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Die Steueranmeldung vom 19. Februar 2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2019 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Der Kläger ist Hobbybrauer. Er ist Mitglied des K. e.V., der ... in dem Zeitraum vom 0. bis zum 0. 0.0000 eine Veranstaltung B. veranstaltete. Hierbei handelte es sich um eine Veranstaltung, auf der Hobbybrauer das von ihnen hergestellte Bier vorstellen und Erfahrungen austauschen konnten. Im Rahmen der Veranstaltung bot sich die Möglichkeit, das von den Teilnehmern hergestellte Bier unentgeltlich zu probieren. Ferner wurden unter anderem Seminare und Vorträge ... angeboten und das beliebteste Bier zur Verkostung vorgestellt. An der Veranstaltung interessierte Personen konnten auf der Internetseite des K. e.V. ein Eintrittsticket erwerben, das zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigte.
3Das beklagte Hauptzollamt gab dem Kläger mit Verfügung vom 5. Oktober 2018 auf, die Teilnehmer als Veranstalter darauf hinzuweisen, dass sie das von ihnen für die Veranstaltung hergestellte Bier zuvor bei dem für sie zuständigen Hauptzollamt zur Versteuerung anzumelden hätten.
4Demgemäß gab der Kläger am 19. Februar 2019 beim beklagten Hauptzollamt eine Steueranmeldung für 0,015 hl von ihm hergestelltes Bier ab, das von den Teilnehmern ... probiert werden sollte.
5Der Kläger legte Einspruch gegen die Steueranmeldung ein. Er trug vor: Das von ihm zum Probieren durch andere Hobbybrauer hergestellte Bier sei nach § 41 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Biersteuergesetzes (BierStV) steuerfrei. Die Steueranmeldung sei danach bereits rechtswidrig, soweit er das von ihm hergestellte Bier während der Veranstaltung selbst getrunken oder wieder mit nach Hause genommen habe. Soweit das Bier während der Veranstaltung von anderen Hobbybrauern probiert worden sei, sei es von seinen Gästen verbraucht worden. Dies sei nach Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG (Richtlinie 92/83/EWG) des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. EG Nr. L 316/21) erlaubt. Die anderen Hobbybrauer seien seine Gäste gewesen, die er unentgeltlich bewirtet habe. § 41 Abs. 1 Satz 1 BierStV lasse den Verbrauch durch eine andere Person als den Hobbybrauer zu, weil andernfalls das Tatbestandsmerkmal, dass das Bier nicht verkauft werden dürfe, überflüssig wäre.
6Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 12. September 2019 als unbegründet zurück und führte aus: Das von dem Kläger zum Probieren durch andere Hobbybrauer hergestellte Bier sei nicht nach § 41 Abs. 1 Satz 1 BierStV steuerfrei. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG berufen. Die dort genannte Bewirtung von Gästen könne nur dahin zu verstehen sein, dass diese im Rahmen einer Feier oder ähnlichen Zusammenkunft im privaten Bereich und nicht im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung stattfinden müsse. Im Streitfall habe es sich nicht um eine private Veranstaltung gehandelt, bei der die Gäste unentgeltlich bewirtet worden seien. Vielmehr habe es sich um eine öffentliche Veranstaltung gehandelt, an der interessierte Personen erst nach dem Erwerb eines Eintrittstickets hätten teilnehmen können. Die Teilnehmer der Veranstaltung könnten deshalb nicht als private Gäste des Klägers angesehen werden, die das von ihm hergestellte Bier unentgeltlich probiert hätten. Die Einspruchsentscheidung wurde am Freitag, dem 13. September 2019 zur Post gegeben.
7Der Kläger hat am Montag, dem 21. Oktober 2019 Klage erhoben. Er trägt vor: Die Einspruchsentscheidung sei seinem Prozessbevollmächtigten am 19. September 2019 „zugestellt“ worden. Sein Prozessbevollmächtigter habe die Einspruchsentscheidung erst am Donnerstag, dem 19. September 2019 in dem Briefkasten seiner Kanzlei vorgefunden, obwohl dieser täglich bis auf samstags und sonntags, montags sogar zweimal, geleert worden sei. Da die Büroleiterin seines Prozessbevollmächtigten in dem Zeitraum vom 16. bis zum 27. September 2019 urlaubsabwesend gewesen sei, habe sein Prozessbevollmächtigter selbst den Posteingang an dem 19. September 2019 erfasst und mit einem Eingangsstempel vom 19. September 2019 versehen. Die Erfassung der Klagefrist habe die Büroleiterin nach ihrer Rückkehr aus ihrem Urlaub am 30. September 2019 nachgeholt.
8Der Kläger hat eine Kopie der Einspruchsentscheidung übersandt, die einen Eingangsstempel der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten vom 19. September 2019 mit einem handschriftlichen Vermerk aufweist (Bl. 24 GA). Ferner enthält die Kopie der Rechtsbehelfsbelehrung zur Einspruchsentscheidung eine handschriftliche Notiz folgenden Inhalts: „19.10. (Sa) → 21.10.19 ...“.
9Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Fristenkontrollbeleg übersandt, der hinsichtlich der vorliegenden Klage die Eintragungen enthält: „Fristablauf: 21.10.19 Bearbeiter RA ... Prüfvermerk betr. Fristenberechnung: Datum: 30.9.19 Zeichen: ...“ (Bl. 93 GA).
10Der Kläger trägt mit seiner Klage ferner vor: § 41 Abs. 1 Satz 1 BierStV müsse richtlinienkonform ausgelegt werden. Die anderen Hobbybrauer, die an der B. teilgenommen und das von ihm hergestellte Bier unentgeltlich probiert hätten, seien seine Gäste gewesen. Er habe die anderen Hobbybrauer eingeladen und sie mit dem von ihm hergestellten Bier bewirtet. Nach Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG komme es auch hinsichtlich der Person, die das Bier gebraut habe, und deren Familienangehörigen nicht darauf an, ob das Bier im privaten Bereich und aus einem bestimmten Anlass wie etwa einer Feier verbraucht werde. Der eigene Verbrauch müsse deshalb nicht in einem privaten Umfeld oder im eigenen Haushalt stattfinden. Entscheidend sei vielmehr, dass das Bier nicht verkauft werde. Das sei hier nicht geschehen, weil keine Verknüpfung des Eintrittspreises für die Teilnahme an der Veranstaltung mit den angebotenen Bierproben bestanden habe. Das Entgelt sei für die Teilnahme an der Veranstaltung erhoben worden. Mit der Teilnahme an der Veranstaltung sei weder eine Pflicht der Teilnehmer verbunden gewesen, selbst hergestelltes Bier mitzubringen und zum Verkosten zur Verfügung zu stellen, noch habe ein Recht der Teilnehmer bestanden, selbst hergestelltes Bier anderer Teilnehmer probieren zu können. Vielmehr habe nur die Möglichkeit bestanden, selbst hergestelltes Bier zu trinken, probieren und beurteilen zu lassen.
11Der Kläger beantragt,
12die Steueranmeldung vom 19. Februar 2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2019 aufzuheben.
13Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung trägt es vor: Von Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG würden nur Bierverkostungen erfasst, die vollkommen unentgeltlich seien. Andernfalls könne die Steuerpflicht dadurch umgangen werden, dass Bier im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung mit hohen Eintrittspreisen kostenlos angeboten werde. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des K. e.V. würden die Teilnehmer der Veranstaltung als Kunden und nicht als Gäste bezeichnet. An diese sei das Bier nicht vollkommen unentgeltlich abgegeben worden.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist zulässig.
18Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Ein schriftlicher Verwaltungsakt gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
19Die Behörde kann den Tag der Aufgabe eines schriftlichen Verwaltungsakts zur Post durch einen Absendevermerk nachweisen (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 52/07, BFH/NV 2010, 824). Im Streitfall ergibt sich der Tag der Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post aus einem Absendevermerk auf Seite 1 der in der Akte des beklagten Finanzamts abgehefteten Entscheidung (dort Bl. 40 d.A.). Danach ist die Entscheidung am 13. September 2019 zur Post gegeben worden. Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt die Einspruchsentscheidung daher dem Prozessbevollmächtigen des Klägers an sich als am Montag, dem 16. September 2019 bekannt gegeben. Nach Überzeugung des Senats bestehen jedoch durchgreifende Zweifel an einem Zugang der Einspruchsentscheidung bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits am 16. September 2019.
20Bestreitet ein Steuerpflichtiger nicht den Zugang des Verwaltungsakts, sondern den Erhalt innerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, so hat er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen. Er muss Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Auf die Beweislastregel des § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO kann erst dann zurückgegriffen werden, wenn trotz erfolgter Sachaufklärung noch Zweifel am gesetzlich vermuteten Zugang eines Bescheids verbleiben (BFH, Beschluss vom 5. August 2011 III B 76/11, BFH/NV 2011, 1845). Zweifel an der Dreitagesvermutung können nicht schon durch allgemeine Ausführungen zu längeren Postlaufzeiten begründet werden (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Juli 2011 III S 4/11, BFH/NV 2011, 1717). Daher reicht der Hinweis des Klägers auf das Unterbleiben der Zustellung von Postsendungen an einem Montag in der Straße in G., in der sich die Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten befindet, allein nicht aus, um Zweifel an dem Zugang der Einspruchsentscheidung am 16. September 2019 begründen zu können. Auch der von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers angebrachte Eingangsstempel auf der Einspruchsentscheidung („19. Sep. 2019“) ist als solcher noch nicht geeignet, Zweifel an dem Zugang der Einspruchsentscheidung bereits am 16. September 2019 zu begründen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 30. November 2006 XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389; vom 5. August 2011 III B 76/11, BFH/NV 2011, 1845).
21Gleichwohl hat der Kläger Tatsachen vorgetragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Bereits die von dem Kläger übersandte Kopie der Einspruchsentscheidung enthält eine offenbar von seinem Prozessbevollmächtigten angebrachte handschriftliche Verfügung, nach der diesem die Entscheidung nochmals mit der Akte vorzulegen sei („Vorl. m.A.“). Ferner enthält die Rechtsbehelfsbelehrung zur Einspruchsentscheidung die handschriftliche Notiz folgenden Inhalts: „19.10. (Sa) → 21.10.19 ..“. Schon hieraus ist zu erkennen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers offenbar unmittelbar nach Zugang der Einspruchsentscheidung den Ablauf der Klagefrist ermittelt und notiert hat. Die Berechnung und Eintragung der Klagefrist stimmt mit den Eintragungen in dem übersandten Fristenkontrollbeleg überein (Bl. 93 GA).
22Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat zudem an Eides statt versichert, die Einspruchsentscheidung erst am Donnerstag, dem 19. September 2019 in dem Briefkasten seiner Kanzlei vorgefunden zu haben, obwohl dieser täglich bis auf samstags und sonntags, montags sogar zweimal, geleert worden sei. Da die Büroleiterin des Prozessbevollmächtigten des Klägers in dem Zeitraum vom 16. bis zum 27. September 2019 urlaubsabwesend gewesen sei, habe der Prozessbevollmächtigte selbst den Posteingang an dem 19. September 2019 erfasst und mit einem Eingangsstempel vom 19. September 2019 versehen. Die Erfassung der Klagefrist habe die Büroleiterin nach ihrer Rückkehr aus ihrem Urlaub am 30. September 2019 nachgeholt. Auch dies stimmt mit der Eintragung auf dem Fristenkontrollbeleg vom 30. September 2019 (Bl. 93 GA) überein. Wie dieser Fristenkontrollbeleg erkennen lässt, hat die Büroleiterin offenbar auch die Eintragung der Registrierung der Klagefrist unter der Rechtsbehelfsbelehrung zur Einspruchsentscheidung vorgenommen („...“).
23Überdies hat das beklagte Hauptzollamt den verspäteten Zugang der Einspruchsentscheidung bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erst am 19. September 2019 nicht bestritten. Dies haben die Vertreter des beklagten Hauptzollamts nochmals in der mündlichen Verhandlung bekräftigt.
24Die Klage ist auch begründet. Die Steueranmeldung vom 19. Februar 2019, die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 Satz 1 AO), in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Steuer ist zu Unrecht gegen den Kläger festgesetzt worden.
25Nach § 14 Abs. 1 des Biersteuergesetzes (BierStG) entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung des Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr, es sei denn, es schließt sich eine Steuerbefreiung an. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 BierStG stellt unter anderem die Herstellung von Bier ohne Erlaubnis nach § 5 BierStG eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr dar. Steuerschuldner ist in diesen Fällen unter anderem der Hersteller des Biers (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BierStG).
26Der Kläger hatte zwar keine Erlaubnis für die Herstellung des fraglichen Bieres. Das von ihm hergestellte Bier ist jedoch nach § 29 Abs. 2 BierStG i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 1 BierStV steuerfrei. Nach der letztgenannten Vorschrift ist Bier, das von Haus- und Hobbybrauern in ihren Haushalten ausschließlich zum eigenen Verbrauch hergestellt und nicht verkauft wird, bis zu einer Menge von 2 hl je Kalenderjahr von der Steuer befreit. Der Kläger hat das von den anderen Teilnehmern getrunkene Bier ausschließlich zum eigenen Verbrauch hergestellt. Er hat das Bier auch nicht verkauft.
27Der Wortlaut des § 41 Abs. 1 Satz 1 BierStV könnte zwar dafür sprechen, dass nur das von dem Hobbybrauer in eigener Person verbrauchte Bier von der Steuer befreit ist. Dem steht allerdings Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG entgegen. Danach können die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der von ihnen zur einfacheren Anwendung der Steuerbefreiung festgelegten Modalitäten das von einer Privatperson gebraute Bier, das von dieser Person, von ihren Familienangehörigen oder ihren Gästen verbraucht wird, von der Verbrauchsteuer befreien, sofern dabei kein Verkauf stattfindet.
28Vor dem Hintergrund des Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG ist § 41 Abs. 1 Satz 1 BierStV richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass von dieser Steuerbefreiung nicht nur das von einem Hobbybrauer in eigener Person verbrauchte Bier, sondern auch das von seinen Familienangehörigen und seinen Gästen verbrauchte Bier erfasst wird (vgl. zum Gebot richtlinienkonformer Auslegung einzelstaatlichen Rechts etwa Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH –, Urteil vom 10. Oktober 2013 Rs. C-306/12, ECLI:EU:C:2013:650 Randnr. 29 f.). Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber (§ 29 Abs. 2 BierStG) und der deutsche Verordnungsgeber (§ 41 Abs. 1 Satz 1 BierStV) Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG bezüglich der Personen, die das von einem Hobbybrauer hergestellte Bier steuerfrei verbrauchen dürfen, nur teilweise umsetzen wollten. Eine entsprechende Regelung enthielt bereits § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Biersteuergesetzes vom 24. August 1994 (BGBl. I, 2191). Zudem handelt es sich bei Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG zwar um eine fakultative Steuerbefreiung. Gleichwohl eröffnet diese Richtlinienbestimmung den Mitgliedstaaten nicht die Befugnis, den Kreis der Personen, die das von einem Hobbybrauer hergestellte Bier steuerfrei verbrauchen dürfen, abweichend zu bestimmen. Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG vermittelt daher kein Wahlrecht der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der fakultativen Steuerbefreiung, auf das sich der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber berufen könnte (vgl. auch EuGH, Urteile vom 19. November 1992 Rs. C-6/90 und C-9/90, Slg. 1990, I-5357 Randnr. 21 sowie vom 14. Juli 2005 Rs. C-142/04, Slg. 2005, I-7181 Randnr. 35).
29Nach Überzeugung des Senats sind die anderen Hobbybrauer, die an der B. teilgenommen und das von dem Kläger hergestellte Bier probiert haben, als dessen Gäste im Sinne des Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG anzusehen. Der Wortlaut der Bestimmung enthält keinen näheren Hinweis darauf, welche Personen Gäste sein können. Nach dem Wortlaut der Regelung kommt es nur darauf an, dass es sich um die Gäste der Person handelt, die das Bier gebraut hat. Dem 9. Erwägungsgrund zur Richtlinie 92/83/EWG, der zur Auslegung herangezogen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 10. April 2014 Rs. C-115/13, ECLI:EU:C:2014:253 Randnr. 34), kann entnommen werden, dass eine Steuerbefreiung unter anderem für Bier vorgesehen werden sollte, das für den Eigenverbrauch und nicht zu gewerblichen Zwecken hergestellt worden ist. Es kommt für die Steuerbefreiung daher entscheidend darauf an, dass das Bier nicht zu gewerblichen Zwecken hergestellt und nicht verkauft wird. Demgegenüber lässt sich weder Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG noch dem 9. Erwägungsgrund zur dieser Richtlinie eine Einschränkung der vorgesehenen fakultativen Steuerbefreiung des Inhalts entnehmen, dass der Verbrauch des von der Privatperson hergestellten Biers nur im privaten Bereich – wie etwa in einer Wohnung der Privatperson – und aus einem privaten Anlass stattfinden darf. Denn auch für die Steuerbefreiung des Verbrauchs des Biers durch die Privatperson selbst oder deren Familienangehörige kommt es nicht darauf an, wo dieser Verbrauch stattfindet.
30Der Kläger hat das von ihm hergestellte und von den anderen Teilnehmern der Veranstaltung probierte Bier nicht verkauft, wie dies sowohl § 41 Abs. 1 Satz 1 BierStV als auch Art. 6 der Richtlinie 92/83/EWG erfordern. Nicht befreit von der Verbrauchsteuer ist das zu gewerblichen Zwecken hergestellte Bier (9. Erwägungsgrund zur Richtlinie 92/83/EWG). Unstreitig haben die anderen Teilnehmer der Veranstaltung für das von ihnen probierte Bier an den Kläger kein Entgelt entrichtet. Der Kläger hat das Bier den anderen Teilnehmern der Veranstaltung unentgeltlich zum Probieren angeboten. Soweit die Vertreter des beklagten Hauptzollamts in der mündlichen Verhandlung behauptet haben, im Internet seien Abbildungen mit Bierflaschen und Preisschildern ersichtlich gewesen, ist nicht erkennbar, dass es sich hierbei um das von dem Kläger hergestellte und bei der B. zum Probieren angebotene Bier gehandelt hat. Das beklagte Hauptzollamt hat keine gegenteiligen Feststellungen getroffen, sondern im Gegenteil in seiner Einspruchsentscheidung auf Seite 3 ausgeführt, dass der Kläger das von ihm hergestellte Bier anderen Hobbybrauern unentgeltlich angeboten habe. Dies entspricht dem Vortrag des beklagten Hauptzollamts im Klageverfahren (Seite 3 seines Schriftsatzes vom 9. November 2020, Bl. 51 GA).
31Anders als das beklagte Hauptzollamt meint, hat der Kläger das von ihm hergestellte und unentgeltlich zum Probieren angebotene Bier nicht deshalb verkauft, weil für die Teilnahme an der Veranstaltung B. ein Eintrittsgeld zu entrichten war. Das Eintrittsgeld war nur für die Teilnahme an der Veranstaltung zu zahlen, nicht jedoch für das unter anderem von dem Kläger hergestellte Bier. Auf der Veranstaltung wurden zudem nicht ausschließlich nur die von den Hobbybrauern hergestellten Biere probiert. Vielmehr wurden dort unter anderem auch Seminare und Vorträge ... angeboten und das beliebteste Bier zur Verkostung vorgestellt. Das Eintrittsgeld stellte daher eine Gegenleistung für eine Vielzahl von Leistungen dar. Die Zahlung des Eintrittsgeldes begründete auch keinen Anspruch der Teilnehmer auf das Trinken einer bestimmten Menge Bier. Das Eintrittsgeld war überdies nicht an den Kläger oder die anderen Teilnehmer der Veranstaltung zu zahlen, die das von ihnen hergestellte Bier zum Probieren angeboten haben. Vielmehr war das Eintrittsgeld an den K. e.V. zu zahlen. Daher handelte es sich bei den Teilnehmern der Veranstaltung um Kunden der K. e.V. und nicht um Kunden des Klägers.
32Dem beklagten Hauptzollamt mag einzuräumen sein, dass die unentgeltliche Abgabe des von Privatpersonen hergestellten Biers auf einer Veranstaltung, an der nur gegen Entrichtung eines hohen Eintrittspreises teilgenommen werden kann, die Möglichkeit eröffnen könnte, die Verbrauchsteuerpflicht zu umgehen. Hiervon kann im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden. Den Teilnehmern der Veranstaltung wurden – wie dargelegt – nicht nur die Möglichkeit zum Probieren des von Privatpersonen hergestellten Biers sondern auch weitere Leistungen angeboten. Darüber hinaus ist es hinsichtlich der in Frage stehenden Menge von 0,015 hl Bier nicht erkennbar, dass die unentgeltliche Abgabe dieses Biers der Umgehung der Verbrauchsteuerpflicht diente. Für den Kläger als Teilnehmer der Veranstaltung bot sich überdies die Möglichkeit, auch das von anderen Teilnehmern hergestellte Bier unentgeltlich zu probieren.
33Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.