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Der Einkommensteuerbescheid 2020 vom 23.11.2021 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 20.04.2022 und der Einspruchsentscheidung vom 15.06.2022 wird dahin geändert, dass die Einkünfte aus dem Umtausch der Wertpapiere mit der ISIN N01 in Wertpapiere mit der ISIN N02 auf 3.158,19 EUR herabgesetzt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Steuer wird auf den Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
2Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ein Zwangsumtausch von ausländischen-Anleihen zu steuerbaren Kapitaleinkünften geführt hat.
3Der Kläger hatte in den Jahren 1997 bis 2000 mehrfach ausländische Anleihen erworben. Wegen Zahlungsschwierigkeiten ... erfolgten keine termingerechten Rückzahlungen, sondern es fand ein Zwangsumtausch in neue Anleihen zu schlechteren Konditionen statt; das „Angebot“ hatte die Republik ... am 00.00.2004 veröffentlicht. Der Kläger erhielt in diesem Zuge, im Jahr 2005, neue Par-Schuldverschreibungen mit ISIN N01. Im Streitjahr, zum 15.09.2020, erfolgte ein erneuter Umtausch, auf den der Kläger keine Einflussmöglichkeiten hatte. Dabei wurden die Papiere zwangsweise in Anleihen mit der ISIN N02 umgetauscht. Der Kurswert der Par-Papiere zum Ausführungstag 15.09.2020 betrug lt. Mitteilung der ausführenden Bank X. vom 16.09.2020 14.692,61 EUR; sie berechnete daraus einen „Veräußerungsgewinn nach der Differenzmethode“ von 4.844,22 EUR, für den sie Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag von insgesamt 1.277,66 EUR als Steuerabzug abführte.
4Der Kläger bat den Beklagten mit Schreiben vom 08.09.2021 um Bestätigung, dass der Zwangsumtausch keine steuerliche Wirkung habe, da ihm bisher keine Einkünfte zugeflossen seien und eine spätere Rückzahlung der Gelder völlig ungewiss sei. Der Beklagte antwortete am 13.09.2021, dass der Zwangsumtausch keinen steuerpflichtigen Vorgang darstelle, zumal Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes -EStG- i. V. m. § 17 EStG erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu erfassen seien.
5Entgegen dem Antrag des Klägers vom 22.10.2021 auf Erstattung der abgeführten Steuern von 1.277,66 EUR setzte der Beklagte mit ESt-Bescheid 2020 vom 23.11.2021, später anderweitig geändert am 07.04.2022 und am 20.04.2022, die Steuer unter Berücksichtigung der lt. X. angefallenen Kapitalerträge fest; lt. Steuerbescheinigung der Bank vom 16.09.2020 sei die Veräußerung bzw. der Zufluss tatsächlich im Jahr 2020 erfolgt.
6Den hiergegen gerichteten Einspruch der Kläger wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15.06.2022 unter Bezugnahme auf sein Erläuterungsschreiben vom 16.12.2021 als unbegründet zurück. Die Annahme des Tauschangebotes gelte als Veräußerung. Dabei seien die Anschaffungskosten den jeweiligen „Pars“ zuzuordnen, und zwar in Höhe des Börsenwertes der eingetauschten Anleihen – nicht des ursprünglichen Nominalwertes - im Zeitpunkt der Zuteilung der neuen Wertpapiere. Die neuen Par-Schuldverschreibungen seien eigenständige Kapitalanlagen. Für Veräußerungen ab dem 01.01.2009 sei die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG zu beachten. Demnach seien Veräußerungsgewinne nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG steuerpflichtig. Steuerpflichtig sei die Differenz zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten – letztere in Gestalt des Börsenwertes der eingetauschten Papiere. Der Steuereinbehalt der Bank habe abgeltende Wirkung.
7Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die Festsetzung sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig:
8Die Besteuerung widerspreche der Erklärung des Beklagten vom 13.09.2021, mit der dieser sich gebunden habe.
9Es liege auch keine Veräußerung vor, denn es fehle das voluntative Element. Der Zwangsumtausch von Anleihen stelle keinen steuerbaren Vorgang dar; das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 03.12.2019 - VIII R 34/16, Bundessteuerblatt -BStBl- 2020, 836 betreffe den nicht vergleichbaren Fall des Untergangs von Aktien. Verallgemeinernde Aussagen habe der BFH dort auch nur für nach dem 31.12.2008 angeschaffte Aktien getroffen. Dass unter Zwang erfolgte Veräußerungen keine Versteuerung auslösten, sei bereits mehrfach entschieden – etwa vom Finanzgericht -FG- Schleswig-Holstein mit Urteil vom 14.09.2016 – 5 K 286/03, juris, vom BFH mit Urteilen vom 29.06.1962 – VI 82/61 U, und vom 21.05.2019 – IX R 6/18.
10Zudem liege hier wirtschaftlich betrachtet lediglich eine Änderung der Konditionen der Ausgangsanleihe vor – ohne Novation; das bisherige Kapitalnutzungsrecht wirke fort (wie vom Bundesgerichtshof -BGH- mit Urteil vom 24.09.2019 – XI R 322/18 für Darlehen entschieden) – dieser Vorgang sei, ähnlich einem reverse split, steuerfrei.
11Hilfsweise seien nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 31 Satz 1 EStG die Vorschriften anzuwenden, die im Zeitpunkt des Erwerbs der Kapitalanlage galten; auch hieraus folge eine Steuerfreiheit.
12Die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 3 EStG sei verfassungswidrig. Das gelte ungeachtet des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 13.12.2022 – VIII R 23/20, denn die dortigen Gründe (insbesondere Rz. 31) fielen im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung in Abgrenzung zu früherer BFH-Rechtsprechung zu knapp und nicht überzeugend aus.
13Insgesamt könne es nicht angehen, dass der Kläger die Anleihen ursprünglich zu 104 % gekauft habe, im Jahr 2005 ein Umtausch mit hohem – steuerlich nicht abzugsfähigem – Verlust erfolgt sei, nunmehr eine Gewinnbesteuerung erfolge und er irgendwann max. 100 % zurückerhalten werde bzw. nochmals versteuern müsse.
14Der Veräußerungsgewinn werde auch der Höhe nach bestritten. Der von der X. mitgeteilte Anfangskurs von 30,67 % sei falsch (Nominalwert 32.115 EUR; Anschaffungskosten zum steuerlich maßgebenden Datum 11.07.2005: 9.848,39 EUR). Der Anfangskurs habe im November 2005 32,10 EUR betragen (0 % Wert in der Kursentwicklung). Die Anleihe sei um das Jahr 2000 zu einem Preis von 33.560,18 EUR (nominal 32.115 EUR zum Kurs von 104,5 %) erworben worden; diese historischen Werte seien maßgebend. Der von der X. angesetzte Kurs von 45,74 % sei für den Umtauschtag am 15.09.2020 zu hoch. Der Verkaufspreis habe bei 38,5 % gelegen (12.364,28 EUR). Insgesamt ergebe sich sogar ein Verlust.
15Die Kläger beantragen,
16den ESt-Bescheid 2020 vom 23.11.2021 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 20.04.2022 und der Einspruchsentscheidung vom 15.06.2022 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften, die nach § 32d EStG besteuert werden, Einkünfte aus dem Umtausch der Wertpapiere mit der ISIN N01 in Wertpapiere mit der ISIN N02 außer Betracht bleiben,
17hilfsweise die Revision zuzulassen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Der Beklagte verbleibt bei den Gründen der Einspruchsentscheidung. Die Anwendungs- und Übergangsregelung des § 52 Abs. 28 Sätze 15 bis 17 EStG sei nicht verfassungswidrig und verstoße insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz. Zudem sei die Frage der Freiwilligkeit für den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ohne Bedeutung – wie sich sowohl aus der Rechtsprechung als auch aus Kommentierungen ergebe und zudem die Vorschrift des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG zeige.
21In der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2023 hat der Beklagte angeboten, sich auf einen Kurswert zum Umtauschtag (15.09.2020) von 40 % zu verständigen; die Kläger sind nicht einverstanden gewesen.
22Die X. AG hat am 22.12.2023 mitgeteilt, der für die Veräußerung mitgeteilte Kurs von 45,75 % sei auf den lt. WM-Mitteilungen maßgeblichen Stichtag 09.09.2020 ausgewiesen; sofern auf den Vortag der Depoteinbuchung kein Kurs vorhanden sei, werde jeweils auf die weiteren Vortage abgestellt (Nominale 32.115 EUR x 45,75 % = 14.692,61 EUR). Als Anschaffungskosten habe die abgebende Bank einen Betrag von 9.848,39 EUR (für Nominale 32.115 EUR) zum steuerlich maßgebenden Datum 11.07.2005 geliefert.
23Die – vom Gericht um Auskunft gebetene – Börse B. hat am 09.01.2024 mitgeteilt, dass der Kurs am 15.09.2020 je nach Uhrzeit zwischen 40,5 und 40,55 % gelegen habe, und zwar als Geldkurs (Nachfrage, aber ohne Umsatz) bzw. als „bezahlt Geld“ (Kauforders mit weiterer Nachfrage; 40,5 und 40,53 %). Lt. Auskunft der E. Wertpapierbörse vom 09.01.2024 sei am 15.09.2020 kein Börsengeschäft zustande gekommen. Das letzte Börsengeschäft am 09.09.2020 sei mit einem Börsenpreis von 39 EUR und das nächstfolgende am 16.09.2020 mit 40,10 EUR zustandegekommen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.
25Die Klage ist überwiegend unbegründet.
26Der angefochtene Bescheid ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-; im Übrigen sind die Kapitaleinkünfte zutreffend angesetzt.
27Die ursprüngliche Auskunft des Beklagten, eine Besteuerung im Streitjahr könne unterbleiben, entfaltet keine Bindungswirkung; die Kläger können sich nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben hierauf berufen. Weder stellt die Erklärung eine verbindliche Zusage dar noch ist sonst ein Bindungswille des Beklagten - für die ohnehin erst später anstehende Veranlagung - zum Ausdruck gekommen.
28Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nummer 7 EStG gehört der Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des Absatz 1 Nr. 7 zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. § 20 Abs. 1 Nummer 7 EStG i.d.F. des UntStReformG 2008 umfasst Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Hierunter fallen finanzinnovative wie herkömmliche Wertpapiere und auch unverbriefte Kapitalforderungen jeder Art. Mit der Regelung des § 20 Abs. 2 Nummer 7 EStG werden ab 2009 sämtliche Risikoanlagen mit ihren realisierten Wertsteigerungen der Besteuerung unterworfen (Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 20 Tz. 510, 511).
29Eine derartige Kapitalforderung liegt mit den Par-Schuldverschreibungen unstreitig vor.
30In zeitlicher Hinsicht bestimmt § 52 Abs. 28 Satz 15 EStG, dass § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 EStG n.F. erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden ist. In diesem zeitlichen Anwendungsbereich ist der streitgegenständliche Ertrag realisiert worden.
31Nach § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG ist für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 01.01.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, aber nicht Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung sind, § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 nicht anzuwenden; für die bei der Veräußerung in Rechnung gestellten Stückzinsen ist Satz 15 anzuwenden; Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung liegen auch vor, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint.
32Die hier zu beurteilenden ...-Anleihen sind zwar nicht Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe c i.V.m. Abs. 2 Satz 2 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, sodass bei isolierter Betrachtung nach § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 1 EStG eine Steuerbarkeit zu verneinen wäre. Dies entspricht den Gründen des BFH-Urteils vom 24.02.2015 – VIII R 54/12, BStBl II 2015, 693. Dort hat der BFH auf der Grundlage der damaligen Gesetzeslage ausgeführt, dass die Zuordnung zu dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG beschriebenen Typus von Finanzinnovationen ausgehend von den Verhältnissen bei der Emission zu erfolgen habe. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG i.d.F. des StÄndG 2001 sei (mit sachlicher Berechtigung) darauf gerichtet, den wirtschaftlichen Lebenssachverhalt der Anlage in sog. Finanzinnovationen zu erfassen, bei denen es typischerweise um eine Verbindung der wirtschaftlichen Nutzung durch Überlassung an Dritte mit der Abschöpfung von Kursdifferenzen und zugleich um die Besteuerung etwaiger Kursgewinne gehe. Jedoch lägen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht vor. Denn diese Vorschrift sei dahin teleologisch zu reduzieren und in verfassungskonformer Weise einschränkend auszulegen, dass eine Besteuerung der Marktrendite ausscheide, wenn das Entgelt für die Kapitalüberlassung und der Vermögenszuwachs rechnerisch eindeutig abgrenzbar und bestimmbar seien. Das sei bei den Par-Schuldverschreibungen der Fall. Denn es sei eine feste, gestaffelte Zinszahlung vorgesehen und die BIP-gebundenen Wertpapiere seien bereits vor der Veräußerung abgetrennt worden, sodass deren Kursentwicklung keine Auswirkung mehr auf die veräußerten Par-Schuldverschreibungen gehabt habe.
33Jedoch bezieht das – im Zeitpunkt des o. a. BFH-Urteils VIII R 54/12 noch nicht geltende - Gesetz in § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 3 EStG nunmehr, für Veräußerungen nach dem 31.12.2008, Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 EStG auch dann ein, wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint – was, entsprechend der Gründe des obigen BFH-Urteils, bei den streitgegenständlichen Par-Schuldverschreibungen der Fall ist. Diese Erweiterung der Veräußerungsgewinnbesteuerung ist entsprechend seinem Wortlaut anzuwenden; der Gesetzgeber wollte auf diese Weise Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden und den mit der Abgeltungssteuer ab dem 01.01.2009 angestrebten Vereinfachungseffekt nicht konterkarieren. Eine vom Wortlaut abweichende, verfassungskonforme Auslegung kommt nach dem BFH-Urteil vom 13.12.2022 – VIII R 23/20, BStBl II 2023, 480 nicht in Betracht. Der BFH hat ausgeführt, dass der Gesetzgeber in § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 3 EStG gerade für den Fall eine Rückausnahme normiert habe, in dem Anleihen noch vor dem 01.01.2009 erworben worden seien, bei denen eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheine. Insbesondere liege kein Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -GG- abzuleitenden Grundsatz der Folgerichtigkeit vor. Denn aus dem alten Recht könne eine Fortgeltung der früheren Besteuerungsregelungen nicht abgeleitet werden; eine sachwidrige Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte liege nicht vor.
34Der Senat schließt sich diesen nach seiner Ansicht überzeugenden und zugleich erschöpfend dargelegten Grundsätzen an. Aus den dortigen Ausführungen folgt zugleich, dass entgegen der Auffassung der Kläger hier nicht die Vorschriften anzuwenden sind, die im Zeitpunkt des Erwerbs der Kapitalanlage galten.
35Der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ist hier trotz des fehlenden voluntativen Elements erfüllt; der Zwangsumtausch stellt eine „Veräußerung“ i. S. der gesetzlichen Regelung dar.
36„Veräußerung“ ist die entgeltliche Übertragung des – zumindest wirtschaftlichen – Eigentums auf einen Dritten, ggf. auch zwangsweise, etwa im Wege der Zwangsversteigerung (BFH-Urteil vom 03.12.2019 – VIII R 34/16, BStBl II 2020, 836 Tz. 22).
37Als Veräußerung gelten gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft. Ausweislich der BTDrs. 16/4841 S. 56 sollen mit dieser Regelung alle Wertzuwächse auf der Vermögensebene im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erfasst werden. Vor diesem Hintergrund hat der BFH mit Urteil vom 03.12.2019 – VIII R 34/16, BStBl II 2020, 836 Tz. 28 ff die Regelung auf den entschädigungslosen Entzug von Aktien durch eine Kapitalherabsetzung auf Null samt eines Bezugsrechtsausschlusses für die anschließende Kapitalerhöhung auf der Grundlage eines Insolvenzplans für entsprechend anwendbar gehalten, weil das Gesetz insoweit eine planwidrige Regelungslücke enthalte (s. auch BFH-Urteil vom 03.12.2019 - VIII R 43/18, BFH/NV 2020, 687). Unter Einbeziehung der in § 20 Abs. 2 Satz 2 geregelten Veräußerungstatbestände sowie der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung sind letztlich sämtliche realisierten Wertveränderungen auf der Vermögensebene steuerbar. Einbezogen werden alle Vorgänge der Wertrealisation – auch wenn weder eine Veräußerung i.e.S. noch ein ausdrücklich gesetzlich geregelter Ersatztatbestand vorliegen (Ratschow in Brandis/Heuermann, EStG, § 20 Tz. 351, 379b). Auch ein Tausch fällt hierunter; dabei kommt es auf die Freiwilligkeit der Hingabe nicht an (Ratschow a.a.O. Tz. 353; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 20 Tz. 431).
38Derartigen Tatbeständen steht der hier zu beurteilende Zwangsumtausch der Anleihen gleich, zumal es auch hier um die Einbeziehung und steuerliche Erfassung von realisierten Wertveränderungen auf der Vermögensebene geht.
39Im Hinblick auf die vorstehenden Grundsätze ist der weitere Einwand der Kläger, eine Zusammenlegung von Aktien (reverse split) sei nicht steuerbar, ebenfalls nicht erfolgreich. Eine Steuerbarkeit bei Aktienzusammenlegungen kann allenfalls ausscheiden, wenn diese allein aus Gründen der Kursstabilisierung, bei gleichbleibendem Anteil und unverändertem Grundkapital, erfolgen (BFH-Urteil vom 04.05.2021 – VIII R 17/18, BFH/NV 2021, 1579; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 20 Tz. 431). Besteuerungsgegenstand ist hier indes die Werterealisation bei Erhalt neuer Anleihen.
40Die von den Klägern angeführte Entscheidung des BGH vom 24.09.2019 – XI R 322/18 betrifft die rein zivilrechtliche Frage eines gesetzlichen Widerrufsrechts nach § 495 BGB mit Abgrenzung der Novation von einer Prolongation; steuerlich ergeben sich hieraus vorliegend keine Folgerungen.
41In den genannten veräußerungsgleichen Fällen ist – so der BFH VIII R 34/16 weiter - ein Gewinn oder Verlust zu ermitteln, indem das Entgelt bzw. der gemeine Wert den Anschaffungskosten gegenübergestellt werden.
42Als Anschaffungskosten ist der Börsenwert der „alten“ Anleihen im Zeitpunkt der Zuteilung der „neuen“ Anleihen zugrunde zu legen (Ratschow a.a.O. Tz. 417), da die Wertsteigerung erfasst werden soll (Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG § 20 Tz. 510). Entgegen der Ansicht der Kläger kann nicht auf die ursprünglichen Anschaffungskosten bei erstmaligem Erwerb abgestellt werden. Nach der Mitteilung der X. vom 22.12.2023, deren Richtigkeit die Kläger nicht substantiiert bestritten und erst recht nicht entkräftet haben, belaufen sich die somit maßgebenden Anschaffungskosten lt. Lieferung der abgebenden Bank zum 11.07.2005 auf 9.848,39 EUR bei einem Nominalwert von 32.115 EUR.
43Bei Bestimmung des Veräußerungspreises ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen auf den am Stichtag 15.09.2020 vorliegenden Wert „BG“ (bezahlt Geld) abzustellen, nämlich die beiden Kauforders – und zwar zugunsten der Kläger auf den niedrigeren der beiden Werte (40,5%). Das Gericht schließt sich hier den überzeugenden Auskünften der Börse B. an. Daraus ergibt sich als Verkaufspreis 13.006,58 EUR (40,5 % x 32.115 EUR).
44Nach der Differenzmethode beträgt der Veräußerungsgewinn 13.006,58 EUR abzgl. 9.848,39 EUR = 3.158,19 EUR. Er unterliegt dem Abgeltungssteuersatz von 25 %, § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs 1 Satz 1 FGO. Die Übertragung der Berechnung der Steuer auf den Beklagten stützt sich auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
46Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen; die steuerlichen Fragen zu einem nach dem 31.12.2008 erfolgten Zwangsumtausch von vor dem 01.01.2009 erworbenen / umgetauschten ...-Anleihen sind, soweit ersichtlich, höchstrichterlich nicht entschieden.