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Der Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 05.01.2021 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2021 wird insoweit aufgehoben, als mit ihm mehr als ... € Lohnsteuer, ... € Solidaritätszuschlag, ... € evangelische Kirchensteuer, ... € römisch-katholische Kirchensteuer, ... € alt-katholische Kirchensteuer und ... € jüdische Kultussteuer festgesetzt worden sind.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen für die Gewährung steuerfreier Überlassungen von Vermögensbeteiligungen an Arbeitnehmer vorliegen.
3Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft der Z.. Sie unterhielt für ihre Mitarbeiter ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm (den sogenannten ... Plan, im Folgenden I.). Die Planbedingungen des I. für alle teilnehmenden deutschen Unternehmen der Z.-Gruppe, auf die Bezug genommen wird, sehen für alle Streitjahre unter anderem folgendes vor:
4Gemäß § 1 Nr. 1 können am I. Mitarbeiter der Z. Gruppe teilnehmen, die am ersten Tag der Teilnahmeperiode (01.01., siehe § 4) ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis stehen, unabhängig davon, ob der Vertrag zeitlich begrenzt oder unbegrenzt ist, (= spätester Eintritt zum 01.01. des der Teilnahmeperiode vorangehenden Jahres), das weder gekündigt noch Gegenstand einer Aufhebungsvereinbarung ist. Altersteilzeit-Mitarbeiter in der passiven Phase sind ebenfalls teilnahmeberechtigt.
5Mitarbeiter sind gemäß § 1 Nr. 2 nicht berechtigt, am I. teilzunehmen bei
6̵ ruhenden Arbeitsverhältnissen (z. B. Elternzeit, etc.)
7̵ geringfügiger Beschäftigung oder
8̵ Ausbildungsverhältnissen.
9Die Teilnahmeberechtigung wird vor Beginn der jeweiligen Anmeldeperiode überprüft und ermittelt.
10Falls sich der Beschäftigungsstatus eines Teilnehmers in einer laufenden Teilnahmeperiode in einen der vorgenannten ändert, ruht seine Teilnahme ab diesem Zeitpunkt. Ändert sich der Beschäftigungsstatus des ruhenden Teilnehmers in der laufenden Teilnahmeperiode in einen teilnahmeberechtigten gemäß Ziffer 1, lebt seine Teilnahme wieder auf.
11Wenn vor dem Beginn einer Anmeldefrist die Ausschlussgründe gemäß dieser Ziffer 2 nicht mehr vorliegen, kann ein Mitarbeiter am I. teilnehmen, vorausgesetzt, die übrigen Voraussetzungen sind erfüllt. Ausbildungszeiten oder Zeiten einer geringfügigen oder befristeten Beschäftigung werden bei der Ermittlung der Zwölf-Monatsfrist gemäß Ziffer 1 berücksichtigt.
12Gemäß § 3 Nr. 1 können teilnahmeberechtige Mitarbeiter einen Teil ihres Jahresgehalts für den Kauf von Z.-Vorzugsaktien verwenden.
13Nach § 3 Nr. 2 beträgt das maximal mögliche Investment 1/12 von vier Prozent des Jahresentgelts, maximal 4.992 € jährlich.
14Hierfür überwies die Klägerin gemäß § 3 Nr. 4 den Teilnahmebetrag an einen gemäß § 2 des Vertrags zu bestimmenden Verwalter.
15Gemäß § 5 Nr. 1 gewährt die Klägerin auf das monatliche Investment einen Bonus zum Erwerb von „Bonus-Aktien“ unter der auflösenden Bedingung, dass die teilnehmenden Arbeitnehmer während der Sperrfrist nicht über ihre entsprechenden Mitarbeiter-Aktien verfügen. Die Höhe des Bonus wurde jeweils zu Beginn festgesetzt.
16Gemäß § 6 Nr. 1 richtet der Verwalter die Konten ein, auf die Investments und Bonusbeträge aller Teilnehmer überwiesen bzw. die Mitarbeiter- und Bonus-Aktien gebucht werden.
17Gemäß § 6 Nr. 3 verbucht der Verwalter die für den Gesamtbetrag der jeweiligen Tranche erworbenen Aktien auf einem Treuhandsammeldepot lautend auf den Verwalter zugunsten der Teilnehmer. Entsprechend dem jeweiligen Investment und Bonus der einzelnen Teilnehmer werden die Aktien anteilig dem jeweiligen Teilnehmer zum Durchschnittspreis gutgeschrieben. Dabei kann es rechnerisch zur Verteilung von Bruchteilsaktien kommen. Der Verwalter ermittelt solche Bruchteile auf drei Kommastellen.
18Gemäß § 6 Nr. 4 hält der Verwalter die Aktien im eigenen Namen für Rechnung des Teilnehmers.
19Gemäß § 8 Nr. 1 werden die Bonus-Aktien nach einer Sperrfrist von 3 Jahren unverfallbar.
20Der Mindestanlagebetrag gemäß Anlage 2 zum I. betrug monatlich 15 €.
21Der Preis der Z.-Vorzugsaktien betrug in den Streitjahren zwischen ... € und ... €. Die Planung in allen wichtigen Bereichen erfolgte durch die Konzernleitung auf der Ebene der Z..
22Die Klägerin beschäftigte im Jahr 2015 ... Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen und ... Langzeitkranke, im Jahr 2016 einen geringfügig Beschäftigten, ... Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen und ... Langzeitkranke, im Jahr 2017 ... Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen, ... Langzeitkranke und ... sogenannte Ausgesteuerte und im Jahr 2018 einen geringfügig Beschäftigten, ... Mitarbeiter mit ruhendem Arbeitsverhältnis und ... sogenannten Ausgesteuerten.
23Der im Jahr 2016 geringfügig Beschäftigte war vom 00.00.2016 – 00.00.2016 bei der Klägerin beschäftigt, der im Jahr 2018 geringfügig Beschäftigte vom 00.00.2018 – 00.00.2018.
24Die Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen, Langzeitkranke und sogenannte Ausgesteuerte waren gegenüber der Klägerin nicht zur Erbringung von Arbeitsleistung verpflichtet und bezogen von ihr kein Arbeitsentgelt.
25Die Bekanntgabe des Angebots für das Jahr 2015 erfolgte mit E-Mail vom 22.09.2014, für das Jahr 2016 mit E-Mail vom 21.09.2015, für das Jahr 2017 mit E-Mail vom 20.09.2016 und für das Jahr 2018 mit E-Mail vom 21.09.2017. Die Anmeldefrist lief jeweils vom 01. bis 31. Oktober des Vorjahres.
26Die X., bei der die Planung in allen wichtigen Bereichen durch die Konzernleitung auf der Ebene der Z. erfolgte, beschäftigte in allen Streitjahren Auszubildende, die dort bei Bekanntgabe des jeweiligen Angebots seit mindestens einem Jahr angestellt waren.
27Die Klägerin qualifizierte die aus der Gewährung der Bonuszahlungen zum Erwerb der Vorzugsaktien im Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2018 resultierenden geldwerten Vorteile unter Anwendung von § 3 Nr. 39 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jeweils bis zur Höhe von 360 € als steuerfrei und unterwarf sie dementsprechend nicht dem Lohnsteuerabzug.
28Das Finanzamt J. führte für den Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2018 bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung durch. Im Bericht vom 01.12.2020 lehnte es die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG ab. Nach Satz 2 müsse die Beteiligung mindestens allen Arbeitnehmer i.S.d. § 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) offenstehen, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis stünden.
29Nach § 1 Nr. 2 des I. seien Mitarbeiter mit ruhendem Arbeitsverhältnis, geringfügiger Beschäftigung oder Ausbildungsverhältnis ausgeschlossen.
30Die Klägerin stellte einen Antrag auf Pauschalierung der Lohnsteuer, welchem entsprochen wurde.
31Mit Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer vom 05.01.2021 nahm der Beklagte die Klägerin hinsichtlich der Gewährung der Bonuszahlungen für folgende Beträge in Haftung:
322015 |
2016 |
2017 |
2018 |
Summe |
|
Lohnsteuer |
€ |
€ |
€ |
€ |
€ |
Solidaritätszuschlag |
€ |
€ |
€ |
€ |
€ |
Evangelische Kirchensteuer |
€ |
€ |
€ |
€ |
€ |
Römisch-Katholische Kirchensteuer |
€ |
€ |
€ |
€ |
€ |
Jüdische Kultussteuer |
€ |
€ |
€ |
€ |
€ |
Alt-katholische Kirchensteuer |
€ |
€ |
€ |
€ |
€ |
Zur Begründung verwies der Beklagte auf den beigefügten Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 01.12.2020. Die Haftungsinanspruchnahme an Stelle der Arbeitnehmer begründete er damit, dass sich die Klägerin hiermit einverstanden erklärt habe und gleiche oder ähnliche Berechnungsfehler bei einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern gemacht worden seien.
34Gegen die Nichtberücksichtigung der Anwendung des Freibetrags nach § 3 Nr. 39 EStG legte die Klägerin am 27.01.2021 Einspruch ein.
35Mit Entscheidung vom 02.12.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
36Die Gesetzesfassung lasse die von der Klägerin beschriebenen und praktizierten Ausnahmen nicht zu. Im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 08.12.2009 (IV C 5 - S 2347/09/10002, BStBl I 2009, 1513) werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Beteiligungsangebot allen Arbeitnehmern offenstehen müsse. Hierzu gehörten auch geringfügig Beschäftigte, Teilzeitkräfte und Auszubildende, die auch explizit genannt würden.
37Das Schreiben sei auch so klar formuliert, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen könne, begründet davon ausgegangen zu sein, dass manche Arbeitnehmer nicht einzubeziehen seien.
38Die von der Klägerin vorgebrachten sachlichen Hinderungsgründe bzw. der administrative Aufwand würden keine Ausnahmetatbestände darstellen.
39Die Klägerin hat am 03.01.2022 Klage erhoben.
40Die Klägerin meint, dass sowohl der Wortlaut des § 3 Nr. 39 EStG als auch das für den hier streitgegenständlichen Zeitraum hierzu ergangene BMF-Schreiben vom 08.12.2009 (a.a.O.) erkennen ließen, dass das Prinzip, alle Mitarbeiter teilnehmen zu lassen, von praktikablen Überlegungen durchbrochen werden könne.
41Eine Differenzierung nach objektiven Zugangskriterien sei möglich, diese müsse aber sachlich gerechtfertigt sein und für alle Beschäftigungsgruppen gleichermaßen gelten.
42Weder der Gesetzgeber noch die Finanzverwaltung schlössen grundsätzlich aus, dass Gesichtspunkte der Praktikabilität und des administrativen Aufwands arbeitgeberseitig bei der Teilnahmeberechtigung an einem Mitarbeiterbeteiligungsmodell berücksichtigt werden könnten.
43So müsse der Arbeitgeber nach dem BMF-Schreiben vom 08.12.2009 (a.a.O., Tz 1.2) aus Vereinfachungsgründen das Angebot z.B. nicht an ins Ausland entsandte Arbeitnehmer (sogenannte „Expatriates“), gekündigte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer in einem befristeten Dienstverhältnis richten.
44Hintergrund für den Ausschluss der in § 1 Nr. 2 I. genannten Mitarbeitergruppen sei keine Diskriminierung bestimmter Beschäftigungsgruppen. Ausschlaggebend hierfür seien vielmehr die folgenden sachlichen bzw. praktischen Hinderungsgründe für die Teilnahme der entsprechenden Mitarbeiter am I.:
45Eine Teilnahme der Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen scheide schon allein aus dem Grund aus, dass diese nicht über ein monatliches Gehalt und daher auch nicht über ein monatliches Nettogehalt verfügten. Somit sei der Erwerb von Aktien aus dem eigenen Nettogehalt für diese Beschäftigungsgruppe administrativ nicht möglich.
46Auch wenn die Gruppe der „ruhenden Arbeitsverhältnisse" nicht regulatorisch in § 1 Nr. 2 des I. von der Teilnahme am I. ausgeschlossen worden wäre, könnte sie rein faktisch entsprechend § 3 Nr. 5 I. nicht teilnehmen.
47Wenn sich das Angebot nicht an in das Ausland entsandte Mitarbeiter richten müsse, könne nichts anders für alle anderen denkbaren Mitarbeitergruppen mit einem ruhenden Arbeitsverhältnis gelten.
48Das Gesamtbild der Verhältnisse zeige klar und deutlich, dass die im Rahmen des I. getroffene Herausnahme der Mitarbeitergruppen nicht vor dem Hintergrund der Diskriminierung dieser Gruppen erfolgt sei, sondern die Teilnahme dieser faktisch nicht durchführbar bzw. deren Ausschluss lediglich dem administrativen Prozedere sowie den Spezifika des I. geschuldet sei.
49Zudem sei sie zum Zeitpunkt des Angebots des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms begründet davon ausgegangen, dass die Gruppen „ruhende Arbeitsverhältnisse (z.B. Elternzeit), geringfügig Beschäftigte sowie Auszubildende" faktisch nicht am I. teilnehmen werden und damit nicht in das Programm einzubeziehen waren.
50Zwar würden insbesondere „geringfügig Beschäftigte" sowie „Auszubildende" in dem genannten BMF-Schreiben beispielhaft als einzubeziehende Arbeitnehmergruppen erwähnt. Jedoch habe sie davon ausgehen können, dass die daran folgende Ausnahmeregelung (z.B. für Expatriates, gekündigte Arbeitnehmer etc.) nicht als abschließend zu verstehen sei, sondern hier beispielhaft Fälle aufzählt würden, bei denen eine Teilnahme bestimmter Gruppen als nicht zielgerichtet oder durchführbar angesehen werde.
51Der Nichteinbezug bestimmter Arbeitnehmergruppen könne dementsprechend nicht zur - nachträglichen - Versagung der Steuerfreiheit für die teilnahmeberechtigten Arbeitnehmer führen.
52Selbst wenn der Ausschluss der betroffenen Mitarbeitergruppen von der Teilnahme an dem Mitarbeiterbeteiligungsplan grundsätzlich ein Hinderungsgrund für die Anwendung des Freibetrags nach § 3 Nr. 39 EStG wäre, könne dies jedoch nicht gelten, soweit ein Arbeitgeber in dem betreffenden Jahr überhaupt keine Mitarbeiter der betroffenen Gruppen beschäftige. Denn in diesem Fall stehe die Beteiligung faktisch mindestens allen Arbeitnehmern offen, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum jeweiligen Unternehmen stehen.
53Die Klägerin beantragt,
54den Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 05.01.2021 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2021 insoweit aufzuheben, als mit ihm mehr als ... € Lohnsteuer, ... € Solidaritätszuschlag, ... € evangelische Kirchensteuer, ... € römisch-katholische Kirchensteuer, ... € alt-katholische Kirchensteuer und ... € jüdische Kultussteuer festgesetzt worden sind,
55hilfsweise die Revision zuzulassen.
56Der Beklagte beantragt,
57die Klage abzuweisen,
58hilfsweise die Revision zuzulassen.
59Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags verweist er darauf, dass sich der Gesetzgeber unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren zum gesetzlichen Wortlaut entschieden habe. Hierbei seien auch die praktischen Probleme bei der späteren Durchführung des Gesetzes berücksichtigt worden und führten zu den benannten Einschränkungen der zu beteiligenden Personengruppe. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass im Hinblick auf die streitentscheidende Frage überhaupt eine auslegungsfähige und ‑bedürftige Regelungslücke bestehe. Für eine Auslegung, die den Wortlaut der Norm in der von der Klägerin gewollten Weise durchbreche, bestehe zumindest kein Raum.
60Die Klägerin sei auch nicht durch zwingende Gründe daran gehindert gewesen, die gesetzeskonforme Umsetzung zu wählen. Eine anderweitige Umsetzung zu wählen stehe ihr frei, könne aber nicht dieselben Rechtsfolgen auslösen, wie die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Vorgehensweise.
61Ob die Klägerin tatsächlich Arbeitnehmer dieser ausgeschlossenen Gruppen beschäftige sei unerheblich, da bereits in den grundsätzlichen Planbedingungen Arbeitnehmergruppen ausgeschlossen werden.
62Da die Planungen in allen wichtigen Bereichen durch die Konzernleitung vorgenommen worden seien, sei aufgrund des von der Konzernleitung gewählten Wortlauts die Vereinbarung auf alle Gesellschaften der Z.-Gruppe anzuwenden, unabhängig davon, ob tatsächlich ausgeschlossene Arbeitnehmer beschäftigt werden oder nicht.
63Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Gericht über die Klagen der M. (Az. 8 K 9/22 H (L)) und X. (Az. 8 K 11/22 H (L)) entschieden.
64Entscheidungsgründe
65Die Klage ist begründet.
66Der Haftungsbescheid vom 05.01.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), soweit der Beklagte die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG nicht angewendet hat.
67Die Klägerin hat die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag sowie die Kirchensteuer, für die sie insoweit als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen worden ist, nicht fehlerhaft angemeldet und abgeführt.
68Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Eine Haftung besteht u.a. dann, wenn Arbeitslohn als steuerfrei behandelt wurde, ohne dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung tatsächlich vorlagen.
69Die von der Klägerin an ihre Arbeitnehmer gewährten Bonuszahlungen erfüllen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 39 EStG und führten daher nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn.
70Gemäß § 3 Nr. 39 Satz 1 EStG (i.d.F. des Gesetz zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung, Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz, vom 07.03.2009, BGBl I 2009, 451) ist der Vorteil des Arbeitnehmers im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Vermögensbeteiligungen im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, b und f bis l und Absatz 2 bis 5 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes (5. VermBG) (i.d.F. vom 04.03.1994, BGBl. I 1994, 406, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 07.03.2009, BGBl I 2009, 451, in der jeweils geltenden Fassung), am Unternehmen des Arbeitgebers steuerfrei, soweit der Vorteil insgesamt 360 € im Kalenderjahr nicht übersteigt. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist gemäß Satz 2 (i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 08.04.2010, BGBl I 2010, 386), dass die Beteiligung mindestens allen Arbeitnehmern offensteht, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen.
71Als Unternehmen des Arbeitgebers im Sinne des Satzes 1 gilt gemäß Satz 3 auch ein Unternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes (AktG).
72Bei dem von der Klägerin gewährten Bonus zum Erwerb von „Bonus-Aktien“ (Z.-Vorzugsaktien) handelt es sich um eigene Aktien des mit der Klägerin als Arbeitgeberin konzernverbundenen Unternehmens nach § 18 AktG (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 5. VermBG, i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission vom 16.07.2007, BGBl I 2007, 1330). ...
73Unschädlich für die Gewährung der Steuerfreiheit ist, dass die Klägerin gemäß § 1 Nr. 2 des I. Mitarbeiter aus ruhenden Arbeitsverhältnissen (z. B. Elternzeit, etc.) nicht einbezogen hat, da diese nicht in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zur Klägerin standen.
74Unschädlich ist ferner, dass die in 2016 und 2018 geringfügig Beschäftigten nicht einbezogen waren, da diese im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots nicht ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zur Klägerin standen.
75Für den Begriff des Arbeitnehmers ist mangels einer spezialgesetzlichen Regelung auf § 1 LStDV zurückzugreifen (Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 310. Lieferung, 4/2022, § 3 Nr. 39 EStG Rz 6, BMF-Schreiben vom 08.12.2009, a.a.O., Tz 1.1.1; BMF-Schreiben vom 16.11.2021, IV C 5-S 2347/21/10001:006, BStBl I 2021, 2308, Rz 1 v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 323. Lieferung, 4/2022, § 3 Nr. 39 EStG Rz B 39/80).
76Nach § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LStDV i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, die nach ständiger Rechtsprechung des BFH den Arbeitnehmerbegriff zutreffend auslegen, liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (BFH-Urteil vom 23.04.2009 VI R 81/06, BFHE 225, 33, BStBl II 2012, 262, Rz 27, m.w.N.).
77Bei ruhenden Arbeitsverhältnissen fehlt es jedenfalls am Tatbestandsmerkmal der Gegenwärtigkeit.
78Das Tatbestandsmerkmal der Gegenwärtigkeit wird in der Gesetzesbegründung nicht erläutert. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses (Bundestagsdrucksache --BT-Drs.-- 16/11679, 15) wird zum Begriff des „gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen“ lediglich auf § 2 LStDV verwiesen. Da § 2 LStDV den Begriff des Arbeitslohns definiert, muss davon ausgegangen werden, dass jedenfalls der Finanzausschuss mit einem gegenwärtigen Dienstverhältnis die Lohnzahlung verbunden hat.
79Auch in den Gesetzesmaterialien zur Vorgängervorschrift des § 19a EStG i.d.F. des Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen vom 22.12.1983 (BGBl I 1983, 1592) findet sich keine Definition zur auch dort enthaltenen Formulierung „Arbeitnehmer im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses“. Gleichwohl ergibt sich auch aus der entsprechenden Gesetzesbegründung, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass es sich um die „Zuwendung eines Lohnteils“ handele (BT-Drs. 10/337, 11 f.).
80Übergeordnete und in § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG zum Ausdruck kommende Leitlinie bei der Ausgestaltung des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes war die Gleichbehandlung von Mitarbeitern, welche zum Unternehmenserfolg beigetragen haben.
81Nach der Gesetzesbegründung zur insoweit unveränderten Fassung des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes sollen „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer […] einen fairen Anteil am Erfolg der Unternehmen erhalten“ (BT-Drs. 16/10531, 11). Nach dem „Grundsatz der Gleichbehandlung“ gilt nach dem Willen des Gesetzgebers daher: „Ein Angebot zur Beteiligung am Unternehmen muss daher grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen“ (BT-Drs. 16/10531, 11, 22). Damit soll eine Diskriminierung einzelner Beschäftigtengruppen verhindert werden (BT-Drs. 16/10531, 15).
82Nach dem Sinn und Zweck der Norm muss es daher darauf ankommen, dass der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet bzw. aus anderen, insbesondere sozialen Gründen einen Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitslohns hat (vgl. Wünnemann, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 31, 31; in diesem Sinne bereits zum Begriff des „gegenwärtigen Dienstverhältnisses“ in der Vorgängervorschrift des § 19a EStG i.d.F. des Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen vom 22.12.1983 (BGBl I 1983, 1592) Altehoefer, Deutsche Steuer-Zeitung 1984, 61, 70, wonach Gegenwärtigkeit bedeute, dass der Arbeitnehmer Arbeitslohn bezieht, sich mithin in einem aktiven Arbeitsverhältnis befinde; Unterbrechungen oder Einschränkungen seien unschädlich, „wenn weiterhin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen.“).
83Haben die betreffenden Arbeitnehmer zum Unternehmenserfolg aufgrund ihrer Abwesenheit nichts beigetragen, sind sie nicht einzubeziehen (a.A. Breinersdorfer, DStR 2009, 453, 456, der zwar erkennt, dass die betreffenden Arbeitnehmer keinen Beitrag geleistet haben, sie indes ohne Begründung erfasst).
84Im Ausgangspunkt besteht daher Einigkeit im Schrifttum, dass das Tatbestandsmerkmal eine aktive Tätigkeit voraussetzt (vgl. Tormöhlen, in: Korn, Einkommensteuergesetz, 141. Ergänzungslieferung, Oktober 2022, § 3 EStG Rz 12; Seidel, in: Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 343. Lieferung, 6/2012, § 3 Nr. 39 EStG Rz 60; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 323. Lieferung, 4/2022, § 3 Nr. 39 EStG B 39/85; Niklaus, in: BeckOK EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow, 16. Edition Stand: 01.07.2023, § 3 Nr. 39 EStG Rz 39).
85Der BFH hat in einer früheren Entscheidung eine aktuell bestehende Weisungsbefugnis als Voraussetzungen für ein gegenwärtiges Arbeitsverhältnis gesehen (BFH-Urteil vom 29.06.1973 VI R 267/69, BFHE 109, 532, BStBl II 1973, 736 [Rz 7]). Auch in der Literatur wird für ein gegenwärtiges Dienstverhältnis gefordert, dass ein aktueller Leistungsaustausch für die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft gegen die Zahlung von Arbeitslohn erfolgt (Breinersdorfer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 327. Lieferung, 8/2022, § 19 Rz B 4 und B 5, B 452; vgl. speziell im Zusammenhang mit § 3 Nr. 39 EStG auch Harder-Buschner, NWB - Steuer- und Wirtschaftsrecht –NWB-- 2009, 1252, 1254).
86Dabei zwingt die Struktur von § 3 Nr. 39 Sätze 1 und 2 EStG dazu, den Kreis des begünstigten und gleichzeitig zwingend einzubeziehenden „Arbeitnehmers im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses“ einheitlich zu definieren.
87Eine Auslegung, wonach ruhende Arbeitsverhältnisse zu erfassen seien, würde damit dazu zwingen, dass auch diese Arbeitnehmer, obwohl sie möglicherweise seit Jahren nichts zum Erfolg des Unternehmens beigetragen haben, ein Angebot erhalten müssen, um den Arbeitnehmern, die einen Beitrag geleistet haben, die Steuerfreiheit zu erhalten. Dabei lässt sich betriebswirtschaftlich hinterfragen, ob nicht zwischenzeitlich im Ruhestand befindliche Mitarbeiter zum aktuellen Unternehmenserfolg beigetragen haben und insofern weiterhin an der Entwicklung teilhaben sollten.
88Der Gesetzgeber hat sich indes bewusst und in Abgrenzung zur weiteren Definition in § 19 EStG und §§ 1, 2 LStDV dazu entschieden, das Tatbestandsmerkmal der Gegenwärtigkeit voranzustellen.
89Soweit auch ruhende Dienstverhältnisse als gegenwärtige Dienstverhältnisse im Sinne der Norm angesehen werden, erfolgt dies überwiegend ohne eigene Begründung (BMF-Schreiben vom 08.12.2009, a.a.O. Tz 1.1.1.; ersetzt ab 2021 durch BMF-Schreiben vom 16.11.2021, a.a.O. Rz 2; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 323. Lieferung, 4/2022, § 3 Nr. 39 EStG B 39/85; Seidel, in: Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 343. Lieferung, 6/2012, § 3 Nr. 39 EStG Rz 64; Tormöhlen, in: Korn, Einkommensteuergesetz, 141. Ergänzungslieferung, Oktober 2022, § 3 EStG Rz 12; Stockum/Bender, Betriebs-Berater --BB-- 2009, 1948, 1950). Stattdessen wird überwiegend auf die Kommentierung zu § 19a EStG (i.d.F. des Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen vom 22.12.1983 (BGBl I 1983, 1592), zuletzt in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16.07.2007, BGBl. I 2007, 1330) von Breinersdorfer (in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 134. Lieferung, August 2003, § 19 B 11) verwiesen. Danach sind bei ruhenden Dienstverhältnissen zwar die Hauptpflichten suspendiert. Ausreichend sei jedoch, dass die sonstigen rechtlichen Beziehungen wie beispielsweise das Wahlrecht zum Betriebsrat und die Betriebszugehörigkeit blieben aufrechterhalten (insoweit enger bereits zur Vorgängervorschrift Drenseck, in: Schmidt, 20. Auflage 2001, § 19a Rz 20). Soweit der Begriff des gegenwärtigen Dienstverhältnisses in § 3 Nr. 39 EStG als arbeitsrechtlich bestehendes Haupt- oder Neben-Dienstverhältnis definiert wird (Levedag, in: Schmidt, 42. Aufl. 2023, EStG § 3 Rz 133; Lingemann/Gotham/Marchal, Der Betrieb 2010, 446, 448), ist dies aus Sicht des Senats nicht ausreichend.
90Zwar entspricht es einhelliger Auffassung, dass künftige oder beendete frühere Dienstverhältnisse und damit insbesondere die Bezieher von Renten oder Vorruheständler ausgeschlossen sind (statt vieler Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 310. Lieferung, 4/2022, § 3 Nr. 39 EStG Rz 6).
91Da auch bei einem ruhenden Arbeitsvertrag das Arbeitsverhältnis fortbesteht (BFH-Urteile vom 10.04.2014 VI R 11/13, BFHE 245, 218, BStBl II 2014, 804, Rz 18; und vom 17.12.2020 VI R 21/18, BFHE 272, 31, BStBl II 2021, 506, Rz 51), muss der Begriff der Gegenwärtigkeit indes einen weitergehenden Bedeutungsinhalt haben. Hätte der Gesetzgeber alle zivilrechtlich bestehenden Dienstverhältnisse erfassen wollen, hätte es auch nahegelegen, diesen Begriff wie in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 EStG zu verwenden.
92Der Senat teilt auch nicht die Auffassung, dass die Einbeziehung von ruhenden Arbeitsverhältnissen als gegenwärtige deshalb geboten wäre, um Mitarbeiter zu binden und die Liquidität des Unternehmens zu verbessern (so Niklaus, in: BeckOK EStG, 16. Ed. 1.7.2023, § 3 Nr. 39 EStG Rz 40). Zwar hat der Gesetzgeber auch die Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie zur Verbesserung der Eigenkapitalbasis von Unternehmen als Ziele in der Gesetzesbegründung angegeben (BT-Drs. 16/10531, 1).
93Diese Ziele werden in der Gesetzesfassung aber entweder überhaupt nicht oder nur unvollständig umgesetzt. Die Einbeziehung von ruhenden Arbeitsverhältnissen ist im Übrigen zur Verfolgung des Ziels der Verbesserung der Liquidität ungeeignet.
94Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG setzt anders als die vergleichbaren Vorgängervorschriften des § 8 Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln (BGBl I 1967, 977) und des § 19a EStG i.d.F. des Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen vom 22.12.1983 (BGBl I 1983, 1592) keine Sperrfrist voraus (aufgehoben durch Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 20.12.2001, BGBl I 2001, 3794). Die Bindung von Mitarbeitern mag ein Motiv des Gesetzgebers sein, eine konkrete Umsetzung findet sich nicht mehr.
95Die Einbeziehung von ruhenden Arbeitsverhältnissen kann sich auch in keiner Form der nach § 2 5. VermBG benannten Arten positiv auf die Liquidität auswirken. Kern des ruhenden Arbeitsverhältnisses ist, dass die Hauptleistungspflichten suspendiert sind, der Arbeitgeber mithin kein Entgelt schuldet. Würde der Arbeitgeber zum Erhalt der Steuerbefreiung für die aktiv tätigen Arbeitnehmer verpflichtet, auch ruhenden Arbeitnehmern die Teilnahme zu ermöglichen, so würde die Liquidität zwingend sinken, ohne dass der Arbeitgeber von den Arbeitnehmern mit ruhenden Arbeitsverhältnissen hierfür irgendeine Gegenleistung erhielte.
96Durch die in § 3 Nr. 39 Satz 1 EStG aufgeführten Vermögensbeteiligungen wird auch nicht generell die Eigenkapitalbasis des Unternehmens verbessert.
97Im vorliegenden Fall sinkt die Liquidität der Klägerin durch den Bonus. Der I. sieht einen Bonus zum Erwerb bestehender Aktien am Kapitalmarkt vor (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Var. 2 5. VermBG), eine Verbesserung der Liquidität kann sich hieraus allenfalls mittelbar in der Zukunft ergeben (vgl. BT-Drs. 10/337, 1 zu § 19a EStG i.d.F. des Vermögensbeteiligungsgesetzes: „Durch Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer kann die erforderliche Zurückhaltung bei den Nominallohnabschlüssen erleichtert werden.“).
98Soweit nach dieser Auslegung auch Frauen während des Mutterschutzes von der steuerbegünstigten Teilnahme ausgeschlossen werden, ist dies soweit ersichtlich zivilrechtlich zulässig , da die vom Arbeitgeber erbrachten Leistungen Teil des Mutterschutzgeldes werden (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Leitfaden zum Mutterschutz, Dezember 2022, 18. Auflage, S. 95, wonach der Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen während des Mutterschutzes vom Inhalt jeweiligen Vereinbarung mit dem Arbeitgebers abhängt; Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverband vom 06./07.12.2017 in der Fassung vom 23.03.2022 zu den Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft unter Rz 9.2.4.1., wonach bei der Berechnung des Mutterschaftsgeldes vom Arbeitgeber erbrachte Leistungen nach § 2 Abs. 1 5. VermBG zu berücksichtigen sind, https://www.vdek.com/vertragspartner/leistungen/schwangerschaft/_jcr_content/par/download/file.res/2017_12_06_07_NS_Fassung_vom_%2023.03.2022.pdf, zuletzt abgerufen am 18.12.2023).
99Unschädlich ist schließlich auch, dass der I. das Ruhen der Teilnahme vorsieht, sofern ein Arbeitnehmer in eine der nach § 1 Nr. 2 I. ausgeschlossenen Gruppen wechselt.
100Aus dem Wortlaut von § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG ergibt sich nicht ausdrücklich, ob der Arbeitgeber die Leistung auch dann gewähren muss, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses ein Angebot erhält und vor Beginn oder während der Laufzeit des Angebots diesen Status verliert.
101Es entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift, dass Arbeitnehmer, die nach Bekanntgabe, aber vor Beginn oder während der Laufzeit des Angebots ausscheiden, von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen werden können (so auch von Beckerath, in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 22. Auflage 2023, § 3 Nr. 39 Rz 92a; Stockum/Bender, BB 2009, 1948,1951; als Nichtbeanstandungsregelung BMF-Schreiben vom 08.12.2009, a.a.O., Tz 1.2).
102Nichts anderes kann dann aber gelten, wenn ein Arbeitnehmer während der Laufzeit des Angebots in ein ruhendes Arbeitsverhältnis wechselt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der I. wie vorliegend vorsieht, dass bei der Wiederaufnahme der Tätigkeit der Arbeitnehmer wieder teilnahmeberechtigt ist.
103Zwar führt nach den Bedingungen des I. auch der Wechsel in ein Ausbildungsverhältnis oder eine geringfügige Beschäftigung zu einem Ruhen der Teilnahme. Die ... in 2016 und 2018 geringfügig Beschäftigten waren jedoch nicht zuvor teilnahmeberechtigte Arbeitnehmer, so dass nach den insoweit allein maßgeblichen konkreten Umständen keine Mitarbeiter ausgeschlossenen waren. Im Übrigen sind keine bisher teilnahmeberechtigten Mitarbeiter in ein Ausbildungsverhältnis gewechselt. Der abstrakte Ausschluss von Mitarbeitergruppen im I. ist für die Gewährung der Steuerbefreiung unschädlich.
104Entgegen der Meinung des Beklagten ist es für die Auslegung und Bestimmung des Begriffs der Arbeitnehmer daher auch irrelevant, dass bei anderen Unternehmen der Z. Gruppe vom I. ausgeschlossene Mitarbeiter, namentlich Auszubildende, beschäftigt werden. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut, der Gesetzesbegründung, der Systematik wie auch Sinn und Zweck der Vorschrift.
105Die Definition des Konzerns und des Konzernunternehmens im Sinne des § 18 AktG ist nach § 3 Nr. 39 Satz 3 EStG ausdrücklich nur zugunsten des Steuerpflichtigen bei der Definition des Unternehmens des Arbeitgebers nach Satz 1 maßgeblich.
106Der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgebots in § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG wird ausdrücklich nicht erfasst (Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 310. Lieferung, 4/2022, § 3 Nr. 39 Rz 7, Harder-Buschner, NWB 2009, 1252, 1257; von Beckerath, in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 22. Auflage 2023, § 3 Nr. 39 Rz 93; a.A. Breinersdorfer, DStR 2009, 453, 455 f., der nicht darauf eingeht, dass § 3 Nr. 39 Satz 3 nur auf Satz 1 EStG verweist und daher eine Abweichung zur Gesetzes-begründung in BT- Drs. 16/10531, 15 sieht).
107Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich eindeutig, dass zwar jedes konzernzugehörige Unternehmen als arbeitgebendes Unternehmen gilt (BT- Drs. 16/10531, 12, 15), die Beteiligung muss aber nur allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen, bei einem Konzernunternehmen aber nicht den Beschäftigten der übrigen Konzernunternehmen (BT-Dr. 16/10531, 15).
108Es entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes den Gleichbehandlungs-grundsatz allein auf die im konkreten Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen.
109Nicht im Unternehmen beschäftigte Personen haben keinen Beitrag zum Unternehmenserfolg geleistet, ihre Einbeziehung ist damit auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht geboten. Der Gesetzgeber wollte mit dem Gleichbehandlungsgebot nur eine unterschiedliche Behandlung im selben Unternehmen verhindern.
110Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass im Fall der Klägerin alle Unternehmensgesellschaften einen Beitrag zum Erfolg des Konzerns geleistet haben. Der Gesetzgeber hat das Gleichbehandlungsgebot indes selbst aus pragmatischen Gründen beschränkt und nur die begünstigte Beteiligung auf Konzernunternehmen erweitert. Hierfür spricht, dass es für einen Konzern regelmäßig nur eine Aktie gibt, dieser aber über zahlreiche Unternehmen verfügt.
111Nach der Argumentation des Beklagten müsste darüber hinaus der I. allen Arbeitnehmern in allen Konzerngesellschaften weltweit offenstehen, da alle einen Beitrag zum in der Aktie zum Ausdruck kommenden Unternehmenserfolg geleistet haben.
112Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
113Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.