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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
2Mit notariellem Vertrag vom 30.12.1998 des Notars A in B (Urk.-Nr. 1) übertrugen die Eltern des Klägers diesem den Grundbesitz C-Straße ... in B. Auf einem der Grundstücke befindet sich ein Wohnhaus, auf einem zweiten das Gebäude, in dem der Kläger eine Kfz-Werkstatt betreibt. Das Wohnhaus stand im gemeinsamen Eigentum der Eltern des Klägers, das betrieblich genutzte Grundstück im Alleineigentum der Mutter. Die Eltern des Klägers waren - wie sich aus dem Übertragungsvertrag ergibt - zum Zeitpunkt der Übertragung 71 (Vater) und 72 (Mutter) Jahre alt.
3Nach den Ausführungen im Übertragungsvertrag, war bzw. ist der Kläger seinen Eltern gegenüber zu folgenden Gegenleistungen verpflichtet:
41. Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts an der Erdgeschosswohnung D‑Straße 1
52. Einräumung eines auf fünf Jahre befristeten Nießbrauchrechts an dem Grundbesitz D-Straße 3 zu Gunsten beider Elternteile. Das Nießbrauchrecht beschränkt sich auf eine Teilfläche von ca. 4000 qm und auf das Betriebsgebäude des Kfz-Betriebes. Es begann am 01.01.1999 und endete zum 31.12.2003. Für die Dauer des Nießbrauchsrechts hatte der Kläger seinen Eltern eine monatliche Miete von 10.000,- DM zu zahlen.
63. Mit Ablauf des Nießbrauchsrechts und beginnend am 01.01.2004 verpflichtete sich der Kläger an seine Eltern als Gesamtberechtigte nach § 428 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die Lebenszeit des Längstlebenden, längstens jedoch für zehn Jahre, einen monatlichen Betrag von 2.000,- DM zu zahlen.
7Die Vereinbarung enthält eine Wertsicherungsklausel.
8Anlässlich einer Betriebsprüfung für die Jahre 2006 bis 2008 vertrat der Beklagte die Auffassung, dass es sich bei den ab 01.01.2004 geleisteten Zahlungen in Höhe von 2.000,- DM bzw. 1.022,58 € nicht um eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen und damit nicht um eine dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Einkommensteuergesetz (EStG) handele, sondern um wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung und damit um Kaufpreisraten für den übertragenen Grundbesitz.
9Mit Änderungsbescheid vom 05.05.2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2008 dementsprechend auf 21.400,- € fest, wobei er die streitbefangenen Zahlungen nicht zum Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG zuließ.
10Nach hiergegen erfolglos geführtem Einspruchsverfahren begehrt der Kläger mit seiner Klage weiterhin die Anerkennung der streitbefangenen Zahlungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. Bei den im Übertragungsvertrag vom 30.12.1998 vereinbarten Zahlungen handele es sich um eine abgekürzte Leibrente im Sinne des § 55 Abs. 2 EStDV. Die Verpflichtung treffe ihn, den Kläger, für die jeweilige Lebenszeit der als gesamtberechtigt geltenden Eltern, weshalb die Verpflichtung den Charakter einer Leibrente habe. Diese sei auf zehn Jahre abgekürzt. Hinsichtlich abgekürzter Leibrenten habe ursprünglich Streit bestanden, ob überhaupt eine Mindestlaufzeit von zehn Jahren eingehalten werden müsse. Dieser Streit sei hier allerdings bedeutungslos, da die Verpflichtung die mögliche Mindestlaufzeit von zehn Jahren, unter Einbeziehung des Nießbrauchs sogar von 15 Jahren, umfasse. In seinem Urteil vom 26.01.1994, X R 54/92, BStBl II 1994, 636 habe der Bundesfinanzhof (BFH) ausgeführt, dass auch abgekürzte Leibrenten - sogar ohne die Mindestlaufzeit von zehn Jahren - taugliche Gegenleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. seien. Im Übrigen sei auch der Versorgungscharakter im vorliegenden Fall gewahrt, da die Eltern des Klägers am 30.12.1998 bereits 71 bzw. 72 Jahre alt gewesen seien. Lege man die statistische Lebenserwartung zum damaligen Zeitpunkt von rund 73,4 Jahren beim Vater des Klägers und 79,8 Jahren bei der Mutter des Klägers zu Grunde, sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass das Ende der Höchstlaufzeit erreicht werde.
11Die Kläger beantragen,
12den Einkommensteuerbescheid des beklagten Finanzamts vom 05.05.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.07.2011 insoweit zu ändern, als die Zahlungen auf der Grundlage des Übertragungsvertrags vom 30.12.1998 nicht als Kaufpreis, sondern als Leistung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. anerkannt werden.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er führt aus, die streitgegenständlichen Zahlungen seien keine nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abzugsfähigen Versorgungsleistungen, sondern als wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung zu qualifizieren. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. abzugsfähige Versorgungsleistungen seien regelmäßig nur wiederkehrende Leistungen auf die Lebenszeit des Empfängers. Seien die wiederkehrenden Leistungen, wie im Streitfall, auf eine Höchstzeit - zehn Jahre - begrenzt, handele es sich um eine abgekürzte Leibrente, die nur ausnahmsweise als Versorgungsleistung qualifiziert werden könne, wenn die zeitliche Beschränkung dem etwaigen künftigen Wegfall der Versorgungsbedürftigkeit Rechnung trage (z.B. die Begrenzung der wiederkehrenden Leistung bis zum Bezug einer Sozialversicherungsrente durch den Versorgungsberechtigten), so auch das BFH-Urteil vom 26.01.1994, X R 54/92, BStBl II 1994, 633. Entgegen der Ansicht des Klägers sei hiernach sowie nach dem Beschluss des Großen Senats vom 12.05.2003 GrS 1/00 (BFH/NV 2003, 1480) eine abgekürzte Leibrente nicht grundsätzlich, sondern nur dann als taugliche Gegenleistung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG anzunehmen, wenn die zeitliche Beschränkung dem künftigen Wegfall der Versorgungsbedürftigkeit Rechnung trage. Vorliegend sei ein solcher Ausnahmesachverhalt nicht erkennbar. Durch die vertragliche Begrenzung der Zahlungsverpflichtung auf zehn Jahre hätten die Kläger nach eigenem Vortrag ihr Risiko begrenzen wollen. Wäre die primäre Willensrichtung des Übertragungsvertrages auf die uneingeschränkte lebenslange Absicherung der Berechtigten gerichtet gewesen, hätte die Zahlungsverpflichtung nicht auf zehn Jahre begrenzt werden dürfen. Bei der vorliegenden Interessenlage sei es unerheblich, in welchem Verhältnis die Mindestlaufzeit zur durchschnittlichen Lebenserwartung stehe. Im Übrigen habe die durchschnittliche Lebenserwartung im Kalenderjahr 1998 nach der amtlichen Sterbetafel 1998/2000 für 71-jährige Frauen noch 14,49 Jahre und für 72-jährige Männer noch 11,11 Jahre betragen. Vor diesem Hintergrund sei anzunehmen, dass der Zahlungsverpflichtung nicht der Versorgungsgedanke der Übergeber, sondern eine Leistung im Austausch mit einer Gegenleistung zu Grunde liege.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Zahlungen zu Recht nicht zum Sonderausgabenabzug zugelassen.
18Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F., der vorliegend im Hinblick auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Anwendung findet (§ 52 Abs. 23e in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008), sind als Sonderausgaben abziehbar, die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten oder dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften im Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Werden solche auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten oder dauernde Lasten in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrenten) stellen diese – bei Beachtung der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze – weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar (zu den Voraussetzungen im Einzelnen BFH-Urteil v. 27.8.1997 X R 54/94, BStBl II 1997, 813 m. w. N.) sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F.) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet (BFH-Beschluss v. 12.5.2003, GrS 1/00, BFH/NV 2003, 1480).
19Diese Sonderstellung des im steuerrechtlichen Sinne unentgeltlichen Vermögensübergabevertrages beruht auf der – widerlegbaren – Vermutung, dass in Fällen, in denen Eltern Vermögen gegen Rente auf ihre Kinder übertragen, Leistung und Gegenleistung nicht wie unter Fremden kaufmännisch abgewogen werden, sondern dass die Rente ‑unabhängig vom Wert des übertragenen Vermögens- nach dem Versorgungsbedürfnis der Eltern und der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 5.7.1990 GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847, unter C. I.; BFH-Urteil vom 2.5.2001 VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10, m.w.N.). Um diesem Versorgungsbedürfnis der Eltern gerecht zu werden, setzt die Berücksichtigung solchermaßen vereinbarter Versorgungsleistungen als Sonderausgaben daher grundsätzlich voraus, dass Versorgungsleistungen auf die Lebenszeit des Beziehers gezahlt werden (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile vom 03.08.1994, X R 44/93, BStBl II 1996, 676, vom 21.10.1999, X R 75/97, BStBl II 2002, 650 und vom 01.03.2005, X R 45/03, BStBl II 2007, 103, jew. m.w.N.). Hingegen sind auf eine bestimmte Zeit zu zahlende wiederkehrende Leistungen, die im sachlichen Zusammenhang mit der Übertragung eines Vermögensgegenstandes gezahlt werden, nicht als Rente oder dauernde Last abziehbar, sondern nach den steuerrechtlichen Grundsätzen über entgeltliche Rechtsgeschäfte zu behandeln. Dies gilt gleichermaßen, wenn die Zahlungen zwar auf Dauer der Lebenszeit der Bezugsperson, allerdings – wie im Streitfall – nur für eine bestimmte Höchstlaufzeit zu erbringen sind (sogenannte abgekürzte Leibrente) und zwar auch dann, wenn die Ratenzahlungen der Versorgung des Veräußerers dienen sollen und das Entgelt nicht nach kaufmännischen Grundsätzen bemessen worden ist (BFH-Urteil vom 31.08.1994, X R 44/93 a.a.O.).
20Leistungen, die nur für eine bestimmte Höchstlaufzeit zu erbringen sind, sind ausnahmsweise dann als Sonderausgaben abzugsfähig, wenn durch die Zahlungen eine Versorgungslücke überbrückt werden soll, so etwa, wenn die Zahlungen bis zum erstmaligen Bezug einer Sozialversicherungsrente oder bis zu einer Wiederverheiratung zu leisten sind (BFH-Urteile vom 26.01.1994, X R 54/92, BStBl II 1994, 633, vom 31.08.1994, X R 44/93 a.a.O., vom 21.10.1999, X R 75/97, BStBl II 2002, 650), da auch in einem solchen Fall die lebenslängliche Versorgung des Übergebenden gesichert ist. Grundsätzlich unerheblich ist es insoweit, in welchem Verhältnis die Höchstlaufzeit zur voraussichtlichen Lebenserwartung der Bezugsberechtigten besteht (vgl. BFH-Urteil vom 21.10.1999, X R 75/97 a.a.O.).
21Dies zugrunde gelegt sind die streitigen Zahlungen nicht zum Sonderausgabenabzug zuzulassen, da vorliegend im Gegenzug zur Übertragung der Grundstücke zeitlich befristete Zahlungen vereinbart wurden. Die streitigen Zahlungen sollten zwar auf Lebenszeit des Längstlebenden geleistet werden, wurden allerdings – unter Einbeziehung des Nießbrauchs für die ersten 5 Jahre – auf insgesamt 15 Jahre begrenzt. Anhaltspunkte, dass die Zahlungen nur eine Versorgungslücke schließen sollten, sind aus den Akten nicht ersichtlich und wurden von den Klägern auch nicht vorgetragen. Dass diese Höchstlaufzeit über die auf der Grundlage der Sterbetafel 1998/2000 errechnete durchschnittliche Lebenserwartung der Eltern des Klägers hinausgeht, ist unbeachtlich, zumal es sich insoweit nur um eine durchschnittliche Lebenserwartung handelt und ein Alter von 86 bzw. 87 Jahren heute keine Seltenheit mehr ist. Die Kläger können sich daher auch nicht darauf berufen, dass die Begrenzung faktisch bedeutungslos sei.
22Nichts anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger aus dem BFH-Urteil vom 26.01.1994, X R 54/92 (a.a.O.). Gegenstand dieser Entscheidung ist ein Fall, in dem durch die Zahlungen eine Versorgungslücke überbrückt werden sollte, diese Versorgungslücke aber weniger als zehn Jahre betrug. In einem solchen Fall, so der BFH, würde eine starre Mindestlaufzeit von Leibrente und dauernder Last den gesetzlichen Vorgaben nicht gerecht. Die in dieser Entscheidung vom BFH getroffenen Aussagen zur Mindestlaufzeit von Leibrenten und dauernden Lasten setzen denknotwendig die Feststellung voraus, dass es sich um als Sonderausgaben abziehbare Versorgungsleistungen handelt, weil diese bis zum Wegfall der Versorgungsbedürftigkeit, hier durch Wegfall der Versorgungslücke, gezahlt werden. Ist dies der Fall – und nur dann – kann es auf die Dauer der Laufzeit nicht ankommen.
23Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 135 Abs. 1 FGO.
24Gründe die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor.