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Die Festsetzungen der Gewerbesteuermessbeträge für 2013 für 2014 vom, jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung, werden dahingehend geändert, dass im Rahmen der Kürzungen zusätzlich eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG um ein Drittel des Gewinnes aus Gewerbebetrieb vorgenommen wird.
Die Berechnung der geänderten Messbeträge wird dem Beklagten übertragen
(§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 60 % und der Beklagte
zu 40 %.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin, eine GmbH & Co KG mit Firmensitz in Z-Stadt, ist Teil des in den Niederlanden beheimateten Konzerns. Der Ort der Geschäftsleitung war und ist in den Niederlanden in der Konzernzentrale. An der A-GmbH & Co KG waren die B-GmbH, Z-Stadt, als Komplementärin und die C-GmbH, Z-Stadt, als Kommanditistin beteiligt.
3Die Klage richtet sich gegen die Gewerbesteuermessbescheide für 2013 und 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.5.2018.
4Streitig ist, welcher Teil des erzielten Gewinnes der deutschen Gewerbesteuer unterliegt.
5Die Klägerin betrieb den Bau von Wohnungen auf eigenen und zu einem ganz geringen Teil auf fremden Grundstücken in Deutschland. Die ihr, der Klägerin, gehörenden Grundstücke wurden bebaut und veräußert und dabei erhebliche Gewinne erzielt. In Deutschland befanden sich jeweils die Baustellen sowie als Korrespondenzadresse der Sitz der Klägerin. Die Geschäftsleitung sowie die Projektierung mit dem dafür benötigten Personal befanden sich in den Niederlanden. Auf den Baustellen waren über die Zentrale in den Niederlanden verpflichtete Subunternehmer tätig. Die Klägerin war auf jeder Baustelle durch einen Polier und einen Bauleiter zur Leitung und Überwachung der Bauausführungen vertreten.
6Die angefochtenen Bescheide beruhen auf den Ergebnissen von Betriebsprüfungen für die Jahre bis 2012 (Teil-Prüfungsbericht und Bericht nach einem sog. Joint Audit mit der niederländischen Steuerbehörde) und für 2013 und 2014 (Teil-Prüfungsbericht). Danach waren Veräußerungsgewinne aus Bauprojekten auf eigenen Grundstücken in Deutschland in vollem Umfang der deutschen Besteuerung zu unterwerfen. Gewinne aus Bauprojekten auf fremden Grundstücken in Deutschland von weniger als 12 Monaten Dauer wurden der niederländischen Besteuerung zugeordnet. Bezüglich der Gewinne aus Bauprojekten auf fremden Grundstücken mit einer Bauzeit von länger als 12 Monaten hatte man sich mit der niederländischen Steuerbehörde zunächst auf eine hälftige Zurechnung zu den beteiligten Fiski verständigt. Ab 1.4.2011 änderte man einverständlich die letztgenannte Zurechnung im Hinblick auf den Projektierungsaufwand in den Niederlanden auf ein Verhältnis von 20 % (Deutschland) zu 80 % (Niederlande). Bis 2012 kam es in Folge der Gewinnverteilung für diese drei Fallgruppen zu einer Besteuerung von mehr als 90 % der gesamten Gewinne in Deutschland.
7Dementsprechend verfuhr man bzgl. der Gewinne für Zwecke der Gewerbesteuer. Hinsichtlich der inländischen Zerlegung (Betriebsstätten im Inland) wurden besondere Feststellungen getroffen. Es wurde abweichend von § 29 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nach Projektumsätzen bzw. -gewinnen zerlegt und nicht nach der Zahl der Arbeitnehmer. Der Prüfungsbericht für die Jahre 2013 und 2014 hielt fest, dass sich für die Gewerbesteuer im Ergebnis hinsichtlich der Gewinnzurechnung keine Besonderheiten ergäben.
8Die Klägerin vertritt die Auffassung,
9a) dass sie keinen stehenden Gewerbebetrieb i.S.v. § 2 GewStG in Deutschland unterhalten habe. Eine Betriebsstätte habe es nur in den Niederlanden am Ort der Geschäftsleitung gegeben. Sie selbst mit Sitz in Z-Stadt sei nur Korrespondenzadresse gewesen.
10b) Zumindest die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG greife ein.
11c) In Anlehnung an die gefundene Verständigung zu Bauprojekten auf fremden Grundstücken von länger als 12 Monaten sei der Geschäftsleitung bzw. Projektierung in den Niederlanden 80 % des gesamten Gewinnes zuzurechnen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Gewerbesteuermessbescheide für 2013 und 2014 in der Gestalt des Änderungsbescheids sowie für Gewerbesteuermessbescheid 2014, jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung mit der Maßgabe abzuändern, dass der jeweilige Gewerbesteuermessbetrag auf 20 % des bisher ausgewiesenen Betrags reduziert wird.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen,
16hilfsweise, die Revision zuzulassen.
17Er meint,
18dass die Klägerin im Inland Baubetriebsstätten unterhalten habe, deren Erlöse der Gewerbesteuer unterliegen. Das deutsche Besteuerungsrecht ergebe sich aus Art. 4 des Doppelbesteuerungsabkommens mit den Niederlanden vom 16.6.1959, Bundesgesetzblatt II 1960, 1781 (nachfolgend: DBA NL), welches bis zum 31.12.2015 gegolten habe. Aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 dd) i.V.m. Art. 5 Abs. 2 DBA NL folge das Besteuerungsrecht für Bauausführungen von länger als 12 Monaten. Eine Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG sei nicht vorzunehmen. Auch bei nur beschränkter deutscher Steuerpflicht würden die entsprechenden Gewinne gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a, f des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfasst werden und unterlägen der inländischen Gewerbesteuerpflicht.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Klage ist zum Teil begründet. Die Gewinne der Streitjahre sind nach Maßgabe des § 9 Nr. 3 GewStG um ein Drittel zu kürzen und dementsprechend die Gewerbesteuermessbeträge zu mindern.
211. Nach § 9 Nr. 3 GewStG wird die Summe des Gewinnes und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrages gekürzt, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt.
22Die Vorschrift setzt im Inland gewerbesteuerpflichtige Gewinne voraus. Für die Erzielung im Inland der Gewerbesteuer unterliegender Gewinne ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG maßgebend, dass im Inland Betriebsstätten unterhalten werden, die die Wertschöpfung bewirken. Die hier in Rede stehenden Baustellen der Klägerin stellen bereits auf Grund der Dauer ihres Bestehens von länger als 6 Monaten Betriebsstätten in diesem Sinne dar (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO). Da die Bauausführungen auf eigenen Grundstücken der Klägerin erfolgten --nur um diese „Fallgruppe“ streiten die Beteiligten-- waren sie außerdem bereits gem. § 12 Satz 1 AO („feste Geschäftseinrichtung oder Anlage“) als Betriebsstätten zu qualifizieren, obgleich es sich letztlich um Umlaufvermögen des gewerblichen Grundstückshandels der Klägerin handelte. Die Klägerin unterhielt zusätzlich eine Betriebsstätte in den Niederlanden in Gestalt ihrer Geschäftsleitung (§ 12 Satz 2 Nr. 1 und § 10 AO; BFH Urteil vom 9.7.2003 I R 4/02, BFH/NV 2004, 83: Ein Teil des von einem Unternehmen erzielten Gewinns muss regelmäßig der Geschäftsleitungs-Betriebsstätte zugerechnet werden).
232. Der danach bestehenden Anknüpfung der Gewerbesteuerpflicht an die inländischen Betriebsstätten steht das DBA NL nicht entgegen. Das DBA NL befasst sich ausweislich des Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 e) allerdings auch mit der Gewerbesteuer. Es handelt sich abkommensrechtlich um eine deutsche Sondersteuer (vgl. Engers/Stevens in Wassermeyer Kommentar zum DBA NL 2012 zu Art. 4 Rz. 11).
24Wie auch andere DBA knüpfte auch das DBA NL die Steuerpflicht grundsätzlich an den „Wohnsitz“. Für juristische Personen, als solche definierte Art. 1 Nr. 1 DBA NL auch Personenvereinigungen wie die Klägerin, galt als Wohnsitz der Ort der Geschäftsleitung (Art. 3 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 DBA NL). Demzufolge wären die Niederlande als Wohnsitzstaat befugt, die Besteuerung vorzunehmen. Jedoch wies Art. 5 Abs. 1 bis 3 DBA NL für im Inland befindliche Betriebsstätten Deutschland das Besteuerungsrecht zu. Der Begriff „Betriebsstätte“ wurde in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 DBA NL im Ergebnis wie in § 12 AO beschrieben, mit der Ausnahme, dass die Dauer von Bauausführungen einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten überschreiten musste, um als Betriebsstätte zu gelten. Folglich waren auch nach dem DBA die inländischen Baustellen der Klägerin auf eigenen Grundstücken Betriebsstätten der Klägerin und gestatteten die inländische Besteuerung der Betriebsstättengewinne. Zum gleichen Ergebnis führte die Regelung in Art. 4 Abs. 1 DBA NL im Hinblick auf Einkünfte aus Immobilien, wozu auch die Veräußerung von Grundstücken gehörte (Art. 4 Abs. 2 DBA NL). Diese Norm bezog in ihrem Absatz 3 ausdrücklich Grundstücke ein, die zu einem gewerblichem Betriebsvermögen gehören und wies das Besteuerungsrecht dem Belegenheitsstaat (hier: Deutschland) zu (Engers/Stevens in Wassermeyer Kommentar zum DBA NL 2012 zu Art. 6 Rz. 26: „Vorrang vor dem Betriebsstättenprinzip“), und zwar ohne eine Einschränkung, die eine „Zerlegung“ o.ä. ermöglichen oder nahelegen würde. In der Weise wurden bisher die Gewinne aus eigenen Grundstücken der Klägerin durch den Beklagten behandelt.
25Die demgemäß zulässige inländische Besteuerung ist national im Gewerbesteuergesetz geregelt. Dabei ist zu beachten, dass die Zuweisung „Besteuerungsrechts“ zu einem Vertragsstaat durch das DBA keine Besteuerungspflicht dieses Vertragsstaats nach sich zieht, weder grundsätzlich noch im Hinblick auf detaillierte inländische Besteuerungsmerkmale. Die Ausgestaltung der Besteuerung obliegt einzig innerstaatlichem Recht, soweit das DBA keine Einschränkung vorgibt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber durch höherrangiges Recht ohnehin dazu gezwungen war, jedenfalls hat er mit § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG eine innerstattliche Regelung geschaffen, wonach das Steuersubstrat auf In- und Ausland verteilt wird und ähnlich der inländischen Gewerbesteuerzerlegung das Betriebsstättenprinzip konsequent weiterverfolgt wird.
263. Daher ist der Klägerin darin zu folgen, dass hier ein Teil der Gewinne auch der niederländischen Geschäftsleitungs-Betriebsstätte zuzurechnen und die Summe des Gewinnes und der Hinzurechnungen um diesen Gewinnanteil zu kürzen ist. Der auf eine ausländische Betriebsstätte "-entfallende -" Gewerbeertrag ist derjenige Teil des gesamten Gewerbeertrags, der im Rahmen des Gesamtunternehmens durch die in der ausländischen Betriebsstätte ausgeübte oder ihr zuzurechnende unternehmerische Betätigung erzielt worden ist (z.B. BFH Urteil vom 21.4.1971 I R 200/67, Bundessteuerblatt – BStBl - II 1971, 743). Jedoch kann nicht unbesehen die im Rahmen eines „Joint Audits“ gefundene Aufteilung für Baustellen der Klägerin von mehr als 12 Monaten Dauer auf „fremden“ Grundstücken übernommen werden. Denn die Zuweisung von 80 % der Gewinne aus der Bebauung und Veräußerung „eigener“ Wohngrundstücke zu der Geschäftsleitungs-Betriebsstätte ist für Gewerbesteuerzwecke nicht sachgerecht.
27Das Joint Audit kann diesbezüglich keine verbindliche Festlegung der Beteiligten bedeuten. Es ist lediglich eine gemeinsame Außenprüfung der Finanzverwaltungen der teilnehmenden Staaten (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF- 9.1.2017, - BStBl I 2017, 89; Haverkamp in Internationales Steuerrecht –IStR- 2020, 64; Finanzgericht –FG- Köln Urteil vom 12.9.2018 2 K 814/18, Deutsche Steuerrechskartei –DStRK- 2019, 175), bei der Vereinbarungen zwischen den Prüfungsdiensten keine Verbindlichkeit gegenüber den beteiligten Steuerpflichtigen beanspruchen können, wenn nicht –wie bei reinen Inlandsprüfungen- z.B. tatsächliche Verständigungen getroffen werden.
28Als Maßstab ist andererseits auch die für inländische Zerlegungszwecke gewählte Methode nicht tauglich, da die Zerlegung dort ausschließlich zwischen im Prinzip gleichartigen Baustellen erfolgt. Die Zurechnung zur Geschäfts- bzw. Projektleitung lässt sich nicht gleichermaßen schematisieren.
29Bei der Zuordnungsentscheidung ist der Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer zu berücksichtigen. Die Objekte der Wertschöpfung befanden sich im Inland, was bereits dafür spricht, der Geschäftsleitung nur einen geringeren Teil des Gewinnes zuzuordnen. Die Tatsache, dass sich die Klägerin Subunternehmer bediente, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf den Baustellen mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern (vgl. Gedanke des § 29 GewStG) die ganz überwiegende Arbeit geleistet wurde. Der Einsatz von Subunternehmern verleiht überdies der örtlichen Bauüberwachung durch den Bauleiter und den Polier besonderes Gewicht, da nur dadurch die angestrebte Qualität der Bauten gewährleistet werden konnte. Demgegenüber ist der am Leitungsort zu leistende planerische Aufwand eher geringer einzuschätzen, zumal es sich bei dem Wohnungsbau, wie eingeräumt wurde, ganz überwiegend um weitgehend standardisierte Bauten handelte. Nicht zuletzt ist der Umstand, dass von den Gewinnen ein Teil allein auf die zwischenzeitliche Wertsteigerung des Grund und Bodens entfallen dürfte, im Sinne einer überwiegenden Zuordnung zu den inländischen Betriebsstätten zu werten.
30Danach waren zum einen ein nicht zu beziffernder Wertzuwachs des eigenen Grundstücks sowie der Errichtungsanteil, also der Anteil der Erstellung des Bauwerkes, sowie drittens der Projektierungsanteil unter Berücksichtigung der Akquisitions-, Vertriebs- und Finanzierungskosten, die allerdings teilweise auch im Inland entstanden sind, zu gewichten.
31Mangels konkreter weiterer Anhaltspunkte sieht sich der Senat nach alledem zu einer Schätzung des auf die niederländische Betriebsstätte entfallenden Gewinnes i.H.v. einem Drittel der erzielten Gewinne veranlasst. Bei dieser Schätzung soll mit berücksichtigt sein, dass in den Gewinnen ein ganz geringer Anteil enthalten ist, der bereits eine Kürzung um 80 % auf Grund der vorerwähnten Vereinbarung erfahren hat.
32Der vom Beklagten erwähnte § 1 Abs. 5 Außensteuergesetz (AStG), der sich mit der Bewertung von Verrechnungspreisen auseinandersetzt, nennt zwar einzelne bei einer Betriebsstättenbetrachtung zu beachtenden Punkte, enthält aber insgesamt keinen geeigneten Maßstab für die hier faktisch vorzunehmende „Zerlegung“.
334. Die durch den Betriebsprüfer des Beklagten in der mündlichen Verhandlung besonders hervorgehobene Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) und f) EStG bestimmt für die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger, dass diese mit den dort genannten inländischen Gewinnen steuerpflichtig sind. Es ist nicht erkennbar, inwieweit daraus Folgerungen hinsichtlich der in dem Gewerbesteuergesetz getroffenen Kürzungsentscheidung zu ziehen wären. Allenfalls könnte aus dieser Vorschrift zu folgern sein, dass der Gewinn bereits auf der Gewinnermittlungsebene um den auf ausländische Betriebsstätten entfallenden Anteil zu kürzen ist. Im Ergebnis würde dies jedenfalls nichts daran ändern, dass nur ein gekürzter Gewinn der deutschen Gewerbesteuer zu unterwerfen ist.
345. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zuglassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-).
356. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.