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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen für die Gewährung steuerfreier Überlassungen von Vermögensbeteiligungen an Arbeitnehmer vorliegen.
3Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft der Z.. Die Klägerin unterhält für ihre Mitarbeiter ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm (den sogenannten ... Plan, im Folgenden I.). Die Planbedingungen des I. für alle teilnehmenden deutschen Unternehmen der Z.-Gruppe, auf die Bezug genommen wird, sehen unter anderem folgendes vor:
4Gemäß § 1 Nr. 1 können am I. Mitarbeiter der Z. Gruppe teilnehmen, die am ersten Tag der Teilnahmeperiode (01.01., siehe § 4) ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis stehen, unabhängig davon, ob der Vertrag zeitlich begrenzt oder unbegrenzt ist, (= spätester Eintritt zum 02.01. des der Teilnahmeperiode vorangehenden Jahres), das weder gekündigt noch Gegenstand einer Aufhebungsvereinbarung ist. Altersteilzeit-Mitarbeiter in der passiven Phase sind ebenfalls teilnahmeberechtigt.
5Mitarbeiter sind gemäß § 1 Nr. 2 nicht berechtigt, am I. teilzunehmen bei
6̵ ruhenden Arbeitsverhältnissen (z. B. Elternzeit, etc.)
7̵ geringfügiger Beschäftigung oder
8̵ Ausbildungsverhältnissen.
9Die Teilnahmeberechtigung wird vor Beginn der jeweiligen Anmeldeperiode überprüft und ermittelt.
10Falls sich der Beschäftigungsstatus eines Teilnehmers in einer laufenden Teilnahmeperiode in einen der vorgenannten ändert, ruht seine Teilnahme ab diesem Zeitpunkt. Ändert sich der Beschäftigungsstatus des ruhenden Teilnehmers in der laufenden Teilnahmeperiode in einen teilnahmeberechtigten gemäß Ziffer 1, lebt seine Teilnahme wieder auf.
11Wenn vor dem Beginn einer Anmeldefrist die Ausschlussgründe gemäß dieser Ziffer 2 nicht mehr vorliegen, kann ein Mitarbeiter am I. teilnehmen, vorausgesetzt, die übrigen Voraussetzungen sind erfüllt. Ausbildungszeiten oder Zeiten einer geringfügigen oder befristeten Beschäftigung werden bei der Ermittlung der Zwölf-Monatsfrist gemäß Ziffer 1 berücksichtigt.
12Gemäß § 3 Nr. 1 können teilnahmeberechtige Mitarbeiter einen Teil ihres Jahresgehalts für den Kauf von Z.-Vorzugsaktien verwenden.
13Nach § 3 Nr. 2 beträgt das maximal mögliche Investment 1/12 von vier Prozent des Jahresentgelts, maximal 4.992 € jährlich.
14Hierfür überwies die Klägerin gemäß § 3 Nr. 4 den Teilnahmebetrag an einen gemäß § 2 des Vertrags zu bestimmenden Verwalter.
15Gemäß § 5 Nr. 1 gewährt die Klägerin auf das monatliche Investment einen Bonus zum Erwerb von „Bonus-Aktien“ unter der auflösenden Bedingung, dass die teilnehmenden Arbeitnehmer während der Sperrfrist nicht über ihre entsprechenden Mitarbeiter-Aktien verfügen. Die Höhe des Bonus wurde jeweils zu Beginn festgesetzt.
16Gemäß § 6 Nr. 1 richtet der Verwalter die Konten ein, auf die Investments und Bonusbeträge aller Teilnehmer überwiesen bzw. die Mitarbeiter- und Bonus-Aktien gebucht werden.
17Gemäß § 6 Nr. 3 verbucht der Verwalter die für den Gesamtbetrag der jeweiligen Tranche erworbenen Aktien auf einem Treuhandsammeldepot lautend auf den Verwalter zugunsten der Teilnehmer. Entsprechend dem jeweiligen Investment und Bonus der einzelnen Teilnehmer werden die Aktien anteilig dem jeweiligen Teilnehmer zum Durchschnittspreis gutgeschrieben. Dabei kann es rechnerisch zur Verteilung von Bruchteilsaktien kommen. Der Verwalter ermittelt solche Bruchteile auf drei Kommastellen.
18Gemäß § 6 Nr. 4 hält der Verwalter die Aktien im eigenen Namen für Rechnung des Teilnehmers.
19Gemäß § 8 Nr. 1 werden die Bonus-Aktien nach einer Sperrfrist von 3 Jahren unverfallbar.
20Der Mindestanlagebetrag gemäß Anlage 2 zum I. betrug monatlich 15 €.
21Der Preis der Vorzugsaktien betrug in den Streitjahren zwischen ... € und ... €. Die Planung in allen wichtigen Bereichen der Klägerin erfolgte durch die Konzernleitung auf der Ebene der Z..
22Die Klägerin beschäftigte im Jahr 2015 ... Auszubildende, ... Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen, ... Langzeitkranke und ... sogenannte Ausgesteuerte, im Jahr 2016 ... Auszubildende, ... Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen, ... Langzeitkranke und ... sogenannte Ausgesteuerte, im Jahr 2017 ... Auszubildende, ... Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen, ... Langzeitkranke und ... sogenannte Ausgesteuerte, und im Jahr 2018 ... Auszubildende, ... geringfügig Beschäftigten, ... Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen, ... Langzeitkranke und ... sogenannte Ausgesteuerte.
23Der in 2018 geringfügig Beschäftigte war vom 00.00. bis 00.00.2018 bei der Klägerin beschäftigt.
24Aus der Gruppe der Auszubildenden stand in allen Streitjahren mindestens eine Person im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zur Klägerin. In den Jahren 2015 bis 2020 lag die Übernahmequote der Auszubildenden zwischen ... % und ... %, der Anteil der Minderjährigen zum Ausbildungsbeginn am 01.09. lag zwischen ... % und ... %.
25Die Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen, Langzeitkranke und sogenannte Ausgesteuerte waren gegenüber der Klägerin nicht zur Erbringung von Arbeitsleistung verpflichtet und bezogen von ihr kein Arbeitsentgelt.
26Die Bekanntgabe des Angebots für das Jahr 2015 erfolgte mit E-Mail vom 22.09.2014, für das Jahr 2016 mit E-Mail vom 21.09.2015, für das Jahr 2017 mit E-Mail vom 20.09.2016 und für das Jahr 2018 mit E-Mail vom 21.09.2017. Die Anmeldefrist lief jeweils vom 01. bis 31. Oktober des Vorjahres.
27Der administrative Aufwand zur Überwachung der Teilnahmevoraussetzungen und etwaigen Rückabwicklung der Bonuszahlungen hätte nach der Berechnung der Klägerin, auf die Bezug genommen wird, für die von der Teilnahme am I. ausgeschlossenen Personengruppen in den Streitjahren durchschnittlich zwischen ... € und ... € betragen.
28Die Klägerin qualifizierte die aus der Gewährung der Bonuszahlungen zum Erwerb der Aktien im Zeitraum 01.01.2015 bis 00.00.2018 resultierenden geldwerten Vorteile unter Anwendung von § 3 Nr. 39 EStG jeweils bis zur Höhe von 360 € als steuerfrei und unterwarf sie dementsprechend nicht dem Lohnsteuerabzug.
29Das Finanzamt J. führte für den Zeitraum 01.01.2015 bis 00.00.2018 bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung durch. Im Bericht vom 01.12.2020 lehnte es die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Nach Satz 2 müsse die Beteiligung mindestens allen Arbeitnehmern i.S.d. § 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) offenstehen, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis stünden.
30Nach § 1 Nr. 2 des I. seien Mitarbeiter mit ruhendem Arbeitsverhältnis, geringfügiger Beschäftigung oder Ausbildungsverhältnis ausgeschlossen.
31Die Klägerin stellte einen Antrag auf Pauschalierung der Lohnsteuer, welchem entsprochen wurde.
32Mit Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer vom 05.01.2021 nahm der Beklagte die Klägerin hinsichtlich der Gewährung der Bonuszahlungen für folgende Beträge in Haftung:
332015 |
2016 |
2017 |
2018 |
Summe |
|
Lohnsteuer |
... € |
... € |
... € |
... € |
... € |
Solidaritätszuschlag |
... € |
... € |
... € |
... € |
... € |
Evangelische Kirchensteuer |
... € |
... € |
... € |
... € |
... € |
Römisch-katholische Kirchensteuer |
... € |
... € |
... € |
... € |
... € |
Jüdische Kultussteuer |
... € |
... € |
... € |
... € |
... € |
Alt-katholische Kirchensteuer |
... € |
... € |
... € |
... € |
... € |
Zur Begründung verwies er auf den beigefügten Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 01.12.2020. Die Haftungsinanspruchnahme an Stelle der Arbeitnehmer begründete er damit, dass sich die Klägerin hiermit einverstanden erklärt habe und gleiche oder ähnliche Berechnungsfehler bei einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern gemacht worden seien.
35Gegen die Nichtberücksichtigung der Anwendung des Freibetrags nach § 3 Nr. 39 EStG legte die Klägerin am 27.01.2021 Einspruch ein.
36Mit Entscheidung vom 02.12.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
37Die Gesetzesfassung lasse die von der Klägerin beschriebenen und praktizierten Ausnahmen nicht zu. Im BMF-Schreiben vom 08.12.2009 (IV C 5 - S 2347/09/10002 BStBl I 2009, 1513) werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Beteiligungsangebot allen Arbeitnehmern offen stehen müsse. Hierzu gehörten auch geringfügig Beschäftigte, Teilzeitkräfte und Auszubildende, die auch explizit genannt würden.
38Das Schreiben sei auch so klar formuliert, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen könne, begründet davon ausgegangen zu sein, dass manche Arbeitnehmer nicht einzubeziehen seien.
39Die von der Klägerin vorgebrachten sachlichen Hinderungsgründe bzw. der administrative Aufwand würden keine Ausnahmetatbestände darstellen.
40Die Klägerin hat am 03.01.2022 Klage erhoben.
41Die Klägerin meint, dass sowohl der Wortlaut des § 3 Nr. 39 EStG als auch das für den hier streitgegenständlichen Zeitraum hierzu ergangene BMF-Schreiben vom 08.12.2009 (a.a.O.) erkennen ließen, dass das Prinzip, alle Mitarbeiter teilnehmen zu lassen, von praktikablen Überlegungen durchbrochen werden könne.
42Eine Differenzierung nach objektiven Zugangskriterien sei möglich, diese müsse aber sachlich gerechtfertigt sein und für alle Beschäftigungsgruppen gleichermaßen gelten.
43Weder der Gesetzgeber noch die Finanzverwaltung würden grundsätzlich ausschließen, dass Gesichtspunkte der Praktikabilität und des administrativen Aufwands arbeitgeberseitig bei der Teilnahmeberechtigung an einem Mitarbeiterbeteiligungsmodell berücksichtigt werden könnten.
44So müsse der Arbeitgeber nach dem BMF-Schreiben vom 08.12.2009 (a.a.O., Tz 1.2.) aus Vereinfachungsgründen das Angebot z.B. nicht an ins Ausland entsandte Arbeitnehmer, gekündigte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer in einem befristeten Dienstverhältnis richten.
45Hintergrund für den Ausschluss der in § 1 Nr. 2 I. genannten Mitarbeitergruppen sei keine Diskriminierung bestimmter Beschäftigungsgruppen; ausschlaggebend hierfür seien vielmehr die folgenden sachlichen bzw. praktischen Hinderungsgründe für die Teilnahme der entsprechenden Mitarbeiter am I.:
46Eine Teilnahme der Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen scheide schon allein aus dem Grund aus, dass diese nicht über ein monatliches Gehalt und daher auch nicht über ein monatliches Nettogehalt verfügten. Somit sei der Erwerb von Aktien aus dem eigenen Nettogehalt für diese Beschäftigungsgruppe administrativ nicht möglich.
47Auch wenn die Gruppe der „ruhenden Arbeitsverhältnisse" nicht regulatorisch in § 1 Nr. 2 des I. von der Teilnahme am I. ausgeschlossen worden wäre, könnte sie rein faktisch entsprechend § 3 Nr. 5 I. nicht an dem I. teilnehmen.
48Wenn sich das Angebot nicht an in das Ausland entsandte Mitarbeiter richten müsse, könne nichts anders für alle anderen denkbaren Mitarbeitergruppen mit einem ruhenden Arbeitsverhältnis gelten.
49Auch eine Teilnahme der „geringfügig Beschäftigten" sowie der „Auszubildenden" sei administrativ und insbesondere vor dem Hintergrund der Spezifika des I. nicht darstellbar.
50Ein geringfügig Beschäftigter dürfe im streitgegenständlichen Zeitraum im Monat nicht mehr als 450 € verdienen. Betrachte man den Preis der Z.-Vorzugsaktien, stelle sich die Teilnahme dieser Mitarbeitergruppe an dem I. bereits als eher theoretisch dar, insbesondere da diese typischerweise über keine oder nur eine geringe Sparquote verfüge.
51Zudem unterliege diese Mitarbeitergruppe einer speziellen Lohnabrechnung; ein Einbezug dieser Mitarbeitergruppen in den I. würde auf Seiten der Klägerin daher zudem zu einem überproportional hohen administrativen Aufwand für eine faktisch nicht teilnahmeinteressierte Mitarbeitergruppe führen. Faktisch sei eine Teilnahme ausgeschlossen, wenn der Mitarbeiter über kein ausreichendes Netto-Gehalt in dem jeweiligen Monat verfüge.
52Auch die Gruppe der Auszubildenden verfüge über Eigenschaften, die ihre Planteilnahme als äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich erscheinen lasse. Die Argumente des administrativen Aufwands sowie der fehlenden notwendigen Eigenmittel in Form des monatlichen Nettogehalts seien dieser Gruppe immanent. Zudem erfüllten einige Auszubildende noch nicht das Mindestalter zur Geschäftsfähigkeit, was den administrativen Aufwand ebenfalls erhöhe.
53Darüber hinaus führe die mit den Aktien verbundene 3-jährige Sperrfrist zuzüglich der einjährigen Beschäftigung (um in den Teilnahmekreis zu gelangen) in den meisten Fällen dazu, dass der Auszubildende im Zeitpunkt des Wegfalls der Sperrfrist ggfs. nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin stünde. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihre gesellschaftspolitische Rolle und Verantwortung übererfülle, indem immer mehr Ausbildungsplätze angeboten würden, als tatsächlich Mitarbeiter im Unternehmen benötigt werden. Dementsprechend bestehe eine nicht unwesentliche Wahrscheinlichkeit, dass der jeweilige Auszubildende nie in den Genuss der Bonusaktie kommen werde, da er vorher aus dem Unternehmen ausgeschieden sei.
54Das Gesamtbild der Verhältnisse zeige klar und deutlich, dass die im Rahmen des I. getroffene Herausnahme von Mitarbeitergruppen nicht vor dem Hintergrund der Diskriminierung dieser Gruppen erfolge, sondern die Teilnahme dieser faktisch nicht durchführbar bzw. deren Ausschluss lediglich dem administrativen Prozedere sowie den Spezifika des I. geschuldet sei.
55Zudem sei sie zum Zeitpunkt des Angebots des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms begründet davon ausgegangen, dass die Gruppen „ruhende Arbeitsverhältnisse (z.B. Elternzeit), geringfügig Beschäftigte sowie Auszubildende" faktisch nicht am I. teilnehmen werden und damit nicht in das Programm einzubeziehen waren.
56Zwar würden insbesondere „geringfügig Beschäftigte" sowie „Auszubildende" in dem o.g. BMF-Schreiben beispielhaft als einzubeziehende Arbeitnehmergruppen erwähnt. Jedoch habe sie aus den oben dargestellten Gründen davon ausgehen können, dass die daran folgende Ausnahmeregelung (z.B. für Expatriates, gekündigte Arbeitnehmer etc.) nicht als abschließend zu verstehen sei, sondern hier beispielhaft Fälle aufgezählt würden, bei denen eine Teilnahme bestimmter Gruppen als nicht zielgerichtet oder durchführbar angesehen werde.
57Der Nichteinbezug dieser Gruppen könne nicht zur nachträglichen Versagung der Steuerfreiheit für die teilnahmeberechtigten Arbeitnehmer führen. Eine andere Sichtweise würde ihr außergewöhnliche Engagement zur Stärkung der Mitarbeiterbeteiligungen ihrer Arbeitnehmer sowie das überdurchschnittliche Ausbildungsengagement steuerlich bestrafen.
58Weder im Gesetzgebungsverfahren zum Mitarbeiterbeteiligungsgesetz noch zum Fondsstandortgesetz sei thematisiert worden, dass die Einbeziehung aller Arbeitnehmergruppen in ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm für ein Unternehmen aufgrund des hierdurch erhöhten administrativen Aufwands einen erheblichen Kostenfaktor darstelle. Bei Kenntnis der durch die über den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hinausgehende geforderte Gleichbehandlung der Arbeitnehmer für die Unternehmen entstehenden administrativen und finanziellen Hürden bei der Etablierung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms hätte der Gesetzgeber erkannt, dass das von ihm durch die Einführung des § 3 Nr. 39 EStG verfolgte Ziel ‑ nämlich die Steigerung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen in Deutschland ‑ auf diese Weise nicht erreicht werden könne.
59Über ihre dargestellte finanzielle Belastung durch den administrativen Mehraufwand hinaus bestehe zudem die Problematik, dass bei einer Rückabwicklung aufgrund des Verfalls der Bonus-Aktien, die von den Arbeitnehmern im Rahmen der Gewährung der Bonus-Aktien hierauf geleisteten Sozialversicherungsbeiträge ggfs. nicht mehr erstattungsfähig sind, und der Arbeitnehmer hierdurch einen finanziellen Nachteil erleidet. Auch dem Arbeitnehmer könnten durch die Teilnahme am I. somit Kosten entstehen. Insbesondere im Falle der Auszubildenden treffe den Arbeitgeber hier eine besondere Fürsorgepflicht. Auch aus Gründen der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers seien insbesondere die Arbeitnehmer in Ausbildungsverhältnissen von der Teilnahme am I. ausgenommen.
60Die Klägerin beantragt,
61den Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 05.01.2021 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2021 insoweit aufzuheben, als mit ihm mehr als ... € Lohnsteuer, ... € Solidaritätszuschlag, ... € evangelische Kirchensteuer, ... € römisch-katholische Kirchensteuer sowie alt-katholische Kirchensteuer und jüdische Kultussteuer festgesetzt worden sind,
62hilfsweise die Revision zuzulassen.
63Der Beklagte beantragt,
64die Klage abzuweisen,
65hilfsweise die Revision zuzulassen.
66Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags verweist er darauf, dass sich der Gesetzgeber unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren zum gesetzlichen Wortlaut entschieden habe. Hierbei seien auch die praktischen Probleme bei der späteren Durchführung des Gesetzes berücksichtigt worden und hätten zu den benannten Einschränkungen der zu beteiligenden Personengruppe geführt. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass im Hinblick auf die streitentscheidende Frage überhaupt eine auslegungsfähige und -bedürftige Regelungslücke bestehe. Für eine Auslegung, die den Wortlaut der Norm in der von der Klägerin gewollten Weise durchbreche, bestehe zumindest kein Raum.
67Die Klägerin sei auch nicht durch zwingende Gründe daran gehindert gewesen, die gesetzeskonforme Umsetzung zu wählen. Eine anderweitige Umsetzung zu wählen habe ihr freigestanden, könne aber nicht dieselben Rechtsfolgen auslösen, wie die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Vorgehensweise.
68Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Gericht über die Klagen der M. (Az. 8 K 9/22 H (L)) und D. (Az. 8 K 14/22 H (L)) entschieden.
69Entscheidungsgründe
70Die Klage ist unbegründet.
71Der Haftungsbescheid vom 05.01.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
72Die Klägerin hätte für sämtliche Bonuszahlungen zum Erwerb der Vorzugsaktien Lohnsteuer i.S. der §§ 38 ff. EStG einbehalten, anmelden und abführen müssen. In Höhe der pflichtwidrig nicht einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer haftet sie gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG. Für den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer gilt Entsprechendes. Die Inanspruchnahme der Klägerin durch den Haftungsbescheid ist auch frei von Ermessensfehlern (§ 102 FGO). Insbesondere hat der Beklagte zu Recht entschieden, dass sich die Klägerin nicht auf einen etwaigen Rechtsirrtum hinsichtlich der Anwendbarkeit der Steuerbefreiung berufen kann.
73Der angefochtene Haftungsbescheid erfüllt die formellen und materiellen Tatbestandsvoraussetzungen des § 191 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 AO i.V.m. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG.
74Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Eine Haftung besteht u.a. dann, wenn Arbeitslohn als steuerfrei behandelt wurde, ohne dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung tatsächlich vorlagen. So verhält es sich hier. Denn die von der Klägerin an ihre Arbeitnehmer gewährten Zahlungen zum Erwerb von Bonusaktien erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 3 Nr. 39 EStG und führten daher zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Deshalb war die Klägerin verpflichtet, insoweit Lohnsteuer einzubehalten.
75Gemäß § 3 Nr. 39 Satz 1 EStG (i.d.F. des Gesetz zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung, Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz, vom 07.03.2009, BGBl I 2009, 451) ist der Vorteil des Arbeitnehmers im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Vermögensbeteiligungen im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, b und f bis l und Absatz 2 bis 5 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes (5. VermBG i.d.F. der Bekanntmachung vom 04.03.1994, BGBl I 1994, 406, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 07.03.2009 BGBl I 2009, 451, in der jeweils geltenden Fassung), am Unternehmen des Arbeitgebers steuerfrei, soweit der Vorteil insgesamt 360 € im Kalenderjahr nicht übersteigt. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist gemäß Satz 2 (i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 08.04.2010, BGBl I 2010, 386), dass die Beteiligung mindestens allen Arbeitnehmern offensteht, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen.
76Als Unternehmen des Arbeitgebers im Sinne des Satzes 1 gilt gemäß Satz 3 auch ein Unternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes (AktG).
77Bei dem von der Klägerin gewährten Bonus zum Erwerb von „Bonus-Aktien“ (Z.-Vorzugsaktien) handelt es sich um eigene Aktien des mit der Klägerin als Arbeitgeberin konzernverbundenen Unternehmens nach § 18 AktG (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 5. VermBG, in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission vom 16.07.2007, BGBl I 2007, 1330). ...
78Die Beteiligung stand nicht mindestens allen Arbeitnehmern offen, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zur Klägerin standen.
79Für den Begriff des Arbeitnehmers ist mangels einer spezialgesetzlichen Regelung auf § 1 LStDV zurückzugreifen (Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 310. Lieferung, 4/2022, § 3 Nr. 39 EStG Rz 6, BMF-Schreiben vom 08.12.2009, a.a.O., Tz 1.1.1; BMF-Schreiben vom 16.11.2021, IV C 5-S 2347/21/10001:006, BStBl I 2021, 2308, Rz 1 v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 323. Lieferung, 4/2022, § 3 Nr. 39 EStG Rz B 39/80).
80Arbeitnehmer im Sinne der Norm sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 LStDV Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen.
81Die von der Klägerin in allen Streitjahren angestellten Auszubildenden und der in 2018 angestellte geringfügig Beschäftigte waren --ebenso wie Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen-- als Arbeitnehmer im Sinne der Norm vom Programm ausgeschlossen.
82Der Ausschluss des geringfügig Beschäftigten in 2018 ist nur deshalb unschädlich, da dieser die Mindestzugehörigkeitsvoraussetzung nach § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG nicht erfüllt.
83Der Wortlaut von § 3 Nr. 39 EStG unterscheidet ausdrücklich nicht zwischen hauptberuflich, geringfügig Beschäftigten und Auszubildenden (statt vieler: Niklaus, in: BeckOK EStG, 14. Ed. 1.10.2022, EStG § 3 Nr. 39 Rz 34 sowie 76-78).
84Unschädlich für die Gewährung der Steuerfreiheit ist ausdrücklich nur, dass Personen, die nicht mindestens ein Jahr ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen standen, vom Angebot ausgeschlossen sind.
85Nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung zur insoweit unveränderten Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung (Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz vom 07.03.2009 (BGBl I 2009, 451)) sollen „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer […] einen fairen Anteil am Erfolg der Unternehmen erhalten“ (Bundestagsdrucksache --BT-Drs.-- 16/10531, 11). Nach dem „Grundsatz der Gleichbehandlung“ gilt nach dem Willen des Gesetzgebers daher: „Ein Angebot zur Beteiligung am Unternehmen muss daher grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen.“ (BT-Drs. 16/10531, 11, 22). Damit soll eine Diskriminierung einzelner Beschäftigtengruppen verhindert werden (BT-Drs. 16/10531, 15).
86Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Differenzierung zwischen Beschäftigungsgruppen erörtert hat. Sowohl Bundesrat (Anlage 3 zu BT-Drs. 16/10531, 22) als auch Finanzausschuss (BT-Drs. 16/11679, 1) haben die Öffnung der steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung unter engen Voraussetzungen und einer vorherigen Festlegung objektiver Kriterien gefordert.
87Im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung wurde daher in § 3 Nr. 39 Satz 2 Buchst. b) EStG, welcher dem heutigen § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG entspricht, das Kriterium der zeitlichen Mindestzugehörigkeit eingefügt (BT-Drs. 16/11679, S. 5), welche im ursprünglichen Gesetzentwurf noch nicht vorhanden war (vgl. BT-Drs. 16/10531, 7).
88Eine weitere Differenzierung nach objektiven Zugangskriterien wurde nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit ausdrücklich abgelehnt (BT-Drs. 16/11679, 15).
89Der wiederholte Verweis der Klägerin darauf, dass der Ausschluss von Auszubildenden und geringfügig Beschäftigten nicht willkürlich sei, übersieht, dass der Gesetzgeber über die Differenzierungskriterien in § 3 Nr. 39 EStG im Rahmen eines Abwägungsprozesses bereits entschieden hat. Eine willkürliche Ungleichbehandlung ist bereits arbeitsrechtlich unzulässig (vgl. Bundesarbeitsgericht-Urteil vom 27.04.2021 9 AZR 662/19, Monatsschrift für Deutsches Recht 2021, 1474, Rz 17, m.w.N.).
90Eine arbeitsvertraglich zulässige Differenzierung ist jedoch für die Steuerbefreiung in § 3 Nr. 39 EStG nicht ausreichend. Wie die Klägerin an anderer Stelle zu Recht betont, hat der Gesetzgeber in § 3 Nr. 39 EStG eine --insoweit über den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hinausgehende-- geforderte Gleichbehandlung der Arbeitnehmer eingefügt (vgl. hierzu bereits Lingemann/Gotham/Marchal, Der Betrieb
91–DB-- 2010, 446, 448).
92Diese Auslegung wird auch dadurch bestärkt, dass die durch § 3 Nr. 39 EStG ersetzte Vorgängerregelung für die (hälftige) Steuerbefreiung für die Überlassung von Vermögensbeteiligungen an Arbeitnehmer in § 19a EStG (zuletzt in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16.07.2007, BGBl. I 2007, 1330,) einen Ausschluss von einzelnen Mitarbeitergruppen als Praktikabilitätsgründen zuließ (vgl. zu den Unterschieden ausdrücklich Stockum/Bender, Betriebs-Berater (BB) 2009, 1948, 1950, 1954; Lingemann/Gotham/Marchal, DB 2010, 446, 448; Breinersdorfer, Deutsches Steuerrecht
93–DStR-- 2009, 453, 455 f.).
94Die Klägerin kann sich nicht auf die Behandlung von Expatriates und gekündigten Arbeitnehmern durch die Steuerverwaltung berufen. Darüber, ob diese von § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG erfasst werden, ist im Streitfall nicht zu entscheiden. Dass die Steuerverwaltung sie nicht einbezieht, bindet den Senat nicht bei der Auslegung, ob Auszubildende und geringfügig Beschäftigte von der Norm erfasst werden.
95Soweit die Klägerin vorträgt, dass Auszubildende und geringfügig Beschäftigte wegen der Höhe ihrer Einkommen regelmäßig nicht am Programm teilnehmen können, wurde dieses Problem für geringfügig Beschäftigte im Gesetzgebungsprozess ausdrücklich erkannt (vgl. die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Kein Staatseingrifff bei Mitarbeiterbeteiligungen, 17.4.2008, S. 2, der sich gegen eine Einbeziehung dieser Gruppe ausspricht).
96Auch geht der Gesetzgeber ausdrücklich davon aus, dass durch die Ausgestaltung von § 3 Nr. 39 EStG die Begünstigungen in mehreren Arbeitsverhältnissen gewährt werden können (BT-Drs. 16/10531, 15). Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei nicht um mehrere Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse handeln kann.
97Auch die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass verbindliche Regelungen über die Verteilungsgrundsätze, also der Maßstäbe, nach denen der vorgegebene finanzielle Rahmen verteilt werden soll, [. . .] für die Steuerfreiheit der Überlassung unschädlich“ seien (BT-Drs 16/10531, 15).
98Eine sachliche Differenzierung innerhalb der Personengruppen mag zulässig sein (vgl. Valta, in: Brandis/Heuermann, 168. EL August 2023, § 3 Nr. 39 EStG Rz 9; Stockum/Bender, BB 2009, 1948, 1951; Lingemann/Gotham/Marchal, DB 2010, 446, 448 f.; Tormöhlen, in: Korn, Einkommensteuergesetz,141. Ergänzungslieferung, Oktober 2022, § 3 Nr. 39 Rz 15; Harder-Buscher, NWB - Steuer- und Wirtschaftsrecht 2009, 1252, 1257; a.A. Breinersdorfer, DStR 2009, 453, 456). Eine Differenzierung im „Wie“ darf nicht derart weit ausgestaltet sein, dass dadurch eine Differenzierung im „Ob“ herbeigeführt wird.
99Dem Senat erschließt sich auch nicht, wieso Auszubildende und geringfügig Beschäftigte wegen der hier allein maßgeblichen tatsächlichen Planbedingungen faktisch nicht hätten teilnehmen können. Der monatliche Mindestbetrag von 15 € kann auch von diesen Personengruppen aufgebracht werden. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass man die Mindestbeteiligungshöhe auch so hoch hätte festsetzen können, dass Auszubildende und geringfügig Beschäftigte ausgeschlossen wären, muss über diesen alternativen Sachverhalt nicht entschieden werden.
100Dem Senat ist bewusst, dass Haushalte mit niedrigeren Einkommen regelmäßig nur eine geringe Sparquote aufweisen. Ungeachtet dessen hat sich der Gesetzgeber, auch mit Blick auf den höheren Anteil von Unternehmens- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen gegenüber dem Arbeitnehmereinkommen (BT-Drs. 16/10531, 11) dafür entschieden, einen steuerlichen Anreiz zu setzen, dass alle Arbeitnehmer die Möglichkeit der Beteiligung erhalten.
101Der Einwand, dass bei der Beteiligung von Minderjährigen eine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, ist keine erhebliche Belastung. Abgesehen davon kann es nicht rechtfertigen, alle Auszubildenden unabhängig von ihrem Alter auszuschließen.
102Der Senat übersieht nicht, dass der Gesetzgeber ursprünglich davon ausging, dass der Gesetzentwurf nicht zu zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft einschließlich der mittelständischen Unternehmen führen würde (BT-Drs. 16/10531, 3).
103Die Klägerin übersieht jedoch, dass die von ihr vorgetragenen Argumente hinsichtlich des administrativen Aufwands zur Überwachung der Sperrfristen nicht dem Gesetzgeber zuzurechnen sind.
104Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG setzt anders als die vergleichbaren Vorgängervorschriften des § 8 Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln (BGBl I 1967, 977) und des § 19a EStG i.d.F. des Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen vom 22.12.1983 (BGBl I 1983, 1592) keine Sperrfrist voraus (aufgehoben durch Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 20.12.2001, BGBl I 2001, 3794).
105Sofern sich die Klägerin aus eigenen betriebswirtschaftlichen Motiven für die Einführung einer Sperrfrist entscheidet, ist der daraus entstehende Aufwand nicht dem Gesetzgeber zuzurechnen.
106Soweit der Aufwand durch die Berücksichtigung von Mitarbeitern mit geringfügiger Beschäftigung entsteht, weil nach dem Vortrag der Klägerin in Monaten der Nichtbeschäftigung der Beitrag zum I. manuell beigetrieben werden muss, ist aus Sicht des Senats bereits zweifelhaft, ob dieser Aufwand nicht durch eine entsprechende Ausgestaltung der I. vermieden werden kann.
107Der Einbezug von ruhenden Arbeitsverhältnissen ist aus Sicht des erkennenden Senats nicht erforderlich, so dass der Klägerin hieraus auch kein entsprechender Aufwand entstehen muss.
108Ungeachtet dessen gilt jedoch, dass sofern es zutrifft, dass die Regelung bei Auszubildenden und geringfügig Beschäftigten mit erheblichen Kontrollaufwand und -kosten für die Klägerin verbunden ist, es Aufgabe des Gesetzgebers wäre, § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG anzupassen.
109Vor allem ist es dem Gesetzgeber überantwortet zu prüfen, ob diese Aufwendungen der Unternehmen aus politischer und wirtschaftlicher Sicht in einem angemessenen Verhältnis zum Ziel einer diskriminierungsfreien Gewährung der Vermögensvorteile steht (vgl. allgemein zu den Zusatzkosten der Besteuerung auf Grund des steuerlichen Verwaltungsaufwands, Fochmann/Heinemann-Heile/Huber/Maiterth/Sureth-Sloane, Steuer und Wirtschaft 2023, 171).
110Soweit die Klägerin sich auf die Absichtserklärung des BMF vom 29.06.2022, Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz, S. 5, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Finanzmarktpolitik/2022-06-29-eckpunkte-zukunftsfinanzierungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=6 , zuletzt abgerufen am 14.12.2023) bezieht, zeigt dies exemplarisch, dass die weitere Ausgestaltung und Differenzierungsmöglichkeit eine politische Entscheidung ist. Denn dort wird neben der Erhöhung des Freibetrags in § 3 Nr. 39 Satz 1 EStG ausdrücklich die Einführung von Begleitregelungen zur Gewährleistung der zweckgerechten Wirkung von § 3 Nr. 39 EStG angekündigt.
111Die von der Klägerin erhobenen Einwände wurden zuletzt im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (BGBl 2021, 1498), vorgebracht (vgl. Stellungnahmen des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. v. 15.12.2020, 2 f.; des Bundesverbands der deutschen Industrie v. 16.12.2020, Stellungnahme 7, S. 2; des Bitkom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e.V. v. 16.12.2020, Stellungnahme 11, S. 2; https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2021-06-10-FoStoG/0-Gesetz.html, zuletzt abgerufen am 14.12.2023).
112Offensichtlich entspricht es auch dem fortbestehenden Willen des Gesetzgebers am sachlichen Differenzierungsverbot in § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG mit Ausnahme der Jahresfrist festzuhalten.
113Die Behauptung der Klägerin, dass der Gesetzgeber bei Kenntnis der durch die geforderte Gleichbehandlung der Arbeitnehmer für die Unternehmen entstehenden administrativen und finanziellen Aufwendungen eine weitergehende sachliche Differenzierung in § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG gestattet hätte, ist dadurch widerlegt.
114Schließlich zeigt die Tatsache, dass die Klägerin den I. ab 2022 für alle Beschäftigten geöffnet hat, dass die Etablierung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms auch dann möglich ist, wenn es allen Beschäftigungsgruppen offensteht. Die Behauptung, dass bei der Einbeziehung von Auszubildenden und geringfügig Beschäftigten in den Anwendungsbereich von § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG die Steigerung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen in Deutschland nicht erreicht werden könne, ist damit ebenfalls widerlegt.
115Da die vom Beklagten für die Streitjahre 2015 – 2018 erfassten und der Besteuerung unterworfenen Bezüge dem Grunde, der Höhe und dem Zeitpunkt nach zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig sind, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.
116Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Rechtsfolge auch nicht willkürlich.
117Der Wegfall der Steuerbefreiung für alle Arbeitnehmer entspricht dem klaren Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes (einhellige Auffassung im Schrifttum, wonach ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zum vollständigen Verlust der Steuerbefreiung führt, vgl. Lingemann/Gotham/Marchal, DB 2010, 446, 450; Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 310. Lieferung, 4/2022, § 3 Nr. 39 EStG Rz 7; Valta, in: Brandis/Heuermann, 164. EL November 2022, § 3 Nr. 39 EStG Rz 10).
118Der Beklagte hat den angefochtenen Haftungsbescheid ermessenfehlerfrei erlassen (§ 102 FGO). Dies gilt sowohl für das Auswahl- als auch für das Entschließungsermessen.
119Hinsichtlich des Auswahlermessens hat der Beklagte zutreffend darauf abgestellt, das von den Gesamtschuldnern i.S. des § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG die Klägerin als Arbeitgeberin und nicht die Arbeitnehmerin in Anspruch genommen werden, da sich die Klägerin mit der Inanspruchnahme im Wege der Pauschalierung einverstanden erklärt hat.
120Im Rahmen des Entschließungsermessens hat der Beklagte zu Recht entschieden, dass die Haftungsinanspruchnahme im Streitfall nicht wegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums ausgeschlossen ist (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 30.09.2020 I R 76/17, BFHE 270, 455, BStBl II 2021, 275, Rz 26, m.w.N.).
121Dem steht aus Sicht des Senats bereits der klare Wortlaut der Norm entgegen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass nach dem BMF-Schreiben vom 08.12.2009 (a.a.O., Tz 1.2) die Steuerfreiheit der übrigen Arbeitnehmer unberührt bleibt, wenn ein Arbeitgeber begründet davon ausgegangen ist, dass ein bestimmter Arbeitnehmer oder eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern nicht einzubeziehen ist und sich dies im Nachhinein anderes herausstellt, hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen hat, dass das BMF-Schreiben vom 08.12.2009 (a.a.O., Tz 1.2) ausdrücklich die Einbeziehung von geringfügig Beschäftigten und Auszubildenden verlangt.
122Im Übrigen kann das Begehren der Klägerin, die Steuerfreiheit für die Vermögensbeteiligungen an die die übrigen Arbeitnehmer unberührt zu lassen, verfahrensrechtlich nur durch eine abweichende Steuerfestsetzung als Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO erreicht werden.
123Nach ständiger Rechtsprechung ist im Steuerfestsetzungsverfahren indes grundsätzlich nicht über einen Billigkeitsantrag entscheiden, weil dieser Gegenstand eines besonderen Verwaltungsverfahrens ist (vgl. BFH-Urteile vom 21.09.2000 IV R 54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178, und vom 23.09.2009 IV R 21/08, BFHE 227, 31, BStBl II 2010, 337, m.w.N.). Die Entscheidung über eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen kann zwar mit der Steuerfestsetzung verbunden werden (§ 163 Abs. 2 AO). Von einer Verbindung beider Verfahren im Wege einer objektiven Klagehäufung (§ 43 FGO) ist auszugehen, wenn die Klägerin im Einspruchs- und im Klageverfahren ausdrücklich auch einen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung oder -feststellung aus Billigkeitsgründen geltend gemacht und der Beklagte über diesen Anspruch entschieden hat (vgl. BFH-Urteil vom 17.05.2022 VIII R 21/20, BFH/NV 2022, 1050, Rz 15).
124Der Klägerin hat indes weder einen entsprechenden Antrag im Festsetzungsverfahren gestellt, noch hat der Beklagte hierüber entschieden
125Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
126Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.