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Einzelfall
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 26.01.2016 – 6 Ca 1790/15 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Hinweis- und Aufklärungspflichten.
3Der am 1943 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.04.1980 bis zum 31.03.1982 befristet bei der R F -W -Universität B zum Zwecke der ärztlichen Weiterbildung beschäftigt. Der Kläger war laut § 4 des Arbeitsvertrags aus dem April 1980 (Bl. 157 d. A.) entsprechend dem Tarifvertrag vom 04.11.1966 über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der nichtbeamteten Bediensteten bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert. Ab dem 01.04.1982 war der Kläger bei dem Beklagten als Assistenz-Arzt beschäftigt. Wegen der Einzelheiten des Anstellungsvertrags vom 01.04.1982 wird auf Bl. 24 d. A. verwiesen. Der Kläger beantragte am 30.04.1982 schriftlich (Bl. 41 d. A.) die Überleitung seiner bisherigen Versicherung auf die R Z f G u G (RZVK). Er kündigte nach Arbeitsplatzkonflikten das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten mit Schreiben vom 30.09.2016 zum 31.03.1997 (Bl. 5. d. A.). Unter dem 20.03.1997 unterzeichnete er einen Laufzettel über die Rückgabe von Arbeitsmitteln und Schlüssel (Bl. 33 d. A.). Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Laufzettel das Schreiben vom 21.10.1996 nebst informatorischer Anlage über die zusatzversorgungsrechtlichen Ansprüche (Bl. 43 ff. d. A.) beigefügt war. Unter dem 27.05.1997 hat der Beklagte an den Kläger die Arbeitspapiere nebst Versicherungsnachweis/Abmeldung übersandt (Bl. 154 ff. d. A.).
4Der Kläger war im Anschluss an die Beschäftigung bei dem Beklagten selbständig als Arzt tätig. Seit dem 01.04.2008 bezieht er die gesetzliche Altersrente und nach Antrag vom 30.10.2014 seit dem 01.10.2014 eine Rente der R V (RVK) in Höhe von 287,11 €.
5Mit Schreiben vom 06.02.2015 (Bl. 13 ff. d. A.) machte der Kläger gegenüber dem Beklagten dem Grunde nach Schadensersatzansprüche wegen nicht ordnungsgemäßer Belehrung über seine Ansprüche bei der Zusatzversorgungskasse geltend.
6Die RVK teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.07.2015 (Bl. 16 f. d. A.) die Höhe entgangener Rentenleistungen ab April 2008 bis September 2014 mit, für deren Ausfall der Kläger den Beklagten im Wege des Schadenersatzes in Anspruch nimmt.
7Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 26.01.2016 (Bl. 80 ff. d. A.) die am 19.08.2015 dem Beklagten zugestellte Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe keine Informations- und Hinweispflichten verletzt. Es könne erwartet werden, dass ein Arbeitnehmer, der Kenntnis von einer Zusatzversorgung habe, sich selbst darüber informiere, dass die Rentenleistungen nur auf Antrag geleistet würden. Für den Beklagten sei ein Informationsbedürfnis des Klägers nicht erkennbar gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
8Gegen das ihm am 22.02.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.03.2016 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 23.05.2016 begründet.
9Der Kläger behauptet, ihm seien mit dem Laufzettel keine Dokumente, die maßgeblich für den Erhalt der Zusatzversorgung seien, zugegangen. Angesichts der Komplexität des Gesamtversorgungssystems des öffentlichen Dienstes sei er auf Auskünfte des Beklagten angewiesen gewesen. Durch Zufall habe er in einem Gespräch mit einer ehemaligen Kollegin im Oktober 2014 Kenntnis von der RZVK-Rente erlangt. Der Zugang der Durchschrift der RZVK-Abmeldung sei ihm unbekannt.
10Der Kläger beantragt,
11das Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 26.01.2016, zugestellt am 22.02.2016 zum Aktenzeichen 6 Ca 1790/15, dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 23.192,58 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er ist der Ansicht, es habe im Falle des Klägers zum einen keine erneute Hinweispflicht auf die Zusatzversorgung anlässlich des Ausscheidens bestanden, zum anderen seien etwaige Hinweispflichten sowohl durch das Schreiben vom 21.10.1996 als auch das Schreiben vom 27.05.1997 erfüllt worden. Dass die Zusatzversorgung dem Kläger nur auf Antrag hin gezahlt werde, habe dem Kläger klar sein müssen. Etwaige Ansprüche des Klägers seien nach § 37 TVöD verfallen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 23.05.2016 und 01.08.2016, die Sitzungsniederschrift vom 11.01.2017 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
18II. Die Berufung ist unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Gründen, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
191. Zur Überzeugung der Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seinem Ausscheiden aus den Diensten des Beklagten wusste, dass für eine Zusatzversorgung bei der RZVK bzw. der späteren RVK bestand. Selbst wenn dem vom Kläger unter dem 20.03.1997 quittierten Laufzettel das Schreiben vom 21.01.1996, welches als Anlage eine gesonderte Information über die zusatzversorgungsrechtlichen Ansprüche beinhaltete, nicht zugegangen sein sollte, so folgt die Kenntnis des Klägers über seine Zusatzversorgung aus der Kombination des Hinweises in § 4 des Arbeitsvertrages aus dem April 1980, des anschließenden Überleitungsantrags des Klägers vom 30.04.1982 und der Übersendung der Beschäftigungspapiere mit Schreiben vom 27.05.1997. Soweit der nicht anwesende Kläger im Verhandlungstermin am 11.01.2017 über seinen Prozessbevollmächtigten erklären ließ, ihm sei der Zugang der dem Schreiben vom 27.05.1997 beigefügten Abmeldung bei der RZVK (Bl. 155 f. d. A.) unbekannt, steht dies der Annahme einer erneuten Information über die Existenz einer Zusatzversorgung nicht entgegen. Zum einen gibt der Kläger lediglich seine aktuelle (heutige) Kenntnis über einen nahezu zehn Jahre zurückliegenden Sachverhalt wieder. Zum anderen behauptet der Kläger nicht, dass er das Schreiben vom 27.05.1997 nebst Beschäftigungspapieren überhaupt nicht erhalten hat. Wenn die Übersendung der im Anschreiben im Einzelnen aufgeführten Beschäftigungspapiere unvollständig gewesen wäre, hätte es nahe gelegen, dass der Kläger dies gerügt hätte, was unstreitig zu keinem Zeitpunkt geschehen ist.
20Der Beklagte konnte daher davon ausgehen, dass dem Kläger die Existenz der Zusatzversorgung bewusst war. Dem Kläger musste dem Grunde nach auch eine Leistungsberechtigung klar sein, wie sich aus den Angaben in der Versicherungsabmeldung zu den Versicherungsabschnitten nebst Mitteilung der geflossenen Beiträge ergibt.
212. Der Beklagte war anlässlich des Ausscheidens des Klägers nicht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht nach dem gemäß Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB bis zum 31.12.2002 anzuwendenden § 242 BGB gehalten, den Kläger gesondert darauf hinzuweisen, dass er Zusatzversorgungsleistungen erst ab Antragstellung bei der Zusatzversorgungskasse erhält.
22a) Der Arbeitgeber ist aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gehalten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer. Daraus können sich Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers ergeben. Die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitgebers beschränken sich nicht darauf, den Arbeitnehmern keine falschen und unvollständigen Auskünfte zu erteilen. Der Arbeitgeber kann zur Vermeidung von Rechtsnachteilen auch verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben. Grundsätzlich hat allerdings jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen und sich Klarheit über die Folgen ihres Handelns zu verschaffen. Hinweis- und Aufklärungspflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung. Die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits sind stets zu beachten. Wie groß das Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers ist, hängt insbesondere von der Schwierigkeit der Rechtsmaterie sowie dem Ausmaß der drohenden Nachteile und deren Vorhersehbarkeit ab. Den Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes können gesteigerte Hinweis- und Informationspflichten hinsichtlich bestehender Zusatzversorgungsmöglichkeiten treffen. Dies beruht darauf, dass der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Allgemeinen über die bestehenden Versorgungssysteme nicht hinreichend unterrichtet ist, während der Arbeitgeber über die notwendigen Kenntnisse verfügt und dass auch nicht erwartet werden kann, dass der Arbeitnehmer mit der Ausgestaltung der komplexen Versorgungssysteme des öffentlichen Dienstes vertraut ist (BAG, Urt. v. 21.01.2014 - 3 AZR 807/11 - m. w. N.).
23b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Arbeitsgericht angenommen hat, es könne von dem Kläger erwartet werden, dass er sich selbst über das Erfordernis rechtzeitiger Antragstellung informiere. Es handelt sich um eine Selbstverständlichkeit des Rentenrechts, dass erst ab Antragstellung Rentenleistungen erbracht werden. Der Beginn der Zusatzversorgungsleistung unterscheidet sich nach der Satzung der RZVK nicht von der gesetzlichen Altersversicherung, §§ 31 Satz 4, 43 Satz 2 RZVK-Satzung, 99 Abs. 1 SGB VI. Die Satzung der RVK ist für jedermann ohne Hindernisse frei zugänglich (www.versorgungskassen.de). Es handelt sich bei dem Erfordernis der Antragstellung nicht um eine komplexe Rechtsfrage. Der Beklagte hatte keinen Anlass zu der Annahme, der Kläger sei nicht darüber informiert, dass die Zusatzversorgung erst auf Antrag gezahlt wird, zumal der Kläger als promovierter Akademiker über einen hohen Bildungsstand verfügt. Ferner steht der Annahme gesteigerter Informationspflichten des Beklagten entgegen, dass der Kläger selbst das Arbeitsverhältnis auf Eigeninitiative beendet hat und ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen Beendigung und Eintritt in den Ruhestand fehlt (vgl.: BAG, Urt. v. 14.01.2009 - 3 AZR 71/07 - m. w. N.). Der Kläger war also selbst gehalten, für die Wahrnehmung seiner Interessen zu sorgen. Warum er dies nicht getan hat, obwohl er sich nach eigenem Vorbingen anlässlich des Ausscheidens bei dem Beklagten intensiv mit der Frage der Alterssicherung auseinandergesetzt und "Gespräche mit der ärztlichen Altersversorgung in Düsseldorf" geführt hat, ist für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar, geht jedenfalls nicht zu Lasten der beklagten Partei.
24III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
25IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.