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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die schenkungsteuerliche Berücksichtigung von Pflegeleistungen, die sie gegenüber ihrer Tante, S. M. (Schenkerin), erbracht hat.
3Der Ehemann der Schenkerin verstarb im Jahr 1980. Seitdem pflegte die Klägerin diese, da sie aufgrund ihrer Unbeholfenheit, Unselbständigkeit und zunehmenden körperlichen Gebrechen nicht in der Lage war, die alltäglichen Aufgaben allein zu bewältigen.
4Mit notariellem Vertrag vom 6.2.2017 (Notar B., UR-Nr: N01) übertrug die Schenkerin das Grundstück N.-straße, A-stadt, auf die Klägerin. Dem Vertrag war ein Schreiben der Schenkerin vom 27.1.2017 beigefügt, mit dem diese sich für die jahrzehntelange Betreuung durch die Klägerin bedankte. In dem Schreiben erklärte sie zudem, dass sie sich immer auf die Klägerin habe verlassen können und diese ihr Tag und Nacht zur Verfügung gestanden habe, weshalb sie der Klägerin den näher bezeichneten Grundbesitz schenken wolle. Herrn O., dem Steuerberater der Schenkerin, sei dieser Wille seit vielen Jahren bekannt.
5Am 26.3.2017 verstarb die Schenkerin.
6In der Schenkungsteuererklärung vom 22.6.2017 erklärte die Klägerin, dass ihr neben dem Grundstück N-straße Guthaben bei der Bank in Höhe von 90.000 € zugewendet worden seien.
7Mit geändertem Bescheid vom 29.6.2020 setzte der Beklagte Schenkungsteuer in Höhe von 170.130 EUR fest. Auf den Einspruch der Klägerin hin erhöhte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26.2.2021 die Schenkungsteuerfestsetzung auf 230.160 €. Hiergegen erhob die Klägerin im Verfahren 4 K 813/21 Erb Klage, mit der sie die Berücksichtigung von Pflegeleistungen als Gegenleistung und die teilweise Steuerbefreiung nach § 13d des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) begehrte sowie geltend machte, dass ihr das Guthaben von 90.000 € nicht am 6.2.2017 geschenkt worden sei. Hierzu übersandte die Klägerin Kontoübersichten des Kontos bei der Bank, nach denen ein Betrag von 20.000 € am 1.2.2017 und ein Betrag von 70.000 € am 2.2.2017 an sie überwiesen worden war.
8Mit Bescheid vom 28.6.2021 reduzierte der Beklagte die Festsetzung aus nicht im Streit stehenden Gründen auf 177.630 €.
9In der im Verfahren 4 K 813/21 Erb durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.8.2022 einigten sich die Beteiligten dahingehend, dass die teilweise Steuerbefreiung nach § 13d ErbStG i.H.v. 36.842 € und der Freibetrag für Pflegeleistungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG i.H.v. 20.000 € zu gewähren seien. Ferner bestand Einigkeit, dass das Guthaben bei der Bank i.H.v. 90.000 € nicht Gegenstand der Zuwendung, die vorliegend besteuert worden sei, sein könne. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärten daraufhin, den Streitkomplex „Pflegeleistungen“ nicht weiter zu verfolgen. Nach entsprechender Änderungszusage des Beklagtenvertreters erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit Bescheid vom 22.8.2022 setzte der Beklagte die Schenkungsteuer für den Erwerb vom 6.2.2017 neu auf 139.590 € fest. Gegen die Berücksichtigung der Überweisungen von 20.000 € und 70.000 € als Vorerwerbe i.S.d. § 14 ErbStG erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens im Verfahren 4 K 2272/22 Erb Klage, die das Gericht mit Urteil vom 19.4.2023 abwies.
10Für die Zahlung von 70.000 € am 2.2.2017 setzte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.8.2022 Schenkungsteuer i.H.v. 21.000 € fest. Dabei berücksichtigte er die Überweisung von 20.000 € als Vorerwerb. Zur Begründung berief sich der Beklagte u.a. auf § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO).
11Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 25.8.2022 Einspruch ein und machte Verjährung geltend. Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6.6.2023 als unbegründet zurück.
12Hiergegen hat die Klägerin am 23.6.2023 Klage erhoben, mit der sie u.a. geltend macht: Die Schenkerin habe ihr bereits 1986 zugesagt, ihr als Ausgleich für den Pflegeaufwand das Haus schenken zu wollen. Eine laufende Abrechnung sei allen Beteiligten zu aufwendig gewesen. Sie, die Klägerin, habe 2011 sogar einen Grund- und Aufbaukurs „Hospizausbildung“ besucht. Am 31.1.2017 habe die Schenkerin E.-M., die Tochter der Klägerin, beauftragt, einen Überweisungsträger an die Klägerin auszufüllen. Die Schenkerin habe diesen eigenhändig unterschrieben. Hierzu hat die Klägerin die Kopie eines Überweisungsträgers über 90.000 € vorgelegt, der auf den 31.1.2017 datiert und den Verwendungszweck „Erstattung deiner Kosten für meine Betreuung“ trägt. Die Klägerin macht weiter u.a. geltend, die 90.000 € seien daher keine Schenkung, sondern eine Aufwandserstattung. Die Überweisung von 90.000 € habe mangels Kontodeckung nicht ausgeführt werden können, so dass zwei getrennte Zahlungen von 20.000 € und von 70.000 € vorgenommen worden seien. Der Betrag von 90.000 € decke indes bei weitem nicht die tatsächlichen, über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren entstandenen Kosten. Diese würden auf 467.909 € beziffert. Es liege ein vertraglich begründetes Gegenseitigkeitsverhältnis und eine konditionale Bedingung i.S.d. Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz vom 23.3.2007 vor. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Urteil vom 9.11.1994 ausgesprochen, dass Pflegeleistungen als Gegenleistung berücksichtigt werden könnten. Es habe kein Arbeits- oder Dienstleistungsvertrag vorgelegen, vielmehr hätten sie und die Schenkerin sich wie nahe Angehörige behandelt. Der übertragene Grundbesitz zuzüglich der Zahlung von 90.000 € unterschreite den Wert der Gegenleistung deutlich, so dass auf den klagegegenständlichen Betrag von 70.000 € keine Schenkungsteuer zu leisten sei. Die tatsächliche Verständigung im Verfahren 4 K 813/21 Erb sei nicht ausreichend protokolliert worden. Es sei auch Inhalt der Verständigung gewesen, dass der Betrag von 70.000 € keine Schenkung darstelle.
13Die Klägerin beantragt,
14den Schenkungsteuerbescheid vom 22.8.2022 (auf den 2.2.2017) in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.6.2023 aufzuheben.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er verweist auf die Ausführungen im Rechtsbehelfs- und Klageverfahren 4 K 813/21 Erb und macht ergänzend u.a. geltend: In den Verfahren 4 K 813/21 Erb und 4 K 2272/22 Erb sei zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden, dass die Geldschenkung mit einer Gegenleistung verbunden gewesen sei.
18Der Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG stelle nach seinem Wortlaut einen Höchstbetrag dar. Er könne zwar für jede Schenkung gewährt werden, insoweit sei aber auf die jeweiligen Zeiträume zwischen den Schenkungen abzustellen. Daher seien die bis zum 1.2.2017 erbrachten Pflegeleistungen mit der Schenkung über 20.000 € abgegolten, für die bestandskräftig eine Schenkungsteuer von 0 € festgesetzt worden sei. Für die vorliegende Schenkung vom 2.2.2017 könne nur auf den Zeitraum vom 1.2. bis zum 2.2.2017 abgestellt werden. Insoweit könnten Aufwendungen von 8 Stunden à 11 €, also 88 € berücksichtigt werden. Zu klären sei aber, ob sich die Schenkerin in diesem Zeitraum stationär im Krankenhaus aufgehalten habe.
19Entscheidungsgründe:
20Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
21Die Überweisung von 70.000 € stellt eine freigiebige Zuwendung dar, die der Beklagte zu Recht der Schenkungsteuer unterworfen hat. Die von der Klägerin erbrachten Pflegeleistungen sind nicht als Gegenleistung zu berücksichtigen.
22Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegt der Schenkungsteuer jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dies setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt; sie muss (objektiv) unentgeltlich sein. Subjektiv setzt die freigebige Zuwendung voraus, dass der Zuwendende die Zuwendung mit dem Willen der Unentgeltlichkeit vornimmt. Dieser Wille ist gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung zu erhalten (vgl. BFH, Urteil v. 1.7.1992 – II R 70/88, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 1992, 921, Rn. 28; BFH, Urteil v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366, Rn. 11 ff.).
23Nach § 7 Abs. 4 ErbStG wird die Steuerpflicht einer Schenkung u.a. nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie zur Belohnung gemacht wird. Belohnungen i.S.d. § 7 Abs. 4 ErbStG sind Zuwendungen, die eine Vorausleistung, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht wurde, ausgleichen. Erbringt der Zuwendungsempfänger Vorausleistungen, muss er nachweisen, dass von vornherein vertraglich die Entgeltlichkeit der Leistung vereinbart worden ist. Ein erst nachträglich vereinbartes Entgelt oder eine tatsächliche Leistung sind nicht ausreichend (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 22.11.2002 – 4 K 2068/01, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst – DStRE – 2003, 551; FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 23.3.2007 – 4 K 2892/04, DStRE 2007, 1388; Curdt in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rn. 168 (8/2021)).
24Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Schenkerin in dem Bewusstsein der objektiven Unentgeltlichkeit handelte. Dies steht hinsichtlich der Grundstücksübertragung aufgrund des bestandskräftig gewordenen Schenkungsteuerbescheides auf den 6.2.2017, dem eine entsprechende Einigung im Verfahren 4 K 813/21 Erb zugrunde lag, fest. Die Klägerin hatte im dortigen Verfahren ausdrücklich erklärt, den Streitkomplex nicht weiterzuverfolgen.
25Nichts Anderes gilt für die hier streitgegenständliche Zahlung von 70.000 €. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Übertragung weder einen Rechtsanspruch auf die Zahlung noch war die Zuwendung mit einer Gegenleistung der Klägerin in hinreichendem Maße verknüpft.
26Im Streitfall ist keine Vereinbarung über die Entgeltlichkeit der durch die Klägerin erbrachten Pflegeleistungen getroffen worden. Die Klägerin hat weder in den vorherigen Verfahren noch im Einspruchsverfahren gegen den hier angefochtenen Bescheid vorgetragen, dass hinsichtlich der Schenkung von 70.000 € eine solche vorherige Vereinbarung getroffen worden sei. Vielmehr hat sie – wie bereits im Verfahren 4 K 813/21 Erb – noch mit der hiesigen Klagebegründung vom 16.8.2023 ausgeführt, dass die Grundstücksübertragung – nicht aber die Geldzahlung – die Pflegeleistungen habe abgelten sollen.
27Soweit in der mündlichen Verhandlung nunmehr sinngemäß geltend gemacht worden ist, dass auch die Geldzahlung von Anfang an vereinbart gewesen sei bzw. der Klägerin „das Haus und das ganze Vermögen“ versprochen worden sei, folgt der Senat dem nicht. Dieser Vortrag steht zum einen in deutlichem Widerspruch zum vorherigen Vorbringen. Zum anderen begründet der Umstand, dass eine entsprechende schriftliche oder anders nachweisbare Vereinbarung fehlt, Zweifel an der Ernstlichkeit und dem Bindungswillen der Parteien. Denn die Klägerin wäre nach ihrem Vortrag über Jahrzehnte mit erheblichem persönlichen Aufwand in Vorleistung gegangen und hätte erhebliche, von ihr selbst auf rund 467.000 € bezifferte Ansprüche erworben. Schließlich wäre eine Entgeltabrede zugunsten der Klägerin auch insoweit widersprüchlich gewesen, als sie sich im Notarvertrag gerade verpflichtet hat, nicht durch Rente und Pflegeversicherung abgedeckte Pflegekosten ihrerseits zu übernehmen (Bl. 21 der Gerichtsakte – GA –).
28Aus dem vorgelegten Überweisungsträger folgt nichts Anderes. Die dort angewiesene Einmalzahlung von 90.000 € wurde nach dem Vortrag der Klägerin (Bl. 43 GA) mangels Kontodeckung nicht ausgeführt. Dessen ungeachtet lässt sich aus dem Inhalt des Überweisungsträgers jedenfalls nicht schließen, dass eine Gegenleistung oder Aufwandserstattung vorab vereinbart worden wäre. Vielmehr dürfte in diesem Fall nach oben genannten Maßstäben eine belohnende Schenkung vorliegen.
29Die Klägerin hatte auch keinen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Schenkerin. Auch insoweit fehlt es an einer zivilrechtlichen Vereinbarung, nach der die Tätigkeit der Klägerin über den bloßen Gefälligkeitsbereich hinausgegangen wäre. Darüber hinaus wäre auch nicht erkennbar, wie der streitgegenständliche Betrag von 70.000 € als Aufwendungsersatz konkret ermittelt worden wäre. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin wären, selbst wenn man die weiteren baren und unbaren Zuwendungen berücksichtigt, deutlich höhere Aufwendungen zu ersetzen gewesen.
30Aus den dargestellten Gründen ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Überweisung von 20.000 € vom 1.2.2017 im streitgegenständlichen Bescheid als Vorerwerb nach § 14 ErbStG erfasst hat. Denn auch insoweit liegt eine steuerbare und steuerpflichtige Schenkung vor und fehlt es an einer berücksichtigungsfähigen Gegenleistung.
31Auch ein etwaiger Ablauf der Festsetzungsfrist begründet keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Ein etwaiger Ablauf der Festsetzungsfrist war jedenfalls nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich. Der Sachverhalt der Geldschenkung i.H.v. insgesamt 90.000 € war von dem Beklagten zunächst irrig dahingehend beurteilt worden, dass eine Schenkung am 6.2.2017 erfolgt sei. Der für die Schenkung vom 6.2.2017 ergangene Steuerbescheid wurde nach Klageerhebung im Verfahren 4 K 813/21 Erb insoweit geändert, als die Geldschenkung nur noch als Vorerwerb erfasst wurde. Der Beklagte war daher berechtigt, aus dem Sachverhalt nachträglich die richtigen steuerlichen Folgerungen zu ziehen, namentlich u.a. eine Geldschenkung von 70.000 € am 2.2.2017 zu besteuern. Die Voraussetzungen von § 174 Abs. 4 Satz 4 AO liegen nicht vor, da der Bescheid, mit dem der Betrag von 90.000 € als Schenkung auf den 6.2.2017 erfasst wurde, bereits am 29.6.2017 (geändert durch Bescheide vom 29.6.2020, Einspruchsentscheidung vom 26.2.2021 und Bescheid vom 28.6.2021) ergangen ist und die vierjährige Festsetzungsfrist jedenfalls nicht vor dem 31.12.2021 geendet hat (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO, § 170 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 AO).
32Der Klägerin ist auch kein Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG zu gewähren. Der Berücksichtigung steht allerdings zunächst nicht entgegen, dass eine synallagmatische Beziehung zwischen der Geldschenkung und der Erbringung von Pflegeleistungen nicht feststellbar ist. Vielmehr würde es im Grundsatz ausreichen, dass die Klägerin – was nicht streitig ist – Pflegeleistungen erbracht hat, denen nach den o.g. Gründen sowie dem Ausgang der bisherigen Klageverfahren kein Entgelt gegenüberstand. Ferner ist die Regelung über ihren Wortlaut hinaus nach § 1 Abs. 2 ErbStG auch auf Schenkungen unter Lebenden anwendbar (Jülicher, in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG § 13 Rn. 99 (7/2021); Jochum, in ErbStG-eKommentar, § 13 Rn. 107 (10/2023); R E 13.5 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2019). Jedoch ist der Klägerin der Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG bereits in der bestandskräftigen Steuerfestsetzung vom 22.8.2022 für den Erwerb vom 6.2.2017 gewährt worden. Dies entsprach der Verständigung im Verfahren 4 K 813/21 Erb und schließt eine nochmalige Berücksichtigung aus. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, nach dem „ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20.000 €“ steuerfrei bleibt, ist insoweit zwar nicht eindeutig. Er könnte so zu verstehen sein, dass nur für „einen“ Erwerb von der jeweiligen Person ein Freibetrag gewährt werden kann oder so, dass jeder steuerpflichtige Erwerb für sich i.H.v. bis zu 20.000 € steuerfrei bleiben kann. Jedoch spricht der Sinn und Zweck der Regelung maßgeblich dafür, den Freibetrag nur einmal zu gewähren. Nach der Gesetzesbegründung sollte der ursprünglich mit nur 2.000 DM bemessene Höchstbetrag die Möglichkeit einer missbräuchlichen Ausnutzung der Vorschrift durch Beantragung ungerechtfertigt hoher Beträge für die in der Regel nicht beweisbaren und nur bedingt nachprüfbaren Pflegedienste oder Unterhaltungsleistungen auf ein vernünftiges Maß einschränken (Bundestags-Drucksache 7/1333, S. 5). Gewährte man den Freibetrag für jeden Erwerb, könnte insbesondere durch die Atomisierung von Schenkungsvorgängen Vermögen bis zur Höhe des Werts der Pflegeleistung übertragen und so die betragsmäßige Deckelung gänzlich umgangen werden. Dadurch könnte im Ergebnis auch in Fällen der belohnenden Schenkung eine vollständige, betragsmäßig unbegrenzte Berücksichtigung von Pflegeleistungen erreicht werden, obwohl die hierfür an sich erforderliche synallagmatische Beziehung gerade nicht besteht. Auch das Ziel, der in der Regel fehlenden Beweis- und Nachprüfbarkeit durch eine eingeschränkte Abzugsfähigkeit zu begegnen, würde dann verfehlt.
33Schließlich steht auch die Verständigung im Verfahren 4 K 813/21 Erb der Besteuerung der Zuwendung von 70.000 € nicht entgegen. Ausweislich des dortigen Protokolls (§ 94 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung) kamen die Beteiligten überein, „dass das Guthaben bei der Bank in Höhe von 90.000 Euro nicht Gegenstand der Zuwendung, die vorliegend besteuert worden ist, sein kann“. Damit wurde gerade keine Verständigung dahingehend erzielt, dass die Überweisung von insgesamt 90.000 € per se keine Schenkung darstellt.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat lässt die Revision im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Frage der mehrfachen Berücksichtigung des Pflegefreibetrages nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.