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Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. August 2016 werden die Haftungsbescheide 2014 und 2015 jeweils vom 1. September 2015 wie folgt geändert:
Abzugsteuer I/2014: 18.440,04 € (zzgl SolZ)
Abzugsteuer II/2014: 3.207,60 € (zzgl. SolZ)
Abzugsteuer I/2015: 10.493,66 € (zzgl SolZ).
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 60 % und der Beklagtezu 40 %.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, soweit der Kläger nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 52.577 € festgesetzt.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin im Hinblick auf einen unterbliebenen Steuerabzug gemäß § 50a EStG in Haftung genommen werden kann. Dabei ist insbesondere streitig, ob die von der Klägerin an ausländische Prominente gezahlten Vergütungen für deren Teilnahme an Eventveranstaltungen dem inländischen Steuerabzug unterliegen.
3Die Klägerin ist ein in der Bundesrepublik Deutschland ansässiges Unternehmen aus der ...branche. Sie veranstaltet regelmäßig Eventabendveranstaltungen, zu denen unter anderem prominente Persönlichkeiten eingeladen werden. So führt die Klägerin z.B. im Rahmen der internationalen ...messe in A seit mehreren Jahren unter dem Namen „B 1“ eine eigene Abendveranstaltung durch und beteiligt sich regelmäßig als Mitorganisator an der so genannten „H 2“, einer feierlichen Abendgesellschaft anlässlich der Eröffnung des H ... in D. Zu beiden Abendgesellschaften haben nur geladene Gäste Zutritt.
4Die Klägerin bittet jährlich - neben auftretenden Künstlern - auch prominente Gäste zum Besuch dieser Veranstaltungen. Ihren geladenen Gästen zahlt sie neben der Übernahme aller Reisekosten ein von ihr als „appearance fee“ bezeichnetes Entgelt, ohne dass zwischen ihr und diesen Gästen, abgesehen von deren Anwesenheitszusage, Absprachen getroffen werden. Die Höhe der „appearance fee“ differiert von Gast zu Gast zwischen einigen 100 und einigen 10.000 €. Für die bezahlten Gäste besteht keine Pflicht, für eine bestimmte Mindestzeit an der Veranstaltung teilzunehmen. Schriftliche Verträge gibt es nicht.
5Die Namen ihrer jeweiligen Gäste, insbesondere derjenigen mit den höchsten Auszahlungsbeträgen, gibt die Klägerin vorab an die einschlägigen Medien und im Rahmen ihrer eigenen Öffentlichkeitsarbeit, etwa auf ihrer Homepage, einem breiteren Publikum bekannt. Gleiches gilt für die Nachberichterstattung über den Verlauf der Abende.
6Der Zugang zu dem Veranstaltungssaal ist mit einem roten Teppich ausgelegt, über den die Gäste in den Saal der Abendveranstaltung gelangen. Das Betreten des Teppichs ist nur nach persönlicher Einladung gestattet. Auf dem angrenzenden Gelände sammeln sich Fotografen, welche von den eingeladenen Gästen beim Zugang Bildmaterial herstellen. Der umgebende Raum zum roten Teppich ist derart gestaltet, dass die Logos der mitveranstaltenden Unternehmen im Blickwinkel der Fotografen, welche aus den für die Zuschauer bestimmten Flächen arbeiten, optisch sichtbar sind, im Eingangsbereich der „B 1“ also insbesondere dasjenige der Klägerin. Auf den Fotos ist folglich neben den abgebildeten prominenten Personen auch insbesondere das Firmenlogo der Klägerin sichtbar. Auf dem roten Teppich hält sich auch eine Begrüßungsphalanx für die Gäste auf, bestehend aus dem Firmeninhaber als Gastgeber und einer Reihe Models. Hinter dem Gastgeber befindet sich ebenfalls eine große Tafel mit Firmenlogos der Klägerin. Die prominenten Gäste stellen sich auch für Fotos mit dem Gastgeber zur Verfügung. Die prominenten Gäste verbringen nach dem Gang über den roten Teppich im Veranstaltungssaal ihre Zeit mit den anderen Gästen.
7Die Klägerin meldete für das erste und zweite Quartal 2014, sowie das erste Quartal 2015 fristgerecht Vergütungen an, die sie an beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen im Zusammenhang mit anderen Sachverhalten geleistet hatte. In den mit den Steueranmeldungen eingereichten Zusammenstellungen hat die Klägerin zu den streitigen Sachverhalten die Namen der Teilnehmer an den Veranstaltungen sowie die Höhe der Vergütung angegeben und diese mit dem Vermerk „keine Darbietung im Sinne des § 50a EStG“ versehen. Für diese Vergütungen wurden von der Klägerin keine Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 1 EStG angemeldet.
8Der Beklagte indes hielt die „appearance fee“ für eine Vergütung, für welche die Verpflichtung zum Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG besteht. Dabei vertritt der Beklagte die Auffassung, dass in einer Person, in deren Bild und Namen, deren Persönlichkeitsrechte begründet seien. Eine Überlassung dieser Rechte, z.B. zu Werbezwecken, stelle eine zeitlich befristete Überlassung von Rechten im Sinne des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG dar. Deshalb nahm der Beklagte die Klägerin bei einem Steuersatz von 15 % wie folgt in Haftung:
9- I/2014: Bescheid vom 01.09.2015, Haftungsbetrag:
10ESt i.H.v. 30.386,62 €, SolZ i.H.v. 1.671,26 €.
11- II/2014: Bescheid vom 01.09.2015 Haftungsbetrag:
12ESt i.H.v. 3.207,60 €, SolZ i.H.v. 176,42 €.
13- I/2015: Bescheid vom 01.09.2015, Haftungsbetrag:
14ESt i.H.v. 18.983,72 €, SolZ i.H.v. 1.044,10 €.
15Dabei ging der Beklagte davon aus, dass die geleisteten Vergütungen zu 100 % für die Verwertung von Bild- und Namensrechten durch die Klägerin bestimmt waren. Dabei wurden auch die Reisekosten dem Steuerabzug unterworfen, da nach Auffassung des Beklagten nicht nachgewiesen worden sei, dass mit den Reisekosten die tatsächlichen Kosten erstattet worden seien. Wegen der näheren Details der Berechnung der Haftungsbeträge wird auf die Haftungsbescheide Bezug genommen (Bl. 23 ff. der e-FG-Akte).
16In den Bescheiden führt der Beklagte auch aus, dass er sich im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens halte. Wegen der entsprechenden diesbezüglichen Ausführungen wird auf die Haftungsbescheide Bezug genommen (jeweils Seite 3 der Haftungsbescheide).
17Der hiergegen fristgemäß eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 8. September 2016 als unbegründet zurückgewiesen.
18Zur Begründung ihrer hiergegen fristgemäß erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass keine Verpflichtung zum Steuerabzug bestanden habe. Sie habe mit der Vergütung nicht das Recht am eigenen Bild der prominenten Gäste erworben. Mit den erschienenen Personen seien keine schriftlichen Verträge geschlossen worden und auch nichts anderes verabredet worden, als deren bloßes Erscheinen zu den Eventveranstaltungen. Sie, die Klägerin, habe keine Rechte von den erschienenen Personen erworben. Sie habe auch keine Fotografen eingeladen und an der Veröffentlichung von Bildern in keiner Weise mitgewirkt. Niemand habe eine Einwilligung dazu erteilt, dass Bilder der eingeladenen Personen in irgendeiner Weise veröffentlicht würden. Sie, die Klägerin, habe niemanden fotografiert oder die Weitergabe von Fotografien an die Medien veranlasst.
19Sie habe mit den Vergütungen keine Persönlichkeitsrechte von den Vergütungsgläubigern erworben, sondern hiermit lediglich den Zeitaufwand individuell abgegolten. Dies ergebe sich auch aus der Bezeichnung der Vergütung als „appearance fee“. Die Vergütung sei für das bloße Erscheinen auf der Veranstaltung als attraktive Tischgäste und Gesprächspartner gezahlt worden. Insoweit sei Zeitaufwand, entgegen der Auffassung des Beklagten, eine übliche Preisgrundlage.
20Unwesentlich sei, dass die Namen der erwarteten Gäste vorab in einschlägigen Medien, im Rahmen der eigenen Öffentlichkeitsarbeit und auf der Homepage einem breiten Publikum bekannt gegeben würden. Dies sei kein für die Abzugsteuer nach § 50a EStG relevanter Tatbestand.
21Der Beklagte habe jeglichen Hinweis vermissen lassen, welche Einkünfte im Sinne des § 49 EStG durch die beschränkt steuerpflichtigen Veranstaltungsteilnehmer erzielt worden sein sollten. Insbesondere sei § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht einschlägig. Schon deshalb könne sich keine Verpflichtung zu einem Steuerabzug aus § 50a EStG ergeben, denn dieser setze bestimmte beschränkt steuerpflichtige Einkünfte voraus.
22§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG setze die Verwertung der zur Nutzung überlassenen Persönlichkeitsrechte voraus. Dem Beklagten würden jedoch jegliche Anhaltspunkte fehlen, dass sie, die Klägerin, überhaupt Inhaber derartiger Rechte sei.
23In Ermangelung einer Steuerschuldnerschaft für die Vergütung seien auch die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nicht gegeben. Darüber hinaus sei in dem Haftungsbescheid weder ein Auswahl- noch ein Entschließungsermessen ausgeübt worden.
24Die Klägerin beantragt,
25die Haftungsbescheide I/2014, II/2014 und I/2015 jeweils vom 1. September 2015 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16. August 2016 ersatzlos aufzuheben.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Der Beklagte trägt vor, dass eine Verpflichtung zum Steuerabzug gegeben sei. Die Klägerin lade prominente Gäste zu ihren Promotion-Veranstaltungen ein, um die Aufmerksamkeit von Bildberichterstattern zu erlangen, die über das Erscheinen der Gäste in Verbindung mit den Veranstaltungen medienwirksam berichten würden. Darüber hinaus dienten die Einladungen der Klägerin auch dazu, auf ihrer eigenen Internetseite mit Namen, Bildern und Aussagen der Prominenten Werbeeffekte zu erzielen. Für die gezahlte Vergütung werde keine bestimmte Tätigkeit erwartet. Die Gäste seien bereit, sich mit dem deutlich sichtbaren Firmenlogo der Klägerin in Hintergrund ablichten zu lassen und ließen zu, dass die Klägerin die Namen der Gäste sowie das Bildmaterial zu Werbezwecken auf ihrer Internetseite veröffentliche.
29Da keine andere Leistung der Gäste erkennbar sei, werde die gesamte Vergütung für die Überlassung von Persönlichkeitsrechten (Recht an Namen, Wort, Bild, Ton usw.) gezahlt.
30Die entgeltliche Überlassung eines Rechts führe beim nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Inhaber des Rechts zu inländischen und damit beschränkt steuerpflichtigen Einkünften jedenfalls nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa bzw. Nr. 6 EStG. Die Einkünfte würden der inländischen Besteuerung unterliegen, wenn die Rechteverwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung erfolge. In diesem Fall erfolge die Verwertung in der inländischen Betriebsstätte der Klägerin.
31Mit der durch die „appearance fee“ vergüteten Teilnahme an den Veranstaltungen würden sich die prominenten Gäste bereit erklären, sich von Fotografen auf dem roten Teppich und später während der Abendveranstaltung ablichten zu lassen, ihr Bild und ihren Namen mit der Klägerin in Verbindung zu bringen und somit ihre Persönlichkeitsrechte der Klägerin zu Werbezwecken zu überlassen. Die Fotos, Namen, zum Teil auch Aussagen der prominenten Gäste würden werbewirksam zum einen in Printmedien, zum anderen aber auch seitens der Klägerin auf deren Internetseite veröffentlicht.
32Der Vortrag der Klägerin, mit der „appearance fee“ werde lediglich der Zeitaufwand ihrer Gäste vergütet, trage angesichts der Fakten nicht. Denn zum einen werde die „appearance fee“ für das bloße Erscheinen auf der jeweiligen Veranstaltung ausgezahlt, unabhängig davon, ob der geladene Gast wenige Minuten oder mehrere Stunden der einzelnen Abendveranstaltung beiwohne. Zum anderen lasse sich die enorme Differenzierung der Entgelthöhe nicht mit einer Zeitaufwandsvergütung in Einklang bringen. Die Variabilität der Zahlbeträge erkläre sich nur aus dem Wert, welchen die Klägerin der Marketing-Wirkung beimesse, die sich daraus ergebe, dass ihr Firmenname öffentlichkeitswirksam mit den Namen und Bildern bestimmter Personen in Verbindung gesetzt werde.
33Entgegen der Auffassung der Klägerin würden sich im Begründungsteil der Haftungsbescheide auch Ausführungen zur Ermessensausübung finden.
34Entscheidungsgründe
35Die Klage ist nur zum Teil begründet und im Übrigen unbegründet.
36Die Haftungsbescheide I/2014, II/2014 und I/2015 jeweils vom 1. September 2015 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16. August 2016 sind zum Teil rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
37Der Beklagte durfte die Klägerin gemäß § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG nur zum Teil im Haftungswege in Anspruch nehmen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen – zusätzlich zu den von der Klägerin angemeldeten Beträgen – nur hinsichtlich der gezahlten „appearance fees“ vor. Insbesondere die gezahlten Reisekosten vermögen hingegen keine Haftung zu begründen.
38I. Gemäß § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG i.V.m. § 73g Abs. 1 EStDV haftet der Schuldner der Vergütung für die Einbehaltung und Abführung der Steuer i.S.d. § 50a Abs. 1 EStG.
39Gemäß § 50a Abs. 1 EStG in der in den Streitjahren anwendbaren Fassung wird bei beschränkt Steuerpflichtigen die Einkommensteuer in bestimmten Fällen im Wege des Steuerabzugs erhoben. In diesen Fällen muss der Schuldner der Vergütungen den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers vornehmen und die einbehaltene Steuer an das zuständige Finanzamt abführen (§ 50a Abs. 5 Sätze 2 und 3 EStG). Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann er insoweit in Haftung genommen werden (§ 50a Abs. 5 Satz 4 EStG).
40Die Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Vergütungsschuldners nach § 50a Abs. 1 EStG knüpft daran an, dass der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte (§ 1 Abs. 4 EStG) erzielt. Sie setzt mithin voraus, dass die vom Vergütungsschuldner geleisteten Zahlungen vom Einkünftekatalog des § 49 EStG erfasst sind. Ist das nicht der Fall, so scheidet mangels einer abzuführenden Steuer eine Haftung des Vergütungsgläubigers nach § 50a Abs. 5 EStG aus.
41II. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht im Hinblick auf alle vom Beklagten in den Haftungsbescheiden erfassten Vergütungen erfüllt. Die Klägerin durfte vielmehr nur mit Blick auf die an die Prominenten gezahlten „appearance fees“ in Haftung genommen werden. Hinsichtlich der Reisekosten ist die Haftungsinanspruchnahme hingegen zu Unrecht erfolgt.
421. Bezüglich der „appearance fees“ handelt es sich um Einkünfte i.S.d. § 50a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und 9 EStG. Einkünfte in diesem Sinne sind solche, die durch im Inland ausgeübte künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen, unabhängig davon, wem die Einkünfte zufließen (§ 49 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 9 EStG). Der Katalog des § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG entspricht dem des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG.
43a. Dabei sieht der Senat das Tatbestandsmerkmal der unterhaltenden oder jedenfalls ähnlichen Darbietungen als erfüllt an. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird die „appearance fee“ nicht für den „Zeitaufwand“ der Prominenz gezahlt, sondern entscheidend hierfür war ihre unterhaltend-ähnliche Darbietung.
44aa. Darbietung ist eine Veranstaltung, im Rahmen derer einem Publikum eine Tätigkeit vorgeführt, gezeigt oder zu Gehör gebracht bzw. das Ergebnis einer Tätigkeit gezeigt wird (Maßbaum, in H/H/R, EStG, § 49 Anm. 521; ähnlich BMF-Schreiben vom 22. November 2010 - IV C 3-S 2303/09/10002, BStBl I 2010, 1350). Der Begriff der Darbietung knüpft dabei an den Begriff der Ausübung einer Tätigkeit an, ist hiermit aber nicht deckungsgleich, sondern zum Teil enger und zum Teil weiter zu verstehen. Der Begriff der Darbietung ist insoweit enger, als Darbietungen nur einen Teil der Ausübung darstellen, und zwar die unterhaltende Präsentation eigener oder fremder Werke oder eigener künstlerischer, sportlicher, artistischer oder unterhaltender Fähigkeiten (vgl. Maßbaum, in H/H/R, EStG, § 49 Anm. 521; Loschelder, in Schmidt, EStG, § 49 Rn. 37). Weiter ist der Begriff der Darbietung indes insoweit, als zu den Darbietungen in diesem Sinne auch Opern- und Schauspielaufführungen, Konzerte, Turniere, Shows, Wettkämpfe, Rennen, Präsentationen durch Dritte usw. gehören (vgl. Maßbaum, in H/H/R, EStG, § 49 Anm. 521).
45bb. Unterhaltend kann eine Darbietung in vielfältiger Art sein. Unterhaltung ist der Begriff für einen angenehmen, spannenden Zeitvertreib, der geistige Zerstreuung bewirkt oder auch mit realitätsentlastender Konzentration verbunden ist (vgl. Maßbaum, in H/H/R, EStG, § 49 Anm. 535 unter Berufung auf Brockhaus, Enzyklopädie). Eine solche Darbietung erfordert nicht das Niveau einer künstlerischen, sportlichen oder artistischen Darbietung. Die Anforderungen sind deutlich geringer. Insbesondere soll damit das nicht das Niveau der künstlerischen Darbietung erreichende Showgeschäft erfasst werden. So wird unter anderem auch der Auftritt eines Künstlers in einer Bühnenshow oder Fernsehsendung ohne künstlerische Darbietung als unterhaltende Darbietung anzusehen sein (vgl. Maßbaum, in H/H/R, EStG, § 49 Anm. 535).
46cc. Eine ähnliche Darbietung liegt jedenfalls dann vor, wenn es sich einerseits um eine Aufführung oder Vorführung vor Publikum handelt und andererseits die erbrachten Leistungen zum Grenzbereich der ausdrücklich genannten künstlerischen, sportlichen und artistischen Darbietungen gehören, sich lediglich graduell von diesen unterscheiden und Schnittstellen zu diesen aufweisen, die der Darbietung als solcher ihrerseits einen gewissen eigenschöpferischen Charakter verleihen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2007 – I R 81, 82/06 u.a., BFH/NV 2008, 356).
47b. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen einer unterhaltenden oder jedenfalls ähnlichen Darbietung erfüllt.
48Die prominenten Gäste erhalten die „appearance fee“ für ihren Besuch der Eventveranstaltung. Bereits der Gang über den roten Teppich zum Eingang des Veranstaltungssaals ist eine jedenfalls ähnliche Darbietung. Denn dieser Gang hat zumindest Berührungspunkte zu einer unterhaltenden Darbietung. Hierbei präsentieren sich die prominenten Gäste nämlich einem Publikum und den Fotografen, setzen sich für diese „in Szene“, posen, lassen sich fotografieren und – was dem Gericht offenkundig ist – geben ggf. auch kurze Interviews oder Autogramme. Damit verleihen sie ihrer Darbietung einen gewissen eigenschöpferischen Charakter, so dass ihre Darbietung bereits vor Ort einer unterhaltenden Darbietung ähnlich ist. Auch im Veranstaltungssaal setzt sich diese Art der Darbietung fort. Die prominenten Gäste stehen dort als Gesprächs- und Unterhaltungspartner für die anderen geladenen Gäste zur Verfügung. Sie lassen sich auch dort - auch das ist für den Senat offenkundig -, zumindest von den anderen geladenen Gästen fotografieren oder geben diesen Autogramme. Auch insoweit bestehen Berührungspunkte zu einer unterhaltenden Darbietung, indem sie zu einem angenehmen und spannenden Zeitvertreib der anderen geladenen Gäste führen.
49Die Berührungspunkte zur unterhaltenden Darbietung werden dadurch verstärkt, dass über den Besuch der prominenten Gäste in den Medien mit Bild- und Filmaufnahmen in einschlägigen TV-Magazinen und entsprechenden Zeitschriften berichtet wird. Auch für das dadurch erreichte, viel breitere Publikum stellt der Gang der geladenen Prominenz über den roten Teppich eine einer unterhaltenden Darbietung ähnliche Darbietung dar.
50c. Soweit die prominenten geladenen Gäste indirekt auch Werbung für die Klägerin betreiben, indem sie sich vor dem Firmenlogo der Klägerin oder mit ihrem Firmeninhaber fotografieren lassen, berührt dies die Qualifikation der „appearance fee“ als Einkünfte i.S.d. § 50a, die zum Steuerabzug verpflichten, nicht.
51Ob dieser Art der Werbung evtl. noch ein unterhaltender oder ähnlicher Charakter zukommen könnte, kann dahingestellt bleiben. Denn § 50a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfassen auch die Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen - also im Streitfall mit den unterhaltenden oder ähnlichen Darbietungen - zusammenhängende Leistungen. Der geforderte Zusammenhang zwischen den Leistungen besteht, wenn der gleiche beschränkt steuerpflichtige Anbieter der Darbietung mit gewerblichen Einkünften eine Leistung in tatsächlicher, konkreter, untrennbarer Verbindung mit dieser Darbietung erbringt, unabhängig davon, ob eine Gesamtvergütung gezahlt, eine Vereinbarung in mehreren Verträgen oder einem Vertrag festgelegt ist (vgl. Maßbaum, in H/H/R, EStG, § 49 Anm. 548; s.a. BFH-Urteile vom 28.Juli 2010 – I R 93/09, BFH/NV 2010, 2263; vom 16. Mai 2001 – I R 64/99, BStBl II 2003, 641).
52Im Streitfall entsteht der Werbeeffekt, indem die prominenten Gäste sich auf dem roten Teppich präsentieren und dort auch performen, im Hintergrund jedoch das Firmenlogo der Klägerin abgebildet ist und folglich auf den Bild- und Filmaufnahmen eine tatsächliche, konkrete, untrennbare Verbindung zwischen der unterhaltend-ähnlichen Darbietung und der Werbung entsteht.
53d. Mithin kann es der Senat dahingestellt lassen, ob es sich bei den „appearance fees“ – wie von den Beteiligten diskutiert – um Einkünfte aus der Überlassung der Nutzung von Rechten i.S.d. § 50a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 und 9 EStG handelt. Denn die Pflicht zum Steuerabzug ergibt sich insoweit bereits aus § 50a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und 9 EStG.
54e. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die beschränkte Steuerpflicht i.S.d. § 49 EStG der „appearance fees“. Insbesondere ist es offenkundig, dass die prominenten Gäste, die im Streitfall jeweils die „appearance fee“ erhalten haben, im Ausland ansässig sind.
55f. Bezüglich der Unterlassung des Steuerabzugs auf die „appearance fees“ sind die übrigen Voraussetzungen der Haftungsinanspruchnahme gemäß § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG i.V.m. § 73g EStDV erfüllt. Trotz entsprechender Verpflichtung gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG hat die Klägerin insoweit die Steuerabzugsbeträge nicht einbehalten und abgeführt. Insbesondere mangelt es auch nicht – entgegen der Auffassung der Klägerin – an einer Ermessensausübung durch den Beklagten. In den streitigen Haftungsbescheiden hat der Beklagte dargelegt, dass er sich im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens halte. Wegen der entsprechenden diesbezüglichen Ausführungen wird auf die Haftungsbescheide Bezug genommen (jeweils Seite 3 der Haftungsbescheide).
562. Im Übrigen, insbesondere bezüglich der Reisekosten, hat der Beklagte die Klägerin hingegen zu Unrecht für unterlassene Steuerabzüge in Haftung genommen. Insoweit bestand für die Klägerin keine Verpflichtung zum Steuerabzug (§ 50a Abs. 2 Satz 2 EStG).
57a. Gemäß § 50a Abs. 2 Satz 2 EStG gehören die vom Vergütungsschuldner ersetzten oder übernommenen Reisekosten nur insoweit zu den Einnahmen, als u.a. die Fahrt- und Übernachtungskosten nicht die tatsächlichen Reisekosten übersteigen. Für die Rechtsfolge macht es keinen Unterschied, ob der Vergütungsschuldner die Reisekosten durch Ersatz oder durch Übernahme erstattet hat (vgl. hierzu Maßbaum, in H/H/R, EStG, § 50a Anm. 97).
58b. Angesichts dessen sind die tatsächlichen Reise- und Übernachtungskosten, die von der Klägerin ersetzt oder übernommen wurden, im Streitfall keine Einkünfte i.S.d. § 50a EStG der prominenten Gäste, so dass keine Steuerabzugsverpflichtung bestand und mithin eine Haftung der Klägerin ausscheidet.
59Auch der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2018 damit einverstanden erklärt, dass für den Fall, dass das Gericht entsprechend seines Hinweises entscheiden sollte, dass lediglich Einkünfte i.S.d. § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG in Betracht kommen, ausschließlich die für das Erscheinen der Prominenten gezahlten Beträge dem Steuerabzug unterworfen werden (s. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2018).
60III. Vor diesem Hintergrund errechnen sich die von § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG erfassten Nettovergütungen, die eine Haftung der Klägerin begründen, wie folgt:
61Zeitraum I/2014:
62von der Klägerin erklärte Nettovergütungen, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht: 35.376,77 €
63+ …
64+ …
65+ …
66+ ...
67= Summe Nettovergütungen: 103.479,47 €
68Zeitraum II/2014:
69von der Klägerin erklärte Nettovergütungen: 0 €
70+ ...
71= Summe Nettovergütungen: 18.000 €
72Zeitraum I/2015:
73von der Klägerin erklärte Nettovergütungen, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht: 5.300 €
74+ …
75+ …
76+ …
77= Summe Nettovergütungen: 58.886,96 €
78Dabei korrigiert der Senat das am 15. Februar 2015 verkündete Urteil mit Blick auf die Summe der Nettovergütungen und folglich auch der entsprechenden Steuerabzugsbeträge der Zeiträume I/2014 und I/2015 jeweils gemäß § 107 Abs. 1 FGO. Im Zeitraum I/2014 lag ein Rechenfehler insoweit vor, als der Senat von einer Summe der Nettovergütungen i.H.v. 103.509,47 € ausgegangen ist, während die Summe aber richtigerweise 103.479,47 € beträgt. Im Zeitraum I/2015 war hingegen eine offenbare Unrichtigkeit gegeben, da die „appearance fee“ für ... zu Unrecht in US-Dollar (15.000) angesetzt worden war und richtigerweise der €-Betrag (13.586,96) zugrunde zu legen ist. Angesichts dessen waren auch die entsprechenden Steuerabzugsbeträge wegen offenbarer Unrichtigkeit zu korrigieren. Diese Korrektur wirkt sich nicht auf die verkündete Kostenentscheidung aus.
79IV. Die dargelegten Nettovergütungen führen zu den im Tenor angeführten Steuerabzugsbeträgen wie folgt:
80Zeitraum I/2014:
81Nettovergütungen: 103.479,47 €
82+ Abzugsteuer 17,82 %: 18.440,04 €
83+ SolZ 0,98 %: 1.014,10 €
84= Bruttovergütung: 122.933,61 €
85Steuerabzugsbetrag 15 % (= Haftungsbetrag): 18.440,04 €
86Zeitraum II/2014:
87Nettovergütungen: 18.000 €
88+ Abzugsteuer 17,82 %: 3.207,60 €
89+ SolZ 0,98 %: 176,40 €
90= Bruttovergütung: 21.384,00 €
91Steuerabzugsbetrag 15 % (= Haftungsbetrag): 3.207,60 €
92Zeitraum I/2015:
93Nettovergütungen: 58.886,96 €
94+ Abzugsteuer 17,82 %: 10.493,66 €
95+ SolZ 0,98 %: 577,09 €
96= Bruttovergütung: 69.957,71 €
97Steuerabzugsbetrag 15 % (= Haftungsbetrag): 10.493,66 €
98V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen des § 137 FGO nicht erfüllt.
99VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
100VII. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 GKG.