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Trotz einer öffentlich-rechtlichen Organisation des herrschenden Unternehmens (hier ein Kreis als Körperschaft des öffentlichen Rechts) kann für die privatrechtlich organisierten beherrschten Unternehmen ein Konzernbetriebsrat errichtet werden.
Zu den Anforderungen an die Widerlegung der Konzernvermutung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG (i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
Die Beschwerden der zu 7) beteiligten H M GmbH, der zu 8) bis 12) beteiligten Klinikum M GmbH, Klinik T M GmbH, B-M-Dienstleistungsgesellschaft mbH, Kreissenioreneinrichtungen M GmbH sowie der N-M GmbH und der zu 14) bis 17) beteiligten Verkehrsbetriebe F GmbH, L Omnibusbetriebe GmbH, W T1 GmbH und X GmbH gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 11.05.2016 – 3 BV 28/14 – werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor im ersten Satz wie folgt lautet:
Es wird festgestellt, dass aufgrund einer am 13.07.2015 erfolgten Errichtung für die folgenden Unternehmen ein Konzernbetriebsrat besteht:
H M GmbH
Klinikum M GmbH
Klinik T M GmbH
B-M-Dienstleistungsgesellschaft mbH
Kreissenioreneinrichtungen M GmbH
N-M GmbH
O M gemeinnützige Gesellschaft für Beschäftigungs- und Qualifizierungsförderung mbH
Verkehrsbetriebe F GmbH
L Omnibusbetriebe GmbH
W T1 GmbH
X GmbH
J P GmbH
Betreibergesellschaft MS mbH.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
2A.
3Die Beteiligten streiten darüber, ob für einen Konzern unter der Leitung eines Kreises als Körperschaft des öffentlichen Rechts wirksam ein Konzernbetriebsrat errichtet worden ist.
4*Der zu 6) beteiligte Kreis M als Körperschaft des öffentlichen Rechts hält 100 % der Geschäftsanteile an der zu 7) beteiligten H M GmbH und der zu 8) beteiligten Klinikum M GmbH, wobei Letztere die Mehrheit an der zu 9) beteiligten Klinik T M GmbH, zu 10) beteiligten B-M-Dienstleistungsgesellschaft mbH und der zu 12) beteiligten N-M GmbH hält. Der Kreis M hält auch 100 % der Geschäftsanteile an der zu 11) beteiligten Kreissenioreneinrichtungen M GmbH sowie die Mehrheit der Geschäftsanteile an der zu 13) beteiligten O M gemeinnützige Gesellschaft für Beschäftigungs- und Qualifizierungsbeförderung mbH. An der zu 14) beteiligten Verkehrsbetriebe F GmbH, die ihrerseits Alleingesellschafterin der zu 15) bis 17) beteiligten L Omnibusbetriebe GmbH, W T1 GmbH und X GmbH ist, hält der Kreis M 39,44 %. Weil die Verkehrsbetriebe F GmbH selbst 43,73 % der Geschäftsanteile hält, kommen dem Kreis M Stimmrechte im Umfang von 70,1 % zu. Schließlich hält der Kreis M die Mehrheit der Geschäftsanteile an den zu 19) und 20) beteiligten J P GmbH und Betreibergesellschaft MS mbH.
5Der zu 1) beteiligte, antragstellende Konzernbetriebsrat wurde in der konstituierenden Sitzung am 13.07.2015 errichtet. Die Antragsteller zu 2) bis 5) sind die in den Unternehmen der Klinikum M GmbH, Klinik T M GmbH, B-M-Dienstleistungsgesellschaft GmbH und Kreissenioreneinrichtungen M GmbH gebildeten Betriebsräte. Dabei wurde im laufenden Beschlussverfahren für das Unternehmen der Klinikum M GmbH zunächst der dort bestandene Gesamtbetriebsrat beteiligt, bevor im Zuge einer vor kurzem durchgeführten Neuwahl für die beiden Unternehmensstandorte ein einheitlicher Betriebsrat gebildet wurde, der nunmehr Beteiligte zu 2). Der zu 18) beteiligte Betriebsrat ist für den Gemeinschaftsbetrieb der W T1 GmbH, Verkehrsbetriebe F GmbH, L Omnibusbetriebe GmbH und X GmbH gebildet worden.
6Schließlich wurde der zu 21) beteiligte Konzernbetriebsrat für den Bereich der H M GmbH (Beteiligte zu 7) mit den zu 8) bis 12) beteiligten Unternehmen Klinikum M GmbH, Klinik T M GmbH, B-M-Dienstleistungsgesellschaft mbH, Kreissenioreneinrichtungen M GmbH und N-M GmbH errichtet.
7In der Vergangenheit trat der beteiligte Kreis M über mehrere Jahre als „Konzern Kreis M“ auf. Am 02.07.2012 beschloss der Kreistag eine Beteiligungsrichtlinie (im Folgenden kurz: BRL), die am 01.01.2013 in Kraft trat. In der BRL heißt es auszugsweise wie folgt:
8„Vorbemerkungen
9Der Kreis M mit seinen Betrieben und Unternehmen sowie seinen Beteiligungen in unterschiedlichen Rechtsformen bilden zwar keinen Konzern im Sinne des Handelsrechts, jedoch faktisch ein dem gleich kommenden Verbund. Dieser Verbund dient der Erledigung der dem Kreis M zugewiesenen Aufgaben, wobei die Gründe für die Schaffung der Beteiligungen vielfältig sind: Erledigung unterschiedlichster öffentlicher Aufgaben, notwendige unternehmerische Unabhängigkeit, Risikodiversifikation, interkommunale Kooperation oder gemischtwirtschaftliche Aufgabenwahrnehmung mit Privaten. Allem ist gemein: der Kreis hat sich beteiligt, um öffentliche Kreisaufgaben zu erledigen, alle Beteiligungen erledigen mit dem Kreis zusammen (auch) Kreisaufgaben. Insofern bildet der Kreis M im Rahmen des Konzerns ‘Kreis M’ mit seinen Betrieben, Unternehmen und Beteiligungen – unbeschadet deren rechtliche Selbstständigkeit – eine wirtschaftliche Einheit.
10…
11Nun soll der Schritt zum Konzern Kreis M getan, das heißt, eine einheitlich ausgerichtete Zielplanung von Verwaltung und Beteiligungen unter einem Leitbild für den Konzern Kreis M fortgeführt werden. Mit der Konzernbroschüre 2012 wurde der erste Aufschlag für diesen ganzheitlich angelten Prozess der Information, des Austausches und der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung gemacht.
121 Ziele der Beteiligungsrichtlinie
13Aufgabe der Beteiligungsrichtlinie ist es, die Zusammenarbeit zwischen Politik, Kreisverwaltung und Beteiligungen zu regeln. Dabei sind die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen den Beteiligten abzugrenzen und an den Schnittstellen aufeinander abzustimmen.
14Die Beteiligungsrichtlinie soll sicherstellen, dass zum einen der Gesellschafter Kreis M seine Gesellschafterziele erreicht. Hiervon werden sowohl kommunalpolitische Ziele (Leistungsziele) als auch wirtschaftliche Ziele (Finanzziele) erfasst. Um diese Ziele erreichen zu können, gilt es, die Beteiligungsunternehmen in die politischen Ziele und Leitbilder des Kreises M einzubeziehen, die Geschäfte der Beteiligungen mit diesen Zielen abzustimmen sowie die Beteiligungsunternehmen unter Heranziehung geeigneter Instrumente zu steuern. Zum anderen soll die Beteiligungsrichtlinie gewährleisten, dass die Selbstständigkeit der einzelnen Beteiligungen bewahrt und insofern nicht in das operative Geschäft der Beteiligungen eingegriffen wird.
15Ziel der Beteiligungsrichtlinie ist es daher, allgemeingültige Regeln für die Beteiligungen sowie den Rahmen für deren selbständiges Handeln festzulegen.
16…
172.4. Beteiligungscontrolling
18…
19Der Gesellschafter Kreis M stellt über das Beteiligungscontrolling damit sicher, dass die festgelegten Ziele von dem Beteiligungsunternehmen umgesetzt werden.
203. Geltungsbereich der Beteiligungsrichtlinie
21…
22Die Gültigkeit der Richtlinie in den Beteiligungen wird durch entsprechenden Beschluss in der Gesellschafterversammlung oder durch die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in den Gesellschaftsverträgen des Beteiligungsunternehmens verankert. Nach Möglichkeit sollen die Geschäftsführungen der einzelnen Beteiligungen eine Erklärung abgeben, in der sich diese zur Einhaltung der Beteiligungsrichtlinie freiwillig verpflichten.
234.1. Akteure im Konzern „Kreis M“
24Im Zusammenhang mit den Beteiligungen des Kreises M gibt es zahlreiche beteiligte Personen mit unterschiedlichen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Dieses sind zum einen die Mitglieder des Kreistages und seiner Ausschüsse, der Landrat und die Mitarbeiter der Verwaltung sowie die Geschäftsführer der einzelnen Beteiligungen des Kreises M. Dabei nehmen die Mitglieder des Kreistages und seiner Ausschüsse sowie der Landrat und die Verwaltungsmitarbeiter eine doppelte Funktion wahr. Zum einen haben sie die Interessen des Kreises M als Gesellschafter zu vertreten, zum anderen sind sie dem Wohl der Unternehmen in ihrer Funktion als Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet. Des Weiteren bestehen zwischen den einzelnen Personen zahlreiche Beziehungen aufgrund verschiedener Anlässe, wie beispielsweise Informationspflichten, die Bereitstellung von Gesellschafterzuschüssen oder die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben….
254.2.1.4 Konzernbeirat
26Es wird ein Konzernbeirat eingerichtet. Der Konzernbeirat ist ein interfraktionelles Beratungsgremium unter anderem mit der Aufgabe des Informationsaustausches und der Beratung von grundlegenden Entwicklungen und Vorbereitung von Entscheidungen in Beteiligungsangelegenheiten sowie Zielplanungen des Kreises und der Beteiligungen. Der Kreistag legt zu Beginn der Legislaturperiode die Anzahl der entsandten Mitglieder der Fraktionen und der Kreisverwaltung fest und kann weitere Aufgaben bestimmen. Er tagt mindestens zweimal jährlich und bei Bedarf.
274.2.1.5 Strategiekonferenz
28Es wird eine Strategiekonferenz eingerichtet. Die Strategiekonferenz ist ein Beratungsgremium bestehend aus Mitgliedern des Kreistages, den Leitungen der Beteiligungen und den Leitungen der fachlich zuständigen Organisationseinheiten des Kreises M. Weitere Teilnehmer können vom Landrat eingeladen werden. Sie hat zur Aufgabe die Ergebnisse und Vorschläge der Beratungen in Konzernbeirat und Konzernkonferenz möglichst im Sinne der Erreichung einer gemeinsamen und abgestimmten Zielplanung zwischen Kreis und Beteiligungen zu bündeln und der breiten Kreispolitik vorzustellen. Ferner dient sie unbeschadet der bestehenden Zuständigkeiten der Gremien des Kreises und der Beteiligungen dem allgemeinen Informationsaustausch zwischen den Teilnehmern und der fundierten allgemeinen Informationsvermittlung zur Vorbereitung und Entscheidung der jährlichen Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftsplanungen von Kreis und Beteiligungen. Die Strategiekonferenz tagt einmal jährlich.
29…
304.2.2.1 Landrat
31…
32Im Rahmen der Beschlüsse des Kreistages und des Kreisausschusses ist der Landrat für die Koordination und Durchsetzung der Gesamtinteressen des Kreises M zuständig. In diesen Steuerungs- und Kontrollprozess sind gemäß den organisatorischen Strukturen beim Kreis M sowohl das Beteiligungsmanagement als auch einzelne Fachbereiche eingebunden.
33Ferner ist der Landrat unter den Voraussetzungen des § 113 GO NRW i.V.m. § 53 Abs. 1 KrO NRW geborenes Mitglied in den Gremien der Beteiligungen. Er kann sich von einem von ihm vorgeschlagenen Bediensteten vertreten lassen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben werden der Landrat oder der von ihm vorgeschlagene Bedienstete durch das Beteiligungsmanagement beratend unterstützt. Grundlage dafür ist ein regelmäßiges und standardisiertes Berichtwesen, wie es im Abschnitt 5 dieser Beteiligungsrichtlinie beschrieben ist.
34Der Landrat wirkt bei den Zielvereinbarungen und den darauf aufbauenden Planungen mit. Der Abschluss und die Änderung von Zielvereinbarungen obliegen dem Landrat zusammen mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsorgans der jeweiligen Beteiligung. Sofern der Landrat zugleich Vorsitzender des Aufsichtsorgans ist, werden die Zielvereinbarungen vom Landrat und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsorgans abgeschlossen. Die Zielvereinbarungen werden dem für Konzern-/Beteiligungsangelegenheiten zuständigen Ausschuss und dem Kreisausschuss zur Kenntnis gegeben. Dabei wird darauf geachtet, dass keine Planungsdaten an die Öffentlichkeit gelangen, wenn der Beteiligung oder einem Mitgesellschafter dadurch ein Schaden entstehen kann.
354.2.2.2 Beteiligungsmanagement
36Das Beteiligungsmanagement ist Bindeglied zwischen dem Kreis M als Gesellschafter und dem jeweiligen Beteiligungsunternehmen. Es wird je nach Aufgabenstellung sowohl dezentral von den Fachbereichen als auch zentral von der für den Finanzbereich zuständigen Organisationseinheit wahrgenommen. Die Aufgabenverteilung und Abstimmung innerhalb der Verwaltung regelt der Landrat.
37Das Beteiligungsmanagement ist Ansprechpartner und Berater für den Gesellschafter, die Beteiligungen und die Gremiumsmitglieder. Dem Beteiligungsmanagement obliegt dabei unter anderem
38- die Vorbereitung von politischen Entscheidungen in Beteiligungsangelegenheiten, sofern sie nicht ausschließlich von der Geschäftsführung vorzunehmen sind,
39- bei Bedarf und auf Anforderung die Beratung von Mitgliedern des Kreises in Gesellschaftsorganen (Mandatsträgerunterstützung),
40- die konzeptionelle Entwicklung und Pflege von Standards im Rahmen des Beteiligungsmanagements, dies gilt insbesondere für die Beteilligungsrichtlinie und das Planungs- und Berichtswesen,
41- das Beteiligungscontrolling und das Konzernberichtswesen,
42- das Beteiligungsportfoliomanagement und
43- die Beteiligungsverwaltung.
44Für mittelbare Beteiligungen nimmt das Beteiligungsmanagement in dem Maße die Beteiligungsverwaltung und das Beteiligungscontrolling wahr, wie dies für den Kreis M möglich und sinnvoll ist.
45…
464.2.3 Konzernkonferenz
47Die Konzernkonferenz besteht aus dem Landrat, den Leitungen der Beteiligungsunternehmen und den Leitungen der fachlich zuständigen Organisationseinheiten der Kreisverwaltung. Die Besetzung legt der Landrat im Einzelnen fest. Sie bereitet insbesondere die übergreifend abgestimmten Haushalts- und Zielplanungen des Kreises und der Beteiligungen für die zuständigen Entscheidungsgremien von Kreis und Beteiligungen vor, berät in allen übergreifenden Angelegenheiten und evaluiert die Ergebnisse. Sie dient ferner dem allgemeinen Informationsaustausch zwischen den Beteiligungen untereinander und zwischen den Beteiligungen und den fachlich zuständigen Organisationseinheiten der Kreisverwaltung….
484.3 Geschäftsführung der Beteiligungen
49Die Geschäftsführung führt die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags und den Beschlüssen/Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie des Aufsichtsrates in eigener Verantwortung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes und vertritt diese gerichtlich und außergerichtlich. Dabei ist die Beteiligungsrichtlinie des Kreises M in der jeweils gültigen Fassung zu beachten. Die Rechte der Geschäftsführung nach GmbH-Gesetz werden durch diese Richtlinie nicht eingeschränkt. Das Aufsichtsgremium kann nähere Richtlinien in einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführer festlegen.
50Die Geschäftsführung ist für die Unternehmensplanung und –koordination sowie die Leitung des operativen Geschäfts zuständig. Ein Eingriff in die unternehmerische Verantwortung der Geschäftsführung durch den Gesellschafter Kreis M darf insofern nicht erfolgen. Dies betrifft insbesondere die Umsetzung der Unternehmensplanung, die laufende Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft, die Aufstellung des Jahresabschlusses oder die Vorgehensweise zur Erreichung der Ziele des Gesellschafters Kreis M. Unbeschadet des Rechts der Gesellschafterversammlung, der Geschäftsführung zulässige Weisungen zu erteilen, ist diese ausschließlich dem Unternehmensinteresse verpflichtet.
51Die Geschäftsführung unterrichtet das Aufsichtsgremium und den Gesellschafter (Landrat/Beteiligungsmanagement) rechtzeitig bei Grundsatzfragen und Fragen von wesentlicher Bedeutung und bindet diese in den Entscheidungsprozess ein. Sie stellt ferner alle Informationen zur Verfügung, die zur Verwaltung der Beteiligung notwendig sind. Geschäftsführung und Aufsichtsrat arbeiten zum Wohle des Unternehmens eng zusammen. Die ausreichende Informationsversorgung der Gesellschafterversammlung ist gemeinsame Aufgabe von Geschäftsführung und Aufsichtsgremium. Berichte an das Aufsichtsgremium sind in der Regel schriftlich zu erstatten.
52Die Geschäftsführung ist verpflichtet zur Unterrichtung des Aufsichtsgremiums und des Gesellschafters ein Berichtswesen zu implementieren. Dabei informiert sie regelmäßig vor allem über die Geschäftsentwicklung im Vergleich zu den Planvorgaben sowie den Grad der Erreichung der festgelegten Ziele und stellt bei Planabweichungen die Ursachen oder Gründe dar….
535. Instrumente zur Steuerung der Beteiligungen
545.1 Steuerungsintensität
55Jede Beteiligung wird individuell bezüglich der Steuerungsintensität beurteilt. Wird eine Beteiligung als steuerungsintensiv eingestuft, sind folgende Punkte im Rahmen des Beteiligungscontrollings zu berücksichtigen:
56- Abschluss von Zielvereinbarungen (Punkt 5.3),
57- Detaillierte Analyse der Planungen der Beteiligungen (Punkt 5.4.1), Aufbereitung der Ergebnisse für die Entscheidungsträger und Koordination der Finanzströme aus Kreissicht,
58- Analyse des unterjährigen Berichtswesens (Punkt 5.4.2) mit Blick auf Haushaltsrisiken aufgrund von Planungsabweichungen (Punkt 5.4.3) sowie
59- Analyse des Jahresabschlusses, der Prüfungsberichte und der Risikoberichte im Zusammenhang mit der Feststellung des Jahresabschlusses (Punkt 5.4.4).
60Ein Eingriff in die unternehmerische Verantwortung des Geschäftsführers findet dabei nicht statt. Dies betrifft insbesondere Entscheidungen über die Vorgehensweise zur Errechnung der Gesellschafterziele, den Vollzug zur Unternehmensplanung, Entscheidungen über Maßnahmen zur Vermeidung von Planabweichungen oder die Aufstellung des Jahresabschlusses.
61Die Einstufung und Klassifizierung der Beteiligungen hinsichtlich der Steuerungsintensität erfolgt auf der Grundlage dieser Richtlinie. Daneben kann der Kreistag im Einzelfall andere Festlegungen treffen und Anweisungen vornehmen. Für die Umsetzung einzelner Maßnahmen der Beteiligungssteuerung ist im Rahmen dieser Vorgaben der Landrat zuständig, dies betrifft insbesondere die Vorgehensweise zur Erreichung der Gesellschafterziele, den Vollzug der Unternehmensplanung, Entscheidungen über Maßnahmen zur Vermeidung von Planabweichungen oder die Aufstellung des Jahresabschlusses.
625.2. Klassifizierung der Beteiligungen
63Die Steuerungsintensität jeder Beteiligung ergibt sich aus deren kommunalpolitischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Diese wird anhand folgender Kriterien gemessen:
64- Beeinflussbarkeit der Aufgabenwahrnehmung,
65- Finanzperspektive,
66- Risikoperspektive,
67- Strategische Bedeutung.
68Im Rahmen der Beeinflussbarkeit der Aufgabenwahrnehmung wird die Höhe des jeweiligen Gesellschaftsanteils bzw. des Stimmrechtsanteils in den Gremien der einzelnen Beteiligungen betrachtet. Bei der Finanzperspektive wird untersucht, welche finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt des Kreises M bestehen sowie welche wirtschaftliche Bedeutung die Beteiligung hat (Bilanzsumme/Erträge aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit/Höhe des jährlichen Zuschusses des Kreises M). In engem Zusammenhang mit der Finanzperspektive steht die Risikoperspektive. Diese prüft, welches Risiko mit dem Halten der Beteiligung verbunden ist. Diesbezüglich wird insbesondere beurteilt, ob Unsicherheiten bestehen, durch die in Zukunft eine Vermögensminderung eintreten kann. Im Zusammenhang mit der strategischen Bedeutung wird beleuchtet, inwieweit das Unternehmen dazu beiträgt, die strategischen Ziele des Kreises M zu erreichen….
696.3. Strategische Steuerung und Synergien im Konzern ´Kreis M´
70Die strategische Steuerung des Beteiligungsportfolios und die kontinuierliche Überprüfung und Realisierung von Synergiepotentialen im Konzern ´Kreis M´ sind eine Gemeinschaftsaufgabe aller beteiligten Akteure.“
71Hinsichtlich des weiteren Inhalts der BRL sowie des Inhalts des Gesamtabschlusses 2010 des Kreises M wird verwiesen auf die als Anlagen K 1 und K 2 zum Schriftsatz des Kreises M vom 13.03.2015 zur Gerichtsakte gereichten Kopien.
72Die fünf Antragsteller haben in dem von ihnen eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten, am 13.07.2015 sei es zu einer wirksamen Errichtung des zu 1) beteiligten Konzernbetriebsrates gekommen. Der Kreis M könne trotz seines Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts als Konzernarbeitgeber fungieren; § 130 BetrVG stehe dem nicht entgegen. Aufgrund der gegebenen Mehrheiten bei den Anteilen bzw. Stimmrechten greife die Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG ein, die nicht widerlegt worden sei.
73Soweit hier noch von Interesse, haben die Antragsteller beantragt,
74festzustellen, dass die Errichtung eines Konzernbetriebsrats für die privatrechtlich organisierten Unternehmen des Kreises M, an welchen dieser mehrheitlich beteiligt ist, zulässig ist.
75Der zu 6) beteiligte Kreis M und alle weiteren beteiligten Unternehmen haben beantragt,
76den Antrag abzuweisen.
77Sie haben die Meinung vertreten, der zu 6) beteiligte Kreis M als öffentlich-rechtliche Körperschaft könne kein Unternehmen im Sinne des § 18 AktG sein. Davon abgesehen liege nicht die für die Bildung eines Konzernbetriebsrates erforderliche einheitliche Leitung vor. Eine etwaig bestehende Vermutung sei jedenfalls widerlegt. So mache der Kreis von seinen ihm obliegenden Beherrschungsmöglichkeiten keinen Gebrauch. Ebenfalls gäbe es keine personellen Verflechtungen. Es fehle auch an einem intensiven Informationsaustausch hinsichtlich der unternehmensrelevanten Daten. Eine Koordinierung der Geschäftspolitik in der Weise, dass der beteiligte Kreis M wesentliche Teile der Unternehmenspolitik in seinen Beteiligungen oder die dortigen Führungsentscheidungen maßgeblich beeinflusse, finde nicht statt.
78Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T2. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 21.10.2015, Seite 7 ff. (Bl. 784m ff. d. A.).
79Das Arbeitsgericht hat sodann mit Beschluss vom 11.05.2016 dem Antrag stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung wird verwiesen auf die Ausführungen unter B. der Gründe (Bl. 995 ff. d. A.).
80Dagegen wenden sich die zu 7) beteiligte H M GmbH und die zu 8) bis 12) und 14) bis 17) beteiligten Unternehmen mit ihren Beschwerden.
81Sie sind der Meinung, der Errichtung eines Konzernbetriebsrates beim Kreis M als kommunaler Gebietskörperschaft stehe bereits die Bestimmung des § 130 BetrVG entgegen. Unter Beteiligung öffentlich-rechtlicher Organisationsformen könne kein ausschließlich für privatrechtlich organisierte Unternehmen vorgesehener Konzernbetriebsrat geschaffen werden.
82In jedem Fall sei die in § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG verankerte Konzernvermutung widerlegt. Der Kreis M übe nämlich keinen Einfluss aus, der über die normalen Kontrollrechte eines Gesellschafters mit den damit korrespondierenden Informationsrechten hinausgehe. Die jeweiligen Geschäftsführungen handelten eigenständig und würden das operative Geschäft frei von Einflussnahmen leiten, wie nicht zuletzt auch der erstinstanzlich vernommene Zeuge T2 bestätigt habe. Im Übrigen lägen auch gänzlich andere Unternehmensgegenstände vor.
83Die zu 7) beteiligte H M GmbH und die zu 8) bis 12) sowie 14) bis 17) beteiligten Unternehmen beantragen,
84den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 11.05.2016 – 3 BV 28/14 –
85abzuändern und den Antrag abzuweisen.
86Die zu 1) bis 5) beteiligten Antragsteller beantragen,
87die Beschwerden nach Maßgabe des von ihnen präzisierten Feststellungsantrages zurückzuweisen.
88Sie sind der Ansicht, dass an der Spitze eines Konzerns als herrschendes Unternehmen auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft wie der Kreis M stehen könne.
89Die angesichts der bestehenden Mehrheitsverhältnisse einschlägige Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG sei nicht widerlegt worden.
90Folglich sei es am 13.07.2015 zur wirksamen Errichtung des zu 1) beteiligten Konzernbetriebsrates gekommen.
91Wegen des weiteren umfangreichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
92B.
93Die Beschwerden sind unbegründet. Denn wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend erkannt hat, ist am 13.07.2015 für die dreizehn vom letzten Antrag erfassten Unternehmen wirksam ein Konzernbetriebsrat mit dem Kreis M als herrschendem Konzernunternehmen errichtet worden.
94I. Auf Antragstellerseite ist für den ursprünglich zu 2) beteiligten Gesamtbetriebsrat der Klinikum M GmbH im Wege der Funktionsnachfolge der nunmehr einheitlich für das Unternehmen gewählte Betriebsrat in dessen Position im laufenden Beschlussverfahren eingetreten (vgl. BAG, 13.02.2013 – 7 ABR 36/11 – AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 34).
95II. Neben den fünf Antragstellern waren der Kreis M und die dreizehn vom Antrag (noch) erfassten Unternehmen zu beteiligen, weil sie im Falle einer wirksamen Errichtung des Konzernbetriebsrates dessen Beteiligungsrechte zu beachten hätten (vgl. BAG, 11.02.2015 – 7 ABR 98/12 – AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 18).
96Auch der zu 18) beteiligte Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs ist in seiner Rechtsstellung unmittelbar betroffen und war deshalb zu beteiligen, weil vom Ausgang des Verfahrens abhängt, ob er nach § 54 Abs. 2 i.V.m. § 55 BetrVG berechtigt ist, Mitglieder in den Konzernbetriebsrat zu entsenden, und diesen nach § 54 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu beauftragen (vgl. BAG, 09.02.2011 – 7 ABR 11/10 – AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 15; 27.10.2010 – 7 ABR 85/09 – AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 14).
97Schließlich war der zwischenzeitlich errichtete Konzernbetriebsrat H M GmbH (Beteiligter zu 21) wegen unmittelbarer Betroffenheit zu beteiligen, weil dann, wenn dem Feststellungsantrag rechtskräftig entsprochen würde, ausschließlich der zu 1) beteiligte Konzernbetriebsrat berechtigt wäre, auf Konzernebene die einschlägigen Rechte wahrzunehmen (vgl. BAG, 25.09.2012 – 1 ABR 45/11 – AP BetrVG 1972 § 58 Nr. 5).
98III. Der Antrag, gerichtet auf die Feststellung des Bestehens eines am 13.07.2015 errichteten Konzernbetriebsrates mit einer Zuständigkeit für insgesamt dreizehn Unternehmen, ist zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Denn der Antrag, mit dem das Bestehen des Konzernbetriebsrates bis in die Gegenwart festgestellt werden soll, führt dazu, dass mit einer rechtskräftigen Entscheidung bei allen Beteiligten u.a. Klarheit darüber besteht, wie sich die Kompetenzverteilung für die Wahrnehmung der betrieblichen Beteiligungsrechte in den dreizehn vom Antrag erfassten Unternehmen gestaltet (vgl. BAG, 23.08.2006 – 7 ABR 51/05 – AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 12).
99IV. Der Antrag ist auch begründet, weil die von ihm erfassten Unternehmen mit dem Kreis M als herrschendem Unternehmen einen Konzern im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG i.V.m. § 18 Abs. 1 AktG bilden.
1001. Dem steht die Bestimmung des § 130 BetrVG nicht entgegen (vgl. hier und im Folgenden: BAG, 27.10.2010 – 7 ABR 85/09 – AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 14 m.w.N.).
101a) Nach dem Wortlaut der genannten Norm bleibt das Betriebsverfassungsgesetz u.a. auf Körperschaften des öffentlichen Rechts – wie hier den Kreis M – nicht generell unanwendbar, sondern nur insoweit, wie es um deren Verwaltungen und Betriebe als öffentlich-rechtliche Organisationseinheiten geht. Denn ausschließlich für diese regelt das jeweils einschlägige Personalvertretungsrecht den kollektivrechtlichen Schutz derjenigen, die in den öffentlichen Dienst eingegliedert sind (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, 12.03.1987 – GmS-OGB 6/86 – AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 35).
102So bestimmt § 1 Abs. 1 LPVG NW für das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen in allen Dienststellen einschließlich der Eigenbetriebe (vgl. § 1 Abs. 2 Halbs. 2 LPVG NW) die Bildung von Personalvertretungen zur Wahrung der Interessen der dort Beschäftigten (§ 5 LPVG NW).
103Aus dieser grundgesetzlich einerseits auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 sowie Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG und andererseits auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG beruhenden Abgrenzung beider Rechtsgebiete folgt, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts wie der Kreis M, soweit er in privatrechtlich organisierten Unternehmen als maßgeblicher Gesellschafter auftritt und unternehmensübergreifend einen beteiligungsrelevanten Einfluss auf die Arbeitsverhältnisse der dort tätigen Arbeitnehmer ausüben kann, den Bestimmungen des BetrVG unterliegt. Dabei wird er zwar mit den bei ihm selbst in seiner Dienststelle tätigen Beschäftigten nicht in die Errichtung eines Konzernbetriebsrates einbezogen, aber er kann betriebsverfassungsrechtlich als herrschendes Unternehmen an die Spitze eines Konzerns im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG i.V.m. § 18 Abs. 1 AktG stehen und insoweit Beteiligungsrechte gegenüber den in privatrechtlich organisierten Gesellschaften tätigen Arbeitnehmern wahrnehmen.
104b) Dafür spricht auch die Überlegung, dass der Unternehmensbegriff in den §§ 15 ff. AktG rechtsformneutral verwendet wird und damit auch eine öffentlich-rechtlich organisierte Einheit als herrschendes Konzernunternehmen zulässt.
105c) Nur so wird auch dem Ziel des § 130 BetrVG, für eine lückenlose Abgrenzung beider Rechtsgebiete zu sorgen (ErfK/Kania, 18. Aufl., § 130 BetrVG Rn. 1; Fitting, 29. Aufl., § 130 Rn. 3), gebührend Rechnung getragen. Dabei ist maßgebend, dass mit § 54 BetrVG und seiner Möglichkeit, einen Konzernbetriebsrat zu errichten, der gesetzgeberische Zweck verfolgt wird, betriebsverfassungsrechtlich dort eine Interessenvertretung zu schaffen, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt wird. Es soll einer Beeinträchtigung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte infolge konzernspezifischer Entscheidungsstrukturen und der dadurch eröffneten faktischen und rechtlichen Einflussmöglichkeiten des herrschenden Konzernunternehmens durch die Zuerkennung einer originären oder kraft Auftrags begründeten Zuständigkeit eines Konzernbetriebsrates (§ 58 BetrVG) entgegengewirkt werden. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Möglichkeit eröffnet wird, dass auch eine öffentlich-rechtlich organisierte juristische Person die Funktion eines herrschenden Konzernunternehmens wahrnehmen kann.
106Dabei ist hinzunehmen, dass hier der Kreis M, wenn er z.B. für alle Beschäftigten und Arbeitnehmer einheitliche Verhaltensrichtlinien schaffen will, sich sowohl mit der Personalvertretung als auch mit dem Konzernbetriebsrat auseinanderzusetzen hat. Eine Einschränkung seiner ihm öffentlich-rechtlich verliehenen Freiheiten bei der Organisation und Entscheidungsfindung ist damit aber nicht verbunden.
1072. Nach dem danach anzuwendenden § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mit seinem einschränkungslosen Klammerverweis auf § 18 Abs. 1 AktG werden die einschlägigen aktienrechtlichen Regelungen für die Bestimmung des Konzernbegriffs für maßgeblich erklärt; es gilt also kein eigenständiges betriebsverfassungsrechtliches Begriffsverständnis (BAG, 27.10.2010 – 7 ABR 85/09 – AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 14).
108Weil die Verweisung sich auf § 18 AktG beschränkt, kann ein Konzernbetriebsrat nur in einem sog. Unterordnungskonzern errichtet werden. Er entsteht, wenn ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst werden (§ 18 Abs. 1 Halbs. 1 AktG).
109Dabei wird nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG von einem abhängigen Unternehmen vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet.
110Nach § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige (und rechtlich selbständige) Unternehmen solche, auf die ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. In dem Zusammenhang wird gemäß § 17 Abs. 2 AktG von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist.
111Nach § 16 Abs. 1 AktG ist wiederum von einem im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen auszugehen, wenn die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte einem anderen Unternehmen gehört.
1123. Die genannten Voraussetzungen sind hier erfüllt.
113a) Die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG infolge Mehrheitsbesitzes greift hier im Verhältnis des Kreises M zu allen dreizehn beteiligten Unternehmen ein. So hat der Kreis M, was von allen Beteiligten nicht infrage gestellt wird, die Mehrheit der Anteile an allen beteiligten Unternehmen (§ 16 Abs. 1 AktG) mit Ausnahme der zu 14) beteiligten Verkehrsbetriebe F GmbH, an der er gemäß § 5 des Gesellschaftsvertrages (Bl. 784bb) „nur“ ein Stammkapital im Umfang von 39,44 % besitzt. Weil diese GmbH selbst aber Anteile im Umfang von 43,73 % hält, die nach allgemeiner Meinung bei der Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten ruhen (vgl. BGH, 30.01.1995 – II ZR 45/94 – NJW 1995, 1028), besitzt der Kreis M die nach § 16 Abs. 1 AktG ebenfalls einen Mehrheitsbesitz begründende Mehrheit der Stimmrechte im Umfang von 70,10 % (vgl. auch Gesamtabschluss 2010 des Kreises M, S. 32).
114b) Die weiter erforderliche beherrschende Einflussnahme im Sinne einer einheitlichen Leitung (§ 18 Abs. 1 Halbs. 1 AktG) durch den Kreis M ergibt sich aus der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG, die vorliegend nicht als widerlegt angesehen werden kann.
115aa) Tragend für die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG ist die Erfahrungstatsache, dass vorhandenes Einflusspotential auch tatsächlich ausgeübt wird, das herrschende Unternehmen also seine durch Mehrheitsbesitz verliehene Macht in aller Regel ausnutzt (vgl. z.B. Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl., § 18 Rn. 18; MünchKommAktG/Bayer, Band 1, 4. Aufl., § 18 Rn. 46), um z.B. Organe der abhängigen Unternehmen mit Personen zu besetzen, die vorgegebenen Direktiven folgen (Fitting, a.a.O., § 54 Rn. 17).
116Um die Vermutung zu widerlegen, was regelmäßig sehr schwierig ist (vgl. BAG, 16.08.1995 – 7 ABR 57/94 – AP BetrVG 1952 § 76 Nr. 30), bedarf es des Nachweises, dass trotz eines beherrschenden Einflusses tatsächlich keine einheitliche Leitung ausgeübt wird, was in der Praxis nur im Ausnahmefall gelingt (Krieger in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, 4. Aufl., § 69 Rn. 74; MünchKommAktG/Bayer, a.a.O., § 18 Rn. 48).
117Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (11.02.2015 – 7 ABR 98/12 – AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 18; 15.12.2011 – 7 ABR 56/10 – AP AktG § 18 Nr. 8) muss für alle wesentlichen Bereiche der Unternehmenspolitik nachgewiesen werden, dass bei einer Gesamtschau die anstehenden Entscheidungen ohne beherrschende Einflussnahme der Mehrheitsgesellschaft getroffen werden. Dabei sollen zur Widerlegung eines beherrschenden Einflusses insbesondere Satzungsregelungen, eine Stimmrechtsbeschränkung oder ein Entherrschungsvertrag in Betracht kommen.
118bb) Die Voraussetzungen für eine Widerlegung der Vermutung (vgl. § 292 ZPO) sind hier nicht erfüllt.
119(1) So stehen verschiedene Bestimmungen der am 02.07.2012 vom Kreistag des Kreises M beschlossenen, am 01.01.2013 in Kraft getretenen BRL, mit der der Kreis auch gesetzlichen Vorgaben gemäß § 53 Abs. 1 KrO NRW i.V.m. §§ 108, 113 GO NRW Rechnung getragen hat, einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung entgegen.
120(a) Dabei ist vorauszuschicken, dass deren Gültigkeit in allen Beteiligungsunternehmen durch Beschluss der Gesellschafterversammlungen oder durch Aufnahme in die Gesellschaftsverträge zu verankern ist (Nr. 3 BRL) und deren Bestimmungen von den Geschäftsführungen der Beteiligungsunternehmen gemäß Nr. 4.3 BRL beachtet werden müssen.
121In den Vorbemerkungen zur BRL streicht der Kreis M heraus, dass er u.a. mit den hier beteiligten Unternehmen einen Verbund bilde, der einem Konzern faktisch gleich komme. Weiterhin wird betont, er bilde „im Rahmen des Konzerns ´Kreis M`“ eine wirtschaftliche Einheit. Es solle eine einheitlich ausgerichtete Zielplanung von Verwaltung und Beteiligungen fortgeführt werden, wobei mit der Konzernbroschüre 2012 ein erster Aufschlag für den ganzheitlich angelegten Prozess der Information, des Austausches und einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung gemacht worden sei.
122Die BRL dient also nicht einem bloßen Informationsaustausch, sondern geht nach den Vorbemerkungen darüber hinaus und zielt darauf ab, die vielfältigen Aufgaben übergreifend sowohl strategisch auszurichten als auch operativ zu bündeln. Die Beteiligungsunternehmen sollen in die politischen Ziele und Leitbilder eingebunden werden, und deren Geschäfte sind mit den Zielen abzustimmen, ohne dass die Selbständigkeit tangiert werden soll.
123(b) Unter Nr. 1 BRL wird dann ausgeführt, es gelte, die Beteiligungsunternehmen unter Heranziehung geeigneter Instrumente zu steuern.
124In Nr. 2.4 BRL wird bestimmt, dass der Gesellschafter Kreis M über das Beteiligungscontrolling sicherzustellen habe, dass die festgelegten Ziele von den Beteiligungsunternehmen umgesetzt würden.
125Weiterhin gibt es nach Nr. 4.1 BRL ein enges Beziehungsgeflecht zwischen Repräsentanten des Kreises M, bestehend aus Mitgliedern des Kreistages und seiner Ausschüsse, dem Landrat und Verwaltungsmitarbeitern, und den Geschäftsführern der einzelnen Beteiligungsunternehmen. Dabei ist der Landrat nach Nr. 4.2.2.1 BRL geborenes Mitglied in den Gremien der Beteiligungen, wobei er in den Unternehmen mit Aufsichtsrat dessen Vorsitzender ist – neben zwei weiteren Vertretern des Kreises, die Mitglieder des Kreistages sind.
126Nach Nr. 4.2.2.2 BRL hat die Verwaltung des Kreises ein Beteiligungsmanagement als Bindeglied zwischen dem Kreis M als Gesellschafter und dem jeweiligen Beteiligungsunternehmen wahrzunehmen, u.a. mit der Aufgabe der Erstellung eines „Konzernberichtswesens“.
127Nach Nr. 4.2.3 BRL obliegt es einer sog. Konzernkonferenz, die übergreifend abgestimmten Haushalts- und Zielplanungen des Kreises und der Beteiligungsunternehmen für die zuständigen Entscheidungsgremien vorzubereiten.
128Unter Nr. 5. BRL finden sich dann „Instrumente zur Steuerung der Beteiligungen“, wobei unter Nr. 5.2 BRL im Rahmen der „Beeinflussbarkeit der Aufgabenwahrnehmung“ auf die Höhe des Gesellschafts- bzw. Stimmrechtsanteils hingewiesen wird.
129Sodann wird unter Nr. 5.3 BRL der Einsatz von Zielvereinbarungen zur Steuerung der Beteiligungen erwähnt, wobei der Vertreter des Kreises M, I, in der erstinstanzlichen Anhörung am 21.10.2015 erklärt hat, dabei werde er beratend für den Aufsichtsratsvorsitzenden tätig.
130Schließlich wird unter Nr. 6.3 BRL die „strategische Steuerung und Synergien im Konzern `Kreis M` herausgestrichen.
131(c) Alle wiedergegebenen konzeptionellen Formulierungen von Zielen mit organisatorischen Vorgaben zu deren Umsetzung und Kontrolle deuten eher auf eine einheitliche Leitung unter der Federführung des Kreises M hin. In jedem Fall führen sie aber zu dem Ergebnis, dass die gegebene Konzernvermutung als nicht entkräftet anzusehen ist.
132(2) Gegen eine Widerlegung spricht entscheidend auch, dass von Seiten des Kreises M eine gezielte Auswahl der Personen für die Organe der Beteiligungsunternehmen vorgenommen wird. So sind deren Aufsichtsräte, soweit vorhanden, mit dem Landrat als Vorsitzenden und weiteren zwei Mitgliedern des Kreistages besetzt. Die Gesellschafterversammlung als oberstes Organ in den anderen Beteiligungsunternehmen setzen sich ebenfalls aus Mitgliedern des Kreistages und dem Landrat zusammen. Damit sichert sich der Kreis M die Möglichkeit, die Führungsgremien aller Beteiligungsunternehmen mit Personen zu besetzen, die bestimmten Direktiven zu folgen haben (vgl. Fitting, a.a.O., § 54 Rn. 17).
133Dem steht nicht entgegen, dass die Geschäftsführer der einzelnen Beteiligungsunternehmen, wie es der Zeuge T2 in seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht am 21.10.2015 bekräftigt hat, in eigener Verantwortung ihr Unternehmen operativ leiten. Denn nach Nr. 4.3 BRL sind sie dabei u.a. an die Bestimmungen des jeweiligen Gesellschaftsvertrages, aber auch an die Beschlüsse/Weisungen der Gesellschafterversammlung bzw. des Aufsichtsrates gebunden, also Gremien, die in personeller Hinsicht maßgeblich von Vertretern des Kreises M besetzt sind.
134Davon abgesehen erfordert die einheitliche Leitung im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG kein Weisungsrecht gegenüber den rechtlich selbständigen Unternehmen. Zur Annahme einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne des Konzernrechts reichen vielmehr andere Möglichkeiten der Leitungsausübung, z.B. informelle Einflussnahmen in Form von Wünschen, Ratschlägen, Empfehlungen oder Zielvorgaben (MünchKommAktG/Bayer, a.a.O., § 18 Rn. 34) oder die Koordination der gezielten Auswahl der Personen für die mit Hilfe der Mehrheitsmacht zu besetzenden Organe in den abhängigen Unternehmen (Windbichler in: GroßkommAktG, Band 1, 5. Aufl., § 18 Rn. 27) aus. Die Vermutung des Bestehens einer für die Konzerneigenschaft charakteristischen Leitungsmacht wird also durch die gegebene Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsführer in den einzelnen rechtlich selbständigen Beteiligungsunternehmen nicht widerlegt.
1353. Entsprechendes gilt für den Einwand gänzlich unterschiedlicher Unternehmensgegenstände, nämlich Gesundheit, Verkehr, Tourismus und kommunale Beschäftigungsförderung. Unter Hinweis auf das Vorhandensein zahlreicher Mischkonzerne entspricht es nämlich allgemeiner Meinung, dass eine Branchenverschiedenheit wegen der davon unabhängigen Möglichkeit zur Ausübung von Leitungsmacht der Annahme eines Konzerns nicht entgegensteht (MünchKommAktG/Bayer, a.a.O., § 18 Rn. 38).
136Nach alledem ist es am 13.07.2015 – auch unter Beachtung der sonstigen betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben (siehe Beschluss des Arbeitsgerichts, S. 40 f. – Bl. 1012 f. d.A.) – zur wirksamen Errichtung des zu 1) beteiligten Konzernbetriebsrates gekommen, der für alle im letzten Antrag aufgelisteten dreizehn beteiligten Unternehmen zuständig ist.
137Weil die gesetzliche Betriebsverfassung keinen Sparten-Konzernbetriebsrat kennt, ist deshalb die zwischenzeitlich erfolgte Bildung des zu 21) beteiligten Konzernbetriebsrates unwirksam (vgl. BAG, 09.02.2011 – 7 ABR 11/10 – AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 15).
138Wegen der gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (27.10.2010 – 7 ABR 85/09 – AP BetrVG 1972 § 54 Nr. 14) zu § 130 BetrVG im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Einwände war die Rechtsbeschwerde gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
139140
*Am 06.08.2018 erging folgender Berichtigungsbeschluss:
141(Die Berichtigungen zu 1) - 3) betreffen das Rubrum, das hier nicht abgebildet ist bzw. anonymisierte Bestandteile, die hier ebenfalls nicht abgebildet werden.)
1424) An die Stelle der Sätze 1 und 2 des zweiten Abschnitts unter A. der Gründe, beginnend mit „Der zu 6) beteiligte Kreis M …“, tritt nunmehr folgender Text: „Der zu 6) beteiligte Kreis M als Körperschaft des öffentlichen Rechts hält 100 % der Geschäftsanteile an der zu 7) beteiligten H M GmbH und die Mehrheit der Geschäftsanteile an der zu 13) beteiligten O M gemeinnützige Gesellschaft für Beschäftigungs- und Qualifizierungsförderung mbH. Die H M GmbH hält die Mehrheit der Geschäftsanteile an der zu 8) beteiligten Klinikum M GmbH und der zu 11) beteiligten Kreissenioreneinrichtungen M GmbH. Die Klinikum M GmbH hält die Mehrheit der Geschäftsanteile an der zu 9) beteiligten Klinik T M GmbH, der zu 10) beteiligten B-M-Dienstleistungsgesellschaft mbH und der zu 12) beteiligten Medizinisches Versorgungszentrum M GmbH.
143144
GRÜNDE:
145Auf der Grundlage der §§ 319, 320 ZPO waren die erfolgten Berichtigungen vorzunehmen. Soweit Berichtigungen des Rubrums erfolgt sind, wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen (vgl. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Im Übrigen ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO).