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Ein Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in NRW hat für vergütungspflichtige Tätigkeiten, die er an Allerheiligen auf Weisung des Arbeitgebers in Hessen erbringt, keinen Anspruch auf Feiertagszuschläge nach § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L.
1. Auf die Berufung des beklagten Klinikums wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 27.04.2023 – 2 Ca 1399/22 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um tarifliche Feiertagszuschläge gem. § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L für den 01.11.2021.
3Der Kläger ist seit dem 15.10.1996 als technische Fachkraft bei dem im zweiten Rechtszug allein beklagten Klinikum beschäftigt, das er erstinstanzlich als Beklagte zu 2) in Anspruch genommen hat. Nach § 2 des der Beschäftigung zugrundeliegenden Arbeitsvertrags zwischen dem Land NRW und dem Kläger (Bl. 48f. d.A. I) bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.
4Unter dem 05.12.2008 (Bl. 66ff. d.A. I) informierte das beklagte Klinikum den Kläger darüber, dass der Geschäftsbereich Technik und die Abteilung Bau des Geschäftsbereichs Liegenschaften, in dem der Kläger beschäftigt wurde, zum 01.02.2009 im Wege des Teilbetriebsübergangs nach § 613a BGB auf die A GmbH (zukünftig GmbH) übergehe. Mit Schreiben vom 22.12.2008 (Bl. 69 d.A. I) widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die tarifungebundene erstinstanzliche Beklagte zu 1). Das beklagte Klinikum bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 22.12.2008 (Bl. 70 d.A. I) den Widerspruch. Der Kläger wurde in der Folge wie angekündigt ab 01.02.2009 im Wege der Personalgestellung gem. § 4 Abs. 3 TV-L von dem beklagten Klinikum an die GmbH weisungsabhängig überlassen.
5Der regelmäßige Arbeitsplatz des Klägers befindet sich in B, Nordrhein-Westfalen. Seinen Lohn erhält der Kläger vom beklagten Klinikum. Dies gilt insbesondere auch für den Verdienst für den Monat November 2021. Insoweit wird auf die Verdienstabrechnung 11/2021 (Bl. 6ff. d.A. I) Bezug genommen.
6Der Kläger nahm auf Anordnung seines Vorgesetzten vom 01.11.2021 bis 05.12.2021 an einem Gerätelehrgang der Firma C in Hessen teil, der ihn befähigen sollte, die Geräte der GmbH zu prüfen und zu reparieren. Allerheiligen ist in Nordrhein-Westfalen ein gesetzlicher Feiertag, in Hessen jedoch nicht. Für die Schulung stellte der Kläger ebenfalls auf Anordnung seines Vorgesetzten einen Dienstreiseantrag. Der Kläger begehrt für zehn unstreitig in Hessen geleistete Stunden Feiertagszuschläge nach dem TV-L. Für den 01.11.2021 wurden dem Kläger lediglich zehn Stunden im Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Ein Feiertagszuschlag wurde nicht gezahlt. Diesen hat der Kläger mit seiner am 18.11.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage zunächst nur gegen die GmbH und mit Klageerweiterung vom 15.03.2023 auch gegen das beklagte Klinikum im Umfang von 35% und im Übrigen der Höhe nach unstreitig geltend gemacht.
7Der Kläger hat neben dem beklagten Klinikum erstinstanzlich nach eigenem Vorbringen auch die GmbH in Anspruch genommen, weil die Personalgestellung aus seiner Sicht gegen die europäische Leiharbeitsrichtlinie verstoße und daher mit der Folge unwirksam sein könnte, dass sein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes auf die GmbH übergegangen sei.
8Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, er habe für den 01.11.2021 Anspruch auf Feiertagszuschlag nach § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L in Höhe von 35%. Er sei aufgrund der gewährten Stundengutschrift davon ausgegangen, ihm sei Freizeitausgleich gewährt worden. Er hat die Auffassung geäußert, er habe am 01.11.2021 Feiertagsarbeit im Umfang von zehn Stunden geleistet. Für die Berücksichtigung eines Feiertags seien die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse am Arbeitsort entscheidend. Sein Arbeitsort habe sich auch am 01.11.2021 weiterhin in Nordrhein-Westfalen befunden. Deshalb sei das Feiertagsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen anwendbar. Es sei nicht notwendig, dass auch an seinem tatsächlichen Aufenthaltsort ein Feiertag gewesen sei.
9Der Kläger hat beantragt,
10die Beklagten zu verurteilen, an ihn 82,56 Euro brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2021 zu zahlen.
11Die Beklagten haben jeweils beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Das beklagte Klinikum hat die Ansicht vertreten, die vom Kläger angenommene Überleitung seines Beschäftigungsverhältnisses in den TV-L zum 01.11.2006 habe nicht stattgefunden.
14Unabhängig davon setze ein Anspruch auf Zahlung des Feiertagszuschlags die tatsächliche Erbringung von Arbeitsleistung an einem Arbeitsort voraus, für den ein gesetzlicher Feiertag bestimmt sei. Einvernehmlich mit dem Kläger vereinbarter Arbeitsort sei am 01.11.2021 in Hessen gewesen. Arbeitsort sei grundsätzlich der Erfüllungsort. Bei dessen Bestimmung sei auf den Ort abzustellen, an dem der Arbeitnehmer im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung erbringe. Entscheidend sei daher hier für den 01.11.2021 der in Hessen bei der Firma C gelegene tatsächliche Arbeitsort. Daraus ergebe sich, dass ein Feiertagszuschlag nur für die am auswärtigen Arbeitsort verbrachte Arbeitszeit geschuldet werde, denn ein Feiertagszuschlag setze denknotwendig tatsächlich erbrachte Arbeit an einem Arbeitsort voraus, für den ein gesetzlicher Feiertag bestimmt sei.
15Mit Urteil vom 27.04.2023 hat das Arbeitsgericht der Klage gegen das beklagte Klinikum vollumfänglich stattgegeben und gegen die GmbH abgewiesen. Es hat die Berufung (ausschließlich) für das beklagte Klinikum zugelassen. Zur Begründung hat es - soweit für die Berufung von Belang - im Wesentlichen ausgeführt, zwischen dem Kläger und dem beklagten Klinikum bestehe ein Arbeitsverhältnis. Aufgrund des Widerspruchs des Klägers sei sein Arbeitsverhältnis nicht auf die GmbH übergegangen. Ein Arbeitsverhältnis zu dieser sei auch nicht durch die Personalgestellung gem. § 4 Abs. 3 TV-L entstanden. Insoweit folge man den Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts im Vorlagebeschluss an den EuGH vom 16.06.2021 – 6 AZR 390/20 (A) –, dass die Personalgestellung aufgrund ihrer Besonderheiten und dem mit ihr verfolgten Ziel, Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses des von einer dauerhaften Aufgabenverlagerung betroffenen Arbeitnehmers einschließlich der bestehenden arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen zu sichern, so maßgeblich von dem der Richtlinie 2008/104/EG zugrunde liegenden Leitbild der Leiharbeit abweiche, dass sie nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werde. Auf das Arbeitsverhältnis fände der TV-L in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies folge aus der arbeitsvertraglichen Vereinbarung, wonach sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung bestimme.
16Der Kläger habe Anspruch auf Feiertagszuschlag für die am 01.11.2021 geleistete Arbeit gem. § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L. Aus dem Wortlaut des TV-L gehe nicht hervor, ob die Tarifvertragsparteien auf den arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen Beschäftigungsort Bezug genommen hätten oder auf den ausnahmsweise, ggf. aufgrund einer Dienstreise auswärtigen, tatsächlichen Ort der Arbeitsleistung im Einzelfall. Insbesondere lasse sich aus dem Tatbestandsmerkmal „tatsächliche“ Arbeitsleistung nichts für die Frage des Arbeitsorts herleiten. „Tatsächliche“ Arbeit meine sowohl nach dem Wortsinn wie auch nach dem Regelungszusammenhang, dass der Beschäftigte den jeweiligen tariflichen Zuschlag nur für Stunden erhalte, die er gearbeitet habe und nicht etwa für Urlaubs-, Entgeltfortzahlungs- oder Annahmeverzugsansprüche. Auch aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 11 TV-L lasse sich für die Frage des Anknüpfungsorts für Feiertagszuschläge nichts herleiten. Die Regelung bestimme lediglich, welche Zeiten einer Dienstreise als Arbeitszeit gelten. Die Auslegung der streitgegenständlichen Vorschrift habe daher nach dem mit der Regelung beabsichtigten Sinn und Zweck der Tarifnorm zu erfolgen. Bereits ausweislich des Wortlauts der Norm handele es sich um einen „Ausgleich“ für Sonderformen der Arbeit. Die in § 8 TV-L geregelten Zuschläge sollten einen „Ausgleich“ schaffen, für über das Normalmaß hinausgehende Belastungen, die durch tatsächliche Arbeit zu besonderen Zeiten entstehen, die von vielen Arbeitnehmern als besonders wichtig für ihre Freizeitgestaltung angesehen würden. Dabei sei für die Frage der Feiertagsarbeit vom regelmäßigen Arbeitsort des Arbeitnehmers auszugehen. Genau an diesem Feiertag arbeite der betroffene Arbeitnehmer, während seine Kollegen und sein persönliches Umfeld aufgrund des Feiertags nicht arbeiten müssten. Diese Beeinträchtigung solle der Zuschlag ausgleichen. Die Frage, ob die Arbeit am Feiertag überhaupt erlaubt ist, sei nicht geregelt. Hierfür biete die Tarifnorm keine Anhaltspunkte.
17Das Urteil ist dem beklagten Klinikum wie auch der GmbH am 01.08.2023 mit korrekter Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden. Mit am 31.08.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz des erstinstanzlich gemeinsamen Prozessbevollmächtigten (Bl. 2f. d.A.) ist unter Beifügung des erstinstanzlichen Urteils hiergegen Berufung eingelegt worden. Aus dem angegebenen Rubrum geht die GmbH als „Beklagte/Berufungsklägerin“ hervor. Weiter heißt es: „… legen wir namens und in Vollmacht der Berufungsklägerin/Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 27.04.2023, Az. 2 Ca 1399/22, der Beklagten zugestellt am 01.08.2023, das Rechtsmittel der Berufung ein.“ Mit am 06.09.2023 eingegangenem Schriftsatz ist klargestellt worden, dass Berufungsklägerin das beklagte Klinikum sein sollte und die Berufung zudem begründet worden. Bei der Angabe der GmbH habe es sich um einen zunächst unbemerkt gebliebenen Übertragungsfehler gehandelt. Die Berufung sei daher rechtszeitig eingelegt worden.
18In der Sache sei dem Arbeitsgericht nicht darin zu folgen, dass die Personalgestellung nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werde. Hierzu habe der Kläger außer Zweifeln nichts vorgetragen. Der Kläger habe zudem dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die GmbH nicht in der von § 613a BGB geforderten Weise widersprochen.
19Das Arbeitsgericht habe die Regelung des § 8 TV-L fehlerhaft ausgelegt. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L erfülle der Kläger nicht, da die Zuschlagspflicht nur für tatsächliche Arbeitsleistung bestehe. Der Kläger habe jedoch am 01.11.2021 nicht in Nordrhein-Westfalen, wo Allerheiligen ein Feiertag sei, gearbeitet, sondern in Hessen, wo dies nicht der Fall sei. Der Begriff „tatsächliche Arbeitsleistung“ werde im allgemeinen Sprachgebrauch ebenso wie der Begriff „arbeiten“ ausschließlich für das aktive Tun verwandt. Die Regelung in § 8 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) TV-L, in der der Begriff „tatsächliche Arbeitsleistung“ als Voraussetzung für einen Zuschlag genannt ist, zeige, dass die Tarifvertragsparteien nicht vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichen wollten. Systematisch enthalte der TV-L Regelungen für Fälle, in denen Zeitzuschläge nach § 8 TV-L gezahlt würden, obwohl tatsächlich keine Arbeit geleistet werde. Das betreffe die Arbeitsunfähigkeit (§ 22 TV-L) und den Erholungsurlaub (§ 26 TV-L). Dort werde eine Zahlung nach dem Durchschnitt der tatsächlichen Werte, die in einem bestimmten vorangegangenen Zeitraum abgerechnet wurden, angeordnet. § 21 TV-L regele ferner, ob Zeitzuschläge bei der Berechnung zu berücksichtigen seien. Die Tarifvertragsparteien hätten sich für den Fall der Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 1 TV-L im Übrigen nicht von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ gelöst, wie schon die Regelung über „Arbeitsbefreiung aus besonderem Anlass“ in § 29 TV-L zeige. Dort sei die Fortführung der Vergütung anlässlich der verschiedenen Freistellungsgründe ausdrücklich (nur) bezogen auf die Vergütung nach § 616 BGB und damit nicht auf etwaige Zuschläge nach § 8 TV-L bezogen. Ferner sei die Zahlung der für den Erholungsurlaub nach § 26 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 21 TV-L geregelten Zeitzuschläge im Hinblick auf den Feiertagszuschlag ausgeschlossen. Auch im Fall der Arbeitsbefreiung als Zeitausgleich für Überstunden seien die hier interessierenden Zeitzuschläge nicht erwähnt. Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge sollten nach Sinn und Zweck des TV-L besondere Erschwernisse ausgleichen, die durch ungünstige Arbeitszeiten entstünden. Damit wäre es nicht in Einklang zu bringen, dass Feiertagszuschläge zu leisten seien, obwohl tatsächlich keine Feiertagsarbeit im tariflichen Sinne angefallen ist. Die Regelung in § 6 Abs. 11 TV-L deute entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts darauf hin, dass auf die Gesetzeslage am tatsächlichen Arbeitsort abzustellen sei. Dem Arbeitsgericht sei in seiner Auslegung nicht zu folgen, da nach der Rechtsprechung tarifvertragliche Regelungen über Feiertagszuschläge regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage nach dem Recht des Landes anknüpfen, in dem der Beschäftigungsort liegt und darüber hinaus ein Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen nach § 8 Abs. 1 S. 2 TV-L nur bestehe, wenn an diesem Ort eine tatsächliche Arbeitsleistung erfolgt sei.
20Das beklagte Klinikum beantragt,
21das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 27.04.2023 – 2 Ca 1399/22 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
22Der Kläger beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
25Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27I. Die Berufung ist zulässig.
28Sie ist nach § 64 Abs. 2 a) wegen Zulassung durch das Arbeitsgericht statthaft und im Übrigen nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG rechtzeitig sowie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist form- und fristgerecht i.S.d. §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 3,5 ArbGG begründet worden.
29Die Berufung des beklagten Klinikums ist insbesondere nicht verspätet beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Zwar wird im Berufungsschriftsatz vom 31.08.2023 die GmbH als Berufungsklägerin aufgeführt und im Namen der Berufungsklägerin Berufung eingelegt. Dies war jedoch unschädlich. Können trotz unrichtiger Parteibezeichnung bei dem Berufungsgericht keine vernünftigen Zweifel über die Person des Rechtsmittelklägers aufkommen, so ist die Berufung wegen des genannten Mangels nicht unzulässig.
30Die Auslegung von Prozesshandlungen orientiert sich an dem Grundsatz, dass im Zweifel Dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht (vgl. BGH vom 20.01.2004 – VI ZB 68/03; BGH vom 17.05. 2000 - VIII ZR 210/99; BGH vom 24.11.1999 - XII ZR 94/98). Allerdings sind an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen. Der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 ZPO, der über § 64 Abs. 6 ArbGG im arbeitsgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, ist nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll. Daran fehlt es, wenn in der Berufungsschrift anstelle des wirklichen Berufungsklägers ein anderer, mit ihm nicht identischer Beteiligter bezeichnet wird (vgl. BGH vom 20.01.2004 – VI ZB 68/03; BGH vom 16.07.1998 - VII ZB 7/98). Das bedeutet aber nicht, dass die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre. Vielmehr kann sie auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (vgl. BGH vom 20.01.2004 – VI ZB 68/03; BGH vom 20.01.2004 – VI ZR 68/03; BGH vom 18.04.2000 – VI ZB 1/00; BGH vom 15.12.1998 - VI ZR 316/97; BGH vom 13.10.1998 - VI ZR 81/98).
31Vorliegend ergeben sich keine vernünftigen Zweifel daran, dass das beklagte Klinikum die Berufung einlegen wollte. Denn dies war durch das Urteil des Arbeitsgerichts allein beschwert. Die Klage gegen die GmbH war vollumfänglich abgewiesen worden. Die Berufung war durch entsprechende Zulassung ausschließlich für das beklagte Klinikum möglich. Dies geht auch aus der Rechtsmittelbelehrung hervor, so dass ein Irrtum insoweit auf Seiten beider Beklagten über die Beschwer oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels auszuschließen ist. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass ein Prozessvertreter überhaupt und zudem ausschließlich für die von ihm vertretene nicht beschwerte Partei ein unzulässiges Rechtsmittel hätte erheben wollen, hingegen nicht das allein zulässige Rechtsmittel für die von ihm ebenfalls vertretene einzig beschwerte Partei. Die Auslegung der am 31.08.2023 fristgerecht eingegangenen Berufungsschrift muss nach alledem zu dem Ergebnis führen, dass das beklagte Klinikum als Berufungskläger anzusehen ist.
32II. Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Denn dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung eines Feiertagszuschlags für den 01.11.2021 zur Seite. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L.
331. Der TV-L findet allerdings vorliegend auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Laut § 2 des Arbeitsvertrages findet der BAT und die diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der TV-L ist nach § 2 Abs. 1 TVÜ-L ein den BAT ersetzender Tarifvertag (vgl. BAG vom 19.05.2010 – 4 AZR 796/08), so dass der TV-L bereits nach dem Wortlaut der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel seit Inkrafttreten am 01.11.2006 auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem beklagten Klinikum Anwendung gefunden hat.
342. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch Betriebsteilübergang nach § 613a BGB zum 01.02.2009 auf die GmbH übergegangen. Der Kläger hat auf das Informationsschreiben vom 05.12.2008 mit Schreiben vom 22.12.2008 einem etwaigen Übergang rechtzeitig im Sinne von § 613a Abs. 6 BGB widersprochen. Er hat in dem Schreiben an das beklagte Klinikum ausdrücklich einen Widerspruch erklärt und den Willen geäußert, das Klinikum möge weiter sein Arbeitgeber bleiben. Warum der Widerspruch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beim beklagten Klinikum nicht hätte herbeiführen sollen, wie vom beklagten Klinikum geltend gemacht, ist trotz gerichtlichen Hinweise weder konkret vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich.
353. Dahinstehen kann, ob es sich bei der Personalgestellung i.S.v. § 4 Abs. 3 TV-L um eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung handelt.
36a) Selbst wenn dies der Fall wäre – was die Kammer mit dem Arbeitsgericht nicht annimmt –, wäre als Rechtsfolge nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG zwar ein Arbeitsverhältnis mit der GmbH entstanden. Gleichwohl würde das beklagte Klinikum nach § 10 Abs. 3 S. 2 AÜG hinsichtlich der streitgegenständlichen Forderung gegenüber dem Kläger als Arbeitgeber gelten und diesem gesamtschuldnerisch mit der GmbH haften. Denn das A zahlt über den 01.02.2009 hinaus das Arbeitsentgelt des Klägers laufend weiter. Dies gilt insbesondre auch für die Vergütung für den Monat November 2021.
37b) Auch im Falle eines über § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG mit der GmbH begründeten Arbeitsverhältnisses, wäre nach § 10 Abs. 1 S. 5 AÜG trotz Tarifungebundenheit der GmbH mindestens das bei dem beklagten Klinikum vereinbarte Entgelt – mithin auch der streitgegenständliche Feiertagszuschlag bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen – geschuldet.
384. Dem Kläger steht gleichwohl kein Anspruch auf Feiertagszuschlag für die am 01.11.2021 geleistete Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L zur Seite.
39Nach vorgenannter Norm erhalten Beschäftigte neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge, die im Falle von Feiertagsarbeit mit Freizeitausgleich 35% betragen.
40a) Der Kläger hat – unstreitig – am 01.11.2021 zehn Stunden vergütungspflichtige Tätigkeit für die GmbH erbracht. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass es insoweit – zunächst – nicht auf den Ort der Tätigkeit ankommt. § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L verlangt für die generelle Zuschlagspflicht lediglich, dass „tatsächliche Arbeitsleistung“ erbracht wird. Diese Tatbestandsvoraussetzung knüpft, anders als das beklagte Klinikum meint, nicht an Arbeit am gewöhnlichen Arbeitsort an, sondern ist erforderlich zur Abgrenzung von Konstellationen „Lohn ohne Arbeit“ bzw. „virtuellen“ Arbeitszeit (vgl. BAG vom 24.09.2008 – 6 AZR 259/08; Clemens/Scheuring, TV-L, 96. Lief. § 8 Rn. 4), wie auch das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat.
41b) Der Kläger hat – soweit zwischen den Parteien unstreitig – am 01.11.2021 zehn Stunden vergütungspflichtige Tätigkeiten für die GmbH in Hessen verrichtet. Nur diese zehn Stunden sind vorliegend nach den ausdrücklichen Erklärungen des Klägers streitgegenständlich. Er hat jedoch am 01.11.2021 keine Feiertagsarbeit i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L geleistet.
42Die Feiertagsarbeit ist im TV-L nicht näher definiert. Der Begriff bedarf daher der Auslegung.
43aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG vom 12.12.2018 – 4 AZR 147/17; BAG vom 20.06.2018 - 4 AZR 339/17).
44bb) Feiertage sind zunächst die jeweils länderrechtlich bestimmten Wochenfeiertage (vgl. BAG vom 24.02.2021 – 10 AZR 130/19; BeckOK, TV-L, 61. Ed. § 8 Rn. 2d). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage NRW ist Allerheiligen in Nordrhein-Westfalen ein gesetzlicher Feiertag. Nach § 1 Hessisches Feiertagsgesetz ist dies nicht der Fall.
45cc) Der TV-L ist daneben so auszulegen, dass für die Frage, ob ein Arbeitnehmer Feiertagsarbeit geleistet hat, auf den konkreten Beschäftigungsort – hier Hessen – abzustellen ist. Anders als das Arbeitsgericht angenommen hat, ist der regelmäßige Beschäftigungsort dann nicht von Bedeutung, wenn und soweit der Arbeitnehmer dort nicht auch tatsächlich tätig wird.
46(1) Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L erhalten Beschäftigte Zuschläge für „Feiertagsarbeit“, ohne dass überhaupt auf einen bestimmten Arbeitsort abgestellt wird. Soweit der Kläger meint, dass es gleichwohl auf seinen allgemeinen Arbeitsort ankommt, finden sich hierfür im Wortlaut der Norm keinerlei Anhaltspunkte. Zu Recht stellt der Kläger darauf ab, dass die in Satz 1 geforderte tatsächliche Arbeitsleistung nur in Abgrenzung zu sonstigen vergütungspflichtigen Zeiten vorliegen muss (s.o.). Nach dem Tarifwortlaut ist damit Anspruchsvoraussetzung ausschließlich das Leisten von „Feiertagsarbeit“, mithin Arbeit an einem Feiertag.
47(2) Dem Kläger ist gleichwohl zuzugestehen, dass der Wortlaut der Norm insoweit nicht eindeutig ist, als dass nicht ausdrücklich klargestellt wird, an welchem Ort ein Feiertag gegeben sein muss, damit Feiertagsarbeit vorliegt. Insoweit kommen mehrere Orte in Betracht, so etwa auch der Sitz des Arbeitgebers oder der Wohnsitz des Arbeitnehmers. Dabei wird teilweise - allerdings ohne Abgrenzung zum allgemeinen Arbeitsort - ausdrücklich auf den „konkreten Beschäftigungsort“ abgestellt (vgl. Burger, TVöD/TV-L, 4. Aufl., § 8, Rn. 21), also auf den Ort der tatsächlichen Arbeitsleistung. Im Übrigen wird häufig unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.08.2011 – 10 AZR 347/10 – mit diesem Feiertagsarbeit als „die Arbeit an gesetzlichen Feiertagen am Beschäftigungsort“ definiert (vgl. Clemens/Scheuring, TV-L, 84. Lief. § 8 Rn. 18; Sponer/Steinherr, TV-L, 116. Aufl. § 8, Rn. 31). Nach vorgenannter Rechtsprechung knüpfen tarifvertragliche Regelungen über die Zahlung eines Zuschlags für Feiertagsarbeit regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort an. Der Zuschlag setzt demnach Arbeit an einem gesetzlichen Feiertag am Beschäftigungsort voraus (vgl. auch BAG vom 24.02.2021 – 10 AZR 130/19; BAG vom 13.04.2005 – 5 AZR 475/04). Das generelle Fehlen des Wortes „allgemein“ erweist sich für die Kammer an dieser Stelle als beredet, denn der Beschäftigungs- oder Arbeitsort ist nach einem ersten und allgemeinen Sprachverständnis der Ort, an dem tatsächlich Arbeit verrichtet wird. Dagegen ist der „allgemeine“ Arbeits- oder Beschäftigungsort ein juristisches Konstrukt ähnlich dem Erfüllungsort. Wäre letzterer gemeint gewesen, hätte es nahegelegen, dies durch einen entsprechenden Zusatz klarzustellen.
48(3) Aus dem erweiterten tariflichen Kontext lässt sich zur Beantwortung der Frage wenig herleiten.
49Nach § 6 Abs. 11 TV-L gilt bei Dienstreisen nur die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort als Arbeitszeit. Dies gibt für die Frage, wann Feiertagsarbeit vorliegt nichts Substantielles her, entspricht diese Regelung doch eher dem Bedürfnis, dem auch § 8 Abs. 1 S. 1 TV-L Rechnung trägt (s.o.). Im Übrigen ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger auf seiner Dienstreise am 01.11.2021 zehn Stunden am auswärtigen Geschäftsort in Anspruch genommen wurde.
50Auch § 26 TV-L erwähnt zwar die Feiertage, lässt jedoch keinerlei Schlüsse zu, wann ein solcher vorliegt und wann nicht.
51(4) Hingegen erweist sich im gesetzlichen Kontext der Ort der tatsächlichen Beschäftigung für die Definition der Feiertagsarbeit als erheblich. So ist für das Beschäftigungsverbot an Feiertagen nach § 9 ArbZG das Territorialitätsprinzip maßgeblich. Relevant hierfür ist, wo die Beschäftigung konkret ausgeübt wird. Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer demzufolge ohne Verstoß gegen das Beschäftigungsverbot auf Dienstreise in ein anderes Bundesland entsenden, in dem kein Feiertag begangen wird (vgl. Boecken/Düwell, 2. Aufl. § 9 ArbZG, Rn. 6; Baeck/Deutsch, ArbZG, 4. Aufl. § 9, Rn. 10; unter Verweis hierauf BAG vom 16.04.2014 – 5 AZR 483/12 zum „Arbeitsort“; Tillmanns, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Band 1, 5. Aufl. § 78 Rn. 6; Ahnefeld, ArbRAktuell 2023, 375, 377).
52Auch zu § 2 EFZG wird überwiegend vertreten, dass es auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse am tatsächlichen Arbeitsort ankommt (vgl. Tillmanns, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Band 1, 5. Aufl. § 78 Rn. 6; ErfKom, 24. Aufl. § 2 EFZG, Rn. 5; Boecken/Düwell, 2. Aufl. § 2 EFZG, Rn. 14; Ahnefeld, ArbRAktuell 2023, 375, 377; Däubler/Hjort, 5. Aufl. § 2 EFZG, Rn. 8).
53Es erscheint naheliegend, dass der TV-L sich als Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst am Feiertagsbegriff der gesetzlichen Normen orientieren wollte.
54Auf die Frage, ob für Arbeitnehmer ohne regelmäßigen Arbeitsort auf den Betriebssitz abzustellen ist (vgl. MünchKom, 9. Aufl. § 3 EFZG, Rn. 9; Feichtinger/Malkmus, 2. Auflage, § 2 EFZG, Rn. 15ff.), kommt es vorliegend nicht an, da der Kläger dieser Berufsgruppe nicht zugehörig ist.
55(5) Nach dem Sinn und Zweck der Norm ist schließlich die Zuschlagspflicht für Feiertage ebenfalls nach dem Ort der konkreten Arbeitsleistung zu bestimmen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dabei darauf abgestellt, dass die Zuschläge als Ausgleich für Sonderformen der Arbeit – hier Feiertagsarbeit – gezahlt werden. Die folgende Auslegung vernachlässigt jedoch, dass der Kläger durch seinen Aufenthalt in Hessen am 01.11.2021 keine Feiertagsarbeit geleistet hat, die dem Beschäftigungsverbot des § 9 ArbZG unterfiele (s.o.). Da der Kläger damit rein faktisch Arbeit an einem Werktag geleistet hat, stellt diese sich auch nicht als Sonderform der Arbeit im Tarifsinne dar. Die Auslegung des Arbeitsgerichts führt dazu, dass Feiertagszuschlag zu leisten wäre, obwohl tatsächlich keine Feiertagsarbeit i.S.v. § 9 ArbZG angefallen ist.
56Zwar ist zuzugestehen, dass der Kläger vorliegend tätig wurde, obwohl seine Kollegen an seinem regelmäßigen Arbeitsort aufgrund des Feiertages in Nordrhein-Westfalen nicht arbeiten mussten. Es erscheint jedoch zweifelhaft, dass die Tarifnorm gerade eine derartige Ungleichheit bei Auseinanderfallen von tatsächlichem und allgemeinen Arbeitsort ausgleichen wollte. Gleiches gilt für einen Vergleich zum persönlichen Umfeld des Klägers. Wäre dies entscheidend, hätte auf die Rechtslage am Wohnsitz des Arbeitnehmers abgestellt werden müssen.
57Ersichtlich wollten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung der Feiertagszuschläge einen Ausgleich für ausnahmsweise getätigte tatsächliche Arbeit gewähren, die andernfalls unter das Beschäftigungsverbot des § 9 ArbZG fallen würde. Dies trägt nämlich grundsätzlich dem Bedürfnis aller Arbeitnehmer Rechnung, Kompensation dafür zu erhalten, Arbeit an einem Feiertag geleistet zu haben. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass dieses Bedürfnis subjektiv nicht an den tatsächlichen Arbeitsort, sondern wie das Arbeitsgericht angenommen hat, an das berufliche Umfeld geknüpft sein kann. Ersichtlich ist dieser persönliche Belang – wie auch der des privaten Umfeldes - jedoch nicht Motiv der Tarifvertragsparteien für die Gewährung von Feiertagszuschlägen geworden. Wäre nämlich auf den allgemeinen Beschäftigungsort abzustellen, würde - als Kontrollüberlegung - ein Arbeitnehmer, der umgekehrt seinen regelmäßigen Arbeitsort in Hessen hat und an Allerheiligen in Nordrhein-Westfalen tätig würde, keinen Zuschlag erhalten, obwohl er tatsächliche Feiertagsarbeit i.S.d. § 9 ArbZG geleistet hat. Dies kann nicht gewollt gewesen sein, weil es dem tariflichen Zweck auf Erschwerniskompensation zuwiderliefe. Die Tarifnorm bietet keine Anhaltspunkte dafür, einem ausnahmsweise in einem Bundesland mit Feiertag tätig werdenden Arbeitnehmer, der damit dem § 9 ArbZG unterfällt, einen Zuschlag vorzuenthalten, nur weil an seinem regelmäßigen Arbeitsort kein Feiertag festgelegt ist.
58Einer etwaigen Missbrauchsgefahr seitens des Arbeitgebers, seinen Arbeitnehmer an einem Feiertag auswärts zu beschäftigen, um die Feiertagszuschläge zu ersparen, kann dabei durch die ohnehin notwendige Prüfung entgegengetreten werden, ob die Weisung sich im Rahmen der Grenzen des § 106 GewO, § 315 BGB hält.
59Mit Blick auf die in derselben Norm geregelten Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit mit gleichem Kompensationszweck wie im Falle eines Feiertages wäre es daneben undenkbar, einem auf Auslandsreise in einer anderen Zeitzone tagsüber tätig werdenden Arbeitnehmer Zuschläge für Nachtarbeit zu gewähren, weil an seinem regelmäßigen Arbeitsplatz aufgrund Zeitverschiebung Nacht ist.
60Davon abgesehen dient die Zuschlagspflicht für Feiertage nach TV-L allerdings auch dem weiteren Zweck, Arbeiten, die dem Beschäftigungsverbot nach § 9 ArbZG unterfalle,n für den Arbeitgeber durch Zuschlagspflicht unattraktiver zu gestalten und so möglichst zu verhindern, was wieder dem Arbeitsschutzgedanken Rechnung trägt. Mit diesem Zweck wäre es nicht vereinbar, für die Frage, ob Feiertagsarbeit im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 2 lit. d) i.d.F.d. § 43 Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 lit. d) TV-L vorliegt, auf den regelmäßigen Beschäftigungsort zurückzugreifen. Damit ginge eine Umgehung des Schutzgedankens des § 9 ArbZG einher, könnte der Arbeitgeber damit doch - vorbehaltlich einer ansonsten wirksamen Weisung - ohne Zuschlagspflicht in einem anderen Bundesland, in dem zu diesem Zeitpunkt ein Feiertag begangen wird, rein tatsächlich Feiertagsarbeit i.S.v. § 9 ArbZG anordnen.
61III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits als unterliegende Partei zu tragen.
62IV. Die Revision war vorliegend nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da der Frage der Auslegung von §§ 8, 43 TV-L grundsätzliche Bedeutung zukommt, ohne dass es hierzu bereits höchstrichterliche Entscheidungen gäbe.
63RECHTSMITTELBELEHRUNG
64Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
65REVISION
66eingelegt werden.
67Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
68Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
69Bundesarbeitsgericht
70Hugo-Preuß-Platz 1
7199084 Erfurt
72Fax: 0361 2636-2000
73eingelegt werden.
74Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
75Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
76Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
771. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
82Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
83Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
84* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.