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Der Antrag wird abgelehnt.Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Antragsteller sind die Urenkel der im Jahr 1928 geborenen A. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. Juli 2018 übertrug A den Antragstellern im Wege vorweggenommener Erbfolge zu jeweils ¼ Anteil das Mietwohngrundstück G. Der Großmutter B der Antragsteller wurde der lebenslängliche Nießbrauch an dem Grundstück eingeräumt. Unter V. 6. der notariellen Urkunde verpflichtete diese sich, „eine etwaig anfallende Schenkungsteuer, die auf Grund der heutigen Übertragung gegen einen der Erwerber festgesetzt wird, zu übernehmen und den jeweiligen Erwerber hiervon im Innenverhältnis freizustellen.“
4Der Antragsgegner setzte mit zwei Bescheiden vom 16. Juli 2019 gegen die Antragsteller jeweils Schenkungsteuer fest. Dabei berücksichtigte er jeweils einen persönlichen Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
5Mit ihren hiergegen eingelegten Einsprüchen trugen die Antragsteller vor: Ihnen stehe ein Freibetrag nach § 16 ErbStG zu. § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG sei auch auf Urenkel anzuwenden, obgleich diese in der Vorschrift nicht ausdrücklich erwähnt worden seien.
6Der Antragsgegner wies die Einsprüche mit Entscheidungen vom 20. Februar 2020 zurück und führte aus: Den Antragstellern stehe nur ein Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu. Der Gesetzgeber habe in § 15 Abs. 1 ErbStG Urenkel zwar der Steuerklasse I zugewiesen. Die dort verwendete Formulierung habe der Gesetzgeber in § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG jedoch bewusst nicht wiederholt. Vielmehr seien von dieser Bestimmung nur Kinder der Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 des § 15 Abs. 1 ErbStG und damit nicht auch Abkömmlinge der nächsten Generation erfasst. In Anbetracht der eindeutigen gesetzlichen Regelung könnten die von den Antragstellern genannten abweichenden Auffassungen im Schrifttum nicht überzeugen.
7Die Antragsteller haben in dem Verfahren 4 K 692/20 Erb Klage erhoben. Ferner haben sie den vorliegenden Antrag gestellt, nachdem der Antragsgegner eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte. Die Antragsteller wiederholen im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
8Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
91. die Vollziehung der Schenkungsteuerbescheide vom 16. Juli 2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 20. Februar 2020 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe einer die Instanz in dem Verfahren 4 K 692/20 Erb abschließenden Entscheidung des Gerichts auszusetzen;
2. hilfsweise die Beschwerde zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
13den Antrag abzulehnen.
14Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidungen.
15II.
16Der Antrag ist unbegründet.
17Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
18Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 8. Februar 2017 X B 138/16, BFH/NV 2017, 579).
19Nach diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Schenkungsteuerbescheide vom 16. Juli 2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 20. Februar 2020. Der Antragsgegner dürfte zu Recht einen Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG berücksichtigt haben.
20Der Freibetrag des § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG steht nur Kindern von Kindern „im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2“ des § 15 Abs. 1 ErbStG zu. Der Wortlaut der Bestimmung spricht daher dafür, dass der Freibetrag nur den Enkelkindern des Erblassers oder Schenkers, nicht jedoch auch dessen Urenkelkindern zusteht. Denn die Urenkelkinder hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 ErbStG der Steuerklasse I Nr. 3 zugewiesen.
21Nach Auffassung des Senats dürfte auch die Systematik der gesetzlichen Regelungen dagegen sprechen, § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auf Urenkelkinder des Erblassers oder Schenkers anzuwenden. Der Gesetzgeber hat zwar in § 15 Abs. 1 ErbStG die Kinder (Nr. 2) und Abkömmlinge der Kinder (Nr. 3) des Erblassers oder Schenkers insoweit gleichgestellt, als er beide Personengruppen der Steuerklasse I zugewiesen hat. In § 16 Abs. 1 ErbStG hat der Gesetzgeber jedoch eine differenziertere Regelung vorgenommen. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG können Enkelkinder den Freibetrag nur dann beanspruchen, wenn das Kind des Erblassers oder Schenkers im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer bereits verstorben war. War dies nicht der Fall, dürfte gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur Enkelkindern der Freibetrag zustehen. Die Abkömmlinge der in § 15 Abs. 1 ErbStG der Steuerklasse I Nr. 2 genannten Kinder, die der Steuerklasse I Nr. 3 zugewiesen wurden, werden in § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht erwähnt. Das dürfte dafür sprechen, dass Urenkeln grundsätzlich nur der Freibetrag des § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zusteht, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vor, weil das Kind und das Enkelkind im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer bereits verstorben war.
22Soweit im Schrifttum (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG § 16 Randnr. 5; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Auflage, § 16 Randnr. 11; Eisele in Kapp/Ebeling, ErbStG § 16 Randnr. 8.3) eine andere Auffassung vertreten wird, vermag der Senat dem aus den dargestellten Gründen nicht zu folgen.
23Die Entscheidung des Antragsgegners, die Schenkungsteuer gegen die Antragsteller und nicht gegen B festzusetzen dürfte auch nicht ermessensfehlerhaft (§ 5 der Abgabenordnung) sein. Hat ein Schenker im Verhältnis zum Beschenkten die geschuldete Steuer übernommen (§ 10 Abs. 2 ErbStG) und war dies der Finanzbehörde bei dem Erlass des Steuerbescheids bekannt, erfordert die Inanspruchnahme des Beschenkten zwar grundsätzlich eine Begründung der getroffenen Auswahlentscheidung (BFH, Urteil vom 1. Juli 2008 II R 2/07, BFHE 222, 68). Im Streitfall dürfte jedoch etwas Anderes gelten. B hat sich unter V. 6. der notariellen Urkunde vom 20. Juli 2018 lediglich verpflichtet, „eine etwaig anfallende Schenkungsteuer, die auf Grund der .. Übertragung gegen einen der Erwerber festgesetzt wird, zu übernehmen und den jeweiligen Erwerber hiervon im Innenverhältnis freizustellen.“ Diese Verpflichtungserklärung der B betraf mithin nur das Innenverhältnis der Gesamtschuldner nach der Festsetzung der Schenkungsteuer gegen die Erwerber (vgl. hierzu auch: Fumi in von Oertzen/Loose, ErbStG § 10 Randnr. 39). Die Erklärung dürfte daher nicht dahin zu verstehen sein, dass sie auch im Außenverhältnis gegenüber der Finanzbehörde die Schenkungsteuer dergestalt übernehmen sollte, dass diese gegen sie festgesetzt werden sollte.
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Beschwerde nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.