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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist die Höhe der Anrechnung ausländischer (niederländischer) Steuer nach § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
3Die Kläger sind Erben nach der am 04.10.2018 verstorbenen C. U. (nachfolgend: Ehefrau). Diese war bis zu ihrem Tod mit dem Kläger zu 1. (nachfolgend: Ehemann, zusammen mit der Ehefrau: Eheleute) verheiratet. Im Streitjahr 2017 erzielte der Ehemann neben inländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb, inländische Einkünften aus selbständiger Arbeit, inländische sowie niederländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und inländische sowie niederländische Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Ehefrau erzielte inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und niederländische Kapitaleinkünfte.
4Die niederländischen Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit des Ehemanns betrugen im Streitjahr insgesamt 93.782 Euro. Sie setzten sich aus Pensionseinnahmen in Höhe von 36.078 Euro und Einnahmen aus aktiver Tätigkeit als Geschäftsführer in Höhe von 57.704 Euro zusammen. In Bezug auf die Pensionseinnahmen zahlte der Ehemann im Streitjahr niederländische Einkommensteuer in Höhe von 13.867 Euro. An niederländischen Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielten die Eheleute jeweils 25.700 Euro. Zudem erzielte der Ehemann noch inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen (Erstattungszinsen des Finanzamtes) in Höhe von 322 Euro.
5Am 14.12.2018 reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung für 2017 der Eheleute beim Beklagten ein und beantragten für die Kapitaleinkünfte der Eheleute jeweils die Günstigerprüfung und die Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge. Zudem wurde die Anrechnung der in den Niederlanden gezahlten Steuer auf die nichtselbständigen Einkünfte in Höhe von 13.867 Euro beantragt. Nach einer der Steuererklärung beigefügten Anlage belaufe sich die anrechenbare Steuer nach § 34c Abs. 1 EStG auf 1.354 Euro.
6Die Einkommensteuer für 2017 der Eheleute wurde mit Bescheid vom 22.11.2019 festgesetzt. Der Steuerfestsetzung legte der Beklagte ein zu versteuerndes Einkommen (inkl. der ausländischen Einkünfte der Eheleute aus Kapitalvermögen in Höhe von 50.120 Euro) in Höhe von 54.226 Euro zugrunde. Im Rahmen der Berechnung des Steuersatzes wurden gemäß § 32b EStG im Inland steuerfreie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 18.704 Euro berücksichtigt. Auf die berechnete tarifliche Einkommensteuer in Höhe von 11.200 Euro rechnete der Beklagte insgesamt niederländische Steuern in Höhe von 7.864 Euro (7.710 Euro niederländische Steuern auf Kapitaleinkünfte und 154 Euro niederländische Steuern auf Einkünfte, die nicht solche aus Kapitalvermögen sind) an. Nach Abzug weiterer Steuerermäßigungen setzte er die Einkommensteuer auf 1.247 Euro fest.
7Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führten Sie an, dass die aufgrund der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG in das zu versteuernde Einkommen einbezogenen Einkünfte aus Kapitalvermögen im Rahmen der Berechnung des für Zwecke der Steueranrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG maßgeblichen zu versteuernden Einkommens nach § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG rauszurechnen seien. Es ergebe sich ein für Zwecke des § 34c Abs. 1 EStG maßgebliches zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 4.106 Euro. Entsprechend dem Verhältnis der ausländischen Einkünfte multipliziert mit der tariflichen Einkommensteuer zum bereinigten zu versteuernden Einkommen ergebe sich eine anrechenbare ausländische Steuer für die niederländischen Pensionseinkünfte in Höhe von 1.354 Euro. Insgesamt seien 9.064 Euro (7.710 Euro niederländische Steuern auf Kapitaleinkünfte und 1.354 Euro niederländische Steuern auf Einkünfte, die nicht solche aus Kapitalvermögen sind) anzurechnen. Auch wenn die tatsächliche tarifliche Einkommensteuer auf die Pensionseinkünfte nur 154 Euro betrage, handele es sich hierbei lediglich um einen rechnerischen Zwischenschritt zur Ermittlung des durchschnittlichen Steuersatzes. Dieser betrage 3,75 %, sodass die tatsächliche deutsche Einkommensteuer auf die niederländischen Pensionseinkünfte (in Höhe von 36.078 Euro) 1.354 Euro betrage und insoweit die Obergrenze für die Steueranrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG begründe.
8Zum Einspruchsbegehren der Kläger nahm der Beklagte am 03.01.2020 und 13.08.2020 Stellung. Eine Korrektur des zu versteuernden Einkommens um die Kapitalerträge könne nicht erfolgen. Ausländische Kapitalertragsteuer könne im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG auf Grundlage des in § 32d Abs. 6 Satz 2 EStG enthaltenen Verweises auf § 32d Abs. 5 EStG nur bis zur Höhe des Mehrbetrags an tariflicher Einkommensteuer angerechnet werden, die sich aus der Einbeziehung der Kapitalerträge in die tarifliche Einkommensteuer ergebe. Die tarifliche Einkommensteuer betrage bei Hinzurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen 11.200 Euro. Ohne Hinzurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen betrage die tarifliche Einkommensteuer 154 Euro. Auf den Mehrbetrag in Höhe von 11.046 Euro sei die ausländische Kapitalertragsteuer in Höhe von 7.710 Euro in voller Höhe angerechnet worden. Die Anrechnung der niederländischen Einkommensteuer sei auf die tarifliche Einkommensteuer ohne Einbezug der Kapitaleinkünfte beschränkt und zutreffend in Höhe von 154 Euro berücksichtigt worden. Zudem finde § 34c Abs. 1 EStG keine Anwendung im Abgeltungsteuersystem, für welches der Gesetzgeber mit § 32d Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 EStG eigenständige Regelungen geschaffen habe, welche gegenüber § 34c Abs. 1 EStG vorrangig seien.
9Mit Einspruchsentscheidung vom 25.09.2020 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf seine im Rahmen des Einspruchsverfahrens mit Schreiben vom 03.01.2020 und 13.08.2020 dargelegte Rechtsauffassung.
10Dagegen haben die Kläger am 28.10.2020 Klage erhoben. Sie wiederholen die bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Argumente.
11Mit Bescheid vom 26.01.2021 ist der Einkommensteuerbescheid für 2017 aus nicht streitbefangenen Gründen geändert worden. Die bisher mit 0 € erfassten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind um 121 Euro erhöht worden. Entsprechend haben sich das zu versteuernde Einkommen auf 54.347 Euro, die berechnete tarifliche Einkommensteuer auf 11.236 Euro und die festgesetzte Einkommensteuer auf 1.275 Euro erhöht. Der Steuerabzug für ausländische Steuern hat sich entsprechend auf 7.872 Euro (7.710 Euro niederländische Steuern auf Kapitaleinkünfte und 162 Euro niederländische Steuern auf Einkünfte, die nicht solche aus Kapitalvermögen sind) erhöht.
12Die Kläger beantragen sinngemäß,
13den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 26.01.2021 dahingehend zu ändern, dass ausländische Steuern in Höhe von insgesamt 9.064 Euro (7.710 Euro niederländische Steuer auf Kapitaleinkünfte und 1.354 Euro niederländische Steuer auf Einkünfte, die nicht solche aus Kapitalvermögen sind) bei der Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer angerechnet werden.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt er an, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Anrechnung ausländischer Steuern eine formale Trennung der Einkünfte aus Kapitalvermögen von den übrigen Einkünften geschaffen habe. Der Gesetzeswortlaut verbiete eine Anrechnung ausländischer Steuern auf Kapitalerträge i.S. des § 32d Abs. 1 und 3 bis 6 EStG. Die Anrechnung ausländischer Steuern könne lediglich in Höhe der tariflichen Einkommensteuer erfolgen, die sich bei einem zu versteuernden Einkommen ohne Einbeziehung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 und 3 bis 6 EStG ergebe. Der Beklagte habe auch keine handschriftliche Berechnung der anrechenbaren Steuer vorgenommen. Vielmehr sei diese im automatisierten Verfahren auf Grundlage der durch die Kläger mitgeteilten Werte ermittelt worden.
17Das Gericht hat die Steuerakten zum Verfahren beigezogen. Auf den übersandten Verwaltungsvorgang und die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist unbegründet.
20I. Der Einkommensteuerbescheid vom 26.01.2021, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Recht hat der Beklagte bei der Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer für 2017 insgesamt niederländische Steuern in Höhe von 7.872 Euro angerechnet.
21Der Betrag von 7.872 Euro setzt sich zusammen aus – unstreitiger – anrechenbarer niederländischer Steuer auf Kapitalerträge nach § 32d Abs. 5 EStG in Höhe von 7.710 Euro und anrechenbarer niederländischer Steuer auf die übrigen Einkünfte, die nicht solche aus Kapitalvermögen sind, unter Beachtung des § 34c Abs.1 Sätze 2 bis 5 i.V.m. § 34c Abs. 6 EStG in Höhe von 162 Euro.
221. Gemäß § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG sind die Absätze 1 bis 3 des § 34c EStG nicht anzuwenden, wenn die ausländischen Einkünfte aus einem Staat stammen, mit dem ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) besteht. Diese Voraussetzung ist gegeben, da mit den Niederlanden im Streitjahr das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen vom 12.04.2012 (DBA NL; Bundesgesetzblatt – BGBl – II 2012, 1414) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 11.01.2016 (BGBl II 2016, 868) bestand.
23Danach haben im Streitjahr sowohl Deutschland als auch die Niederlande hinsichtlich der Versorgungsbezüge des Ehemanns ein Besteuerungsrecht.
24Der Ehemann hatte und hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Er ist daher eine in Deutschland ansässige Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d) i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA NL.
25Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA NL hat grundsätzlich der Staat, in dem eine Person ansässig ist, das Besteuerungsrecht für Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen sowie Renten, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person gezahlt werden. Gleiches gilt nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-NL für Sozialversicherungsrenten.
26Ungeachtet dessen hat nach Art. 17 Abs. 2 DBA auch der Staat, aus dem das Ruhegehalt, die ähnliche Vergütung, die Rente oder Sozialversicherungsrente bezogen wird, das Besteuerungsrecht, wenn ihr gesamter Bruttobetrag in einem Kalenderjahr die Summe von 15.000 EUR übersteigt, was vorliegend durch die Bezüge in Höhe von 36.078 Euro im Streitjahr der Fall ist.
27Die entstandene Doppelbesteuerung wird nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) Doppelbuchst. ee) DBA NL dadurch vermieden, dass auf die deutsche Steuer vom Einkommen für die Einkünfte, die in den Niederlanden nach Art. 17 Abs. 2 DBA NL besteuert werden können, unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts über die Anrechnung ausländischer Steuern – also hier § 34c EStG – die niederländische Steuer angerechnet wird, die nach niederländischem Recht und in Übereinstimmung mit dem DBA NL für diese Einkünfte gezahlt worden ist.
282. Die grundsätzliche Nichtanwendbarkeit des § 34c Abs. 1 EStG bei Bestehen eines DBA wird durch § 34c Abs. 6 Sätze 2 und 3 EStG eingeschränkt. Danach sind u.a. § 34c Abs. 1 Sätze 2 bis 5 EStG entsprechend auf eine nach einem Abkommen anzurechnende ausländische Steuer anzuwenden, soweit ein DBA die Anrechnung einer ausländischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer vorsieht. Diese Verweisung führt jedoch nicht zur Anwendbarkeit des § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG. Es wird erreicht, dass bei der Anrechnung ausländischer Steuern auf der Grundlage eines DBA zwei Anrechnungsobergrenzen zu beachten sind. Zum einen ist die Anrechnung durch die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer begrenzt (§ 34c Abs.1 Sätze 2 bis 5 i.V.m. § 34c Abs. 6 EStG) und zum anderen kann nicht mehr angerechnet werden als die dem Quellenstaat abkommensrechtlich zustehende und deshalb anzurechnende Steuer (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15.03.1995 – I R 98/94, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1995, 580).
29Nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG ist die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer in der Weise zu ermitteln, dass der sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens ergebende durchschnittliche Steuersatz auf die ausländischen Einkünfte anzuwenden ist. Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Steuersatzes sind §§ 32a, 32b, 34, 34a und 34b EStG zu berücksichtigen, sodass derjenige Steuerbetrag maßgeblich ist, der sich laut Grundtabelle/Splittingtabelle (§ 32a Abs. 1, Abs. 5 EStG) und bei Anwendung des Progressionsvorbehalts (§ 32b EStG) auf das zu versteuernde Einkommen ergibt. Nach § 34c Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EStG sind jedoch bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und der ausländischen Einkünfte für Zwecke des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG die Einkünfte nach § 34c Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG – also Einkünfte aus Kapitalvermögen – nicht zu berücksichtigen.
30Die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Eheleute sind – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – nicht in die Berechnungsschedule des § 34c Abs. 1 EStG einzubeziehen. Denn bei diesen Einkünften handelt es sich sämtlich um solche aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 EStG, für die eine Ausnahme nach § 32d Abs. 2 EStG vom Abgeltungsteuersystem nicht vorgesehen ist.
31Hiernach beträgt das zu versteuernde Einkommen für Zwecke des § 34c Abs. 1 EStG im vorliegenden Fall – ohne die Einkünfte aus Kapitalvermögen – 4.227 Euro. Dieses setzt sich zusammen aus den – unstreitigen – Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 121 Euro, den Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit des Ehemanns in Höhe von 61.379 Euro, den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit des Ehemanns in Höhe von 71.324 Euro und den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit der Ehefrau in Höhe von 26.000 Euro abzüglich der – ebenfalls unstreitigen – Sonderausgaben in Höhe von 18.434 Euro, außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 770 Euro sowie der Aufwendungen für die eigengenutzte Wohnung in Höhe von 136.054 Euro zuzüglich des Erstattungsüberhangs aus Kirchensteuern in Höhe von 661 Euro.
32Unter Beachtung der nach § 32b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG einzubeziehenden – unstreitigen – ausländischen Einkünften in Höhe von 18.704 Euro ergäbe sich unter Anwendung des Splittingtarifs nach § 32a Abs. 5 EStG eine tarifliche Einkommensteuer von 880 Euro. Der durchschnittliche Steuersatz beträgt danach 3,84 % (880 Euro x 100 / 22.931 Euro). Unter Anwendung dessen beträgt die mögliche Anrechnung der niederländischen Steuer auf Pensionseinkünfte (36.078 Euro - 2.652 Euro Versorgungsfreibetrag und 102 Euro Pauschbetrag) grds. 1.279,64 Euro (33.324 Euro x 3,84 %).
333. Die Anrechnung ist jedoch darüber hinaus der Höhe nach auf die tatsächliche tarifliche Einkommensteuer auf solche steuerpflichtigen Einkünfte zu beschränken, die nicht solche aus Kapitalvermögen i.S.d. § 32d Abs. 1 und Abs. 3 bis 6 EStG sind.
34Die tarifliche Einkommensteuer auf die Einkünfte, die nicht solche aus Kapitalvermögen i.S.d. § 32d Abs. 1 und 3 bis 6 EStG sind, – also vorliegend 162 Euro – bildet stets die natürliche Obergrenze für eine Anrechnung (so wohl auch Kuhn in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34c EStG Rn. 79; Prokisch in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34c Rn. B109). Eine Anrechnung ist in vollem Umfang ausgeschlossen, wenn keine Einkommensteuer festzusetzen ist, weil bspw. infolge erlittener Verluste keine die deutsche Steuer auslösenden Einkünfte erzielt werden (BFH-Urteil vom 26.10.1972 – I R 125/70, BStBl II 1973, 271 zur Anrechnung auf die deutsche Körperschaftsteuer).
35Zwar beträgt im Streitfall nach dem Einkommensteuerbescheid vom 26.01.2021 die tarifliche Einkommensteuer 11.236 Euro, sodass selbst nach Anrechnung der niederländischen Steuern auf Kapitaleinkünfte in Höhe 7.710 Euro eine weitere Anrechnung stattfinden könnte. Jedoch entfällt die tarifliche Einkommensteuer in Höhe von 11.236 Euro wesentlich auf die erzielten Kapitaleinkünfte (zu versteuerndes Einkommen von 54.347 Euro). Die Einkünfte aus Kapitalvermögen sind aber nach § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG für die Berechnung des Anrechnungsbetrags auszunehmen. Ohne die Kapitaleinkünfte hätten die Eheleute ein zu versteuerndes Einkommen von 4.227 Euro erzielt, was unter Berücksichtigung der steuerfreien Einkünfte nach § 32b EStG zu einer tariflichen Einkommensteuer von 162 Euro geführt hätte.
36Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang jedoch von einem 162 Euro überschreitenden Anteil an der tatsächlich festgesetzten Steuer ausgehen, berücksichtigt dies gerade die Sonderregelung des § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG nicht, wonach die Kapitaleinkünfte in Gänze nicht einzubeziehen sind. Dieses gilt sowohl für die Berechnung des anzuwendenden durchschnittlichen Steuersatzes, des sich daraus ergebenden Höchstbetrags der möglichen Anrechnung ausländischer Steuern als auch für die Ermittlung der im Rahmen des § 34c Abs. 1 EStG maßgeblichen tariflichen Einkommensteuer als tatsächliche Obergrenze für die Anrechnung einer ausländischen Steuer zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung.
37Eine darüberhinausgehende Anrechnung kann auch aus systematischen Gründen nicht erfolgen, da § 34c Abs. 1 EStG zwar eine Anrechnung, nicht jedoch eine Erstattung der ausländischen Steuer auf die Einkünfte vorsieht (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl II 1993, 399). Entsprechend kann eine Anrechnung in Bezug auf die der allgemeinen Tarifbesteuerung unterliegenden Einkünfte nur in Höhe der nach dem allgemeinen Steuertarif bestimmten Steuer unter Außerachtlassung der dem Sonderregime des § 32d Abs. 1 und Abs. 3 bis 6 EStG unterfallenden Einkünfte und der darauf entfallenden Steuer erfolgen. Insoweit trennt das deutsche Anrechnungssystem zwischen der Anrechnung ausländischer Steuer auf ausländische Kapitaleinkünfte einerseits und der Anrechnung ausländischer Steuern auf andere ausländische Einkünfte andererseits.
38Zudem soll nach dem Sinn und Zweck des § 32d Abs. 1 und Abs. 3 bis 6 EStG nur eine Anrechnung auf die entsprechende inländische Steuer erfolgen, die auf die bereits im Ausland besteuerten Kapitaleinkünfte entfällt. Dies wird auch durch den Wortlaut des § 32d Abs. 6 Satz 2 EStG verdeutlicht, welcher von einer zusätzlichen tariflichen Einkommensteuer auf die Kapitaleinkünfte spricht.
39II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Durch den Änderungsbescheid vom 26.01.2021 hat sich die Anrechnung um 8 Euro erhöht, was in Anbetracht der begehrten Mehr-Anrechnung von 1.200 Euro niederländischer Steuer auf die übrigen Einkünfte, die nicht solche aus Kapitalvermögen sind, ein geringfügiges Obsiegen darstellt.
40III. Die Revision wird zur Fortbildung des Rechs (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zugelassen.