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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Anwendung des Vergleichswertverfahrens bei der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Schenkungssteuer.
3Die Beigeladene erhielt aufgrund eines Schenkungsvertrages vom 27.03.2017 von ihrem Vater, dem Kläger, einen Betrag i.H.v. 920.000 € zuzüglich Notarkosten und Gerichtskosten sowie der anfallenden Grunderwerbsteuer für den Erwerb eines Grundstücks in Z-Stadt, Flur 1 Flurstücke 2 und 3, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Y-Stadt … Blatt … und … schenkweise zugewandt. Die Beigeladene erwarb das entsprechende Grundstück von C und D aufgrund eines Kaufvertrages vom 00.03.2017 zum Kaufpreis von 920.000 €. Laut Kaufvertrag waren in diesem Betrag 45.000 € für mitverkauftes Inventar enthalten. Die auf die Schenkung entfallende Schenkungssteuer sollte laut Vertrag der Kläger übernehmen.
4Aufgrund dessen fragte die Erbschafts- und Schenkungssteuerstelle des Finanzamtes X-Stadt durch Schreiben vom 14.09.2017 den Grundbesitzwert für das oben genannte Grundstück für Zwecke der Schenkungssteuer beim Beklagten an. In ihrer Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts gingen der Kläger und die Beigeladene von einer Ermittlung des Grundbesitzwertes im Sachwertverfahren aus.
5Der Beklagte stellte durch Bescheid vom 17.9.2019 einen Grundbesitzwert i.H.v. 920.000 € auf den 16.6.2017 im Vergleichswertverfahren fest. Der Kläger legte durch Schreiben vom 14.10.2019 Einspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, dass kein Vergleichspreis vorliege. Bei mittelbaren Grundstücksschenkungen sei der Grundbesitzwert gemäß § 12 des Erbschaftsteuergesetzes anzusetzen. Dieser könne im Streitfall nicht aufgrund des Vergleichswertverfahrens bestimmt werden. Das Gesetz verlange hierzu gemäß § 183 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes – BewG – Kaufpreise einer Mehrzahl „von Grundstücken“ nicht hingegen, den eines einzelnen Grundstücks. Ein einzelner Verkaufspreis könne sich nur im Rahmen des § 198 BewG zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirken.
6Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers durch Einspruchsentscheidung vom 29.11.2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass keine Vielzahl von Vergleichsgrundstücken erforderlich sei, wenn als Vergleichswert der Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück selbst herangezogen werden könne.
7Der Kläger hat durch Schreiben vom 20.12.2019 Klage erhoben.
8Zur Begründung trägt er vor, dass mangels geeigneter Vergleichswerte das Sachwertverfahren zur Bewertung einschlägig sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut von § 183 Abs. 1 BewG, wonach Kaufpreise einer Mehrzahl von Grundstücken, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke) heranzuziehen seien. Das Vergleichswertverfahren fuße auf der Annahme, dass aus der Kenntnis von Kaufpreisen vergleichbarer Objekte unter Rückgriff auf statistische Methoden eine Prognose über den wahrscheinlichsten Marktpreis einer Immobilie getroffen werden könne. Anwendungsvoraussetzung sei daher eine ausreichende Anzahl von geeigneten Verkaufspreisen. Hiervon sei nach der Literatur erst dann auszugehen, wenn ein Stichprobenumfang von 30 vergleichbaren Objekten mathematisch-statistisch nachgewiesen sei. Der tatsächliche Kaufpreis als alleiniger Vergleichswert bilde nicht die Marktsituation ab. Das im Streitfall mittelbar erworbene Grundstück könne daher allein nicht genügen, um einen allgemein am Markt erzielbaren Preis zu ermitteln. Bei dem Vergleichswertverfahren handele es sich um eine typisierende Wertermittlung. Grundlage seien nach der Gesetzesbegründung die von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise. Nachrangig könne auf die in der Finanzverwaltung vorliegenden Unterlagen zu vergleichbaren Kauffällen zurückgegriffen werden. Dafür spreche auch die Regelung in § 183 Abs. 3 BewG, die den Wert beeinflussende Besonderheiten privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art bei der Bewertung ausklammere.
9Soweit der Gesetzgeber gewollt hätte, dass der Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück selbst als Bewertungsmaßstab hinzugezogen werden könne, hätte er dies ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen. So habe der Gesetzgeber beispielsweise in § 11 Abs. 2 S. 2 BewG den Kaufpreis für nichtnotierte Anteile an Kapitalgesellschaften, die weniger als ein Jahr zurückliegen, explizit als vorrangigen Bewertungsmaßstab aufgenommen. Ein entsprechender Passus für die Immobilienbewertung sei nicht vorhanden.
10Dementsprechend sei die Bewertung des Grundvermögens nicht primär auf die in Verkäufen zustande gekommene Preisfindung ausgerichtet, sondern greife auf typisierte Bewertungsverfahren zurück. Anderes gelte nur bei Anwendung von § 198 BewG zu Gunsten des Steuerpflichtigen.
11Der Kläger beantragt sinngemäß,
12den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 16.06.2017 für Zwecke der Schenkungssteuer vom 17.9.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2019 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert nach dem Sachwertverfahren i.H.v. 518.403 € festgestellt wird,
13hilfsweise, die Revision zuzulassen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung weist der Beklagte darauf hin, dass nach § 182 Abs. 2 Nr. 3 BewG Ein- und Zweifamilienhäuser nur grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten seien. Dabei werde der Marktpreis in der Regel aus tatsächlich realisierten Kaufpreisen anderer vergleichbarer Grundstücke abgeleitet. Voraussetzung sei regelmäßig eine ausreichende Anzahl an geeigneten Grundstücken und Preisen. Aufgrund der Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ könne jedoch ausnahmsweise auch ein einzelner Vergleichspreis zur Bewertung im Vergleichswertverfahren herangezogen werden. Gemäß H B 183 Abs. 2 der Erbschaftsteuerrichtlinien könne auch der für die zu bewertende wirtschaftliche Einheit tatsächlich innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag unter fremden Dritten erzielte Kaufpreis als Vergleichspreis gelten, sofern zwischenzeitlich keine Änderung der Wertverhältnisse eingetreten sei und dem Verkauf keine ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnisse zugrunde gelegt worden seien (Rössler/Troll § 183 BewG Rn. 5). Es bestünden zudem keine Anhaltspunkte für ein Näheverhältnis zwischen der Klägerin und dem Verkäufer, so dass von einem fremdüblichen Marktpreis auszugehen sei, der als Vergleichspreis herangezogen werden könne.
17Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand nimmt der Senat auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist unbegründet.
20Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 16.06.2017 für Zwecke der Schenkungssteuer vom 17.9.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.
21Der Beklagte hat den Grundbesitzwert zu Recht i.H.v. 920.000 € im Vergleichswertverfahren festgestellt.
22Gemäß § 182 Abs. 2 Nr. 3 sind Ein- und Zweifamilienhäuser grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Gemäß § 183 Abs. 1 S. 1 BewG sind bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren wertbeeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Nach S. 2 der Vorschrift sind Grundlage vorrangig die von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs mitgeteilten Vergleichspreise.
23Der Wortlaut der Vorschrift verlangt die Heranziehung von „Grundstücken“. Das Gesetz sagt nichts darüber aus, wie viele Grundstücke zur Ermittlung eines Vergleichspreises herangezogen werden müssen. Die Verwendung eines Begriffs in der Mehrzahl bedeutet nicht zwingend, dass tatsächlich mehrere Gegenstände der genannten Art vorliegen müssen. Vielmehr kann die Formulierung in der Mehrzahl auch zur Heranziehung als Oberbegriff gemeint sein. Der Senat weist darauf hin, dass auch die Vorschrift des § 306 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs verlangt, dass „Gebäude“ in Brand gesetzt werden. Dennoch macht sich nicht nur derjenige strafbar, der mehr als ein Gebäude in Brand setzt. Es ist daher anhand des Wortlauts der Vorschrift auch möglich, diese dahingehend auszulegen, dass ein einzelnes Grundstück zur Ermittlung des Vergleichspreises herangezogen werden kann. Die Benutzung des Begriffes Gebäude umfasst daher ebenso wie die Benutzung des Begriffs „von Grundstücken“ auch ein Einzelstück.
24Die Heranziehung von Grundstücken in § 183 Abs. 1 S. 1 BewG ist vielmehr im Zusammenhang mit dem 2. HS der Vorschrift zu sehen. Danach können Grundstücke herangezogen werden, wenn die ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen. Je größer die Übereinstimmung des verkauften Grundstücks mit dem zu bewertenden Grundstück ist, desto eher erscheint eine größere Stichprobe von verkauften Grundstücken zur Ermittlung eines Vergleichswertes entbehrlich. Ein einzelner Verkaufspreis ist dann ausreichend, wenn er das zu bewertende Grundstück selbst betrifft und zeitnah im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt wurde. Hinsichtlich der wertbeeinflussenden Merkmale besteht in diesem Fall eine vollständige Übereinstimmung.
25Diese Auslegung der Vorschrift entspricht auch dem Sinn und Zweck. Die §§ 151, 157 Abs. 1 und 176 ff. BewG dienen dazu, den gemeinen Wert im Sinne von § 9 Abs. 1 BewG zu ermitteln. Gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 BewG ist der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre. Hierfür stellen die §§ 176 ff. typisierende Hilfsverfahren zur Verfügung, die dann eingreifen, wenn sich der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielende Veräußerungspreis nicht unmittelbar ermitteln lässt. Liegt jedoch eine zeitnahe Veräußerung des zu bewertenden Grundstücks vor, wird man dem Zweck, den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielenden Veräußerungspreis zu ermitteln, am besten gerecht, wenn man diesen als Vergleichspreis zugrunde legt.
26Hierfür spricht auch, dass es dem Steuerpflichtigen gemäß § 198 BewG offensteht, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Hierfür steht ihm insbesondere die Möglichkeit offen, den niedrigeren gemeinen Wert aus einem zeitnahen Verkauf des Grundstücks abzuleiten. Weshalb diese Öffnungsklausel zu Gunsten des Steuerpflichtigen es ausschließen soll, auch im Vergleichswertverfahren einen zeitnahen Verkaufspreis zugrunde zu legen, erschließt sich dem Senat nicht. In beiden Fällen dient diese Vorgehensweise dazu, den gemeinen Wert möglichst genau abzubilden.
27Dementsprechend geht auch die Literatur davon aus, dass die Veräußerung des zu bewertenden Grundstücks in zeitlicher Nähe zum Bewertungsstichtag einen geeigneten Vergleichspreis darstellen kann (Mannek in Gürsching/Stenger Bewertungsrecht § 183 BewG Rn. 31; Halaczinsky in Rössler/Troll BewG § 183 BewG Rn. 5; Grootens in Lippross/Seibel Basiskommentar Steuerrecht § 183 BewG Rn. 43).
28Umstände, die eine Heranziehung im Vergleichswertverfahren ausschließen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Verkaufspreis für das zu bewertende Grundstück nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt worden wäre, oder durch besondere persönliche Verhältnisse, die in der Person des Steuerpflichtigen begründet sind, beeinflusst wurde.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
30Der Senat lässt gem. § 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob zeitnah im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielter Kaufpreis eines Grundstücks einen Vergleichswert i.S.v. § 183 Abs. 1 BewG darstellt, die Revision zu.