ZPO, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG am 25.07.2017 gegen das am 07.07.2017 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der nach § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG geltenden Frist am 15.08.2017 ordnungsgemäß begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.
II. Die Berufung des Klägers ist auch begründet.
Der Kläger ist nicht verpflichtet, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen. Die insoweit vom Kläger zulässig erhobene Feststellungsklage ist begründet.
301. Die Klage auf Feststellung, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30 a BZRG vorzulegen, ist zulässig.
31Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich jedoch nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. BAG v. 25.05.2005, 5 AZR 566/04, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 165; BAG v. 25.10.2001, 6 AZR 718/2000, BAGE 99, 250; BAG v. 27.10.2005, 6 AZR 123/05, BAGE 116, 160).
32Zwischen den Parteien besteht ein Rechtsverhältnis in Form eines Arbeitsverhältnisses. Auch wenn zwischen den Parteien kein Streit hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens dieses Arbeitsverhältnisses besteht, besteht dennoch Streit hinsichtlich der sich aus dem Arbeitsverhältnis ggf. ergebenden Verpflichtung des Klägers, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen. Insoweit streiten sich die Parteien über eine Verpflichtung aus dem Rechtsverhältnis / Arbeitsverhältnis. Das Feststellungsbegehren des Klägers ist auf die Feststellung des Nichtbestehens der Vorlagepflicht gerichtet (negative Feststellungsklage). Der Beklagte hat vom Kläger die Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses verlangt und bei Nichtvorlage desselben mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht. Insoweit besteht zugunsten des Klägers ein Feststellungsinteresse an alsbaldiger Feststellung, ob er verpflichtet ist, dem Beklagten ein entsprechendes erweitertes Führungszeugnis vorzulegen. Eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit für den Kläger besteht nicht, so dass die Feststellungsklage insgesamt zulässig ist.
332. Die Feststellungsklage des Klägers ist auch begründet.
34Der Kläger ist nicht verpflichtet, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30 a BZRG vorzulegen.
35Eine solche Vorlagepflicht ergibt sich nicht aus einer gesetzlichen Vorschrift. Weder § 72 a SGB VIII, noch § 30 a BZRG geben dem Beklagten als Träger der freien Jugendhilfe einen Anspruch auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gegen den Kläger. Auch aus den Regelungen im Arbeitsvertrag ergibt sich eine solche Vorlagepflicht nicht. Die Parteien haben arbeitsvertraglich nicht vereinbart, dass der Kläger zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verpflichtet ist. Auch aus § 241 Abs. 2 BGB ergibt sich keine Pflicht des Klägers, dem Beklagten ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen.
36a) Grundsätzlich kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Pflicht des Arbeitnehmers ergeben, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen. Jedem Arbeitsverhältnis wohnt die Nebenpflicht der einen Vertragspartei inne, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen der anderen Vertragspartei so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner nach Treu und Glauben verlangt werden kann (vgl. BAG v. 14.01.2009, 3 AZR 71/07, NZA 2010, 63 f ). Aus § 241 Abs. 2 BGB kann sich die Verpflichtung des Arbeitnehmers ergeben, dem Arbeitgeber Auskünfte zu Fragen zu erteilen, die im Zusammenhang mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis stehen und die sich der Arbeitgeber auf andere zumutbare Art nicht beschaffen kann (vgl. BAG v. 07.09.1995, 8 AZR 828/93, NZA 1996, 636). Insofern kann auch eine Verpflichtung des Arbeitnehmers nach § 241 Abs. 2 BGB bestehen, dem Arbeitgeber durch Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses Auskunft zu erteilen.
37(aa) Die Frage, ob der Arbeitgeber jenseits der gesetzlich geregelten Vorlagepflicht bzw. -berechtigung die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verlangen kann, ist auf der Grundlage des Bundesarbeitsgerichts zum Fragerecht der Arbeitgeberseite nach Vorstrafen sowie nach den Vorschriften zum Beschäftigungsschutz zu beurteilen (vgl. Braun, Fragerecht und Auskunftspflicht – Neue Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung, MDR 2004, 64). Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG darf die Arbeitgeberseite personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erheben, wenn die Kenntnis dieser Daten für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung eines solchen für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Das BDSG setzt damit den Rahmen, inwieweit der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin von Beschäftigten Informationen über begangene Straftaten verlangen kann. Erlaubt ist dies, wenn und soweit die Fragen wegen der Art des Arbeitsplatzes zur Beurteilung der fachlichen und persönlichen Eignung erforderlich sind (vgl. BAGE 5, 158; BAGE 81, 120; Joussen, Das erweiterte Führungszeugnis im Arbeitsverhältnis, NZA 2012, 776). Diese bereits für die Vorlage eines einfachen Führungszeugnisses geltenden Grundsätze müssen im Sinne der Zielsetzung des erweiterten Führungszeugnisses, das ausschließlich dem Schutz Minderjähriger dient, erweitert werden. Durch das mit Wirkung vom 01.05.2010 in Kraft getretene 5. Gesetz zur Änderung des BZRG ist in § 30 a das erweiterte Führungszeugnis eingeführt worden. Gemäß § 30 a Abs. 1 BZRG wird einer Person auf Antrag ein erweitertes Führungszeugnis erteilt,
381. wenn die Erteilung in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift vorgesehen ist oder
2. wenn dieses Führungszeugnis benötigt wird für
a)
43eine berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger oder
44b)
45eine Tätigkeit, die in einer Buchstabe a) vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.
46Hinter dieser Ergänzung des BZRG stand die Erfahrung, dass sich Menschen mit pädophilen Neigungen bewusst Tätigkeitsbereiche mit einer Nähe zu Kindern und Jugendlichen suchen (vgl. BT-Drs. 16/12427, Seite 7, 8).
47(bb) Bei der Frage, ob ein Anspruch auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses besteht, sind das Informationsinteresse des Arbeitgebers und das Schutzinteresse des Arbeitnehmers bezogen auf seine persönlichen Daten gegeneinander abzuwägen. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Vorlageverlangens ist, ob der Arbeitgeber ein überwiegendes Interesse daran hat, den Inhalt des erweiterten Führungszeugnisses zu erfahren (vgl. LAG Hamm v. 25.04.2014, 10 Sa 1718/13, juris; Joussen, Das erweiterte Führungszeugnis im Arbeitsverhältnis, a.a.O.). Soweit die Voraussetzungen des § 30 a BZRG erfüllt sind, ist von einem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers an einer Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses auszugehen (vgl. LAG Hamm v. 25.04.2014, 10 Sa 1718/13, a.a.O.; Joussen, Das erweiterte Führungszeugnis im Arbeitsverhältnis, a.a.O.). Soweit dagegen ein Fall des § 30 a BZRG nicht vorliegt, wird der Arbeitgeber regelmäßig die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses aus Gründen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschäftigten sowie des Datenschutzes nicht verlangen können (vgl. Löwisch / Mysliwiek, Datenschutz bei Anforderung und Nutzung erweiterter Führungszeugnisse, NJW 2012, 2389 ff). Die Vorlage kann dementsprechend nur dann verlangt werden, wenn der Nachweis tatsächlich benötigt wird, weil der betreffenden Person eine konkrete berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger übertragen werden soll oder aber eine Tätigkeit, die in vergleichbarer Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
48b) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze ergibt sich, dass konkret bezogen auf die Tätigkeit des Klägers kein Fall des § 30 a BZRG vorliegt und der Beklagte nicht die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses vom Kläger verlangen kann.
49aa) Der Kläger unterfällt nicht den Regelungen des § 30 a Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 1 Nr. 2 a BZRG. Für ihn ist die Erteilung eines erweiterten Führungszeugnisses nicht in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 30 a BZRG vorgesehen (§ 30 a Abs. 1 Nr. 1 BZRG). Auch verrichtet der Kläger keine Tätigkeiten, die eine berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung von Minderjärigen zum Gegenstand hat (§ 30 a Abs. 1 Nr. 2 a BZRG).
50bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten übt der Kläger auch keine Tätigkeit aus, die in einer dem Buchstaben a) vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen (§ 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG). Für seine Verwaltungstätigkeit ist der Kläger nicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verpflichtet.
51(1) Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Einführung des § 30 a BZRG zum Zweck des Kinder- und Jugendschutzes eine Regelung für alle diejenigen Personen, die kinder- oder jugendnah tätig sind oder werden sollen (vgl. BT-Drs. 16/12427, Seite 7, 8). Damit wird deutlich, dass nicht alle Mitarbeiter eines Trägers der Kinder- und Jugendhilfe erfasst sind, sondern eben nur diejenigen, von denen eine besondere Gefahr für Kinder und Jugendliche vor dem Hintergrund der erfassten Straftatbestände ausgeht, die also regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und nicht lediglich gelegentlich auf sie treffen, wie jeder andere Unbeteiligte auch. Damit es aber nicht zu Lücken beim Schutz von Kindern und Jugendlichen kommt, ist ein Führungszeugnis auch für Personen vorgesehen, die in einer der Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung vergleichbaren Weise die Möglichkeit haben, Kontakt zu Minderjährigen herzustellen. Hierunter können beispielsweise Hausmeister an Schulen oder Bademeister in einem öffentlichen Schwimmbad fallen (vgl. BT-Drs. 1612427, Seite 8; LAG Hamm v. 15.04.2014, 10 Sa 1718/13, a.a.O.). Andererseits darf die Auslegung und Anwendung des § 30 a BZRG nicht zu einer unbegrenzten Verpflichtung zur Vorlage von Führungszeugnissen führen. Denn stets sind auch die grundgesetzlich geschützten Interessen des betroffenen Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Erforderlich ist stets, dass die jeweilige Berufsgruppe bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß Kontakt mit Kindern und Jugendlichen hat, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden kann (vgl. Joussen, Das erweiterte Führungszeugnis im Arbeitsverhältnis, a.a.O.; LAG Hamm v. 25.04.2014, 10 Sa 1718/13, a.a.O.). Zu fragen ist daher: Ist ein Mitarbeiter so kinder- und jugendnah tätig, dass für ihn gerade aufgrund seiner Tätigkeit eine besondere Gelegenheit besteht, eine der in § 72 a Abs. 1 SGB VIII genannten Straftaten zu Lasten der ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu begehen? Dies wird man, wie auch § 30 a BZRG sehr deutlich macht, sicher bei Erziehern, Ausbildern und Betreuern bejahen müssen; ebenso beim Trainer einer Kinder- oder Jugendmannschaft. Auf der anderen Seite ist aber eine unbegrenzte Auslegung nicht zulässig – denn es sind, wie ausgeführt, auch immer die grundgesetzlich geschützten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen (vgl. Joussen, Das erweiterte Führungszeugnis im Arbeitsverhältnis, a.a.O.).
52Zu berücksichtigen ist aber auch, dass dem Arbeitgeber bei der Frage, ob eine besondere Gefahrensituation entstehen kann, ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist, da nur er einschätzen kann, ob und inwieweit unter den bei ihm gegebenen betrieblichen Verhältnissen Mitarbeiter zu Minderjährigen Kontakt zur Schaffung einer besonderen Gefährdungssituation aufnehmen können (vgl. Löwisch/Mysliwiek, Datenschutz bei Anforderung und Nutzung erweiterter Führungszeugnisse, a.a.O.).
53Bei dem Mitarbeiter eines Kinder- und Jugendverbandes beispielsweise oder einem Organisten wäre also im Einzelfall darauf abzustellen, inwieweit dieser in besonderen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen kommt. Die betroffene Person muss hierfür regelmäßig und nicht nur gelegentlich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, da nur in diesen Fällen der vom Gesetzgeber mit der Einfügung der Norm verfolgte Zweck, pädophil veranlagten Menschen keine besondere Gelegenheit zur Begehung von Sexualdelikten an Kindern zu bieten, erfüllt ist (vgl. Tollzmann, BZRG, 5. Auflage, § 30a Rn 8).
54(2) Unter Berücksichtigung dieser Beurteilungsmaßstäbe ergibt sich hier, dass der Kläger nicht zu dem Personenkreis gehört, der bestimmungs- und arbeitsplatzgemäß Kontakt mit Kindern und Jugendlichen hat, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden kann.
55Der Kläger hat unstreitig zu keinem Zeitpunkt im Rahmen seiner Tätigkeit als Mitarbeiter in der Verwaltungsabteilung der Geschäftsstelle in E bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gehabt und wird auch im Rahmen seiner vertragsgemäßen Tätigkeit unstreitig keinen bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäßen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen haben. Außer einem dreiviertel Jahr im Rahmen eines Anerkennungsjahrs zum staatlich anerkannten Erzieher war und ist der Kläger als ausgebildeter Betriebswirt für den beklagten Verein rein kaufmännisch tätig. Seine Tätigkeit für den beklagten Verein besteht unstreitig darin, mit den öffentlichen Trägern Leistungs- und Entgeltvereinbarungen zu verhandeln und abzuschließen. Zudem hat er Versicherungsverträge zu verhandeln und abzuschließen; auch Mietverträge für den beklagten Verein schließt der Kläger ab. Die Tätigkeit des Klägers im Rahmen der Anmietung von Wohnungen für die zu betreuenden Jugendlichen bezieht sich jedoch ausschließlich auf die juristische Abwicklung bzw. den Abschluss der Mietverträge. Das Treffen vor Ort mit den Vermietern und den Jugendlichen sowie das Ansehen der Räumlichkeiten übernehmen die Kollegen des Klägers; für den Kläger fallen diese Aufgaben unstreitig nicht an. Im Rahmen seiner übrigen Tätigkeiten für den beklagten Verein hat der Kläger ebenfalls keinen arbeitsplatzgemäßen oder bestimmungsgemäßen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass ausnahmsweise mal ein Jugendlicher oder ein Kind mit seinem Betreuer auf die Geschäftsstelle nach E kommt, ein Kontakt – mit dem Kläger, der mit ganz anderen Aufgaben betraut ist, schon gar nicht ein bestimmungsgemäßer Kontakt – wird dadurch jedoch nicht begründet.
56(3) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Regelung in § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG auch nicht derart weit zu verstehen, dass jegliche hypothetische Möglichkeit der Kenntniserlangung von Daten über Kinder und Jugendliche, die ausgenutzt werden könnte, einen Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, ausreicht, um die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verlangen zu können. Ein derart weites Verständnis der Regelung in § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG und eine Erstreckung der bisherigen Rechtsprechung des LAG Hamm auf solche Fallkonstellationen ist nicht mit dem Schutzinteresse des Arbeitnehmers auf informelle Selbstbestimmung und dem Schutz seiner persönlichen Daten in Einklang zu bringen.
57(a) Wie bereits ausgeführt, ist die 10. Kammer des LAG Hamm bislang grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine Person bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß Kontakt mit Kindern und Jugendlichen haben muss, der zu einer besonderen Gefahrensituation werden kann, um eine Tätigkeit dieser Person annehmen zu können, die in vergleichbarer Weise wie eine berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Die Kammer schließt zwar nicht aus, dass unter Umständen auch eine regelmäßige bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäße Kenntniserlangung von umfangreichen, hochsensiblen Daten über Jugendliche und Kinder ausreichend sein kann, eine besondere Gefahrensituation i. S. d. § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG herbeizuführen mit der Folge, dass auch Mitarbeiter, die regelmäßig bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß entsprechende Kenntnisse von hochsensible Daten über Kinder und Jugendliche erlangen, verpflichtet sind, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen. Eine solche Vorlagepflicht allein wegen der Kenntniserlangung von hochsensiblen Daten / Informationen über Jugendliche oder Kinder ohne dass ein arbeitsplatzgemäßer oder bestimmungsgemäßer Kontakt zu den Jugendlichen oder Kindern gegeben ist, kann nach Auffassung der Kammer jedoch allenfalls dann angenommen werden, wenn die Kenntniserlangung der sensiblen Daten typischerweise und regelmäßig bei Ausübung der zu erbringenden Tätigkeit, mithin arbeitsplatzgemäß oder bestimmungsgemäß erfolgt und insofern ein direkter Bezug zur auszuübenden Tätigkeit des Arbeitnehmers gegeben ist.
58(b) Allein eine hypothetische Möglichkeit zur Kenntnisnahme solcher sensiblen Daten der Jugendlichen reicht jedenfalls nicht aus, um eine Vorlagepflicht des erweiterten Führungszeugnisses nach § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG zu begründen. Würde § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG derart weit verstanden werden, müsste im Grunde genommen jeder Arbeitnehmer, der im Bereich der Jugendhilfe tätig ist, völlig unabhängig davon, ob er bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäßen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen hat oder zumindest mit hochsensiblen Daten / Informationen über die Jugendlichen und Kinder tagtäglich bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäß zu tun hat, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Ein solch weites Verständnis der in § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG getroffenen Regelung ist nicht mit dem Schutzinteresse des Arbeitnehmers auf informelle Selbstbestimmung und dem Schutz seiner persönlichen Daten in Einklang zu bringen. Die grundgesetzlich geschützten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer und die datenschutzrechtliche Bestimmung in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG müssen bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG maßgeblich berücksichtigt werden und zeigen dem Anwendungsbereich des § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG insoweit seine Grenzen auf. Anderenfalls müsste jeder Hausmeister und jede Reinigungskraft sowie jeder Mitarbeiter in einer Verwaltungsbehörde, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, ein erweitertes Führungszeugnis auf Verlangen des Arbeitgebers vorlegen, da die hypothetische Möglichkeit der Kenntniserlangung von hochsensiblen Daten besteht. Ein solches Verständnis würde zu weit gehen. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 30 a BZRG nicht beabsichtigt, dass alle Mitarbeiter eines Trägers der Kinder- und Jugendhilfe ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen, sondern nur diejenigen, von denen eine besondere Gefahr für Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer kinder- und jugendnahen Tätigkeit ausgeht. Sofern man auch eine Kenntniserlangung von umfangreichen, hochsensiblen Daten über Jugendliche und Kinder ausreichend sein lassen will, eine besondere Gefahrensituation im Sinne des § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG herbeizuführen, ist zumindest zu fordern, dass eine bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäße regelmäßige Kenntniserlangung von hochsensiblen Daten der Jugendlichen und Kinder vorliegen muss.
59(c) Dies ist beim Kläger nicht der Fall; eine bestimmungs- und arbeitsplatzgemäße regelmäßige Kenntniserlangung von hochsensiblen Daten der Jugendlichen und Kinder liegt bei ihm nicht vor. Einer abschließenden Entscheidung darüber, ob auch eine regelmäßige bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäße Kenntniserlangung von hochsensiblen Daten der Jugendlichen und Kinder ausreichend sein kann, eine besondere Gefahrensituation im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 2 b BZRG herbeizuführen, bedurfte es daher nicht.
60Der Kläger ist unstreitig bei dem beklagten Verein allein mit Verwaltungsaufgaben betraut. Zu seinen Tätigkeiten gehört weder die Bearbeitung von abrechnungsbezogenen Akten der Jugendlichen noch sonst irgendeine Tätigkeit im Zusammenhang mit den vom beklagten Verein geführten Fallakten, die sensible Daten über die Jugendlichen enthalten. Eine bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäße Kenntniserlangung von hochsensiblen Daten der vom Beklagten zu betreuenden Jugendlichen, die zu einer besonderen Gefahrensituation werden könnte, liegt beim Kläger gerade nicht vor. Sämtlicher Vortrag des Beklagten reicht daher nach Auffassung der Kammer nicht aus, eine entsprechende Gefahrensituation zu begründen:
61(aa) Zutreffend ist zwar der Vortrag des Beklagten, dass nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger sich Zugang zu den Akten mit den abrechnungsrelevanten Daten verschaffen kann, die bei dem beklagten Verein in der Verwaltung in einem abgeschlossenen Schrank aufbewahrt werden. Ebenfalls könnte sich der Kläger hypothetisch auch Zugang zu den im Keller archivierten Fallakten verschaffen, die gleichermaßen in einem abgeschlossenen Schrank aufbewahrt werden. Hierzu müsste der Kläger jedoch den Mitarbeiter, der den Schlüssel in Verwahrung hat und alleine für den Schlüssel zuständig ist, um Herausgabe des Schlüssels bitten. Auch wenn man mit dem Beklagten davon ausgeht, dass der betreffende Mitarbeiter den Schlüssel an den Kläger herausgeben würde, kann diese hypothetische Möglichkeit der Kenntnisnahme von Daten aus den Fallakten oder abrechnungsrelevanten Akten nach den oben getroffenen Ausführungen nicht dazu führen, dass der Kläger ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen hat. Unstreitig ist der Kläger bei dem Beklagten allein mit Verwaltungsaufgaben betraut, so dass jegliche Nachfrage seinerseits betreffend die Zugangsmöglichkeit zu Fallakten oder abrechnungsrelevanten Akten auffallen dürfte, was bei einer arbeitsplatzgemäßen oder bestimmungsgemäßen Bearbeitung dieser Akten und der dadurch bedingten Kenntnisnahmemöglichkeit nicht der Fall wäre. Hinzu kommt, dass es dem Beklagten grundsätzlich auch möglich ist, anzuordnen, dass dem Kläger entsprechender Zugang zu den Fallakten sowie zu den abrechnungsrelevanten Akten nicht gewährt wird. Ein solcher Zugang ist für die vom Kläger auszuübende Tätigkeit unstreitig nicht erforderlich. Der Beklagte hat mithin durch einfache Anordnung die Möglichkeit, dem Kläger die hypothetische Kenntnisnahmemöglichkeit der hochsensiblen Daten der Jugendlichen zu nehmen, ohne dass er durch das Vorlageverlangen eines erweiterten Führungszeugnisses in die informelle Selbstbestimmung des Klägers eingreifen muss.
62Entscheidend ist aber nach Auffassung der Kammer, dass der Kläger keinen bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäßen Umgang mit diesen Akten hat und insoweit weder bestimmungs- noch arbeitsplatzgemäß Kenntnis von den sensiblen Daten über die Kinder und Jugendlichen erlangen kann. Hypothetisch mag der Kläger insoweit zwar die Möglichkeit haben, auf die Akten Zugriff zu nehmen. Diese hypothetische Möglichkeit hat jedoch auch die Reinigungskraft, der Hausmeister oder der Sicherheitsmitarbeiter vom Wachdienst. Diese Mitarbeiter sind sicherlich nicht gemäß § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, dem beklagten Verein ein Führungszeugnis vorzulegen.
63(bb) Weiterhin hat der Beklagte maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kläger Kenntnis von Daten der Jugendlichen erlangen kann. Nach den übereinstimmenden Bekundungen im Kammertermin kann eine entsprechende Datenkenntnis des Klägers allenfalls beim Abschluss von Nutzungsverträgen mit den Jugendlichen erlangt werden. Die Mietverträge selber werden zwischen dem Vermieter und dem Beklagten abgeschlossen, so dass irgendwelche Daten über die Jugendlichen bei Abschluss der Mietverträge nicht erfragt und aufgenommen werden müssen. Nur beim Abschluss von Nutzungsverträgen im Anschluss an eine Maßnahme kann es sein, dass der Kläger Kenntnis über die persönlichen Daten des in der Wohnung befindlichen Jugendlichen / jungen Erwachsenen erlangt. Allein diese im Ausnahmefall erlangte Kenntnis des Klägers, die darüber hinaus auch lediglich solche Daten wie Name, Anschrift, Geburtsdatum und gerade nicht die hochsensiblen Daten wie Arztberichte, Gutachten oder Hilfepläne beinhaltet, reicht nach Auffassung der Kammer nicht aus, um die Voraussetzungen des § 30 a Abs. 1 Nr. 2 b BZRG zu erfüllen. Auch hier liegt eine regelmäßige arbeitsplatz- oder bestimmungsgemäße Kenntnis von hochsensiblen Daten über die Jugendlichen nicht vor. Allein die Kenntnis, dass ein Minderjähriger in einer der vom beklagten Verein angemieteten Wohnungen lebt, kann keine besondere Gefahrensituation begründen. Eine solche Kenntnis liegt auch in den Hausverwaltungsunternehmen, bei den Vermietern, im Job-Center oder im Sozialamt vor, ohne dass die dort Beschäftigten ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen.
64(cc) Die vom Beklagten erwähnten offenen Postfächer und das vom Kläger in Vertretungssituationen zu übernehmende Öffnen und Verteilen der Post in die Postfächer, ändert nichts daran, dass der Kläger regelmäßig weder arbeitsplatzgemäß noch bestimmungsgemäß Kontakt mit hochsensiblen Daten der Jugendlichen erhält. Unabhängig davon, dass der Kläger vorgetragen hat, dass er in den letzten acht Jahren nicht einmal ein ärztliches Gutachten oder einen Hilfeplan oder Ähnliches beim vertretungsweise erfolgten Verteilen der Post in den Händen gehalten habe, ergibt sich auch aus dem Verteilen der Post kein bestimmungs- oder arbeitsplatzgemäßer Kontakt mit den entsprechenden Gutachten, Hilfeplänen etc. und somit den hochsensiblen Daten.
65(dd) Weiterhin stellt der Beklagte maßgeblich auf die Möglichkeit des Klägers ab, über das Intranet-Portal Name, Wohnort, ggf. Geburtsdatum oder Art der Hilfsmaßnahme über die Jugendlichen zu erfahren. Auch dabei kommt es aber nicht zu einer regelmäßigen arbeitsplatzgemäßen oder bestimmungsgemäßen Kenntniserlangung von hochsensiblen Daten der Jugendlichen. Die Arztberichte, Gutachten, Hilfeprotokolle, die die hochsensiblen Daten / Informationen über die Jugendlichen enthalten, sind nicht im Intranet aufgeführt, sondern befinden sich ausschließlich in den jeweiligen Fallakten. Unabhängig davon hat der Beklagte auch hier grundsätzlich die Möglichkeit, etwaige Zugangsmöglichkeiten des Klägers zu begrenzen, so dass der Kläger nicht auf sämtliche Daten aus dem Intranet zugreifen kann.
66(ee) Insgesamt ergibt sich zwar, dass der Kläger theoretisch und hypothetisch die Möglichkeit hat, einige Informationen über Minderjährige und Jugendliche zu erlangen. Diese hypothetische Kenntnisnahmemöglichkeit führt aber nicht dazu, dass der Kläger ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen hat. Erforderlich, um in die informelle Selbstbestimmung durch die Vorlagepflicht eines erweiterten Führungszeugnisses eingreifen zu können, wäre zumindest eine regelmäßige arbeitsplatzgemäße oder bestimmungsgemäße Kenntniserlangung von hochsensiblen Daten über Kinder- und Jugendliche. Eine solche ist beim Kläger nicht gegeben.
67Nach alledem ist eine Vorlagepflicht für den Kläger aus § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. § 30 a Abs. 1 Ziffer 2 b BZRG nicht begründet. Auf die vom Kläger eingelegte Berufung war daher der Klage stattzugeben.
68III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
IV. Die Revision ist zuzulassen. Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist die Revision zuzulassen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber von seinen Beschäftigten die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verlangen kann, ist klärungsbedürftig, da sie bislang vom Bundesarbeitsgericht nicht entschieden worden ist. Die Rechtsfrage ist von allgemeiner und damit grundsätzlicher Bedeutung, da sie tatsächliche Auswirkungen für einen größeren Teil der Allgemeinheit hat.