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Wird ein Projektdienstleister im Umfang der üblichen Wochenarbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers in den Büroräumen des Unternehmens mit den vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln (PC, Telefon, E-Mail-Adresse, Visitenkarte) tätig, ohne dass von betrieblichen Daueraufgaben abgrenzbare Projekte erkennbar sind, handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen feststellenden Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.02.2018 – 7 Ca 7811/17 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
G r ü n d e
2I.
3Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Rechtswirksamkeit von zwei Kündigungen, Annahmeverzugsvergütung, ein Zwischenzeugnis sowie über einen hilfsweise geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch.
4Der Kläger zu 2. (im Folgenden „Kläger“) war seit Oktober 2014 für die Beklagte, ein Unternehmen der Gießharzverarbeitung mit ca. 20 Arbeitnehmern, das elektrische Bauteile in serieller Fertigung entwickelt, baut und vertreibt, tätig, wobei er seine Tätigkeit mit 24,00 EUR/Stunde zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung stellte. Die Tätigkeit des Klägers für die Beklagte endete, nachdem es zu Differenzen zwischen den Parteien gekommen war und der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger in einer E-Mail vom 16.08.2016 mitgeteilt hatte, dass eine weitere Zusammenarbeit keinen Sinn mache.
5Mit seiner am 24.11.2016 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten Klage macht der Kläger geltend, für die Beklagte als Arbeitnehmer tätig gewesen zu sein.
6Der Kläger beruft sich auf eine von ihm behauptete mündliche Vereinbarung mit dem Geschäftsführer der Beklagten, wonach er im Rahmen eines Acht-Stunden-Tags in einer 40 Stundenwoche tätig gewesen sei. Zu Beginn sei er mit der Aktualisierung des QM-Systems beschäftigt gewesen. Später habe zu seinen Hauptaufgaben die Kundenbetreuung im Innendienst gehört. Seine Arbeitszeiten hätten montags bis freitags zwischen 8:00 Uhr und 18:00 Uhr gelegen. Die genauen Zeiten seien in einer digitalen Stempelkarte erfasst worden. Er habe vornehmlich in den Räumen der Beklagten gearbeitet und dort über ein eigenes Telefon, einen eigenen PC, eine eigene E-Mail-Adresse und eine Firmenvisitenkarte der Beklagten verfügt. Er sei dem Geschäftsführer direkt unterstellt gewesen und habe zu 90 % auf seine direkten Weisungen hin gearbeitet. Seine Arbeitsleistung habe er nur in Person erbringen können und selbst über keine Mitarbeiter verfügt.
7Durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 05.01.2017 wurde über das Vermögen des Klägers wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und Kläger zu 1. (im Folgenden „Insolvenzverwalter“) als Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 01.09.2017 nahm der Insolvenzverwalter das Verfahren wieder auf, soweit es die Insolvenzmasse betroffen hatte und unterbrochen war.
8Nach einer Prüfung des versicherungsrechtlichen Status des Klägers erkannte die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 30.05.2017, dass seine Tätigkeit für die Beklagte im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei und die Versicherungspflicht mit dem 06.10.2014 begonnen habe. Derzeit führt die Beklagte wegen des versicherungsrechtlichen Status des Klägers vor dem Sozialgericht K einen Rechtsstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund (S 41 BA 26/18).
9Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Kläger als selbstständiger Unternehmensberater für sie im Rahmen einzelner Projekte tätig gewesen sei. Der Kläger habe keine festen Arbeitszeiten einhalten müssen und seine Tätigkeit nicht ausschließlich in ihren Büroräumen, sondern auch mit eigenen Arbeitsmitteln im Home Office erbracht. Der Kläger sei nicht weisungsgebunden gewesen. Er habe lediglich Zwischenberichte über den Stand seiner Beratungsprojekte erstellt. Im Geschäftsverkehr sei er nicht als ihr Mitarbeiter aufgetreten. Soweit ihm eine Visitenkarte des Unternehmens überlassen worden sei und soweit der ihre E-Mail-Adresse und ihren Telefonanschluss genutzt habe, sei dies nur im Rahmen seiner Projektarbeiten geschehen. Kundenkontakt habe der Kläger nur gehabt, um eine Erfolgskontrolle seiner Beratungstätigkeit durchführen zu können.
10Auf die Rechtswegrüge der Beklagten hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten mit Beschluss vom 21.02.2018 für zulässig erklärt und dies damit begründet, dass der Kläger auf Grund der tatsächlichen Durchführung der vertraglichen Beziehungen in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden habe.
11Der ursprünglich mit einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss ist der Beklagten zusammen mit dem Berichtigungsbeschluss am 05.09.2018 zugestellt worden.
12Mit ihrer am 19.09.2018 beim Arbeitsgericht eingelegten sofortigen Beschwerde, die sie mit Schriftsatz vom 12.04.2019 näher begründet hat, rügt die Beklagte, dass das Arbeitsgericht fehlerhaft ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bejaht habe. Tatsächlich sei der Kläger ein beauftragter Dienstleister gewesen.
13II.
14Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht. Denn der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten. Die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen folgt somit bezüglich des Kündigungsschutzantrags aus § 2 Abs. 1Nr. 3 Buchst. b ArbGG und im Übrigen aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG iVm. § 3 ArbGG. Denn der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten.
151.) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie für Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Nach § 13 GVG gehören hingegen vor die ordentlichen Gerichte
16alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Arbeitnehmer iSd. ArbGG sind gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Eine nähere Begriffsbestimmung enthält die Vorschrift nicht, so dass auf den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsrechts zurückgegriffen werden muss, wie er sich aus der gesetzlichen Definition des Arbeitsvertrags in § 611a Abs. 1 BGB ergibt (GMP/Müller-Glöge, 9. Aufl. 2017, ArbGG § 5 Rn. 2). Arbeitnehmer ist danach, wer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (so schon BAG, Urteil vom 20. Januar 2010 - 5 AZR 99/09 -, Rn. 13, juris).
172.) In diesem Sinne war der Kläger für die Beklagte Arbeitnehmer und nicht als selbständiger Dienstleister tätig.
18a) Der Kläger war in einer für ein Arbeitsverhältnis typischen Weise in das Unternehmen der Beklagten eingebunden.
19aa) Nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Parteien war der Kläger in den Büroräumen der Beklagten mit den von ihr zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln (PC, Telefon, E-Mail-Adresse, Visitenkarte) tätig. Entgegen der Auffassung der Beklagten war der „Außenauftritt“ des Klägers damit gerade nicht auf eine selbständige Tätigkeit ausgerichtet. Dass der Kläger daneben über ein Home Office verfügt hat, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht. Denn zum einen ist die alternierende Heim- oder Telearbeit im heutigen Arbeitsleben für Arbeitnehmer nicht untypisch. Zum anderen hat die Beklagte selbst nicht behauptet, dass der Kläger dort überwiegend oder in einem erheblichen Umfang tätig war.
20bb) Auf Grund der vom Kläger vorgelegten und von der Beklagten beglichenen Rechnungen ist feststellen, dass der Kläger in einem zeitlichen Umfang für die Beklagte tätig war, der der üblichen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Dass der Kläger, wie die Beklagte behauptet, als Unternehmensberater im Rahmen einzelner Beratungsobjekte tätig war, ist den objektiven Umständen nicht zu entnehmen. Konkrete Beratungsprojekte hat die Beklagte nicht benannt. Die vom Kläger in seinen Rechnungen genannten Tätigkeitsfelder sind ganz überwiegend als „Prozessoptimierung Personal / Produktion / Vertrieb / QMS“ bezeichnet und so allgemein gehalten, dass sie keine abgrenzbaren Projekte erkennen lassen. Ebenso lassen sich betriebliche Daueraufgaben beschreiben, wie sie bei einem Arbeitnehmer in gehobener Position anfallen. Dementsprechend hat der Kläger die in Rechnung gestellten Tätigkeiten auch nicht nach Stunden und Projekten aufgeschlüsselt, sondern überwiegend denselben Pauschalbetrag von 1.920,00 EUR netto berechnet. Diese Handhabung entspricht der von der Beklagten als Anlage 1 vorgelegten E-Mail des Klägers vom 24.09.2014, wonach ein Tätigwerden in einer 40-Stunden-Woche von vorneherein geplant war. Aus diesem Grunde diente die vom Kläger vorgenommene Zeiterfassung auch aus Sicht des Beschwerdegerichts nicht der Überprüfung der von einem selbständigen Dienstleister exakt abgerechneten Stunden, sondern der Überwachung des vereinbarten Arbeitszeitumfangs.
21cc) Für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht zudem, dass der Kläger seine Arbeit stets persönlich erbracht und keine eigenen Mitarbeiter eingesetzt hat. Investitionen, die sich hätten amortisieren müssen, hat der Kläger nicht getätigt. Die benötigten Betriebsmittel wurden ihm im Wesentlichen von der Beklagten zur Verfügung gestellt. Einem nennenswerten unternehmerischen Risiko war er damit nicht ausgesetzt (zu der Bedeutung dieses Umstands vgl. LAG Köln, Beschluss vom 13. Februar 2019 – 9 Ta 229/18 –, Rn. 31, juris = ZVertriebsR 2019, 119; Freckmann, DB 2013, 459, 460).
22dd) Auch aus den Bekundungen im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht K vom 28.01.2019 ergibt sich, anders als die Beklagte meint, nicht, dass der Kläger eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat. Die Aussage des Geschäftsführers bestätigt vielmehr die enge Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten. Danach hat der Kläger „sich von Beginn an gut eingebracht“, diverse Projekte betreut und dabei ca. 40 Stunden pro Woche meistens vor Ort gearbeitet. Ferner hat der Geschäftsführer der Beklagten bestätigt, dass der Kläger eine auf seinen Namen lautende Firmen-E-Mail Adresse deswegen erhalten habe, damit nach außen hin nicht erkennbar werde, dass er freier Dienstleister sei. Die Überlassung einer Visitenkarte mit dem Logo der Beklagten habe einem einheitlichen Marktauftritt gedient. Gerade dies bestätigt die persönliche Abhängigkeit des Klägers, der sich mit seiner Tätigkeit nicht so präsentieren durfte, dass er als selbständiger Mitarbeiter hätte erkannt werden können. Dass der Geschäftsführer den Kläger, wie dieser bestätigt hat, „an der langen Leine“ gelassen und nur die grobe Richtung vorgegeben hat, spricht ebenfalls nicht gegen die Annahme einer unselbständigen Tätigkeit. Arbeitsverhältnissen, in denen der Arbeitnehmer höherwertige Tätigkeiten ausübt und Spezialaufgaben wahrnimmt, ist es eigentümlich, dass fachliche Weisungsrechte nur in beschränktem Umfang ausgeübt werden.
23b) Dass die subjektiven Vorstellungen der Parteien nach Darlegung der Beklagten auf eine selbständige Tätigkeit des Klägers gerichtet gewesen sein sollen, spielt, selbst wenn dies zutreffen sollte, keine maßgebliche Rolle.
24aa) Die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags als freie Tätigkeit oder die von ihnen gewählte Bezeichnung ist, wie bereits dargelegt, unerheblich, solange sich die praktische Durchführung anders darstellt. Denn der jeweilige Vertragstyp ergibt sich gemäß § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist vielmehr den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist, wie bereits dargelegt, letztere maßgebend.
25bb) Im Übrigen kann auf Grund der von der Beklagten als Anlage 1 vorgelegtenE-Mail des Klägers vom 24.09.2014, die zu seiner Beschäftigung führte, nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorstellungen der Parteien inhaltlich tatsächlich auf eine selbständige Tätigkeit gerichtet waren. Vielmehr war der Wille der Parteien primär auf einen formalen Status des Klägers als selbständigem Dienstleister gerichtet, damit nicht die für ein Arbeitsverhältnis typischen finanziellen Belastungen entstehen. So hat der Kläger das von ihm vorgeschlagene Modell damit gegenüber der Beklagten beworben, dass keine Lohnnebenkosten, keine Lohnfortzahlung, keine Urlaubskosten und keine sonstigen Personalkosten anfielen. Angesichts dessen ist die Tatsache, dass der Kläger tatsächlich keine Entgeltfortzahlung, keinen Urlaub oder sonstige für ein Arbeitsverhältnis typischen Zusatzleistungen erhalten hat, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nur Ausfluss des Umstands, dass die Parteien formal eine selbständige Tätigkeit des Klägers vereinbaren wollten, um solche Verpflichtungen der Beklagten zu vermeiden bzw. zu umgehen. Die inhaltliche Nähe der vereinbarten Tätigkeit zu einem Arbeitsverhältnis wird schließlich aus dem letzten Satz der E-Mail vom 24.09.2014 deutlich: „Ist die Zusammenarbeit erfolgreich wird sie eventuell in eine Festanstellung umgewandelt. So sinkt das Risiko, sich für den falschen MA entschieden zu haben, auf ein Minimum.“
26III.
27Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.