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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Streitig ist, ob der Kläger ab Juli 2014 Anspruch auf Kindergeld für seine am 00.11.1991 geborenes Kind B hat.
3B absolvierte von August 2011 bis Juni 2014 eine Ausbildung als Steuerfachangestellter. Ab dem 10.06.2014 war B durchgehend bei verschiedenen Arbeitgebern als Steuerfachangestellte nichtselbständig tätig. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden (bis 31.10.2016) bzw. 38 Stunden (ab 01.11.2016). Ab August 2016 nahm es an einem „Teilzeit-Lehrgang Steuerfachwirt-Prüfung“ teil, der bis Februar 2018 dauern sollte.
4Im März 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Kindergeld für sein Kind. Er gab dabei an, dass sein Kind das Berufsziel „Steuerfachwirt“ habe, es dieses Ziel noch nicht erreicht habe und die Berufsausbildung deshalb noch nicht abgeschlossen sei. Beigefügt war ein Ausdruck der „Prüfungsanordnung für die Durchführung von Fortbildungsprüfungen zum Steuerfachwirt / zur Steuerfachwirtin“ der Steuerberaterkammer … mit Stand 01.07.2012. Darin heißt es u.a. wie folgt:
5„PRÄAMBEL
6Die Steuerberaterkammer führt zum Nachweis von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen, die durch berufliche Tätigkeiten erworben worden sind, Fortbildungsprüfungen durch. ...
7§ 8 Prüfungstermine
8(1) Die Prüfungen finden nach Bedarf, in der Regel einmal im Jahr statt. ...
9§ 9 Zulassungsvoraussetzungen
10(1) Zur Prüfung ist zuzulassen
11a) wer mit Erfolg die Abschlussprüfung als „Steuerfachangestellter / Steuerfachangestellte“ abgelegt hat,
12b) wer nach Erfüllung der Voraussetzung zu a) zum Ende des Monats, der dem schriftlichen Teil der Prüfung vorausgeht, eine hauptberufliche praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuer- und Rechnungswesens von mindestens drei Jahren ... nachweisen kann.
13(2) ...“
14Mit Bescheid vom 19.07.2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kindergeld ab Juli 2014 ab. Zur Begründung verwies sie auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Ein Anspruch auf Kindergeld bestehe nicht, da B bereits eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen habe und einer Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgehe.
15Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 26.10.2017).
16Der Kläger hat sodann Klage erhoben.
17Er ist der Ansicht, dass eine mehraktige Berufsausbildung vorliege, die erst mit der Prüfung zur Steuerfachwirt beendet sei. Die Fortbildung sei für sein Kind sehr wichtig gewesen, weshalb es sich als eine der ersten im Januar 2016 für die Teilnahme an dem Lehrgang angemeldet habe. Dies sei der frühestmögliche Anmeldetermin nach Abschluss der Ausbildung zur Steuerfachangestellten gewesen, da vorgeschrieben sei, dass man erst zur Steuerfachwirt-Prüfung zugelassen werde, wenn man eine dreijährige Berufserfahrung als Steuerfachangestellter nachweisen könne. B habe deshalb frühestens an den für Dezember 2017 anberaumten Prüfungen teilnehmen können.
18Schon im ersten Ausbildungsjahr zum Steuerfachangestellten sei B fest entschlossen gewesen, schnellstmöglich Steuerfachwirt zu werden. Der Kläger legt hierzu schriftliche Bestätigungen diverser Personen vor.
19Wegen des Berufswunschs „Steuerfachwirt“ sei die ab Juni 2014 ausgeübte Vollzeitbeschäftigung gerade nicht nur zur Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen erfolgt, sondern zur Erlangung der für den Abschluss der Berufsausbildung erforderlichen Qualifikation. Die Steuerberaterkammer setze für das Ansammeln der dreijährigen Berufserfahrung eine Vollzeitbeschäftigung voraus. Hätte B lediglich 20 Stunden pro Woche gearbeitet, wäre B nicht zur Prüfung zugelassen worden.
20Der Kläger beantragt,
21die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 19.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.10.2017 zu verpflichten, zu seinen Gunsten für das Kind B ab Juli 2014 Kindergeld festzusetzen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie hält daran fest, dass B ihre Berufsausbildung mit dem Bestehen der Prüfung zum Steuerfachangestellten im Juni 2014 beendet habe. Bei der Weiterbildung zur Steuerfachwirt ab August 2016 handele es sich um eine Zweitausbildung und nicht um einen Teil einer mehraktigen Berufsausbildung. Denn aufgrund der Zäsur von mehr als zwei Jahren bestehe zwischen beiden Ausbildungen kein enger zeitlicher Zusammenhang.
25Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegte Kindergeldakte Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
28Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
29Der Ablehnungsbescheid vom 19.07.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitzeitraum Juli 2014 (Beginn der Ablehnung) bis Oktober 2017 (Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung) kein Kindergeldanspruch besteht.
301. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG besteht Anspruch auf Kindergeld für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, u.a. dann, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG), sich in einer der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b EStG genannten Übergangszeiten von höchstens vier Monaten befinden oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG).
31Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG jedoch nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
322. In der Zeit von Juli 2014 bis mindestens Dezember 2015 fehlt es bereits an einem Berücksichtigungstatbestand i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG. Denn B ging in dieser Zeit lediglich einer Vollzeittätigkeit als Steuerfachangestellter nach, die für sich genommen keinen Ausbildungscharakter hatte. Die dem Gericht vorliegenden Arbeitsverträge enthalten keinerlei Hinweise dazu, dass die Arbeitgeber besondere Ausbildungsleistungen schuldeten, sondern vielmehr wurde B jeweils als bereits ausgelernte Kraft eingestellt.
333. Ab August 2016 hat B an dem Vorbereitungslehrgang zur Steuerfachwirt-Prüfung teilgenommen und damit grundsätzlich den Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG (Ausbildung für einen Beruf) erfüllt. Ob die Anmeldung für diesen Lehrgang tatsächlich – wie der Kläger zwar behauptet, aber nicht glaubhaft gemacht hat – schon im Januar 2016 erfolgt ist und B deshalb in den Monaten Januar bis Juli 2016 die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG erfüllt hat, kann dahinstehen. Denn der Kindergeldanspruch wird durch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ausgeschlossen, da B ihre Erstausbildung schon im Juni 2014 abgeschlossen hatte und B anschließend – und zwar insbesondere auch im Zeitraum Januar 2016 bis Oktober 2017 - eine Vollzeittätigkeit ausübte.
34a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt es für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, darauf an, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Insoweit ist vor allem darauf abzustellen, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Zudem muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (vgl. zu allem BFH, Urteil vom 11.04.2018 – III R 18/17, DStR 2018, 1164 m.w.N.).
35Verlangt eine Prüfungsordnung für die Prüfungszulassung eine mehrjährige Tätigkeit in einem bestimmten Beruf, steht dies der Annahme einer mehraktigen Berufsausbildung regelmäßig schon deshalb entgegen, weil die für die Qualifizierung geforderte Berufstätigkeit für sich genommen - wie hier - keinerlei Ausbildungscharakter hat. Es handelt sich vielmehr um den klassischen Fall einer Fortbildung in einem bereits erlernten Beruf (so auch die vorgelegte „Prüfungsanordnung für die Durchführung von Fortbildungsprüfungen zum Steuerfachwirt / zur Steuerfachwirtin“).
36Eine mehraktige Berufsausbildung kann in den Fällen, in denen die Fortbildungsprüfung erst nach mehrjähriger Berufstätigkeit möglich ist, daher allenfalls dann vorliegen, wenn der erste Berufsabschluss und die Fortbildungsprüfung durch ergänzende Ausbildungsmaßnahmen hinreichend miteinander verknüpft sind. Voraussetzung hierfür ist, dass das Kind nach Beendigung seiner ersten Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine neue Ausbildungsmaßnahme beginnt. Denn nur so besteht der für die Annahme einer mehraktigen Berufsausbildung zwingend erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten. Zudem wird nur durch besondere Maßnahmen des Kindes – nicht aber durch das bloße Tätigwerden im erlernten Beruf – nach außen erkennbar, dass das Kind eine weitere Qualifizierung anstrebt, d.h. es sein Berufsziel mit dem ersten Abschluss noch nicht erreicht hat.
37Bei dem Begriff nächstmöglicher Zeitpunkt ist dabei entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf die von der Berufsordnung vorgesehene Mindestwartezeit abzustellen. So hat es der BFH z.B. in dem bereits zitierten Verfahren III R 18/17 für schädlich erachtet, dass sich das dortige Kind, das ebenfalls das Berufsziel „Steuerfachwirt“ hatte, nicht unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung zum Steuerfachangestellten bei einer Fachschule für Wirtschaft angemeldet hatte, sondern erst im Folgejahr. Dies zeigt, dass es für die Annahme einer einheitlichen, mehraktigen Berufsausbildung nicht ausreicht, sich auf das Ansammeln der von einer Berufsordnung geforderten Berufserfahrung zu beschränken, sondern vielmehr müssen zu der bloßen Berufstätigkeit konkrete Ausbildungsmaßnahmen hinzutreten, wie z.B. die Teilnahme an Vorbereitungslehrgängen oder die Aufnahme eines begleitenden Studiums.
38Daran fehlt es im Streitfall. B hat unmittelbar nach Abschluss der Steuerfachangestelltenprüfung im Juni 2014 keine weiteren Ausbildungsmaßnahmen ergriffen. Vielmehr hat B für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren eine reguläre Erwerbstätigkeit ohne Ausbildungscharakter ausgeübt und erst im August 2016 mit dem nächsten Ausbildungsabschnitt begonnen. Aufgrund der erheblichen zeitlichen Zäsur zwischen den Ausbildungsabschnitten liegt keine mehraktige Ausbildung vor, sondern vielmehr stellte die Ausbildung zur Steuerfachangestellten bereits eine abgeschlossene erstmalige Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar.
39b) Die von B ausgeübte Erwerbstätigkeit war anspruchsschädlich. Die in § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG vorgesehene 20-Stunden-Grenze wurde überschritten, da die wöchentliche Arbeitszeit zunächst 40 und ab November 2016 36 Stunden betrug. Es lag auch weder ein Ausbildungsdienstverhältnis noch ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a SGB IV vor.
404. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.