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Landesarbeitsgericht Köln, 6 Sa 385/21

Datum:
03.03.2023
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Sa 385/21
ECLI:
ECLI:DE:LAGK:2023:0303.6SA385.21.00
 
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegburg, 5 Ca 2273/20
Schlagworte:
Fristlose Kündigung; sexuelle Belästigung; Verhältnismäßigkeit, Substantiierung des Kündigungsvorwurfs
Normen:
§ 626 BGB, § 314 BGB; § 3 AGG; § 74 LPVG NW; Art 1 GG; Art 2 GG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:

1. Eine fristlose Kündigung ohne vorangegangene einschlägige Abmahnung kommt im Zusammenhang mit sexuellen Belästigungen nicht nur wegen körperlicher Berührungen oder wegen verbaler Übergriffigkeiten in Betracht, sondern auch wegen des Aufbaus und der Aufrechterhaltung einer Gesamtsituation in der Dienststelle, die von sexualisierter hierarchischer Einflussnahme geprägt ist.

2. Auch wenn die Feststellung einer sexuellen Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG nicht voraussetzt, dass sich die belästigte Person ablehnend äußert, so sind tatsächlich erfolgte Aufforderungen an die belästigende Person, sexualisiertes Verhalten künftig zu unterlassen, im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Kündigung berücksichtigungsfähig.

3. Wenn ein belästigender Vorgesetzter seine Bemerkungen mit den Worten „jetzt aber kein metoo draus machen“ abschließt, dann zeigt er damit, dass er weiß, was er tut und dass er weiß, dass er mit seinem Tun den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet.

4. Wenn der belästigende Vorgesetzte in einem Personalgespräch die von ihm begangenen Bemerkungen und Verhaltensweisen bestreitet und Verleumdungsklagen gegen die von ihm belästigten Frauen ankündigt, dann ist dies kein unerhebliches Nachtatverhalten, es ist auch kein zulässiges prozessuales Bestreiten, sondern es ist eine Tatsache, die zusätzlich die negative Zukunftsprognose begründen kann.

5. Wenn die Arbeitgeberin - vermittelt durch die sich erklärenden Arbeitnehmerinnen - konkrete Orte und konkrete Zeiten von immer wiederkehrenden Bemerkungen und Verhaltensweisen des Vorgesetzten während der vergangenen vier Jahre nicht eingrenzen kann, dann ist nicht etwa der Kündigungsschutzklage „mangels hinreichender Konkretisierung des Kündigungsvorwurfs“ stattzugeben; vielmehr erlaubt dieser Mangel an Konkretisierung dem Arbeitnehmer ein bloß pauschales Bestreiten der ihm vorgehaltenen ca. 25 - teilweise immer wiederkehrenden - Bemerkungen und Verhaltensweisen und damit die Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der besagten Arbeitnehmerinnen.

Wirksame fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung ohne dass zuvor eine Abmahnung ausgesprochen worden wäre.

 
Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 20.05.2021 - 5 Ca 2273/20 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen

 
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