Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Ablehnung eines Antrags der Kläger auf Änderung der Zinsfestsetzung zur Einkommensteuer 2007 und 2008.
2Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren 2007 und 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
3Mit Datum vom 06.05.2013 erließ der Beklagte nach einer Außenprüfung gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte und die Vorbehalte der Nachprüfung aufhebende Einkommensteuerbescheide für 2007 und 2008 über „Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer“. Neben der geänderten Festsetzung der Einkommensteuer, die u.a. auf Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen gemäß § 7g Abs. 3 EStG beruhte, enthielten die Bescheide Festsetzungen von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO zur Einkommensteuer 2007 in Höhe von 6.158 EUR, berechnet vom 01.04.2009 bis zum 10.05.2013, und zur Einkommensteuer 2008 in Höhe von 1.519 EUR, berechnet vom 01.04.2010 bis zum 10.05.2013. In den Rechtsbehelfsbelehrungen fand sich jeweils der Hinweis, dass die Festsetzung der Zinsen mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angefochten werden kann.
4Mit Schreiben vom 10.06.2013 legten die Kläger „gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2006 bis 2008“ sowie gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 06.05.2013 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, Fahrtkosten des Klägers seien bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit in zu niedriger Höhe als Betriebsausgaben berücksichtigt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben der Kläger vom 10.06.2013 verwiesen.
5Mit einem weiteren Schriftsatz vom 30.12.2013 beantragten die Kläger „im Rahmen des Einspruchsverfahrens die Korrektur der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 hinsichtlich der bisherigen Verzinsung aufgrund der Nichtinanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages“. Die Kläger waren der Auffassung, die Voraussetzungen für die Änderung der Bescheide lägen vor. Der Gesetzgeber habe mit der Änderung des § 7g EStG die Folgen der Nichterfüllung einer fristgemäßen Investition oder der bestimmten Nutzungs- und Verbleibensvoraussetzungen neu geregelt. Würden die Begünstigungsvoraussetzungen nicht erfüllt, würde der Investitionsbetrag im Jahr der Bildung rückgängig gemacht. Wegen der damit verbundenen Änderung des Steuerbescheids, der höheren Steuerfestsetzung und der damit verbundenen Verzinsung gemäß § 233a AO habe der Gesetzgeber keine Notwendigkeit eines Zuschlags gesehen. Insbesondere enthalte § 7g Abs. 3 EStG für die Fälle der Aufgabe der Investitionsabsicht keinen Ausschluss der Bestimmung des § 233a Abs. 2a AO, wie ihn beispielsweise § 7g Abs. 4 Satz 4 EStG enthalte.
6Der Beklagte wertete das Schreiben vom 30.12.2013 als Einsprüche gegen die Zinsfestsetzungen und wies diesen mit Einspruchsentscheidung vom 20.10.2014 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Einsprüche seien unzulässig, da diese nicht innerhalb der Einspruchsfrist, die am 10.06.2013 endete, beim Finanzamt eingegangen seien. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor. Die Zinsfestsetzungen seien auch nicht Gegenstand der bereits anhängigen Einspruchsverfahren geworden. Gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 AO solle bei der Einlegung des Rechtsbehelfs der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet sei. Danach sei die Rechtswirksamkeit des eingelegten Rechtsbehelfs zwar nicht von einer genauen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts abhängig, es sei jedoch erforderlich, dass sich die Zielrichtung des Begehrens aus der Rechtsbehelfsschrift in der Weise ergebe, dass sich der angefochtene Verwaltungsakt entweder aus dem Inhalt der Rechtsbehelfsschrift selbst ermitteln lasse oder Zweifel oder Unklarheiten am Gewollten durch Rückfragen des Finanzamts beseitigt werden könnten. Fehle es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des tatsächlich Gewollten, sei der wirkliche Wille des Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner Erklärungen zu ermitteln. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sei bei auslegungsfähigen Rechtsbehelfen davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf einlegen wolle, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhelfe. Das materiell-rechtliche Begehren der Kläger sei ausweislich der von ihnen abgegebenen, im Einspruchsschreiben vom 10.06.2013 enthaltenen, Einspruchsbegründung ausschließlich auf eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen 2006 bis 2008 gerichtet gewesen. Das Begehren sei nicht einmal andeutungsweise auf eine Änderung der Bescheide über die Zinsfestsetzungen gerichtet gewesen.
7Mit Schreiben vom 07.11.2014 teilten die Kläger dem Beklagten mit, dass kein Bescheid über die Festsetzung von Zinsen vorliege, sondern lediglich eine Abrechnung über Zinsen in dem Bescheid über Einkommensteuer, welche keinen eigenständigen Verwaltungsakt darstelle. Dies ergebe sich alleine bereits aus der Tatsache, dass teilweise eigenständige Zinsbescheide, insbesondere aufgrund des abweichenden Zinslaufes beim Investitionsabzugsbetrag, auch seitens verschiedener Finanzbehörden erlassen würden. Sollte der Beklagte dennoch von einem Zinsbescheid ausgehen, sei zu berücksichtigen, dass der Zinsbescheid ein Folgebescheid des Grundlagenbescheids, hier des Einkommensteuerbescheids, sei. Die Änderung des Einkommensteuerbescheids um die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags sei über die Korrekturvorschrift des § 7g Abs. 3 EStG in Verbindung mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolgt. Da der Zinsbescheid als Folgebescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO an den Grundlagenbescheid angepasst werden müsse, gelte der spätere Zinsbeginn auch für den Zinsbescheid.
8Mit Datum vom 13.04.2018 erließ der Beklagte geänderte Bescheide für 2007 und 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, in denen er höhere Fahrtkosten als Werbungskosten des Klägers berücksichtigte und die Steuerfestsetzungen entsprechend reduzierte. Die Zinsfestsetzungen gemäß § 233a AO wurden korrespondierend zu der reduzierten Steuer verringert und beliefen sich nunmehr für 2007 auf 5.876 EUR und für 2008 auf 1.447 EUR. Der Zinslaufbeginn wurde in den Bescheiden nicht geändert.
9Die Kläger forderten den Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 18.04.2018 auf, über ihre Anträge auf Änderung der Zinsfestsetzung vom 30.12.2013 sowie vom 07.11.2014 zu entscheiden.
10Mit Bescheid vom 26.04.2018 lehnte der Beklagte die Anträge der Kläger auf Änderung der Zinsfestsetzungen nach § 233a AO zur Einkommensteuer 2007 und 2008 vom 06.05.2013 ab. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei der Zinsfestsetzung nach § 233a AO um einen eigenständigen schriftlichen Bescheid handele, der – nur äußerlich – mit der Steuerfestsetzung verbunden sei und auf den die §§ 155 ff. AO über die Festsetzung von Steuern entsprechend anzuwenden seien. Die Anträge auf Änderung der Zinsfestsetzungen vom 30.12.2013 seien nicht fristgemäß eingegangen. Die Zinsbescheide nach § 233a AO seien mit Ablauf des 10.06.2013 bestandskräftig geworden. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand seien nicht vorgebracht worden und seien auch nach Aktenlage nicht erkennbar. Im Übrigen lägen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Änderung der Zinsbescheide nach den Vorschriften der Abgabenordnung nicht vor.
11Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 18.05.2016 Einspruch ein, in dem sie ausführten, dass über einen Änderungsantrag entschieden werden müsse und dieser nicht der Einspruchsfrist unterliege.
12Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 06.06.2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte er seine bisherigen Ausführungen.
13Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 05.07.2018 beim Finanzgericht eingegangen Klage. Zur Begründung tragen sie vor, dass ein Änderungsantrag nicht der Einspruchsfrist unterliege. Im Übrigen ergebe sich eine Pflicht zur Änderung auch aus § 129 AO.
14Die Kläger beantragen,
15den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 26.04.2018 und der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2018, die festgesetzten Zinsen, die im Einkommensteuerbescheid vom 13.04.2018 auf die Investitionsabzugsbeträge 2007 und 2008 entfallen, für 2007 um EUR 2.133,00 und für 2008 um EUR 333,00 zu mindern.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Der Beklagte beruft sich auf seine bisherigen Ausführungen.
I. Das Begehren der Kläger ist auf eine Verpflichtungsklage im Sinne des § 101 FGO gerichtet.
20Zwar ist dem Vorbringen der Kläger, neben dem ausdrücklich als Verpflichtungsantrag gemäß § 101 FGO gestellten Klageantrag, auch das Begehren zu entnehmen, den erstmaligen Zinsfestsetzungen in den Bescheiden vom 06.05.2013 einen anderweitigen Zinslaufbeginn zu Grunde zu legen, welches sie einfacher anhand einer Anfechtungsklage gemäß § 100 FGO erreichen könnten (vgl. Lange, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, 251. Lieferung 02.2019, § 101, Rz. 24). Im Streitfall können die Kläger ihr Ziel einer abweichenden Berücksichtigung des Zinslaufbeginns durch eine Anfechtung der streitgegenständlichen Bescheide jedoch nicht erreichen, da die Zinsfestsetzungen in den Bescheiden vom 06.05.2013 bestandskräftig geworden sind und eine Anfechtungsklage demnach keine Aussicht auf Erfolg hat.
21Die Bescheide über die Zinsfestsetzungen, bei denen es sich um eigenständige, nur äußerlich mit der Steuerfestsetzung verbundene Bescheide handelt (vgl. BFH, Beschluss vom 23.12.2002 IV B 13/02, BFH/NV 2003, 737 mit Verweis auf § 233a Abs. 4 AO), sind bestandskräftig geworden, da die Kläger es unterlassen haben, gegen diese rechtzeitig gemäß § 355 Abs. 1 AO Einspruch einzulegen. Der von ihrem steuerlichen Berater für sie am 10.06.2013 eingelegte Einspruch konnte die Einspruchsfrist hinsichtlich der Zinsfestsetzungen nicht wahren, da sich dieser laut der Betreffzeile lediglich gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2006 bis 2008 richtete und auch in seiner Begründung keine Anhaltspunkte für einen über die Überschrift hinausgehenden Erklärungsinhalt erkennen ließ. Vor diesem Hintergrund sowie der Tatsache, dass der Einspruch von einem Vertreter der steuerberatenen Berufe erstellt wurde (vgl. BFH, Urteil vom 28.01.2011 I R 93/00, BFH/NV 2002, 613), besteht auch kein Raum für eine abweichende Auslegung des Erklärungsinhalts.
22Der Bestandskraft der Bescheide vom 06.05.2013 über die Zinsfestsetzungen steht auch der mit Schreiben vom 30.12.2013 beim Beklagten eingegangene Antrag auf Korrektur hinsichtlich der Verzinsung aufgrund Nichtinanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags, der von dem Beklagten als Einspruch gegen die Zinsfestsetzungen gewertet wurde, nicht entgegen, da dieser erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gemäß § 355 Abs. 1 AO bei dem Beklagten einging.
23II. Die demnach einzig auf Verpflichtung des Beklagten zur Änderung der Zinsfestsetzungen in den Einkommensteuerbescheiden 2007 und 2008 gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet.
24Die Ablehnung des Antrags der Kläger auf Änderung der Zinsfestsetzungen zur Einkommensteuer 2007 und 2008 durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Berichtigung oder Änderung der Zinsfestsetzungen zur Einkommensteuer 2007 und 2008 vom 06.05.2013 oder vom 13.04.2018 (§ 101 FGO).
251. Die Voraussetzungen der Berichtigungsvorschrift des § 129 AO liegen nicht vor.
26§ 129 Satz 1 AO regelt, dass die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit innerhalb der Verjährungsfrist berichtigen kann. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO). § 129 AO gilt auch für die Festsetzung von Zinsen (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO).
27a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO, wenn ein Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (vgl. etwa Urteile des BFH vom 25.02.1992 VII R 8/91, BStBl II 1992, 713; vom 04.06.2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; vom 06.11.2012 VIII R 15/10, BStBl II 2013, 307 und vom 27.08.2013 VIII R 9/11, BStBl II 2014, 439). Davon ist auszugehen bei mechanischen Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehlern. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus.
28b) Ein solcher Fall einer offenbaren Unrichtigkeit liegt im Streitfall nicht vor. Anhaltspunkte für ein mechanisches Versehen, das zur Anwendung eines früheren Zinslaufbeginns geführt hat, sind nicht ersichtlich und werden auch von den Klägern nicht vorgetragen. Vielmehr beruht die Zinsfestsetzung durch den Beklagten auf einer, von der Rechtsauffassung der Kläger abweichenden, Anwendung des § 233a Abs. 2a AO. Ein solcher Fall wird von § 129 AO aber gerade nicht erfasst.
292. Es besteht auch kein Anspruch der Kläger auf Änderung der Zinsfestsetzungen gemäß § 233a Abs. 5 AO im Hinblick auf die Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen 2007 und 2008 in den Bescheiden vom 06.05.2013.
30a) Ein entsprechender Antrag ist zwar, anders als der Beklagte annimmt, nicht an die Einhaltung bestimmter Fristen, insbesondere der Einspruchsfrist gemäß § 355 Abs. 1 AO, gebunden, so dass der Antrag der Kläger auf Änderung nicht mangels Fristwahrung unzulässig ist.
31b) Ein Anspruch der Kläger auf Änderung nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO scheidet jedoch mangels Vorliegens der materiellen Voraussetzungen der Norm aus.
32aa) § 233a Abs. 5 Satz 1 AO sieht vor, dass eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern ist, wenn die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird. Damit enthält § 233a Abs. 5 AO in Satz 1 eine besondere Änderungsvorschrift für die Zinsfestsetzung, die abschließend die Voraussetzungen und den Umfang der Aufhebung und Änderung einer Zinsfestsetzung regelt, soweit diese auf einer Änderung der Bemessungsgrundlage beruht (Heuermann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 251. Lieferung 02.2019, § 233a, Rz. 66; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, 155. Lieferung 02.2019, § 233a, Rz. 49, 57, Kögel, in Gosch, AO/FGO, 1. Auflage 1995, 144. Lieferung, § 233a Rz. 134; BFH, Beschluss vom 11.02.2009 X B 134/08, juris). Aus dieser Regelung sowie der akzessorischen Natur des Zinsanspruchs folgt, dass Einkommensteuerbescheid und Zinsbescheid im Verhältnis von Grundlagenbescheid und Folgebescheid zueinander stehen. § 233a Abs. 5 AO ist insofern lex specialis zu der Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (vgl. BFH, Beschlüsse vom 31.03.1998 I S 8/97, BFH/NV 1998, 1318; vom 23.12.2002 IV B 13/02, BFH/NV 2003, 737 und vom 14.07.2008 VIII B 176/07, BStBl II 2009, 117; BFH, Urteil vom 18.05.2005 VIII R 100/02, BStBl II 2005, 735).
33Grundlagen- und Folgebescheid zeichnen sich dadurch aus, dass der Grundlagenbescheid Bindungswirkung für den Folgebescheid entfaltet, die dazu führt, dass dem Folgebescheid in verbindlicher Weise bestimmte, im Grundlagenbescheid festgestellte Besteuerungsgrundlagen zugeführt werden. Die Bindungswirkung reicht dabei soweit, wie die in dem Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen für den Folgebescheid von Bedeutung sind. Eine Bedeutung in dem Sinne liegt vor, wenn (und soweit) der Grundlagenbescheid eine Regelung trifft, die ansonsten als Besteuerungsgrundlage in dem Folgebescheidverfahren eigenständig ermittelt werden müsste. Die Finanzbehörde ist in diesem Zusammenhang verpflichtet, die Folgerungen, die Bindungswirkung entfalten, aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen und bei der Umsetzung des Folgebescheids zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 31.10.1991 X R 126/90, BFH/NV 1992, 363; Urteil vom 10.6.1999 IV R 25/98, BStBl. II 1999, 545 und Urteil vom 22.6.2006 IV R 31 - 32/05, BStBl. II 2007, 687).
34Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die Aufgabe, den Grundlagenbescheid an den Folgebescheid anzupassen, wie sie § 233a Abs. 5 Satz 1 AO als Spezialnorm für die Zinsfestsetzung (und § 175 Abs. 1 Satz 1 AO im Allgemeinen) regelt, allerdings keine Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung, vielmehr kann sie nur eine eingeschränkte Überprüfung der bisherigen Festsetzung bewirken, die nur so weit reicht, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlangt (vgl. BFH, Urteile vom 11.04.1990 I R 82/86, BFH/NV 1991, 143 und vom 25.06.1991 IX R 57/88, BStBl II 1991, 821). Die Änderung eines Grundlagenbescheids darf deshalb nicht zum Anlass genommen werden, für den Folgebescheid bedeutsame Besteuerungsgrundlagen zu ändern, die weder Gegenstand des Grundlagenbescheids sind, noch durch seinen Regelungsinhalt beeinflusst werden.
35Für den Zinsbescheid bedeutet dies, dass Fehler, die sich allein auf die Zinsfestsetzung beziehen und nicht von der Bindungswirkung des Steuerbescheids umfasst sind, wie beispielsweise die Berücksichtigung eines unrichtigen Wertstellungstages oder sonstige Berechnungsfehler, nicht über diese Vorschrift, sondern nur nach §§ 239 Abs. 1 i.V.m. §§ 172 ff. AO korrigiert werden können (vgl. Heuermann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 251. Lieferung 02.2019, § 233a AO, Rz. 66; Rüsken, in Klein, FGO, 13. Auflage 2016, § 233a, Rz. 41; Niewerth, in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, 112. Lieferung 03.2019, § 233a AO, Rz. 18; Kögel, in Gosch, AO/FGO, 1. Aufl. 1995, 144. Lieferung, § 233a, Rz. 136 mit Verweis auf AEAO zu 233a AO Nr. 45).
36bb) Klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang somit die Frage, ob der Wegfall der Investitionsabsicht nach § 7g Abs. 3 EStG als rückwirkendes Ereignis in den Einkommensteuerfestsetzungsbescheiden festgestellt wurde, bzw. inwieweit eine solche Feststellung Bindungswirkung für den Zinslaufbeginn in den Zinsbescheiden entfaltet.
37aaa) Gegen das Vorliegen einer solchen Feststellung im Streitfall spricht, dass sich den Einkommensteuerbescheiden 2007 und 2008 vom 06.05.2013 nicht entnehmen lässt, dass die durchgeführte Änderung auf einem rückwirkenden Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beruht. In den Bescheiden wird lediglich darauf hingewiesen, dass diese nach § 164 Abs. 2 AO geändert wurden. Auch darüber hinaus lässt sich den Bescheiden nicht entnehmen, dass die Änderung auf eine Rückgängigmachung gemäß § 7g Abs. 3 EStG zurück zu führen, geschweige denn zu welchem Zeitpunkt die Investitionsabsicht gemäß § 7g Abs. 3 EStG weggefallen ist.
38Dass sich diese Feststellungen jedoch notwendig aus dem Grundlagenbescheid entnehmen lassen müssen, um eine dahingehende Bindungswirkung für den Folgebescheid zu bejahen, lässt sich dem Rechtsgedanken des § 239 Abs. 3 AO entnehmen. § 239 Abs. 3 AO sieht für Fälle einer gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder der Festsetzung eines Steuermessbetrages vor, dass auch die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen nach § 233a Abs. 2a AO gesondert festzustellen sind, soweit diese an Sachverhalte anknüpfen, die Gegenstand des Grundlagenbescheids sind. Bindungswirkung hinsichtlich des Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses tritt in den in § 239 Abs. 3 AO genannten Fällen somit nur ein, wenn das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses im Grundlagenbescheid positiv festgestellt wird (vgl. Niewerth, in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, 112. Lieferung 03.2019, § 239 Rn. 12; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, 155. Lieferung 02.2019, § 239, Rn. 15; Kögel, in Gosch, AO/FGO, 1. Auflage 1995, 144. Lieferung, § 233a, Rz. 96).
39Hintergrund dieser Regelung ist in Fällen der gesonderten Feststellung, dass die Entscheidung darüber, ob eine Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und damit zugleich auch auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 233a Abs. 2a AO beruht, gegenüber allen Feststellungsbeteiligten mit bindender Wirkung einheitlich zu treffen ist (vgl. Kögel, in Gosch, AO/FGO, 1. Auflage 1995, 144. Lieferung, § 239, Rz. 27.1; vgl. auch BFH, Urteil vom 19.03.2009 IV R 20/08, BStBl II 2010, 528). Auch wenn sich diese Zielsetzung nicht unmittelbar auf das Verhältnis von Einkommensteuer- und Zinsbescheid, die in der Regel nur einen und nicht mehrere Steuerpflichtige betreffen, übertragen lässt, ist § 239 Abs. 3 AO jedoch der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass eine Bindungswirkung für den Folgebescheid nur insoweit bestehen kann, wie in dem Grundlagenbescheid entsprechende Feststellungen getroffen wurden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts des rückwirkenden Ereignisses, welcher im Rahmen des § 233a Abs. 2a AO maßgeblich für die weitere Zinsberechnung ist.
40bbb) Daneben kann der Verweis in § 233a Abs. 7 für die Fälle des Abs. 2a auf die Absätze 3 und 5 nicht dahingehend verstanden werden, dass es keiner Feststellung des Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses im Grundlagenbescheid im Anwendungsbereich des § 233a Abs. 2a AO bedarf, dieses sich vielmehr unmittelbar aus dem Verweis in Absatz 7 ergibt.
41Gegen eine solch weite Auslegung sprechen die Intention des Gesetzgebers bei Einführung des § 233a Abs. 7 AO sowie der Wortlaut der Norm.
42§ 233a Abs. 7 AO wurde im Rahmen des Jahressteuergesetzes 1997 als Folgeregelung zu Abs. 2a eingeführt und sollte die rechnerischen Konsequenzen aus dem in Abs. 2a aufgestellten Grundsatz ziehen, dass ein rückwirkendes Ereignis keine Auswirkungen auf Erstattungs- bzw. Nachzahlungszinsen haben soll, die vor Eintritt des Ereignisses entstanden sind (vgl. Rüsken, in Klein, AO, 14. Auflage 2018, § 233a, Rn. 33). Diese Einordnung des § 233a Abs. 7 AO als Berechnungsnorm stützt auch der Wortlaut der Vorschrift, der den Verweis auf die Absätze 3 und 5 auf die Maßgabe begrenzt, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist. Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit Absatz 7 lediglich die Zinsberechnung in den Fällen des besonderen Zinslaufbeginns des Absatzes 2a regeln und im Vergleich zu den Absätzen 3 und 5 insoweit modifizieren wollte, dass sich der Unterschiedsbetrag in Fällen, in denen sich die Änderung der Steuerfestsetzung aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses auf mehrere zurückliegende Veranlagungszeiträume auswirkt, aus mehreren Teilunterschiedsbeträgen mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn zusammensetzt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber in den Fällen des § 233a Abs. 7 AO eine Bindungswirkung bezüglich des Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses für den Zinsbescheid schaffen wollte, unabhängig davon, ob der Festsetzungsbescheid entsprechende Feststellungen enthält, sind nicht ersichtlich.
43ccc) Darüber hinaus wäre – selbst bei einer positiven Feststellung des Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses im Grundlagenbescheid - eine Bindungswirkung in Bezug auf den Zinslaufbeginn im Folgebescheid abzulehnen, weil sich durch eine solche Feststellung kein zwingender Zeitpunkt für den Beginn des Zinslaufs in den Zinsbescheiden ergibt und die Frage, welcher Zinslaufbeginn der Zinsberechnung zugrunde liegt somit nicht durch den Regelungsinhalt des Grundlagenbescheids verbindlich festgelegt wird, sondern weiterhin im Rahmen der Zinsfestsetzung zu erfolgenden Zinsberechnung zu klären ist.
44Die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Steuerforderung im Sinne von § 233a Abs. 2a AO zu verzinsen ist, lässt sich nicht unmittelbar allein anhand der Feststellung des Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses im Grundlagenbescheid beantworten. Anders als die Höhe der Steuer, die von der Finanzbehörde unmittelbar aus dem Einkommensteuerbescheid entnommen und der Zinsberechnung als Bemessungsgrundlage zu Grunde gelegt wird, bedarf es bei der Ermittlung des Zinslaufbeginns, auch im Falle eines rückwirkenden Ereignisses, einer weitergehenden Prüfung der Finanzbehörde, zu welchem Zeitpunkt der Zinslauf im Einzelfall beginnt. Dies erfolgt nicht stets, wie in § 233a Abs. 2a AO geregelt, 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, vielmehr sieht das Gesetz bestimmte Konstellationen vor, wie beispielsweise in § 7g Abs. 4 Satz 4 EStG oder nunmehr auch § 7g Abs. 3 Satz 4, in denen die Anwendung des § 233a Abs. 2a AO explizit ausgeschlossen und ein davon abweichender Zinslaufbeginn angeordnet wird. Die Finanzbehörde hat sich daher im Rahmen der Zinsberechnung, über die Frage des Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses hinaus, damit zu befassen, ob das rückwirkende Ereignis zu einem Zinslaufbeginn nach § 233a Abs. 2a AO führt oder nicht. Dies ist jedenfalls im Anwendungsbereich des § 7g Abs. 3 EStG für die Veranlagungsjahre 2013 und davor umstritten (vgl. etwa Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.04.2014 3 K 3061/14, EFG 2014, 1375, entgegen BFH, Urteil vom 11.07.2013 IV R 9/12, BStBl II 2014, 609, bejaht das FG Berlin-Brandenburg eine Rückwirkung des § 7 Abs. 3 Satz 4 EStG auch für Veranlagungszeiträume, die vor 2013 liegen).
45Die Ermittlung des Zinslaufbeginns setzt folglich eine weitergehende, über die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid hinausgehende, Prüfung durch die Finanzbehörde voraus, die im Rahmen der Zinsberechnung zu erfolgen hat. Einer Feststellung des Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses im Grundlagenbescheid kommt insoweit jedenfalls keine abschließende Bindungswirkung zu.
46cc) Gestützt auf sämtliche dieser Erwägungen entfalten die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 keine Bindungswirkung hinsichtlich des konkreten Zinslaufbeginns, so dass die Kläger auch keine Berücksichtigung des späteren Zinslaufs im Sinne des § 233a Abs. 2a AO nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO verlangen können. Der Beklagte hat die geänderten Steuerfestsetzungen in den Bescheiden vom 06.05.2013 zutreffend der Zinsberechnung in den Zinsbescheiden vom 06.05.2013 zugrunde gelegt. Da die Bindungswirkung der geänderten Steuerbescheide lediglich die Höhe der festgesetzten Steuer betraf, war der Beklagte zu einer darüber hinausgehenden Änderung des Zinslaufs nicht verpflichtet und ein dahingehender Anspruch der Kläger auf Änderung der Zinsbescheide nach § 233a Abs. 2a AO besteht nicht.
473. Der Beklagte war auch nicht dazu verpflichtet, den Zinslaufbeginn des § 233a Abs. 2a AO im Rahmen der späteren Änderung der Steuer- und Zinsfestsetzung in den Bescheiden vom 13.04.2018 über § 177 Abs. 2 AO zu berücksichtigen.
48a) § 177 Abs. 2 in Verbindung mit § 239 Abs. 1 Satz 1 AO sieht vor, dass, wenn die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Zinsbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen vorliegen, soweit die Änderung reicht, zuungunsten und zugunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen sind, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung waren. § 177 AO betrifft alle Fälle, in denen die Bestandskraft eines Steuer- oder Zinsbescheids durchbrochen wird, unabhängig davon, ob dies auf Grund der §§ 172 ff. oder anderer gesetzlicher Änderungsvorschriften geschieht und eröffnet im Zuge dieser Änderung die Möglichkeit einer beschränkten Wiederaufrollung des Steuerfalls und der Berücksichtigung solcher materiell rechtlicher Fehler, die nicht Anlass der Aufhebung bzw. der Änderung waren (BFH, Urteil vom 11.04.1990 I R 82/86, BFH/NV 1991, 143).
49Die Formulierung des § 177 Abs. 2 AO, „soweit die Änderung reicht“ führt allerdings dazu, dass § 177 AO die Berücksichtigung solcher materieller Fehler, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung waren, nur in dem Umfang der Aufhebung oder Änderung des Bescheids zulässt. Die sich aus der Aufhebung bzw. Änderung des Bescheids ergebenden Mehr- oder Mindersteuern (im Falle eines Zinsbescheids folglich Mehr- oder Minderzinsen) bilden den betragsmäßigen Rahmen, innerhalb dessen Rechtsfehler berichtigt werden können (vgl. BFH, Urteil vom 14.10.2009 X R 14/08, BStBl II 2010, 533).
50b) Unabhängig von der Frage, inwieweit im Streitfall im Hinblick auf eine mögliche Rückwirkung des § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG überhaupt ein materieller Fehler vorliegt, liegen die Voraussetzungen des § 177 Abs. 2 AO hier nicht vor. Die Zinsfestsetzungen zur Einkommensteuer 2007 und 2008 wurden in den Bescheiden vom 13.04.2018 infolge der Herabsetzung der Steuerbemessungsgrundlage zugunsten der Kläger reduziert. Mit der Berücksichtigung des späteren Zinsbeginns des § 233a Abs. 2a AO verlangen die Kläger eine darüber hinausgehende Änderung zu ihren Gunsten. Sie begehren, die Zinsen für die Streitjahre noch niedriger als in den Änderungsbescheiden vom 13.04.2018 festzusetzen. Dies überschreitet jedoch den Änderungsrahmen des § 177 Abs. 2 AO und kann über diese Vorschrift daher nicht erreicht werden.
51III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
52IV. Die Revision wird zugelassen nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Fall FGO.