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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der am 21.11.2007 verstorbene und vom Kläger allein beerbte Erblasser wurde im Jahr 2003 zusammen mit seiner Ehefrau, der Mutter des Klägers, zur Einkommensteuer veranlagt.
3Auf die am 11.02.2005 beim Beklagten eingegangene Einkommensteuererklärung 2003 wurde mit Bescheiden vom 25.04., 11.05., 14.06. und 28.12.2005 die Steuer auf 0 € festgesetzt. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
4Mit Bescheid vom 31.10.2008 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger und seiner Mutter Einkommensteuer 2003, Zinsen, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Dazu kam es, weil das Finanzamt im Bescheid vom 27.08.2008 die anteiligen Einkünfte aus der A GmbH & Co. KG i.L. (KG) nicht mehr als Veräußerungsgewinn, sondern als laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigte.
5Mit Bescheid vom 18.09.2008 setzte das Finanzamt die Vollziehung des Feststellungsbescheids vom 27.08.2008 unter Widerrufsvorbehalt bis einen Monat nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung, eines Änderungsbescheids oder des Eingangs der Rücknahme des Rechtsbehelfs aus.
6Mit Bescheid vom 01.12.2008 setzte der Beklagte weitere Zinsen zur Einkommensteuer fest.
7Auf Grund einer Mitteilung des Finanzamts über die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids vom 27.08.2008 hinsichtlich der KG setzte der Beklagte mit Bescheid vom 23.12.2008 die Vollziehung der Bescheide vom 31.10. und 01.12.2008 in vollem Umfang aus. Die Aussetzung der Vollziehung war bis zur Beendigung der Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids befristet.
8Mit nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom 09.07.2009 setzte der Beklagte Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuern und Zinsen fest und teilte mit, dass die Aussetzung der Vollziehung bestehen bleibe.
9Mit Bescheid vom 27.01.2011 änderte das Finanzamt die Feststellung zur KG erneut und widerrief antragsgemäß die gewährte Aussetzung der Vollziehung.
10Auf Anfrage des Beklagten teilte ihm das Finanzamt mit Schreiben vom 16.09.2015 mit, der die KG betreffende Feststellungsbescheid vom 27.08.2008, in dem der erklärte Veräußerungsgewinn zu laufendem Gewinn umqualifiziert worden sei, sei nach Einspruch von der Vollziehung ausgesetzt worden. Dieser Bescheid sei mit Feststellungsbescheiden vom 18.09.2008 und 27.01.2011 geändert worden. Im Bescheid vom 27.01.2011 sei auch die Aussetzung der Vollziehung widerrufen worden. Eine weitere Änderung der Feststellungen sei mit Bescheid vom 18.12.2012 vorgenommen worden.
11Mit Bescheid vom 29.10.2015 setzte der Beklagte Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuern und Zinsen fest und teilte weiter mit, die Aussetzung der Vollziehung ende am 02.12.2015. Zur Erläuterung führte er aus, die Feststellungsbescheide vom 27.01.2011 und 18.12.2009 hätten ihm bislang nicht vorgelegen.
12Zur Begründung des dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs wandte der Kläger ein, die Festsetzungsfrist sei abgelaufen, so dass eine Änderung der Steuerfestsetzung vom 09.07.2009 nicht mehr möglich sei. Daraufhin setzte der Beklagte am 01.12.2015 die Vollziehung des Bescheides vom 29.10.2015 aus.
13Mit Bescheid vom 24.06.2016 „widerrief“ der Beklagte den Bescheid vom 29.10.2015 nach § 131 Abs. 1 AO und teilte mit, der Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 09.07.2009 und die in ihm verfügte Aussetzung der Vollziehung bleibe gültig.
14Mit Schreiben vom 20.11.2017 forderte der Beklagte den Kläger zur Zahlung der mit Bescheiden vom 31.10.2008 und 09.07.2009 festgesetzten Abgaben auf und teilte weiter mit, die Aussetzung der Vollziehung habe zum 28.02.2011 nach dem Widerruf der Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzamt geendet.
15Dem widersprach der Kläger mit dem Hinweis, dass zwischenzeitlich Zahlungsverjährung eingetreten sei.
16Daraufhin stellte der Beklagte mit Abrechnungsbescheid vom 01.02.2018 fest, dass keine Zahlungsverjährung eingetreten sei und die Zahlungsaufforderung bestehen bleibe.
17Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und beantragte, seine Mutter zum Einspruchsverfahren hinzuzuziehen. Dem folgte der Beklagte und zog die Mutter nach § 360 Abs. 1 AO zum Einspruchsverfahren des Klägers hinzu.
18Mit Einspruchsentscheidung vom 14.05.2018 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück und stellte die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis aus der Einkommensteuer 2003 (Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuern, Zinsen und Säumniszuschläge) nach § 218 Abs. 2 AO fest. Dazu führte er aus, Zahlungsverjährung sei noch nicht eingetreten. Das gelte unstreitig bis zum Ablauf des 31.12.2016. Auf Grund der Bescheide vom 31.10.2008 und 01.12.2008 habe der Lauf der Zahlungsverjährung nach § 229 Abs. 1 S. 2 AO in Verbindung mit § 228 AO mit Ablauf des Kalenderjahres 2008 begonnen und habe mit Ablauf des 31.12.2013 geendet. Durch den Bescheid vom 09.07.2009 habe eine erneute Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2009 begonnen, die am 31.12.2014 geendet habe.
19Die gewährte Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides sei nach Auskunft des Finanzamts durch Widerruf mit Bescheid vom 27.01.2011 nach § 131 Abs. 2 Nr. 2 AO für die Zukunft widerrufen worden, so dass die Aussetzung der Vollziehung und damit die Unterbrechung der Verjährung 2011 geendet hätten und mit Ablauf des Jahres 2011 eine neue fünfjährige Verjährungsfrist begonnen habe, die am 31.12.2016 geendet habe.
20Zuvor sei jedoch die Zahlungsverjährung durch den Bescheid vom 29.10.2015 unterbrochen worden, denn dieser Bescheid habe ein Leistungsgebot in voller Höhe enthalten, so dass mit Ablauf des Jahres 2015 eine neue Verjährungsfrist begonnen habe. Auch wenn der Bescheid vom 29.10.2015 mit Bescheid vom 24.06.2016 aufgehoben und die Zahlungsaufforderung zurückgenommen worden sei, ändere dies an einer Unterbrechung der Zahlungsverjährung nichts. Der Bescheid vom 24.06.2016 sei nämlich hinsichtlich der Abgaben ein Steuerbescheid gewesen, der nach § 172 AO habe aufgehoben werden können, während die Zahlungsaufforderung nach § 130 Abs. 1 AO zurückgenommen worden sei.
21Auch wenn er bereits 2015 die Aussetzung der Vollziehung ohne die Steuerfestsetzung hätte beenden und die offenen Steuerbeträge dadurch schriftlich hätte geltend machen müssen, führe die Rechtswidrigkeit des Steuerbescheids vom 29.10.2015 und seines Leistungsgebots nicht dazu, dass seine fristunterbrechende Wirkung entfalle. Aus dem Leistungsgebot sei nämlich zu ersehen gewesen, dass er an der Steuerforderung habe festhalten wollen. Dadurch habe es eine erneute Unterbrechungshandlung gegeben, die auch bei rückwirkender Aufhebung nicht ihre fristunterbrechende Wirkung verliere.
22Zur Begründung seiner fristgerecht erhobenen Klage trägt der Kläger vor, der Bescheid vom 29.10.2015 habe keine neue Zahlungsfrist ausgelöst, denn der Beklagte habe diesen Bescheid aufgehoben. In Folge dessen sei der Bescheid nicht existent und könne eine Unterbrechung der Zahlungsverjährung nicht mehr bewirken. Insoweit komme es auch nicht darauf an, dass der Bescheid fälschlicherweise nach § 131 Abs. 1 AO aufgehoben worden sei. Da es sich bei dem Bescheid vom 29.10.2015 um einen Steuerbescheid gehandelt habe und aus dem Schreiben des Beklagten vom 24.06.2016 ein eindeutiger Aufhebungswille zu erkennen sei, müsse dieses Schreiben in eine Aufhebung des Steuerbescheids nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO umgedeutet werden. Da diese Norm bei einheitlicher Aufhebung des gesamten Steuerbescheids auch die Aufhebung der mit der Steuerfestsetzung verbundenen sonstigen Verwaltungsakte umfasse, sei entgegen der Annahme des Beklagten auch das im Bescheid vom 29.10.2015 enthaltene Leistungsgebot rückwirkend aufgehoben worden (s. Sächsisches FG v. 06.12.2007. 2 K 1818/07, EFG 2008, 1682; BFH v. 28.11.2006, VII R 3/06). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem BFH-Urteil v. 21.06.2010, VII R 27/08, das einen anderen, hier nicht einschlägigen Fall betreffe.
23Der Kläger beantragt,
24den Abrechnungsbescheid vom 01.02.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.05.2018 dahin abzuändern, dass festgestellt wird, dass die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wegen Einkommensteuer 2003, Zinsen zur Einkommensteuer 2003, römisch-katholischer Kirchensteuer 2003, evangelischer Kirchensteuer 2003 und Solidaritätszuschlags 2003 infolge Zahlungsverjährung erloschen sind.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen,
27da seiner Rechtsauffassung die vom Kläger zitierten gerichtlichen Entscheidungen nicht entgegenstünden.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist unbegründet.
30Der Beklagte hat mit dem Bescheid vom 01.02.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.05.2018 zu Recht das Bestehen der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 218 Abs. 2 AO festgestellt. Die Ansprüche wegen Einkommensteuer 2003, Zinsen zur Einkommensteuer 2003, römisch-katholischer Kirchensteuer 2003, evangelischer Kirchensteuer 2003 und Solidaritätszuschlags 2003 sind nicht erloschen. Der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
31Anders als der Kläger meint, ist für den Anspruch wegen der Einkommensteuer 2003, des Solidaritätszuschlags, der römisch-katholischen und der evangelischen Kirchensteuer sowie der Zinsen nach § 233a AO keine Zahlungsverjährung nach § 231 AO eingetreten.
32Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung, deren Frist fünf Jahre beträgt, § 228 Satz 1, Satz 2 1. Halbsatz AO.
33Für die mit dem Einkommensteuerbescheid vom 31.10.2008 und der Fälligkeit zum 08.012.2008 festgesetzten und erstmals zu zahlenden Abgaben für 2003 begann die Zahlungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2008, § 229 Abs. 1 Satz 1 AO, und endete mit Ablauf des Jahres 2013.
34Diese Verjährungsfrist wurde nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO durch die Aussetzung der Vollziehung unterbrochen, die der Beklagte mit seiner Verfügung vom 23.12.2008 gewährte. Die darin bestimmte Aussetzung der Vollziehung sollte mit der Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids enden.
35Mit Bescheid vom 27.01.2011 widerrief Finanzamt die gewährte Aussetzung der Vollziehung, so dass die Unterbrechung der Zahlungsverjährung nach § 231 Abs. 2 Nr. 1 AO bis zum 27.01.2011 fortdauerte. Mit Ablauf des 31.12.2011 begann nach § 231 Abs. 3 AO sodann eine neue, fünfjährige Verjährungsfrist, die zum 31.12.2016 endete.
36Vor dem Ende dieser Verjährungsfrist wurde die Zahlungsverjährung durch das im Einkommensteuerbescheid vom 29.10.2015 enthaltene Leistungsgebot, eine Zahlungsaufforderung im Sinne des § 231 Abs. 1 Nr. 8 AO, und die am 01.12.2015 erfolgte Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 29.10.2015 erneut nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 AO unterbrochen.
37Innerhalb der daraufhin neuen Verjährungsfrist sind die Zahlungsaufforderung vom 20.11.2017 als auch der angefochtene Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ergangen.
38Der Unterbrechung der Zahlungsverjährung steht nicht entgegen, dass der Einkommensteuerbescheid vom 29.10.2015 mit Bescheid vom 24.06.2016 aufgehoben worden ist. Wenn auch der Beklagte seine Maßnahme auf § 131 Abs. 1 AO gestützt hat, konnte die Aufhebung des Steuerbescheids nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO erfolgen. Der Bescheid wurde somit wegen Festsetzungsverjährung ersatzlos aufgehoben, nicht widerrufen. Die Angabe der falschen Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist unerheblich.
39§ 231 AO bestimmt nicht, welche Wirkungen die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der eine Unterbrechungshandlung enthält, auf die Wirksamkeit der Unterbrechungshandlung hat. Unter Geltung der Reichsabgabenordnung (RAO) und deren Verjährungsvorschriften, den §§ 143 ff. RAO, die durch das Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze (AOÄG) vom 15.09.1965 (BGBl. I S. 1356) mit Wirkung vom 01.01.1966 neugefasst wurden, genügte es nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass sich die tatsächliche Unterbrechungshandlung auf einen nach Art, Zeitraum und Höhe bestimmten Steueranspruch bezog und bei der Finanzbehörde ein konkreter Wille zur Unterbrechungshandlung vorlag. Die Unterbrechungswirkung trat nur dann nicht ein, wenn die Zahlungsaufforderung einem unwirksamen Steuerbescheid beigefügt war (s. BFH Urteil v. 26.11.1974, VII R 45/72, Rz. 9, BFHE 114, 522; zuletzt Urteil v. 12.04.1988, VIII R 177/84, Rz. 11, BFHE 153, 203 mwN.).
40Dem ist auch im Streitfall zu folgen, denn auf die Rechtsform einer Unterbrechungshandlung kann es jedenfalls für die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs im Sinne des § 231 Abs. 1 Nr. 8 AO nicht ankommen, weil für sie der Finanzbehörde keine Rechtsform vorgegeben ist: Sie kann als Leistungsgebot oder als Mahnung ergehen. In beiden Fällen gibt die Finanzbehörde vor Ablauf der Verjährungsfrist für den Steuerpflichtigen zu erkennen, dass sie ihren Zahlungsanspruch durchsetzen will. Die sich daraus ergebende Rechtsfolge der Verjährungsunterbrechung kann ohne gesetzliche Grundlage nicht rückwirkend beseitigt werden (Heuermann in HHSp AO § 231 Rz. 10a; Hoffmann in Koch/Scholz 5. Aufl. AO § 231 Rz. 4; ähnlich Klein/Rüsken AO 15. Aufl. § 231 Rz. 2; AEAO zu § 131 Nr. 2; BFH Urteil v. 21.06.2010, VII R 27/08, Rz. 14 f., BFHE 229, 492. 331). Den Verjährungsvorschriften der AO fehlt dazu eine § 212 Abs. 2 BGB entsprechende Vorschrift.
41Soweit sich die Gegenmeinung (Loose in Tipke/Kruse AO/FGO § 231 Rz. 4; Jaeschke in Pump/Leibner AO § 231 Rz. 2; Kögel in Gosch AO/FGO § 231 AO Rz. 5) auf den BFH-Beschluss vom 13.08.1981, IV R 72/77, BStBl. II 1981, 787) beruft, betrifft dieser eine völlig andere, nunmehr durch § 231 Abs. 1 Satz 2 AO in Verbindung mit § 169 Abs. 1 Satz 3 AO gesetzlich geregelte Frage des Handelns einer örtlich unzuständigen Behörde im Rahmen der Anwendung von § 147 Abs. 1 RAO in der Fassung vor Geltung des AOÄG vom 15.09.1965 (s. Heuermann in HHSp AO § 231 Rz. 10a). Nach damaliger, bis zum 31.12.1965 geltender Rechtslage konnte ein Verwaltungsakt einer örtlich unzuständigen Behörde die Verjährung unterbrechen, es sei denn, dass die Handlungen des örtlich unzuständigen Finanzamts auf ausdrückliche Rüge der örtlichen Zuständigkeit hin als unwirksam aufgehoben worden sind. Daraus folgt jedoch für den Streitfall nicht die Annahme, dass immer dann, wenn ein Verwaltungsakt aufgehoben wird, der eine Zahlungsaufforderung enthält, die die Unterbrechung der Verjährung bewirkt, auch die Unterbrechung der Zahlungsverjährung mit der Aufhebung des Verwaltungsakts rückwirkend entfällt.
42Hinsichtlich der Zahlungsverjährung kommt es jedenfalls bei einer schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs nicht auf den Bestand des später aufgehobenen Verwaltungsakts an, sondern nur darauf, ob der zur Zahlung Verpflichtete auf Grund des Zeitablaufs darauf vertrauen durfte, von der Zahlung befreit zu sein. Dieses Vertrauen entfällt, wenn wie hier der Beklagte durch eine schriftliche Zahlungsaufforderung in Form eines Leistungsgebots erkennen lässt, dass er an seinem Zahlungsanspruch festhalten will.
43Zudem lassen die Vertreter dieser Auslegung nicht erkennen, wie in § 231 AO trotz Fehlens einer gesetzlichen Regelung wie in § 212 Abs. 2 BGB die verjährungsunterbrechende Wirkung bestimmter Maßnahmen, wie die durch Verwaltungsakt erfolgte schriftlichen Geltendmachung eines Anspruchs nach § 231 Abs. 1 Nr. 8 AO bei deren Aufhebung als Unterbrechung der Verjährung rückwirkend beseitigt werden soll.
44Dies folgt nicht aus § 124 Abs. 2 AO, denn auch die (rückwirkende) Aufhebung des Einkommensteuerbescheids vom 29.10.2015 beseitigt nicht die in ihm enthaltene schriftliche Geltendmachung des Anspruchs (s. Klein/Ratschow AO 15. Aufl. § 124 Rz. 10 mit Verweis auf BFH Urteil v. 21.06.2010, VII R 27/08, aaO.)
45Darüber hinaus trat die Unterbrechung der Zahlungsverjährung auch durch die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 01.12.2015 nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 AO ein.
46Dass die Aussetzung der Vollziehung dann, wenn der von der Vollziehung ausgesetzte Bescheid aufgehoben wird, ihrerseits die eingetretene Unterbrechungswirkung nach § 231 Abs. 1 AO rückwirkend verlieren soll, wie der Kläger meint, wird indes auch von den Autoren, die einem aufgehobenen Bescheid keine Unterbrechungswirkung zumessen, nicht vertreten (Loose in Tipke/Kruse AO § 231 Rz. 19, Fritsch in Koenig, AO 3. Aufl. § 231 Rz. 18; Frotscher in Schwarz/Pahlke AO § 231 Rz. 24). Ein Bescheid, wie der des Beklagten vom 01.12.2015, mit dem ein rechtswidriger Steuerbescheid von der Vollziehung ausgesetzt wird, ist rechtmäßig.
47Auch hat der Beklagte mit seinem Bescheid vom 24.06.2016 deutlich gemacht, dass er an der Abgabenforderung in der Höhe des mit Bescheid vom 09.07.2009 festgesetzten Abgabenanspruchs festhalten wollte. Er teilte nämlich mit, dass insoweit der Bescheid vom 09.07.2009 mit der in ihm bestimmten Aussetzung der Vollziehung gültig bleibe.
48Dem BFH-Urteil vom 28.11.2006, VII R 3/06, BFHE 216, 4 ist nichts zu entnehmen, was dem hier gefundenen Ergebnis widersprechen könnte.
49Die im Abrechnungsbescheid des Beklagten vom 01.02.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.05.2018 festgestellten Abgaben entsprechen den im Bescheid vom 09.07.2009 festgesetzten Abgaben zuzüglich der nicht angegriffenen Anforderung von Säunmiszuschlägen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag.
50Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
51Die Revision war nicht zuzulassen, auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 06.12.2007, 2 K 1818/07, EFG 2008, 1682, betraf einen völlig anders gelegenen Sachverhalt. Gegenstand des Urteils war ein Erstattungsanspruch des beklagten Finanzamts, der sich ohne seine vorherige Festsetzung und ohne Aufhebung einer etwa entgegenstehenden Abgabenfestsetzung allein aus der ungerechtfertigten Auszahlung ergeben hatte (s. BFH Urteil v. 12.05.2009, IX R 2/08, BFH/NV 2009, 1404).