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Auf die Gegenvorstellung der Klägerin wird die Vorlageverfügung des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 03.04.2018 aufgehoben.
Der Sachverhalt wird an das Arbeitsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
2I. Der Klägerin war mit Beschluss vom 07.09.2015 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten ohne Anordnung einer Ratenzahlung bewilligt worden.
3Mit Schreiben vom 24.03.2017, zugestellt am 24.03.2017, wurde die Klägerin zur Abgabe einer aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 04.04.2017 aufgefordert. Mit Schreiben vom 20.04.2017 wurde sie erneut erinnert und eine Frist bis zum 15.05.2017 gesetzt, mit weiterem Schreiben vom 09.05.2017 eine Frist bis zum 01.06.2017.
4Am 23.05.2017 ging sodann eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Mit Beschluss vom 04.07.2017, zugestellt am 04.07.2017, erging ein Abänderungsbeschluss zur Prozesskostenhilfe, aufgrund derer eine monatliche Ratenzahlung von 98,00 € ab dem 15.08.2017 festgesetzt wurde.
5Mit am 20.11.2017 bei Gericht eingehendem Schreiben machte die Klägerin geltend, dass ihr Bruttogehalt im Zeitraum 10.07. - 30.09.2017 bei 1.308,00 € brutto gelegen habe, sie die Ratenzahlung nicht leisten könne und um Neuberechnung bäte, Unterlagen waren nicht beigefügt. Mit Schreiben vom 24.11.2017 wurde die Klägerin unter Fristsetzung zum 14.12.2017 bei Übersendung eines aktuellen Formulars der „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ aufgefordert, darzulegen, weshalb ihr die Ratenzahlung nicht möglich gewesen sei, da ansonsten die Voraussetzungen für eine Aufhebung vorlägen. Diese Erklärung ging am 13.12.2017 bei Gericht ein. Daraus ergab sich, dass die Klägerin ab dem Dezember 2017 für sich und ihr Kind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezog. Mit weiterem Schreiben vom 20.12.2017 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass danach zwar die Raten ab Dezember 2017 aufgehoben werden könnten, die Rückstände ab August 2017 aber weiter bestünden. Es wurde eine Frist zum 10.01.2018 gesetzt. Am 10.01.2018 ging sodann ein Schreiben ein, mit dem die Klägerin darauf hinwies, dass die Einkommensbelege für August bis Dezember 2017 eingereicht würden, für den November 2017 kein Einkommen zur Verfügung gestanden habe. Beigefügt war unter anderem (Bl. 126 d.A.) eine Einkommensbescheinigung für Juli bis September 2017 über 1.318,00 € brutto sowie ein Bewilligungsbescheid der Stadt E (Bl. 127 f d.A.) für den Zeitraum ab 01.07.2017 über einen Unterhaltsvorschuss für das Kind der Klägerin in Höhe von 201,00 €. Unter dem 10.01.2018 berechnete das Arbeitsgericht gleichwohl auf Basis eines Entgeltes von 1.611,70 € erneut, woraus sich weiterhin ein einzusetzendes Einkommen zur Ratenzahlung für den rückständigen Zeitraum ergab.
6Mit Beschluss vom 11.01.2018 änderte das Arbeitsgericht den Beschluss vom 04.07.2017 dahingehend ab, dass ab dem 01.12.2017 keine Raten zu zahlen seien und wies den Antrag im Übrigen zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin für den davor liegenden Zeitraum das Einkommen nicht nachgewiesen habe.
7Gegen diesen am 11.01.2018 zugestellten Beschluss wandte sich die Klägerin mit am 15.03.2018 bei Gericht eingegangenem Schreiben und legte nunmehr eine Lohnsteuerbescheinigung für den Zeitraum 10.07. - 30.09.2017 vor sowie erneut den Bewilligungsbescheid über Unterhaltsvorschuss.
8Mit Schreiben vom 16.03.2018 fragte das Arbeitsgericht an, ob die Eingabe als sofortige Beschwerde anzusehen sei und wies darauf hin, dass diese jedenfalls verspätet sei und regte an, Wiedereinsetzungsgründe vorzutragen. Dieses geschah innerhalb der gesetzten Frist nicht, weshalb der Sachverhalt mit Verfügung vom 03.04.2018 dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, nachdem das Arbeitsgericht das Schreiben der Klägerin als verspätete sofortige Beschwerde gewertet hatte.
9II. Der Sachverhalt war unter Aufhebung der Vorlageverfügung des Arbeitsgerichts vom 03.04.2018 an das Arbeitsgericht zur abschließenden Entscheidung vorgelegt.
101) Die vom Arbeitsgericht zu Recht als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 11.01.2017 ausgelegte Eingabe der Klägerin vom 08.03.2018, bei Gericht eingegangen am 15.03.2018, ist unzulässig, da verspätet gem. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt.
11a) Allerdings ist der Antrag der Klägerin auf Neubescheidung aufgrund der von ihr vorgelegten Unterlagen damit nicht endgültig zurückzuweisen. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Klägerin hiermit gleichzeitig eine Gegenvorstellung vorgebracht hat und diese begründet ist.
12aa) Grundsätzlich gilt, dass Anträge von Parteien dergestalt auszulegen sind, dass das von der Partei angestrebte Ziel zu ermitteln und zu prüfen ist, ob es die Voraussetzungen einer Prozesshandlung erfüllt, welche entsprechend zu bescheiden ist (LAG Hamm, Beschluss vom 28. September 2017 5 Ta 473/17, juris; Beschluss vom 19. Oktober 2015, 5 Ta 395/15, juris). Dieses hat das Arbeitsgericht auch dem Grunde nach getan, indem es die nicht ausdrücklich als sofortige Beschwerde bezeichnete Eingabe der Klägerin als sofortige Beschwerde ausgelegt hat.
13bb) Allerdings hätte es im Hinblick darauf, dass dieses Rechtsmittel ohne Frage verspätet wäre, weiterhin prüfen müssen, ob in diesem Fall auch eine weitergehende Auslegung dahingehend, dass ein noch vorhandenes Rechtsmittel ebenfalls eingelegt werden sollte, erforderlich ist.
14b) Im Fall einer rechtskräftigen Entscheidung bleibt als Rechtsbehelf eine Gegenvorstellung, soweit dieses rechtlich möglich ist.
15aa) Nach Auffassung der Beschwerdekammer liegt in dem Schreiben der Klägerin vom 08.03.2018 eine Gegenvorstellung, da die Klägerin dort ausführlich dargelegt hat, dass ihrer Auffassung nach die Voraussetzungen für eine Ratenzahlungsanordnung auch in den vom Arbeitsgericht abschlägig beschiedenen Monaten nicht vorgelegen hat. Damit hat sie erkennbar die getroffene Zahlungsanordnung zur Überprüfung gestellt.
16bb) Möglich ist eine Gegenvorstellung u.a. dann, wenn eine Entscheidung vorliegt, die mit einem regulären Rechtsmittel nicht mehr angreifbar ist, aber nicht in materielle Rechtskraft erwächst. Dieses ist bei Entscheidungen über die Prozesskostenhilfe gegeben (BGH, Beschluss vom 03. März 2004 – IV ZB 43/03 –, juris, seitdem ständige Rechtsprechung). Aus diesem Grund ist in jeder sofortigen Beschwerde, auch wenn diese wegen Fristversäumung an sich unzulässig wäre, als Minus eine Gegenvorstellung zu sehen (LAG Köln, Beschluss vom 28.08.2013, 9 Ta 111/13, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.04.2010, 1 Ta 65/10, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.07.2009, 1 Ta 139/09, juris). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.
17c) In diesem Fall ist vom Arbeitsgericht zunächst zu prüfen, ob die erhobene Gegenvorstellung gerechtfertigt ist und - soweit dieses gegeben ist - zu bescheiden und eine bereits erlassene, anderweitige Entscheidung gegebenenfalls abzuändern.
18Eine Bescheidung der Gegenvorstellung durch das Beschwerdegericht kommt nicht in Betracht, da für diese jeweils das Gericht zuständig ist, dessen Entscheidung angegriffen wird (siehe nur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl.; Grundzüge § 567, Rz. 8).
192. Die Kammer weist aber darauf hin, dass vorliegend greifbare Anhaltspunkte für eine Begründetheit der Gegenvorstellung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gegeben sind.
20a) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht eine Entscheidung trifft, ohne alle ihr von einer Partei zur Verfügung gestellten Unterlagen zu berücksichtigen. Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage vor Erlass der Entscheidung zu äußern und vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Garantiert ist den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Insbesondere sichert das Verfahrensgrundrecht, dass sie mit Ausführungen und Anträgen gehört werden (vgl. BVerfG 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 - Rn. 47 ff.; Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 74. Lieferung 07.2017, Art. 103 GG, Rn. 91 m. w. N.).
21b) Zwar hat das Arbeitsgericht mit erheblicher Geduld und immer neu gesetzten Fristen versucht, eine den tatsächlichen Gegebenheiten der Klägerin entsprechende Entscheidung zu treffen. Es hat aber nach Auffassung der Beschwerdekammer bereits vor Erlass des Ratenänderungsbeschlusses vom 11.01.2018 mit Schreiben der Klägerin vom 05.01.2018, bei Gericht eingegangen am 10.01.2018, eingereichte Unterlagen nicht bei der Neuberechnung des im Zeitraum seit August 2017 bis zur Entscheidung im Januar 2018 erzielten Verdienstes berücksichtigt. Mit diesem Schreiben hatte die Klägerin eine Entgeltbescheinigung ihres früheren Arbeitgebers vorgelegt, die das von ihr angegebene Bruttoentgelt von 1.318,00 € belegt, sodass sich allerhöchstens ein Nettoentgelt von 1.100,00 € in diesem Zeitraum ergeben konnte, Das mit Berechnung vom 10.01.2018 für diesen Zeitraum ermittelte, verfügbare Einkommen bestand im abschlägig beschiedenen Zeitraum somit nicht.
22Der Sachverhalt war daher zur abschließenden Entscheidung über die Gegenvorstellung an das Arbeitsgericht Bielefeld zurückzuverweisen.
233.) Kosten werden für diese Entscheidung nicht erhoben, da der Rechtsbehelf der Klägerin insoweit Erfolg hatte, als das Verfahren weiterbetrieben wird.
24Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht gegeben.