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Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 4.5.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.3.2022 wird der Beklagte verpflichtet, den Bescheid zum 31.12.2007 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und § 28 Abs. 1 KStG vom 15.4.2009, geändert durch Bescheid vom 8.4.2011, dahin zu ändern, dass das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2007 mit ... EUR festgestellt wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 der Abgabenordnung (AO).
3Die Klägerin ist eine GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist die Beteiligung an anderen Gesellschaften und die Verwaltung dieser Beteiligungen. Alleinige Gesellschafterin war zu Beginn des Jahres 2007 (Streitjahr) die S. AG. Im April 2007 veräußerte diese ihre gesamten Anteile an die M. KG (nachfolgend: M. KG). Im Januar 2009 reichte die Klägerin ihre Steuererklärung für das Jahr 2007 ein. In der Anlage KSt 1 F (Erklärung zur gesonderten Feststellung u.a. des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG–) und des durch Umwandlung von Rücklagen entstandenen Kapitals (§ 28 Absatz 1 Satz 3 KStG)) gab sie den festzustellenden Betrag des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2007 sowie dessen Bestand zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres und den Endbestand zum Schluss des Wirtschaftsjahres jeweils mit 0 EUR an. Die eingereichte Bilanz der Klägerin wies eine Kapitalrücklage von ... EUR bei einem Bestand zum Ende des Vorjahres von 0 EUR aus. Der Steuererklärung und der Bilanz beigefügt war eine „Detaillierung“ der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung, in der die einzelnen Konten aufgeführt waren. Daraus ergibt sich u.a. auf der Aktivseite der Bilanz eine Beteiligung an der J. KG i.H.v. ... EUR (Vorjahreswert 0 EUR) sowie an der N. i.H.v. ... EUR (Vorjahreswert ... EUR) und eine Darlehensforderung gegenüber der N. i.H.v. ... EUR (Vorjahreswert 0 EUR). Auf der Passivseite liegt u.a. eine Erhöhung der Verbindlichkeiten um ... EUR vor. Die Gewinn- und Verlustrechnung weist Erträge i.H.v. ... EUR (aus Beteiligungen) und von ... EUR (Zinsen) aus. Im Anhang der Bilanz heißt es zur Zusammensetzung des Eigenkapitals u.a., dass dieses eine Kapitalrücklage von ... EUR beinhalte. Auf den weiteren Inhalt der Bilanz inklusive des Anhangs und der Detaillierung der Konten wird Bezug genommen.
4Am 15.4.2009 erließ der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2007 gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG. Das steuerliche Einlagekonto wurde darin mit 0 EUR festgestellt. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit Bescheid vom 8.4.2011 aufgehoben.
5Mit Schreiben vom 4.2.2021 beantragte die Klägerin die Änderung des Bescheids zum 31.12.2007 nach § 129 AO mit dem Ziel der Berücksichtigung der im Jahr 2007 getätigten Einlage von ... EUR bei der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos; dem Antrag war ein Zahlungsnachweis über den Eingang des Betrags von ... EUR beigefügt.
6Der Beklagte lehnte die beantragte Änderung durch Bescheid vom 4.5.2021 unter Verweis auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 14.12.2015 7 K 1250/14 (juris) ab. Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 2.3.2022).
7Am 4.4.2022 hat die Klägerin Klage erhoben.
8Zur Begründung trägt sie vor, die M. KG habe im Jahr 2007 eine Bareinlage von ... EUR in die Kapitalrücklage geleistet; diese Einlage sei versehentlich in der Steuererklärung nicht angegeben worden. Es liege aber eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO vor. Aus dem Akteninhalt sei, wie auch vom Beklagten angeführt, nicht ersichtlich, ob der Sachbearbeiter die Angaben in der eingereichten Feststellungserklärung einfach übernommen oder als Ergebnis rechtlicher Würdigung keine Veranlassung gesehen habe, von den erklärten Werten abzuweichen. Durch die mit der Steuererklärung eingereichten Unterlagen seien die Leistung und der tatsächliche Zufluss der Einlage eindeutig und klar ersichtlich gewesen. Es habe auf der Aktivseite der Bilanz einen Zugang bei den Beteiligungen (rund ... EUR) und bei den Darlehensforderungen (... EUR) gegeben; diese Mittelverwendung habe zwingend einen Mittelzufluss in identischer Höhe vorausgesetzt, da ohne einen solchen Zufluss die Aktiva nicht hätten erhöht werden können. Dies habe entweder über die Erhöhung von Fremdkapital bzw. Eigenkapital oder über eine Selbstfinanzierung auf Gesellschaftsebene (z.B. Veräußerung von Vermögenswerten) geschehen können. Aus der Bilanz sei ersichtlich, dass sich die Verbindlichkeiten um ... EUR und das Eigenkapital um rund ... EUR erhöht hätten. Veräußerungen von Vermögenswerten oder anderweitige Veränderungen in der Bilanz oder der Liquidität seien nicht ersichtlich. Ausweislich dieser Unterlagen sei also offenbar und für einen objektiven Dritten klar ersichtlich gewesen, dass die Erhöhung der Aktiva allein aus einem Mittelzufluss durch den Gesellschafter in entsprechender Höhe hergerührt haben müsse. Dadurch sei offensichtlich gewesen, dass die Erhöhung der Kapitalrücklage aus dem tatsächlichen Mittelzufluss durch den Gesellschafter gestammt und dementsprechend einen Zugang zum steuerlichen Einlagekonto habe darstellen müssen.
9Zwar sei – anders als etwa in den Urteilen des FG Köln vom 6.3.2012 13 K 1250/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2014, 417) und des FG Berlin-Brandenburg vom 13.10.2016 10 K 10320/15 (EFG 2017, 231) – mit der Steuererklärung kein Bilanzbericht eingereicht worden, aus dem sich die Unrichtigkeit offenbar ergab. Darauf komme es aber nicht an, da anhand der Bilanz und des Kontenaufrisses evident gewesen sei, dass (a) dem Grunde nach Mittel seitens des Gesellschafters tatsächlich in die Gesellschaft geflossen seien und (b), dass die Einzahlung in die Kapitalrücklage auch tatsächlich in voller Höhe von ... EUR geleistet worden sei. Ansonsten hätten die Positionen auf der Aktivseite gar nicht ausgewiesen werden können. Hätte die Klägerin die Höhe des steuerlichen Einlagekontos aus rechtlichen Erwägungen mit lediglich 0 EUR angegeben, wäre aufgrund der Erhöhung der Kapitalrücklage im Jahr 2007 zu erwarten gewesen, dass sie in der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auch Angaben zur Höhe der Einlagen im laufenden Wirtschaftsjahr gemacht und diese ebenfalls mit 0 EUR angegeben hätte. Dass nur Angaben zu den Endbeständen des steuerlichen Einlagekontos gemacht worden seien, spreche unter Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8.12.2021 I R 47/18 (Bundessteuerblatt –BStBl– II 2022, 827) für eine versehentliche Nichtberücksichtigung der Erhöhung der Kapitalrücklage, die aufgrund der eingereichten Erklärung inklusive der Anlagen auch für einen unvoreingenommenen Dritten erkennbar gewesen sei. Nach der Regelung des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO sei auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
10Die Klägerin beantragt,
11den Beklagten zu verpflichten, den Änderungsantrag der Klägerin vom 4.2.2021 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2.3.2022 zu berücksichtigen und den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG vom 15.4.2009, erstmals geändert durch Bescheid vom 8.4.2011, dergestalt gem. § 129 Sätze 1 und 2 AO zu ändern, dass das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2007 mit ... EUR festgestellt wird;
12für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen und hilfsweise die Revision zuzulassen.
15Er trägt vor, dass lediglich die Frage der offenbaren Unrichtigkeit streitig sei. Eine solche läge aber nicht vor, da sich aus den mit der Steuererklärung eingereichten Unterlagen nur die Einstellung in die Kapitalrücklage ergebe. Es fehlten aber insbesondere Angaben dazu, ob die Kapitalerhöhung tatsächlich auch geleistet worden und zugeflossen sei, da allein die Einstellung der Kapitalrücklage in die Bilanz nicht zwingend eine Erfassung beim steuerlichen Einlagekonto zur Folge habe. Zur Prüfung dieser Frage sei eine rechtliche Würdigung erforderlich gewesen, in deren Rahmen der Sachbearbeiter auch hätte feststellen können müssen, dass die Erhöhung der Aktiva aus einem Mittelzufluss des Gesellschafters in Höhe der Kapitalrücklage herrühre, welche in gleicher Höhe einen Zugang auf dem steuerlichen Einlagekonto darstelle. Dazu hätte der Sachbearbeiter sich zunächst die Veränderungen auf der Aktivseite der Bilanz anschauen und anschließend sowohl die Zugänge auf der Passivseite betrachten als auch feststellen müssen, dass Veräußerungen oder Änderungen sonstiger Aktiva, die zu einem Liquiditätszufluss führen, im Jahr 2007 nicht eingetreten seien, um festzustellen, dass ein Zugang der Aktiva ohne Mittelzufluss nicht hätte stattfinden können. Vor diesem Hintergrund sei eine Offenbarkeit nicht gegeben, vielmehr bestehe die ernsthafte Möglichkeit eines Rechtsirrtums oder einer unterlassenen Sachverhaltsermittlung. In anderen FG-Urteilen habe der Zufluss aufgrund der Ausführungen im Bilanzbericht dagegen eindeutig festgestanden.
16Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist begründet.
19I. Die Ablehnung der Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG zum 31.12.2007 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zu Unrecht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung gem. § 129 AO nicht vorliegen.
201. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).
21a) Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist (z.B. BFH-Urteil vom 16.9.2015 IX R 37/14, BStBl II 2015, 1040). Da die Unrichtigkeit aber nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (sog. Übernahmefehler, z.B. BFH-Urteil vom 3.5.2017 X R 4/16, Sammlung der Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 2017, 1415 m.w.N.).
22Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (BFH-Urteile vom 17.05.2017 X R 45/16, BFH/NV 2018, 10, m.w.N.; vom 8.12.2021 I R 47/18, BStBl II 2022, 827). Dagegen ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig (BFH-Urteil vom 7.11.2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657).
23Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden (BFH-Urteil vom 26.10.2016 X R 1/14, BFH/NV 2017, 257). Eine Unrichtigkeit ist dann offenbar, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH-Urteile vom 4.6.2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; vom 27.8.2013 VIII R 9/11, BStBl II 2014, 439). Da von einer objektivierten Sichtweise auszugehen ist, ist bei dem (fiktiven) unvoreingenommenen Dritten grundsätzlich vom Akteninhalt – Steuererklärung, deren Anlagen sowie den Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr – auszugehen (BFH-Urteil vom 3.8.2016 X R 20/15, BFH/NV 2017, 438). Auf die Erkennbarkeit für den zuständigen Bearbeiter des Finanzamts kommt es demgegenüber nicht an (BFH-Urteil vom 26.10.2016 X R 1/14, BFH/NV 2017, 257).
24b) Konkret zur Änderung eines Bescheids über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG nach § 129 AO gilt nach jüngster Rechtsprechung des BFH Folgendes: § 129 Satz 1 AO stellt auf eine offenbare „Unrichtigkeit“ bei Erlass eines Verwaltungsakts ab. Auch wenn hierfür ein mechanisches Versehen erforderlich ist, das einem Schreib- oder Rechenfehler ähnelt, bedeutet dies nicht, dass auch der zutreffende Wert ohne weitere Prüfungen erkennbar sein muss. Zumindest in denjenigen Fällen, in denen die offenbare Unrichtigkeit auf der versehentlichen Nichtangabe eines Werts in der Steuererklärung beruht, ist § 129 Satz 1 AO bereits dann anwendbar, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist (BFH-Urteil vom 22.5.2019 XI R 9/18, BStBl II 2020, 37). Entsprechendes muss gelten, wenn (nur) die Angabe einer Endsumme mit 0 EUR erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist. Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage i.S. des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, schließt eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO nicht aus. Es spricht für eine versehentliche Nichtberücksichtigung, wenn nur Angaben zu den Endbeständen des steuerlichen Einlagekontos gemacht werden, aufgrund der Erläuterungen im Jahresabschluss aber für einen unvoreingenommenen Dritten Einlagevorgänge erkennbar sind (BFH-Urteil vom 8.12.2021 I R 47/18, BStBl II 2022, 827).
252. Nach diesen Grundsätzen, denen der Senat sich anschließt, kann eine Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG zum 31.12.2007 wie von der Klägerin beantragt nach § 129 Satz 1 AO erfolgen.
26a) Die Voraussetzungen der Korrekturnorm liegen vor.
27aa) Der Bescheid war unrichtig. Die Unrichtigkeit ergibt sich im Streitfall aus der Nichterfassung des Betrags von ... EUR im steuerlichen Einlagekonto. Dieser Betrag ist als nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG der Klägerin im Wirtschaftsjahr 2007 zugeflossen und wäre im steuerlichen Einlagekonto zu erfassen gewesen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf keiner weiteren Erörterung. Die Klägerin hatte in der Feststellungserklärung nur Angaben zum Anfangs- und Endbestand des steuerlichen Einlagekontos, nicht aber zur Entwicklung des Einlagekontos (z.B. zu etwaigen Zugängen) gemacht. Dies spricht nach der Rechtsprechung des BFH für eine versehentliche Nichtberücksichtigung des unstreitig erfolgten Einbringungsvorgangs. Die insoweit fehlerhafte Angabe der Klägerin in ihrer Steuererklärung hat der Beklagte durch Umsetzung in den streitigen Feststellungsbescheid übernommen.
28bb) Diese Unrichtigkeit war nach den oben dargestellten Grundsätzen – was als einziges Tatbestandsmerkmal der Änderungsvorschrift zwischen den Beteiligten streitig ist – auch offenbar. Der Einbringungsvorgang und der Zufluss bei der Klägerin waren für einen unvoreingenommenen Dritten anhand der Steuererklärung und der dazu eingereichten Unterlagen (Bilanz und Detaillierung zur Bilanz und zur Gewinn- und Verlustrechnung) erkennbar.
29(1) Aus der Bilanz war ersichtlich, dass eine Kapitalrücklage i.H.v. ... EUR (gegenüber einem Bestand zum Schluss des Vorjahres von 0 EUR) gebildet worden war. Daraus isoliert lässt sich zwar nicht offensichtlich schließen, dass das steuerliche Einlagekonto auch diesen Betrag bzw. überhaupt einen Zugang ausweisen musste. Denn das steuerliche Einlagekonto muss nicht zwingend mit der handelsrechtlichen Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 HGB übereinstimmen (FG Münster, Urteil vom 25.2.2014 9 K 840/12, EFG 2014, 1155; FG München, Urteil vom 14.12.2015 7 K 1250/14, juris; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.10.2016 10 K 10320/15, EFG 2017, 231; FG Münster, Urteil vom 13.10.2017 13 K 3113/16 F, EFG 2018, 11; Bauschatz in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 27 Rn. 22). Aus diesem Grund bedarf es in Fällen wie dem hier vorliegenden häufig der Klärung, ob mit dem handelsbilanziell dargestellten Zufluss zu der Kapitalrücklage auch ein Zufluss zu dem für steuerliche Zwecke maßgeblichen Einlagekonto einhergeht. Das ist keinesfalls selbstverständlich, denn handelsrechtlich kann die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB auch in anderer Form – etwa durch die Einräumung einer Forderung gegen einen Gesellschafter – gespeist werden (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.10.2016 10 K 10320/15, EFG 2017, 231; FG Münster, Urteil vom 13.10.2017 13 K 3113/16 F, EFG 2018, 11; Überblick bei Störk/Kliem/Meyer in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 272 HGB Rn. 195ff.), während ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto den Zufluss der Mittel voraussetzt (FG München, Urteil vom 14.12.2015 7 K 1250/14, juris; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.10.2016 10 K 10320/15, EFG 2017, 231; FG Münster, Urteil vom 13.10.2017 13 K 3113/16 F, EFG 2018, 11; Bauschatz in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 27 Rn. 35). Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO im Zusammenhang mit der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos setzt also voraus, dass sich aus dem Akteninhalt sowohl die Erhöhung der Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 HGB als auch ein tatsächlicher Mittelzufluss bei der Gesellschaft ergibt (FG Münster, Urteil vom 13.10.2017 13 K 3113/16 F, EFG 2018, 11), wobei die genaue Höhe irrelevant ist.
30(2) Der erforderliche Mittelzufluss wie auch der Einbringungsvorgang waren für einen unvoreingenommenen Dritten aber anhand der weiteren mit der Steuererklärung eingereichten Unterlagen offenbar. Dabei enthielt zwar der eingereichte Anhang zur Bilanz keine näheren Erläuterungen zur Kapitalrücklage, sondern listet nur – unter Nennung des Betrags der Kapitalrücklage von ... EUR – die Zusammensetzung des Eigenkapitals auf. Allerdings ergibt sich aus dem eingereichten Kontenaufriss zur Bilanz und zur Gewinn- und Verlustrechnung ein Einbringungsvorgang bzw. der für eine Einstellung in das steuerliche Einlagekonto erforderliche Zufluss.
31Denn anhand der Detaillierung der Bilanz war erkennbar, dass die Erhöhung der Kapitalrücklage um ... EUR gegenüber einem Bestand zum 31.12. des Vorjahres von 0 EUR nur durch einen entsprechenden Zufluss von Mitteln, wie er für eine Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos erforderlich ist, gespeist werden konnte. Das folgt daraus, dass auf der Aktivseite mit den Anteilen an Unternehmen und der Darlehensforderung nur zwei Positionen in signifikantem Umfang (insgesamt rund ... EUR) erhöht wurden, während sich auf der Passivseite – neben der Kapitalrücklage – nur bei den Verbindlichkeiten eine wesentliche Veränderung (um ... EUR) ergab. Bei diesen wenigen Positionen, die die Bilanz überhaupt enthielt, und aufgrund der Tatsache, dass sich von diesen wenigen Bilanzpositionen überhaupt nur vier wesentlich gegenüber dem Vorjahr geändert hatten und der Saldo der drei Änderungen neben derjenigen der Kapitalrücklage rechnerisch ziemlich genau dem Betrag der Kapitalrücklage entspricht, war für einen unvoreingenommenen Dritten offensichtlich, dass der Betrag der streitigen Kapitalrücklage nur aus einem Mittelzufluss von außen stammen konnte. Umso mehr gilt dies, da die einzig sinnvoll denkbare andere Quelle für diesen Mittelzufluss – nämlich die Selbstfinanzierung durch die Klägerin etwa durch die Erzielung von Veräußerungsgewinnen – anhand der ebenfalls mit der Steuererklärung eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung und der Detaillierung dazu ausgeschlossen werden kann. Denn die Auflistung der Erträge und Aufwendungen enthielt zum einen überhaupt nur sehr wenige Posten und zum anderen handelte es sich dabei nur um – im Vergleich zur Kapitalrücklage von ... EUR – geringfügige Beträge. Insbesondere hatte die Klägerin im Streitjahr neben Zinseinnahmen von ... EUR nur Erträge aus Beteiligungen von ... EUR erzielt. Veräußerungsvorgänge sind aus der Gewinn- und Verlustrechnung überhaupt nicht zu erkennen. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls bei einer wie hier vorliegenden quasi „inaktiven“ Gesellschaft mit nur wenigen betroffenen Posten in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung der Mittelzufluss für einen unvoreingenommenen Dritten offenbar.
32Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass die Erhöhung der Kapitalrücklage möglicherweise statt der erfolgten Einzahlung des Betrags von ... EUR auch aus der Einbringung von Aktiva durch den Gesellschafter – also den Beteiligungen und/oder der Darlehensforderung – herrühren könnte. Denn auch dies würde einen offenbaren Zufluss i.S. des § 27 KStG für das steuerliche Einlagekonto darstellen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die eingebrachten Wirtschaftsgüter mit 0 EUR zu bewerten gewesen wären. Für eine fehlende Werthaltigkeit der Wirtschaftsgüter ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte aus der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung. Dagegen spricht insbesondere, dass die Beteiligungen und die Darlehensforderung nicht abgeschrieben wurden. Vor diesem Hintergrund bestand allenfalls nur eine theoretische Möglichkeit, dass die ggf. eingebrachten Wirtschaftsgüter keinen Wert gehabt haben sollten. Schon die Bewertung mit nur einem Euro würde im Übrigen nach der Rechtsprechung des BFH genügen, da in diesem Fall jedenfalls ein Zufluss erfolgt wäre und die in einem zweiten Schritt erforderlichen Ermittlungen zur genauen Bestimmung der zutreffenden Höhe des Zugangs zum steuerlichen Einlagekonto eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO nicht ausschließen würden.
33b) Der von der Klägerin begehrten Änderung steht – wovon offenbar der Beklagte ebenfalls ausgeht – auch nicht die Feststellungsverjährung entgegen. Zwar begann die reguläre Feststellungsfrist nach Abgabe der Steuererklärung mit Ablauf des Jahres 2009 und endete mit Ablauf des Jahres 2013 (§§ 181 Abs. 1, 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die Eigenkapitalfeststellung kann gleichwohl gemäß § 181 Abs. 5 AO geändert werden.
34Nach § 181 Abs. 5 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit ergehen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Die Vorschrift bringt die „dienende Funktion“ des Feststellungsverfahrens für ein nachfolgendes Festsetzungsverfahren zum Ausdruck. Sie gilt – über ihren Wortlaut hinaus – auch für Änderungen und Berichtigungen (BFH-Urteil vom 11.11.2009 II R 14/08, BStBl II 2010, 723). Tatbestandlich verlangt die Vorschrift, dass die Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist. Dies erfasst nicht nur unmittelbare Wirkungen, wie z. B. diejenige der gesonderten Gewinnfeststellung für den Einkommensteuerbescheid des gleichen Veranlagungszeitraums, sondern auch eine mittelbare Bindung für frühere oder spätere Veranlagungszeiträume (vgl. etwa BFH-Urteil vom 6.7.2005 XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16; Beschluss vom 5.11.2009 IX B 96/09, BFH/NV 2010, 386; FG Köln, Urteil vom 7.4.2016 13 K 37/15, EFG 2016, 980).
35Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31.12.2007 in einem Grundlagen-Folgebescheid-Verhältnis gem. § 27 Abs. 2 Satz 2 KStG, §§ 182, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu den nachfolgenden Eigenkapitalfeststellungen steht und die (spätere) Eigenkapitalfeststellung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes materiell-rechtliche Bindungswirkung für die Einkommensbesteuerung von Ausschüttungen hat (FG Köln, Urteil vom 7.4.2016 13 K 37/15, EFG 2016, 980; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.10.2016 10 K 10320/15, EFG 2017, 231).
36II. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
37III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
38IV. Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.