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Zur Prüfung einer im Wege des Direktionsrechts erteilten Anweisung, künftig nicht mehr in einem Home Office, sondern in der an einem anderen Ort gelegenen Geschäftsstelle des Arbeitgebers zu arbeiten.
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen
den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 12. Mai 2010
-15 Ga 60/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Beschwerdewert: EUR 4.000,00
G r ü n d e
2I. Der Kläger begehrt, im Wege der einstweiligen Verfügung der Beklagten aufzugeben, ihn entgegen der wiederholten Anweisungen der Beklagten, zuletzt mit Schreiben vom 9. Juni 2010, nicht in der Geschäftsstelle in L , sondern weiter an seinem häuslichen Arbeitsplatz zu beschäftigen.
3Der 63-jährige Kläger ist als Bezirksleiter in der Funktion eines Fachberaters bei der Beklagten beschäftigt. Seine Tätigkeit übte er bei der Beklagten bis zum 30. September 2008 in deren Geschäftsräumen in K , , aus. Seit die Beklagte zum 1. Oktober 2008 mit der Geschäftsstelle von K nach L umgezogen war, verrichtete der Kläger seine Tätigkeit von einem Home Office in seiner Wohnung in O aus.
4Die Beklagte bot dem Kläger mit Schreiben vom 23. Oktober 2008 eine Vereinbarung des Inhalts an, dass der Kläger bis auf Weiteres in seiner Wohnung seine Arbeitsstätte hat und sie ihm einen Bürokostenzuschuss in Höhe von monatlich EUR 102,26 bei gesonderter Erstattung der beruflichen Telefon- und Internetkosten zahlt.
5Der Kläger war mit der angebotenen Kostenregelung nicht einverstanden und forderte mit Schreiben vom 10. März 2009 ein monatliches Nutzungsentgelt für das Home Office einschließlich Nebenkosten in Höhe von EUR 380,00, Ersatz von Telefonanschlusskosten in Höhe von EUR 25,44 und Ersatz der Kosten für ein neues Faxgerät in Höhe von EUR 280,00.
6Die Beklagte lehnte eine Erhöhung der von ihr vorgeschlagenen Leistungen ab und forderte den Kläger ab Ende Juni 2009 wiederholt auf, in einem Büro in der Geschäftsstelle in L zu arbeiten.
7Dies verweigert der Kläger, der weiter in seiner Wohnung in O arbeiten möchte mit der von ihm gewünschten Regelung eines Kostenersatzes.
8Mit einer am 14. Juli 2009 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage 5 Ca 6623/09 begehrt er Feststellung, dass die Zuweisung eines Arbeitsplatzes in L unwirksam ist und die Beklagte ihm EUR 5.744,39 als Kostenersatz für sein Home Office für die Zeit vom 15. Oktober 2009 bis zum 30. November 2009 entsprechend der von ihm für zutreffend gehaltenen Regelung zu zahlen hat. In diesem Hauptsacheverfahren ist Termin auf den 9. Juli 2010 anberaumt.
9Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der am 11. Mai 2010 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, begehrt der Kläger, die Versetzung in die Geschäftsstelle L bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens auszusetzen.
10Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 12. Mai 2010 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen mit der Begründung, es sei für den Kläger zumutbar, bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren zunächst in Leverkusen zu arbeiten. Die Versetzung sei auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er zwei Jahre bereits in seinem Home Office gearbeitet habe, jedenfalls nicht offensichtlich unwirksam.
11Gegen den am 12. Mai 2010 zugegangenen Beschluss hat der Kläger am 20. Mai 2010 sofortige Beschwerde eingelegt.
12Er trägt vor, die Versetzung sei offensichtlich willkürlich, da es an einem sachlichen Grund fehle. Erst mit Schreiben vom 9. Juni 2010 habe die Beklagte mitgeteilt, dass sie nunmehr den Betriebsrat zu der Maßnahme nach § 99 BetrVG vorsorglich beteiligt habe. Er könne von zuhause aus seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen. Die Beklagte könne abwarten bis die Hauptsache entschieden sei, da er in dem Home Office seine Arbeiten ordnungsgemäß erledige. Ihm drohten nachteilige Folgen wie Abmahnung und Kündigung, wenn die Maßnahme nicht ausgesetzt werde und er ihr nicht nachkomme. Die Beklagte wolle vollendete Bedingungen schaffen. Sie habe das Recht verwirkt, ihn nach L zu versetzten, weil sie seit der ersten Versetzungsanordnung vom 29. Juni 2009 nicht tätig geworden sei und damit auf die Durchsetzung ihrer rechtswidrigen Versetzungsanordnung verzichtet habe. Die erstinstanzliche Entscheidung sei menschenverachtend und verletze sein Persönlichkeitsrecht.
13Die Beklagte ist der Ansicht, sie könne im Wege des Direktionsrechts den Kläger anweisen, künftig in der Geschäftsstelle in L zu arbeiten, nachdem eine Einigung über die Kostentragung für das Home Office nicht zustande gekommen sei. In der Geschäftsstelle in L habe sie auf ihre Kosten ein Büro für den Kläger eingerichtet.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
15II. A. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig.
16Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt worden.
17B. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist aber nicht begründet.
181. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Köln den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung wegen des fehlenden Verfügungsgrundes abgelehnt.
19Nach § 940 ZPO erfordert der Erlass einer Regelungsverfügung, dass sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Dabei hat der Antragsteller den Verfügungsgrund darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen.
20a. Wesentliche Nachteile sind bei der summarischen Überprüfung der Weisungen des Arbeitgebers nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür nicht aus (vgl. LAG Köln, Urteil vom 26. August 1992 2 Sa 624/92 und Beschluss vom 14. Mai 2008 3 SaGa 3/08 -). Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen des Arbeitgebers zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung, ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers, wie es allenfalls bei erheblichen Gesundheitsgefahren, einer drohenden irreparablen Schädigung des beruflichen Ansehens oder bei schweren Gewissenskonflikten bestehen kann. Daneben erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 5. Februar 2008 11 SaGa 4/08 -; LAG Köln, a.a.O. und Beschluss vom 14. August 2009 9 Ta 264/09 -; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12. Mai 2009 5 SaGa 4/08 -).
21b. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Anweisung der Beklagten, künftig in der Geschäftsstelle in Leverkusen zu arbeiten, nicht offenkundig rechtswidrig.
22Es gibt keine Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach die Beklagte nicht berechtigt ist, den Arbeitsort des Klägers zu ändern. Die Beklagte hatte bereits durch das Schreiben vom 23. Oktober 2009 klargestellt, dass sie eine vertragliche Regelung mit dem Kläger über den Einsatz in einem Home Office anstrebte, wonach nur "bis auf Weiteres" die Arbeitsstätte in die Wohnung des Klägers verlagert wurde und zudem Kosten in dem von ihr vorgegebenen Rahmen zu erstatten waren. Da es in der Folgezeit nicht zu einer Übereinkunft hinsichtlich der Kostenerstattung gekommen ist, gilt weiterhin keine Einschränkung für das Direktionsrecht der Beklagten nach § 106 GewO.
23Eine Konkretisierung des Einsatzortes ausschließlich auf das Home Office kommt nicht in Betracht. Eine solche Konkretisierung setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer über lange Zeit aus dem Spektrum der vertraglich möglichen Einsatzorte lediglich einer zugewiesen worden ist und er unter Berücksichtigung der besonderen Umstände annehmen darf, der Arbeitsvertrag beschränke sich lediglich auf diesen Einsatzort (vgl. BAG, Urteil vom 17. Januar 2006 9 AZR 226/05 - ). Derartige besondere Umstände liegen nicht vor. Die Beklagte hat durch das Schreiben vom 23. Oktober 2008 von vornherein klargestellt, dass sie ihm nur "bis auf Weiteres" den Einsatz von dem Home Office aus gestattete und dies auch von einer Regelung über den Kostenersatz abhängig machte. Davon ist sie auch in der Folgezeit nicht abgerückt. Nachdem keine Einigung erzielt worden war, hat sie ab Juni 2009 vielmehr den Kläger wiederholt angewiesen, umgehend die Arbeit in der Geschäftsstelle in L anzutreten.
24Es liegen auch keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass die bei der Ausübung des Direktionsrechts gebotene Interessenabwägung offensichtlich rechtswidrig erfolgt ist. Der Kläger hat in der Vergangenheit in der Geschäftsstelle in K gearbeitet. Grund für die Gestattung eines Home Office ab Oktober 2008 war der Umzug der Geschäftsstelle nach Leverkusen. Dass eine Verlagerung des Arbeitsplatzes von K nach L für einen aus O anreisenden Arbeitnehmer aufgrund der guten Verkehrsverhältnisse ohne Weiteres grundsätzlich zumutbar ist, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Wenn die Beklagte gleichwohl dem Kläger entgegenkommen wollte und ihm ein Home Office gestattete, konnte sie dies zulässigerweise mit der Bedingung verknüpfen, dass er ihr weiter bestehendes Direktionsrecht hinsichtlich des Arbeitsortes anerkannte und auch über den Kostenersatz eine Einigung erzielt wurde.
25Soweit der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen war, hat dies die Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren nachgeholt.
26c. Sonstige Gründe, die ausnahmsweise ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Klägers rechtfertigen, liegen nicht vor. Es drohen ihm weder Gesundheitsgefahren noch sonstige irreparable Schäden, wenn er vorübergehend bis zur Entscheidung in der Hauptsache in L arbeitet.
272. Aus den Ausführungen zu dem fehlenden Verfügungsgrund ergibt sich auch, dass nach dem Sachstand im vorliegenden Verfahren ein (Verfügungs-)
28Anspruch auf unveränderte Beschäftigung im Home Office nicht besteht.
29Nach alledem war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.
31Schwartz