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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2012 und 2013 machten die Kläger bei den außergewöhnlichen Belastungen „Schulgeldzahlungen“ für die Tochter C (C) in Höhe von 10.731 € (2012) und 8.421 € (2013) und für den Sohn P (P) in Höhe von 28.767 € (2012) und 20.101 € (2013) als Aufwand geltend.
3Den Abzug begründeten die Kläger damit, dass der jeweilige Schulbesuch krankheitsbedingt erfolgt sei. Als Nachweis legten sie in Bezug auf die C eine Bestätigung des Dr. N (N) vom 10.12.2012 vor, wonach diese an einer einfachen Aufmerksamkeitsstörung (ADHS) leide und daher der Besuch einer gesonderten Schule mit kleineren Klassenverbänden und einer intensiveren Betreuung, so wie in ihrem Fall aktuell zutreffend, psychiatrischerseits empfehlenswert sei. Krankheitsbedingt wäre von einer Benachteiligung auf der Regelschule auszugehen, was einer unbilligen Härte entspräche. Darüber hinaus legten die Kläger eine vom Kläger selbst erstellte „ärztliche Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt“ vor, in der der Kläger bei der C eine Aufmerksamkeitsstörung bei Teilleistungshochbegabung diagnostizierte. Die Bescheinigung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, schloss mit folgender Empfehlung: „Aufgrund der Charakteristika der Erkrankung ist der Schulbesuch bei kleinerer Klassenstärke mit individueller Förderung nebst fachärztlicher Behandlung weiterhin indiziert“.
4Als Nachweis in Bezug auf die Erkrankung des P reichten die Kläger eine Bescheinigung des Dr. (D) vom 12.11.2012 ein. Darin diagnostizierte der D bei P eine emotionale Entwicklungsverzögerung mit Aufmerksamkeitsstörung bei Teilleistungshochbegabung. Ferner führte er aus: Für Patienten mit Aufmerksamkeitsstörungen sind kleine Klassenstärken mit individueller Förderung und enger Einbindung des Schülers in den Unterricht sinnvoll, um Konzentrationsschwächen und Ablenkbarkeit entgegenzusteuern. (…) Aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht ist der Besuch der englischen Schule sinnvoll und zu unterstützen“.
5Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen für den Schulbesuch der C und des P in den Einkommensteuerbescheiden für 2012 vom 11.11.2014 und für 2013 vom 31.3.2015 nicht an.
6Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens übersandten sie Verordnungen des Klägers vom 30.3.2010, in denen es in Bezug auf C und P wie folgt heißt: „Aufmerksamkeitsstörung (ADS) bei Teilleistungshochbegabung, Unterbringung in Boarding Schools, kleine Klassenstärken bei individueller Förderung erforderlich, Überwachen und Auflösung von Konzentrationsschwächen und Ablenkbarkeit, Verstärkung von erkannten Interessengebieten, Cave: nachhaltiges Monitoring des Lernstandes und Prüfungsvorbereitung erforderlich“.
7Das FA setzte die Einkommensteuer mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 2.12.2015 für 2012 auf 74.983 € und für 2013 auf 82.689 € fest und wies die Einsprüche in der hier streitigen Frage als unbegründet zurück. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidungen Bezug genommen.
8Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Zur Begründung tragen die Kläger vor: Der Kläger sei vollapprobierter Arzt. Seine am …1993 geborene Tochter C leide unter einer Aufmerksamkeitsstörung bei Teilleistungshochbegabung (Sprachverständnis). Aufgrund dieser Störung sei eine medikamentöse Therapie nicht erforderlich. Vielmehr sei eine kleine Klassenstärke mit individueller Förderung und enger Einbindung indiziert, um sowohl Konzentrationsschwächen als auch Ablenkbarkeit zu verringern. Die C habe zunächst eine Schule in England besucht, die diesem Förderkonzept gerecht geworden sei. Im Laufe des Jahres 2011 habe sie jedoch eine ADS-assoziierte Depression entwickelt. Der Aufenthalt in England sei daher abgebrochen und der gleiche Schultyp in der Nähe gesucht worden. Der Behandlungsverlauf ergebe sich aus der ärztlichen Bescheinigung des Klägers vom 14.11.2012. Ferner hätten die … Kliniken … am 10.12.2012 bestätigt, dass sich die C in kontinuierlicher ambulanter Behandlung wegen einer Aufmerksamkeitsstörung befunden habe. Der Kläger als behandelnder Arzt habe am 30.3.2010 ärztlich die Unterbringung in Boarding Schools verordnet. In den Streitjahren habe die Tochter die … School in … besucht, die die genannten Voraussetzungen erfüllt habe. Hierfür seien Aufwendungen in Höhe von 15.330 € (2012) und 12.030 € (2013) entstanden.
9Der am …1995 geborene P leide unter einer emotionalen Entwicklungsverzögerung mit Aufmerksamkeitsstörung bei Teilleistungshochbegabung (Sprachverständnis). P sei seit 2007 Patient des konsiliarisch mitbehandelnden Arztes D habe am 12.11.2012 bescheinigt, dass für P kleine Klassenstärken mit individueller Förderung und enger Einbindung des Schülers in den Unterricht sinnvoll sei, um Konzentrationsschwächen und Ablenkbarkeit entgegenzusteuern. Dem P sei auch eine Medikation verabreicht worden, die dem Konzentrationsabfall entgegenwirken sollte. In der englischen Schule habe er viel Unterstützung erlebt. Der Kläger habe als behandelnder Arzt am 30.3.2010 die ärztliche Unterbringung in Boarding Schools bei kleinen Klassenstärken und individueller Förderung verordnet. Der P habe daher in den Streitjahren das … College in England besucht, das die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt habe. Hierfür seien den Klägern Aufwendungen in Höhe von 33.767 € (2012) und 25.101 € (2013) entstanden. Die besondere schulische Betreuung sei über eine deutsche Regelschule nicht darstellbar gewesen, so dass der Besuch der speziellen Schule erforderlich gewesen sei.
10In rechtlicher Hinsicht seien die Voraussetzungen für einen Abzug bei den außergewöhnlichen Belastungen erfüllt. In ständiger Rechtsprechung gehe der Bundesfinanzhof (BFH) davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwüchsen. Sie seien auch dann zwangsläufig, wenn sie der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienten, unter denen ein unterhaltsberechtigtes Kind des Steuerpflichtigen leide. Aufwendungen, die den maximalen Sonderausgabenabzug für Schulgeldzahlungen von 30% bzw. 5.000 € überschreiten würden, könnten bei Erfüllung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Der grundsätzliche Nachrang des § 33 EStG gelte bei Schulgeldzahlungen gem. § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht.
11Für Schulgeldzahlungen bedürfe es auch keines vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestellten amtsärztlichen Attestes. Eine solche Bescheinigung sei lediglich für Maßnahmen im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) erforderlich. Der in dieser Vorschrift aufgeführte Katalog sei abschließend und nicht auf andere Krankheitsaufwendungen übertragbar. Aufwendungen für Schuldgeldzahlungen seien darin nicht aufgeführt und würden daher unter § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV fallen. Für diese Aufwendungen sei als Nachweis der Zwangsläufigkeit kein amtsärztliches Attest, sondern lediglich die Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers ausreichend. Eine solche Verordnung habe der Kläger am 30.3.2010 für beide Kinder ausgestellt.
12Entgegen der Auffassung des FA sei es unerheblich, dass der Kläger selbst die Verordnung ausgestellt habe. Andernfalls würde das Recht der Kinder auf freie Arztwahl rechtswidrig verkürzt. Darüber hinaus hätte die Auffassung des FA auch zur Folge, dass die fachärztlichen Diagnosen und Empfehlungen, die der Kläger als führender Behandler konsiliarisch in die Behandlung seiner Kinder eingebunden habe, ignoriert würden. Ebenso würde die Verordnung des Klägers rechtswidrig nicht akzeptiert. Es sei keine Rechtsnorm erkennbar, die ihm die Behandlung seiner Kinder untersage. Auch habe sich der Kläger nicht veranlasst gesehen, anderweitigen ärztlichen Rat einzuholen, da er selbst ärztlicher Koordinator und Konsiliarführer der Behandlung seiner Kinder sei. Darüber hinaus hätten auch D und N kleinere Klassenverbände und intensivere Betreuung empfohlen. Durch deren Bescheinigungen sei die Beweiskraft der vom Kläger erstellten Verordnung nachgewiesen, da dessen Diagnosen und Einschätzungen mit denen der Fachärzte weitestgehend deckungsgleich seien. D und N könnte bezeugen, dass sich die Kinder der Kläger in deren ärztlichen Behandlung befunden hätten und als Zeugen zum Krankheitsbild Stellung nehmen.
13Des Weiteren sei es aus ärztlicher, praxisbezogener Sicht auch völlig realitätsfremd und wäre für die Patienten als unbillige Härte sehr belastend, wenn sie nur aus steuerlichen Gründen einen weiteren Arzt konsultieren müssten, der dann sämtliche Untersuchungen und Befunde aus den letzten Jahren erneut erheben müsste. Dieses Ansinnen widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Darüber hinaus sei das FA darauf hingewiesen, dass die Behandlung der Patienten durch den sach- und fachkundigen Kläger als approbiertem Arzt und die als Sonderschullehrerin tätige Klägerin in Verbindung mit engmaschiger Konsultation von in der Praxis tätigen Fachärzten das bestmögliche Therapiekonzept darstelle. Um dem Einwand der Unbescheidenheit zuvorzukommen, werde erläuternd darauf hingewiesen, dass die gewählte Konstellation den alternativlosen Vorteil habe, dass die Kläger die Patienten und deren Entwicklung langjährig aus eigener Anschauung kennen würden, das entwickelte Therapiekonzept und dessen Ergebnisse langfristig und über einem mehrstündigen täglichen Zeitraum begleiten, überprüfen und durch engmaschige Rücksprachen mit den begleitenden Fachärzten eine Fortentwicklung des Therapiekonzepts durchführten konnten. Ergänzend sei die Erschwernis zu berücksichtigen, dass sich die Kinder ab 2010 längerfristig im Ausland aufgehalten hätten. Unter diesen Voraussetzungen wäre eine sinnvolle Therapie in den Praxisräumen der konsultierten Fachärzte nicht möglich gewesen.
14Die Kläger beantragen,
15die Einkommensteuerbescheide für 2012 vom 11.11.2014 und für 2013 vom 31.3.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung 2.12.2015 dahingehend abzuändern, dass – nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung und Gegenrechnung der bereits als Schulgeld berücksichtigten Sonderausgaben - Schulgeldzahlungen für die gemeinsamen Kinder in Höhe von 24.669 € (2012) und von 13.403 € (2013) als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.
16Das FA beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Das FA trägt ergänzend zu seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vor: Das FA wolle den Klägern nicht das Recht auf freie Arztwahl absprechen. Sie seien jedoch verpflichtet, die für sie günstigen Umstände nachzuweisen und entsprechende Beweisvorsorge zu treffen. Unter den gegebenen Umständen sei es daher erforderlich und auch zumutbar gewesen, die Verordnung durch einen anderen Arzt vornehmen zu lassen. Den durch den Kläger selbst erstellten Verordnungen könne kein Beweiswert zugemessen werden. Darüber hinaus erscheine es nach den Erläuterungen des Klägers ohnehin so, als ob die Therapie in Kooperation mit mehreren Ärzten vorgenommen worden sei. Demnach sei für das FA kein Grund ersichtlich, warum nicht einer dieser Ärzte die Verordnung habe erstellen können, da sie mit den Umständen der beiden Krankheitsfälle ja bereits vertraut gewesen seien. Außerdem müsse jeder andere Patient, dessen Eltern nicht zufällig Ärzte seien, Gleiches ebenfalls tun. Hinzu komme, dass Verordnungen nach § 12 SGB V zweckmäßig, wirtschaftlich und ausreichend zu sein hätten. Das FA könne nicht erkennen, ob die Verordnung in Anbetracht der oben genannten Grundsätze auch von einem Arzt getroffen worden wäre, der keine besondere emotionale Bindung zu seinen Patienten habe.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die zulässige Klage ist unbegründet.
21I. Die Einkommensteuerbescheide für 2012 vom 11.11.2014 und für 2013 vom 31.3.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung 2.12.2015 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Ein Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für die Schulbesuche der Kinder C und P als Krankheitskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen kommt nicht in Betracht.
221. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
23In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BFH hinsichtlich des Abzugs von „Krankheitskosten“ weiter zu differenzieren. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2010 VI R 17/09, Sammlung der Entscheidung des BFH --BFHE-- 232, 40 m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung von Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.6.1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, Bundessteuerblatt --BStBl-- II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (vgl. BFH-Urteil vom 19.4.2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).
24Strengere Abzugsvoraussetzungen gelten dagegen für Aufwendungen, die den Bereich der Gesundheitsvorsorge bzw. Folgekosten von Krankheiten betreffen und die nicht zwangsläufig erwachsen. Vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen, und solche, die auf einer medizinisch nicht indizierten Behandlung beruhen, zählen nicht zu den Krankheitskosten. Es handelt sich insoweit vielmehr um Aufwand, der nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entsteht, sondern auf einer freien Willensentschließung beruht und deshalb gemäß § 12 Nr. 1 EStG den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 2.9.2010 VI R 11/09, BFHE 231, 69, BStBl II 2011, 119).
25Der Steuerpflichtige hat die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch --SGB V--) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (StVereinfG 2011) durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen. Durch amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) ist dagegen der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen in den im § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV aufgeführten Fällen nachzuweisen.
262. Der BFH hatte bereits mehrfach über Fälle zu entscheiden, in denen es um die Frage ging, ob Aufwendungen für einen Schulbesuch als Krankheitskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt werden können. Die Rechtsprechung betraf dabei zum Teil öffentliche und zum Teil private Schulen. Darüber hinaus war der Schulbesuch in einem Teil der Fälle mit einer auswärtigen Unterbringung verbunden.
27In seiner ersten grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1964 hat der BFH die Auffassung vertreten, dass Aufwendungen für eine auswärtige Unterbringung den Charakter von durch die typisierende Regelung des § 33a Abs. 2 EStG nicht erfassten Krankheitskosten aufweisen könnten, wenn die Behandlung der Krankheit im Vordergrund stehe (vgl. BFH-Urteil vom 28.2.1964 VI 314/63 U, BFHE 79, 104, BStBl III 1964, 270). Dies sei der Fall, wenn ein krankes Kind in einem Krankenhaus, einem Sanatorium, einer Pflegeanstalt oder einem ähnlichen Heim untergebracht und damit ausschließlich das Ziel verfolgt werde, durch typische Maßnahmen der Heilbehandlung eine Krankheit zu heilen. Dies sei nicht der Fall bei der Unterbringung in einem Internat, in dem Kinder und Jugendliche zwar in ihrer Freizeit durch geeignete Mittel erzogen und seelisch beeinflusst würden, das aber im Übrigen eine Unterkunft für den Besuch einer öffentlichen Oberschule biete (Schule und Internat waren im Streitfall getrennt).
28In einer weiteren grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1978 hatte der BFH über den krankheitsbedingten Besuch einer Privatschule zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 1.12.1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78). Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass Aufwendungen für den Besuch von Privatschulen regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig seien. Mangels zuverlässiger Abgrenzungskriterien erscheine es nicht gerechtfertigt, Aufwendungen für einen Privatschulunterricht je nach Anlass und Höhe der Aufwendungen im Einzelfall steuerlich unterschiedlich zu behandeln. Eine grundsätzlich pauschale Abgeltung aller typischen Ausbildungskosten liegt im Interesse der Rechtssicherheit und einer möglichst gleichmäßigen steuerlichen Belastung aller Steuerpflichtigen. Gelte der Kinderfreibetrag des § 32 EStG alle typischen Ausbildungskosten ab, komme es nicht darauf an, ob im Einzelfall - etwa durch den Besuch einer Privatschule - höhere als die sonst üblichen Aufwendungen entstünden. Es erscheine auch nicht vertretbar, die Aufwendungen für den Privatschulbesuch unter dem Gesichtspunkt von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Nach § 33 EStG seien nur unmittelbare Krankheitskosten abzugsfähig. Hierunter würden nur die Kosten fallen, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder - in der Person des Kranken selbst - mit dem Ziel aufgewendet würden, die Krankheit erträglich zu machen. Die Berücksichtigung weiterer Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen nur gelegentlich oder als Folge einer Krankheit entstehen, würde zu einer nicht vertretbaren steuerlichen Berücksichtigung von Kosten der allgemeinen Lebenshaltung führen, die mit dem Sinn und Zweck des § 33 EStG nicht vereinbar seien. Privatschulkosten gehörten auch dann nicht zu den unmittelbaren Krankheitskosten, wenn der Besuch der Privatschule durch eine Krankheit des Kindes verursacht sei. Als einzigen Ausnahmefall, in dem Aufwendungen für den Schulbesuch Krankheitskosten i.S. des § 33 EStG darstellen könnten, zog der BFH den Besuch einer Behindertenschule in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 1.12.1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78).
29Mit Urteil vom 9.10.1981 VI R 7/78 (Betriebs-Berater 1982, 540) bestätigte der BFH ausdrücklich seine im Urteil vom 28.2.1964 VI 314/63 U (BFHE 79, 104, BStBl III 1964, 270) angelegte Differenzierung. Aufwendungen für eine auswärtige Unterbringung seien nur als Krankheitskosten anzusehen, wenn die Behandlung der Krankheit im Vordergrund stehe und demgemäß mit der auswärtigen Unterbringung ausschließlich das Ziel verfolgt werde, durch typische Maßnahmen der Heilbehandlung eine Krankheit zu heilen, wie dies z.B. bei einem Aufenthalt in einem Sanatorium, einer Pflegeanstalt oder einem ähnlichen Heim anzunehmen sei. Fehle es an solchen Maßnahmen, handele es sich um Kosten i.S. des § 33a Abs. 2 EStG. Denn sie würden erbracht, um den auswärtigen Aufenthalt zu ermöglichen und stünden als Entgelte für einen Internatsaufenthalt sowohl in zeitlichem als auch sachlichem Zusammenhang mit dem Besuch einer Schule. Auch die krankheitsbedingte Veranlassung des auswärtigen Aufenthalts und Schulbesuchs ändere daran nichts.
30In einer Entscheidung aus dem Jahr 1990 hatte sich der BFH mit dem Privatschulbesuch eines Kindes zu befassen, dass an einer krankhaften Störung der Lese- und Rechtschreibfähigkeit litt (vgl. BFH-Urteil vom 18.4.1990 III R 160/86, BFHE 161, 447, BStBl II 1990, 962). Der BFH führt aus, dass es sich bei den betreffenden Kosten um typische Ausbildungsaufwendungen handle, die durch die Regelungen über den Kinderlastenausgleich abgegolten seien. Der Privatschulbesuch sei nicht zum Zwecke der Heilbehandlung erfolgt. Eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung habe nicht stattgefunden. Eine solche wäre jedoch Voraussetzung, um die Zwangsläufigkeit und die Notwendigkeit der damit im Zusammenhang stehenden Kosten zu begründen. Durch den Besuch der Privatschule habe lediglich der aus sozialen und psychologischen Gründen nicht wünschenswerte Übergang in die Hauptschule verhindert werden sollen. Aufwendungen, die lediglich die sozialen Folgen einer Krankheit beträfen und durch die nur ganz allgemein einer psychischen Belastung vorgebeugt werden solle, erfüllten nicht den Tatbestand des § 33 EStG.
31Im Jahr 1992 hatte der BFH über die Kosten der auswärtigen Unterbringung eines an Asthma erkrankten Kindes zu entscheiden, das ein Oberschulinternat auf einer Nordseeinsel besuchte (vgl. BFH-Urteil vom 26.6.1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212). Der BFH hielt in diesem Fall nicht an seinen strengen Voraussetzungen der vorangegangenen Rechtsprechung fest. Er führte aus, dass dann, wenn der (auswärtige) Aufenthalt in einem Heilklima bereits eine gezielte therapeutische Maßnahme darstelle und die Schulausbildung nur anlässlich dieser Heilbehandlung gleichsam nebenbei und nachrangig erfolge, auch Internatskosten zumindest dann Krankheitskosten darstellten, wenn die Unterbringung in einer Pflegeanstalt oder einem ähnlichen Heim aus medizinischen Gründen nicht erforderlich sei. Anzuerkennen seien indes nur die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, nicht aber die Kosten für den Besuch der Schule. Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit eines längerfristigen Aufenthalts sei zudem die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes unerlässlich.
32Mit Urteil vom selben Tag entschied der BFH, dass Aufwendungen von Eltern für die auswärtige Unterbringung eines Kindes, dessen Lese- und Rechtschreibfähigkeit beeinträchtigt sei, als Krankheitskosten zu berücksichtigen seien, wenn die Lese- und Rechtschreibschwäche Krankheitswert habe (Legasthenie im medizinischen Sinn) und einer medizinischen Behandlung unterworfen werde (vgl. BFH-Urteil vom 26.06.1992 III R 8/91, BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278). Dies gelte dann auch für Kosten einer auswärtigen Unterbringung in einem Internat, wenn dort eine medizinisch indizierte Legastheniebehandlung durchgeführt werde. Eine auswärtige Unterbringung dagegen, die nur der schulischen Ausbildung bzw. pädagogischen Betreuung diene, verursache Ausbildungskosten, die nicht im Rahmen des § 33 EStG abzugsfähig seien. Darüber hinaus kam der BFH auch in dieser Konstellation zu dem Ergebnis, dass der Nachweis der Legasthenie durch Vorlage eines amtsärztlichen Attests zu führen sei.
33An der Pflicht zur Vorlage eines amtsärztlichen Attestes hielt der BFH auch in mehreren weiteren Entscheidungen zur Legasthenie (vgl. BFH-Urteil vom 7.6.2000 III R 54/98, BFHE 193, 79, BStBl II 2001, 94; BFH-Beschluss vom 12.8.2003 III B 18/03, abrufbar in juris) sowie zu Konstellationen, in denen es allgemein um den Nachweis von krankheitsbedingten Aufwendungen für die Unterbringung eines Kindes im Internat ging, fest (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 15.1.2002 III B 17, 18/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH --BFH/NV-- 2002, 928; vom 25.2.2005 III B 13/04, BFH/NV 2005, 1065; vgl. ferner BFH-Urteil vom 21.4.2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602). Diese Verpflichtung begründete der BFH damit, dass es wegen der Schwierigkeit der Beurteilung der medizinischen Indikation von Maßnahmen, die nicht ihrer Art nach eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können, eines vorher ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachtens bedürfe, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergebe (vgl. etwa BFH-Urteil vom 7.6.2000 III R 54/98, BFHE 193, 79, BStBl II 2001, 94). Weder die Finanzbehörden noch die Gerichte, sondern nur der rechtzeitig eingeschaltete Amtsarzt oder etwa der medizinische Dienst einer öffentlichen Krankenversicherung besäßen die Sachkunde und die notwendige Neutralität, um die medizinische Indikation von solchen nicht nur für Kranke nützlichen Maßnahmen ohne die für den behandelnden Arzt bestehende Gefahr einer Störung des Vertrauensverhältnisses zu seinen Patienten objektiv beurteilen zu können. Dies diene dazu, die Inanspruchnahme ungerechtfertigter steuerlicher Vorteile verhindern, mit der in besonderem Maße bei Aufwendungen zu rechnen sei, die ihrer Art nach nicht stets eindeutig unmittelbar der Heilung und Linderung einer Krankheit dienten, sondern mitunter auch aus anderen Erwägungen getätigt würden, z.B. um die sprachliche, soziale, psychologische oder pädagogische Entwicklung eines Kindes zu fördern und zu unterstützen
34Eine Abkehr von dieser Rechtsprechung erfolgte mit zwei Urteilen vom 11.11.2010 VI R 17/09 (BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) und vom 12.5.2011 VI R 37/10 (BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783), die den Besuch einer staatlich anerkannten Privatschule mit einem integrierten Legastheniezentrum und den Besuch einer schottischen Schule im Falle eines hochbegabten Kindes betrafen. Der BFH hielt nunmehr nicht mehr daran fest, dass eine vorherige amtsärztliche oder vertrauensärztliche Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, erforderlich sei.
35In seiner jüngeren Rechtsprechung – nach Einfügung des § 64 EStDV – hat der BFH in einem Fall eines an ADHS leidenden Kindes, das in einer Einrichtung für verhaltensauffällige Kinder untergebracht war, entschieden, dass ein qualifizierter Nachweis im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV zu erbringen sei (vgl. BFH-Urteil vom 15.1.2015 VI R 85/13, BFHE 249, 114, BStBl II 2015, 586). Einschlägig seien die Buchstaben b – das Kind wurde in der Einrichtung psychtherapeutisch und schulpsychologisch betreut – und c, da eine auswärtige Unterbringung aufgrund einer Behinderung vorliege. Bei ADHS liege eine entsprechende Beeinträchtigung vor, wenn sich die Unterbringung über einen längeren Zeitraum als sechs Monate erstrecke.
363. Vor diesem Hintergrund sind im Streitfall weder die für den Sohn noch für die Tochter geltend gemachten Aufwendungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bereits nicht um Krankheitskosten im Sinne dieser Vorschrift (vgl. a). Darüber hinaus fehlt es an einer im Vorhinein ausgestellten amtsärztlichen Bescheinigung (vgl. b und c).
37a) In materiell-rechtlicher Hinsicht scheidet eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als Krankheitskosten aus, weil es sich nicht um unmittelbare Krankheitskosten, sondern um Kosten der Lebensführung handelt. Bei der von C besuchten … School in … handelt es sich um eine Privatschule. Gleiches gilt auch in Bezug auf das von P besuchte … College. Wie sich dem Internetauftritt entnehmen lässt, handelt es sich um eine independent school, was dem deutschen Begriff der Privatschule entspricht. Wie sich den eingangs dargestellten BFH-Urteilen zum Privatschulbesuch (vgl. BFH-Urteile vom 1.12.1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78, vom 18.4.1990 III R 160/86, BFHE 161, 447, BStBl II 1990, 962 und wohl auch vom 11.11.2010 VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) entnehmen lässt, können derartige Aufwendungen nur unter ganz engen Voraussetzungen als (unmittelbare) Krankheitskosten angesehen werden. Erforderlich ist danach, dass der Privatschulbesuch zum Zwecke der Heilbehandlung erfolgt und dort eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung stattfindet. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Hierfür spricht aus Sicht des Senats insbesondere der Umstand, dass sie im Einklang mit der Rechtsprechung zu sonstigen Formen einer krankheitsbedingten auswärtigen Unterbringung (vgl. etwa BFH-Urteile vom 9.10.1981 VI R 7/78, BB 1982, 540; vom 26.6.1992 III R 8/91, BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278) und auch zu Krankheitskosten mit vergleichbaren Abgrenzungsproblemen, etwa zwischen Erholungsreisen und Kuren (vgl. zum Erfordernis der ärztlichen Kontrolle bei Kurmaßnahmen etwa BFH-Urteile vom 14.2.1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295; vom 17.12.1997 III R 32/97, BFH/NV 1998, 839), steht. Dass an den hier maßgeblichen Privatschulen eine Therapie der ADHS-Erkrankung der C und des P stattgefunden hätte, haben die Kläger nicht vorgetragen.
38Der Senat sieht es für die Annahme von Krankheitskosten auch nicht als ausreichend an, dass – wie von den Klägern geltend gemacht – schon der Besuch einer bestimmten Schule als die eigentliche Heilmaßnahme anzusehen sein soll, weil sich die dort herrschenden Bedingungen günstig auf die Krankheit auswirken. Mit der BFH-Entscheidung vom 1.12.1978 VI R 149/75 (BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78) geht der Senat davon aus, dass es sich in diesem Fall nicht um unmittelbare Krankheitskosten, sondern um - nicht abziehbare - bloße Kosten der Vorbeugung bzw. Folge einer Krankheit handelt.
39Dieser Auffassung steht nach Auffassung des Senats auch nicht die jüngere BFH-Rechtsprechung zum krankheitsbedingten Schulbesuch entgegen. Das Urteil vom 11.11.2010 VI R 17/09 (BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) betraf einen Fall, in dem gezielte therapeutische Maßnahmen durch das in die besuchte Privatschule integrierte Legastheniezentrum gewährleistet waren. Folgerichtig führte der BFH daher - in Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung - aus, dass dann, wenn eine Legasthenie im engeren Sinn vorliege und einer medizinisch indizierten Behandlung unterworfen werde, die entsprechenden Kosten einschließlich der Kosten einer auswärtigen Internatsunterbringung, selbst wenn diese zugleich der schulischen Ausbildung diene, Krankheitskosten bilden würden. In seinem Urteil vom 12.5.2011 VI R 37/10 (BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783) hat der BFH auf die vorgenannte Entscheidung Bezug genommen und damit offensichtlich an den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen festhalten wollen. Sofern die Anweisungen im Rahmen der Zurückverweisung an das FG in dem Sinne zu verstehen sein sollten, dass schon der Schulbesuch als Therapie anzusehen sei (vgl. dort unter II.3.a), handelt es sich jedenfalls nicht um die Entscheidung tragende Erwägungen.
40b) Darüber hinaus scheidet eine Berücksichtigung der Aufwendungen, die durch den Schulbesuch des P entstanden sind, auch aus formellen Gründen aus. Die Kläger haben entgegen § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstab. c i.V.m. Satz 2 EStDV den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall nicht vor Beginn der Heilmaßnahme durch Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung geführt.
41Nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstab. c EStDV gilt dieses Nachweiserfordernis auch für eine medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidenden Kindes des Steuerpflichtigen. P war in den Streitjahren unstreitig auswärts untergebracht. Er war auch erkrankt. Diese Krankheit liegt allerdings nicht in der diagnostizierten Teilhochbegabung, denn nach der Rechtsprechung des BFH stellt die Hochbegabung als solche noch keine Krankheit dar (vgl. BFH-Urteil vom 19.11.2015 VI R 45/14, BFH/NV 2016, 393). Maßgebliches Krankheitsbild ist daher ausschließlich die bei P diagnostizierte Aufmerksamkeitsstörung. Ob diese so schwerwiegend war, dass sie als Behinderung angesehen werden kann, ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger nicht. Angesichts der Länge der auswärtigen Unterbringung dürfte dies zu vermuten sein (vgl. BFH-Urteil vom 15.1.2015 VI R 85/13, BFHE 249, 114, BStBl II 2015, 586; anders möglicherweise BFH-Urteil vom 18.6.2015 VI R 31/14, BFHE 251, 147, BStBl II 2016, 40).
42Im Streitfall kann indes dahingestellt bleiben, ob eine Behinderung vorlag. Denn der Tatbestand des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstab. c EStDV ist im Wege einer teleologischen Extension (vgl. hierzu etwa BFH-Urteil vom 6.2.2014 VI R 61/12, BFHE 244, 395, BStBl II 2014, 458) dahingehend auszuweiten, dass auch das Merkmal der Krankheit hierunter fällt. Führt die wortlautgetreue Auslegung des Gesetzes zu einem sinnwidrigen Ergebnis, weil der Gesetzeswortlaut im Widerspruch zum Gesetzeszweck steht, sind die Gerichte nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zu einer den Gesetzeswortlaut abändernden Rechtsfortbildung berufen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 17.5.2006 X R 43/03, BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868). Dies kann etwa im Wege einer teleologischen Extension geschehen, in deren Rahmen der gesetzliche Tatbestand um ein fehlendes Merkmal ergänzt werden kann (vgl. etwa BFH-Urteil vom 2.12.2015 V R 25/13, BFHE 251, 534). Die für eine teleologische Extension erforderliche (planwidrige) Regelungslücke liegt nach Ansicht des Senats vor. Wie sich dem Gesetzgebungsverfahren zum StVereinfG 2011 entnehmen lässt, sollte mit der Einfügung des § 64 EStDV (vgl. BT-Drucks. 17/6146, 8) lediglich die bisherige Verwaltungsregelung zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten gesetzlich normiert werden. In den seinerzeit geltenden Verwaltungsanweisungen wurde ein amtsärztliches Attest u.a. als Nachweis „für den Krankheitswert einer Legasthenie oder einer anderen Behinderung eines Kindes, der die auswärtige Unterbringung für eine medizinische Behandlung erfordert“ (vgl. R 33.4 Abs. 1 EStR 2011) verlangt. Aus EStH 33.1-33.4 Stichwort „Auswärtige Unterbringung“ und dem darin gegebenen Hinweis auf EStH 33.1-33.4 Stichwort „Legasthenie“ ließ sich ableiten, dass auch in den Fällen einer krankheitsbedingten auswärtigen Unterbringung ein amtsärztliches Attest erforderlich sein sollte. Die Verwaltungsanweisungen stimmten insoweit mit der ständigen BFH-Rechtsprechung überein. Durch die fehlende Normierung des „Krankheitsfalles“ bei der Schaffung des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstab. c EStDV ist das Gesetz – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – lückenhaft.
43Diese Lücke ist dadurch zu schließen, dass der Wortlaut auf "Krankheit oder Behinderung" ausgeweitet wird. Eine derartige teleologische Extension ist vorliegend nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift geboten. Die Nachweisanforderungen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV sind im Vergleich zum Verfahren der freien Beweiswürdigung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens strenger. Der Gesetzgeber kann daher in der hier maßgeblichen Konstellation nicht bezweckt haben, höhere Nachweisanforderungen an den schwerwiegenderen Fall der Behinderung als an den der einfachen Erkrankung zu stellen. Im Wege eines gedanklichen Erst-recht-Schlusses ist daher auch im Falle einer Erkrankung ein Nachweis im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchstab. c EStDV zu verlangen. Einen solchen Nachweis haben die Kläger indes nicht vorgelegt.
44c) Darüber hinaus ergibt sich eine qualifizierte Nachweisverpflichtung sowohl in Bezug auf C als auch auf P (auch) aus § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstab. b EStDV.
45Nach dieser Vorschrift ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes für eine psychotherapeutische Behandlung zu erbringen. Psychotherapeutische Behandlungen bilden einen wesentlichen Bestandteil einer ADHS-Therapie (vgl. European clinical guidelines for hyperkinetic disorder – first upgrade, Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V.
46Aktualisierte Fassung Januar 2007 mit Update des Kapitels „Medikamentöse Therapie“ aus dem März 2014, beide abrufbar im Internet). Derartige Therapieansätze sind, wie sich den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen entnehmen lässt, auch im Streitfall verfolgt worden, etwa die Durchführung von Gesprächstherapien, einer Familientherapie usw. Nach Auffassung des Senats muss daher auch im Hinblick auf die Nachweisanforderungen der Maßstab des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstab. b EStDV angelegt werden, wenn der behandelnde Arzt – wie hier – den Besuch einer bestimmten Schule gleichsam als integralen Bestandteil einer psychotherapeutischen Behandlung ansieht. Anders ausgedrückt: Ersetzt oder ergänzt der Besuch einer bestimmten Schule eine psychotherapeutische Behandlungsmaßnahme, bedarf es auch in diesem Fall des Nachweises durch ein amtsärztliches Gutachten oder einer ärztlichen Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Der Senat hält auch insoweit eine teleologische Extension (s.o.) der Vorschrift für angezeigt. Das Erfordernis hierfür ist ebenfalls dem Sinn und Zweck des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstab. b EStDV zu entnehmen. Wenn schon bei der Aufnahme eines psychotherapeutischen Behandlung erhöhte Nachweisanforderungen zu stellen sind, muss dies erst Recht dann gelten, wenn ein Arzt Maßnahmen verordnet, die nach seinem Verständnis geeignet sind, die psychische Störung auch ohne Anleitung und Überwachung durch einen Psychotherapeuten zu lindern, wenn also der Schulbesuch selbst die Psychotherapie verkörpert. Von einem vergleichbaren Verständnis ging offenbar auch der BFH in seinem Urteil vom 26.6.1992 III R 83/91 (BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212) aus, in dem er zwar den bloßen Aufenthalt in einem Heilklima, also ohne zusätzliche bzw. gezielte Maßnahmen der Heilbehandlung, als therapeutische Maßnahme hat ausreichen lassen, für die Abziehbarkeit der Kosten der auswärtigen Unterbringung aber gleichfalls ein vorher ausgestelltes amtsärztliches Attest verlangt hat.
47Für diese Sichtweise spricht auch, dass so dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung hinreichend Rechnung getragen werden kann. Es ist sichergestellt, dass in allen Fällen, in denen Aufwendungen für einen Schulbesuch Krankheitskosten bilden sollen, einheitliche Nachweisanforderungen gestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob eine auswärtige Unterbringung erfolgt oder nicht.
484. Soweit in den geltend gemachten Schulgeldern auch Aufwendungen für Kurse an der Universität in Oxford und damit im Zusammenhang stehende Aufwendungen enthalten sind, scheidet ein Abzug im Rahmen des § 33 EStG ohnehin aus, da insoweit (schon) nicht vorgetragen ist, dass es sich ebenfalls um krankheitsbedingte Aufwendungen handelt.
49II. Eine Berücksichtigung eines zeitanteiligen Freibedarfs nach § 33a Abs. 2 EStG für den P scheidet aus, da es an dem hierfür erforderlichen Antrag (vgl. etwa Loschelder in Schmidt, EStG, 35. Aufl., § 33a Rn. 5) fehlt. Von einer konkludenten Antragstellung kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da die Kläger explizit nicht einen Sonderbedarf für ein in Berufsausbildung befindliches, auswärtig untergebrachtes Kind, sondern Krankheitskosten geltend machen wollten (vgl. zum wechselseitigen Ausschluss § 33a Abs. 4 EStG).
50III. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
51III. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, und zwar sowohl in Bezug auf die materiell-rechtlichen als auch die formell-rechtlich Erwägungen des FG.