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Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
2Streitig ist im Wege einer Konkurrentenklage, ob die in den Streitjahren ... erzielten Umsätze der Beigeladenen aus dem Sammeln und Transportieren von privaten häuslichen Abfällen zum Regelsteuersatz umsatzsteuerpflichtig sind.
3Die Klägerin betreibt ein Entsorgungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Sie hatte für die Städte Q, P, O und N sowie die Gemeinden G und F zeitlich vor den Streitjahren ... auf der Grundlage entsprechender Verträge private häusliche Abfälle der Haushalte in diesen Kommunen vor Ort abgeholt und zu Müllumladestationen bzw. Deponien gebracht. Die Klägerin rechnete über ihre Entsorgungsleistungen mit Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz ab.
4Die Kommunen G, F, N und T gründeten im Jahr ... den „Entsorgungszweckverband W“ (Satzung vom ... Amtsblatt der Bezirksregierung X vom ..., S....).
5Dieser Zweckverband beschloss anlässlich der Verbandsversammlung vom ... die Gründung des Kommunalunternehmens „W“ (Verbandsbeschluss, Bl. ... der Prozessakte 1 K 2368/10, Gründungsdatum: ..., Anlage zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 30.09.2016, BFH-Akte des Beklagten) nebst Satzung (siehe ...Bl. ...ff. der Prozessakte 1 K 2368/10).
6In dieser Satzung, auf die Bezug genommen wird, heißt es auszugsweise:
7„§ 2 Aufgaben des Kommunalunternehmens
8(1) Das Kommunalunternehmen hat die Aufgabe, die von den Städten und Gemeinden auf den Zweckverband gemäß § 4 der Zweckverbandssatzung des Entsorgungszweckverbandes W vom ... übertragenen abfallwirtschaftlichen Aufgaben der Verbandsmitglieder als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nach § 5 Abs. 6 LAbfG (Landesabfallgesetz) NW in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Dazu gehören insbesondere das Einsammeln und Transportieren der auf dem Gebiet des Verbandes angefallenen überlassenen Abfälle zu den jeweiligen Entsorgungsanlagen sowie das Verbringen und das Beschaffen der damit verbundenen Dienstleistungen.
9(2) Das Kommunalunternehmen ist öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger, soweit ihm Aufgaben vom Zweckverband übertragen wurden. Es nimmt insoweit im Entsorgungsgebiet die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gem. §§ 15 Abs. 1 S. 1, 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz), § 5 LAbfG NW wahr. Soweit die Aufgaben vom Zweckverband auf das Kommunalunternehmen übertragen werden, gehen die Aufgaben mit befreiender Wirkung auf das Kommunalunternehmen über. Das Kommunalunternehmen übernimmt insoweit die Pflichten des Zweckverbandes als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und ist hinsichtlich der übertragenen Aufgaben allein verantwortlich
10(4) Das Kommunalunternehmen ist berechtigt, anstelle des Zweckverbandes.
112. unter den Voraussetzungen des § 9 GO (Gemeindeordnung) NRW, § 8 Abs. 4 GkG (Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit) NRW durch Satzung einen Anschluss- und Benutzungszwang der öffentlichen Einrichtung für den übertragenen Aufgabenkreis anzuordnen.“
12In der „Abfallsatzung im Gebiet des Zweckverbandes W“ (Fassung vom ..., ..., Bl. ... der Prozessakte 1 K 2368/10) heißt es auszugsweise:
13§ 1
14(1)...Die W nimmt daher als öffentlich-rechtlicher Versorgungsträger die ihr vom Zweckverband W übertragenen Aufgaben gemäß §§ 15, 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG, § 5 Abs. 6 LAbfG NW in eigener Zuständigkeit wahr.
15(3) Die W nimmt insbesondere die Aufgabe des Einsammelns und des Beförderns von Abfällen, die im Verbandsgebiet anfallen, wahr.
16§ 5 Anschluss- und Benutzungszwang
17(1) Jeder Eigentümer eines im Gebiet des Zweckverbandes W liegenden Grundstückes ist verpflichtet, sein Grundstück an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung anzuschließen, wenn das Grundstück von privaten Haushaltungen zu Wohnzwecken genutzt wird (Anschlusszwang). Abfälle aus privaten Haushaltungen … sind überlassungspflichtig nach § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG i.V.m. § 2 Nr. 2 GewAbfV (Gewerbeabfallverordnung)...“
18Dem Entsorgungszweckverband W traten in den Streitjahren weitere Kommunen bei, nämlich im Jahr ... Q und O, im Jahr ... P, H und I sowie im Jahr ... J, K und L.
19Zum ... kündigten die Kommunen N, G und F, zum ... die Kommunen Q und O, zum ... die Gemeinde P sowie zum ... die Gemeinden J und K die jeweiligen bis dahin bestehenden Verträge mit der Klägerin bzw. verlängerten sie nicht mehr.Ab ... übernahm die W in den genannten Kommunen die Aufgaben der Klägerin.
20Am 23.11.2012 stellte die Klägerin beim Beklagten den Antrag, gegen die W Umsatzsteuerbescheide für die Jahre ... zu erlassen und darin die von der W in den Jahren ... erbrachten Entsorgungsleistungen zum Regelsteuersatz der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Soweit Umsatzsteuerbescheide für die Jahre bereits erlassen worden seien, beantragte die Klägerin, diese entsprechend ihrem Antrag zu ändern.
21Der Antrag der Klägerin wurde mit Bescheid vom 23.01.2013 als unzulässig verworfen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, es fehle der Klägerin als Dritter im Steuerschuldverhältnis der W an der insoweit notwendigen Antragsbefugnis.
22Hiergegen legte die Klägerin am 23.01.2013 Einspruch ein. Ihren Einspruch begründete die Klägerin damit, dass sie durch die Nichtfestsetzung von Umsatzsteuer gegenüber der W in ihren Rechten verletzt sei. Ihr Anspruch auf Festsetzung von Umsatzsteuer gegenüber der W ergebe sich aus § 2 Abs. 3 UStG, einer so genannten drittschützenden Norm. Zwischen ihr und der W bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Die W beschäftige sich in mehreren Städten und Gemeinden der Kreise Y und Z mit dem Sammeln und Transportieren von häuslichen Abfällen. Bevor die W gegründet worden sei, seien private Entsorgungsunternehmen, u.a. auch sie, in diesem Bereich tätig gewesen. Seit Aufnahme der Tätigkeit durch die W habe sie empfindliche finanzielle Einbußen durch die entstandene Wettbewerbssituation erlitten. Dies sei auf die unzutreffende (Nicht-)Besteuerung der W mit Umsatzsteuer zurückzuführen. Während die Tätigkeit der W nicht der Umsatzsteuer unterworfen würde, fließe die von ihr als privatem Entsorgungsunternehmen in Rechnung zu stellende Umsatzsteuer unmittelbar in den Entsorgungspreis ein und verteuere diesen.Sie könne ebenso wie die W Hausmüll sammeln und transportieren. Der W würde durch die Nichtbesteuerung mit Umsatzsteuer eine gesetzwidrige Steuerbegünstigung zuteil. Sie, die Klägerin, habe deshalb einen subjektiv öffentlich-rechtlichen Anspruch auf steuerlichen Drittschutz.
23Der Beklagte verwarf den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 19.02.2014 als unzulässig. Hierzu führte er insbesondere an, die Klägerin wolle offensichtlich eine Konkurrentenklage erheben. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Konkurrentenklage sei, dass zwischen dem Kläger und einem Dritten ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe. Vorliegend liege zwischen der Klägerin und der Beigeladenen kein Wettbewerbsverhältnis vor. Die Klägerin sei aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage, mit der Beigeladenen in Wettbewerb zu treten. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.
24Die Klägerin hat daraufhin am 10.03.2014 die vorliegende Klage erhoben.
25Mit Schreiben vom 25.03.2008 hatte die Klägerin die Beklagte bereits um Auskunft darüber ersucht, ob die Umsätze der W vom Beklagten der Umsatzsteuer unterworfen würden.Der Beklagte hatte das Auskunftsersuchen mit Schreiben vom 11.09.2008 abgelehnt. Im Rahmen des wegen des Auskunftsersuchens geführten, mittlerweile erledigten Klageverfahrens (erstinstanzliches Verfahren: Finanzgericht Köln, Az. 1 K 2368/10; Revisionsverfahren: VII R 20/16) ergab sich, dass der Beklagte die Umsätze der W in den Jahren ... als nicht steuerbar und steuerpflichtig behandelt hatte. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren vom 18.09.2018 verwiesen (Bl. 217 bis 219 der Prozessakte).
26Im Hinblick auf die Klage wegen des Auskunftsersuchens hat das vorliegende Klageverfahren bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens VII R 20/16 am 18.09.2018 gemäß § 251 Satz 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO geruht.
27Mit Beschluss vom 05.08.2019 ist die W gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren notwendig beigeladen worden. Auf den Beschluss wird verwiesen.
28Die Klägerin begründet ihre Klage mit Bezugnahme auf ihr außergerichtliches Vorbringen und ihr Vorbringen in den Verfahren 1 K 2368/10 und VII R 20/16.
29Sie verweist darauf, dass ihre Umsätze mit den dem Entsorgungszweckverband W beigetretenen Kommunen, mit denen sie ursprünglich Entsorgungsverträge abgeschlossen gehabt hatte, von einem Bruttoumsatz von ... € auf ... € im Jahr ..., auf ... € im Jahr ..., auf ... € im Jahr ... bis auf null € im Jahr ... gesunken seien. Durch die zunehmende Übernahme der Abfallentsorgung durch die Beigeladene und andere öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger habe sie ihre Belegschaft von ... auf etwa ... Mitarbeiter verringern müssen. Die Beigeladene werbe damit, dass sie keine Umsatzsteuer berechne.
30Sie, die Klägerin, werde in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten aus § 2 Abs. 3 UStG und aus der dieser Vorschrift zu Grunde liegenden europarechtlichen Regelung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie bzw. Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL verletzt. Die benannten Vorschriften hätten drittschützende Wirkung. Die Beigeladene und sie böten auf demselben Markt gleiche Entsorgungsleistungen an, wobei die Leistungen der Beigeladenen als nicht steuerbar behandelt würden, während ihre, der Klägerin, Entsorgungsleistungen mit Umsatzsteuer besteuert würden. Ihre auf dieser Ungleichbehandlung beruhenden radikalen Umsatzeinbrüche belegten eine nicht unerhebliche Wettbewerbsverzerrung im Rahmen des bestehenden Wettbewerbsverhältnisses. Selbst wenn die Beigeladene aufgrund von Sonderregelungen des öffentlichen Rechts als juristische Person des öffentlichen Rechts tätig werde, sei aufgrund der Gleichheit der von ihr, der Klägerin, und der Beigeladenen ausgeübten Tätigkeit zu prüfen, ob es auf Grund der Nichtbesteuerung der Tätigkeit der Beigeladenen zu größeren Wettbewerbsverzerrungen komme.
31Wegen der Gewährträgerschaft der Kommunen für die W blieben die Kommunen ebenso wie bei einer Entsorgung durch ein privates Unternehmen die Entsorgungsverpflichteten. Deshalb stehe die von der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit aufgrund von Sonderregelungen des öffentlichen Rechts der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses nicht entgegen. Auch könne sie, die Klägerin, nicht erkennen, auf Grund welchen Gesetzes der Entsorgungszweckverband W der Beigeladenen die Hausmüllentsorgung mit befreiender Wirkung übertragen habe.
32Das BFH-Urteil vom 10.02.2016 – XI R 26/13 sei auf den vorliegenden Streitfall nicht anwendbar. Im vorliegenden Streitfall bestehe für die Klägerin die Möglichkeit eines Markteintritts als sog. Drittbeauftragte.
33Vor diesem Hintergrund verstoße die Nichtbesteuerung der Entsorgungsleistungen der Beigeladenen auch gegen den Grundsatz der steuerrechtlichen Gleichbehandlung und gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip.
34Die Klägerin beantragt,
35den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2014 zu verpflichten, gegen die W Umsatzsteuerbescheide für die Jahre ... derart zu erlassen bzw. die erlassenen Umsatzsteuerbescheide ... derart zu ändern, dass in den Umsatzsteuerbescheiden ... die Umsätze, die die W in den Jahren ... aus den Entsorgungsleistungen erwirtschaftet hat, der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz unterworfen werden, wobei unter Entsorgung Abholung und Transport privaten Hausmülls zu verstehen ist.
36Der Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Die Beigeladene beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Der Beklagte verweist zur Begründung seines Klageantrags auf die Einspruchsentscheidung.
41Auf den Schriftsatz des Beklagten vom 05.09.2019 wird verwiesen.
42Zudem hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er den Vortrag der Klägerin zu ihren Umsatzeinbußen und der Reduzierung der Zahl ihrer Arbeitnehmer, verursacht durch die sukzessive Übernahme der Abfallentsorgung durch die Beigeladene und andere öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger in den Streitjahren, nicht bestreitet.
43Die Beigeladene führt aus, dass die hoheitliche Aufgabe der Abfallentsorgung, hier die Abholung und der Abtransport des privaten Hausmülls in den Kommunen, die dem Entsorgungszweckverband W angehören, von ihr als eigene, ihr originär zustehende Aufgabe erfüllt werde. Es bestehe kein Wettbewerb mit der Klägerin, da diese erst auf der Stufe eines Erfüllungsgehilfen/Verwaltungshelfers tätig werden könne. Die gesetzliche Aufgabe der Abfallentsorgung sei von den Kommunen auf den Entsorgungszweckverband W und von diesem auf sie – die Beigeladene – kommunalrechtlich wirksam übertragen worden, und zwar einschließlich des Rechts auf Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs gegenüber privaten Grundstückseigentümern. Von diesem Recht habe sie Gebrauch gemacht.
44Ihre Rechtsauffassung werde in dem EuGH-Urteil vom 19.01.2017 – C-344/15, National Roads Authority, in vollem Umfang bestätigt. Dort werde festgestellt, dass kein Wettbewerb zwischen einer Einrichtung der öffentlichen Hand bestehe, die hoheitliche Pflichtaufgaben erledige, auch wenn sie einen privaten Dritten mit der Wahrnehmung einzelner Leistungen beauftragen könne.
45Der fehlende Marktzutritt der Klägerin und damit die Unmöglichkeit mit ihr, der Beigeladenen, im Zuständigkeitsbereich des Entsorgungszweckverbandes W in Wettbewerb zu treten, zeige sich auch dadurch, dass die Klägerin keine Entsorgungsleistungen erbringen könne, solange nur sie, die Beigeladene, aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges gegenüber den Abfallbesitzern als Entsorger tätig werden könne.
46Die Beigeladene hat die Kopie eines Schreibens des Beklagten vom ... vorgelegt, das im Text ausdrücklich als verbindliche Auskunft gegenüber der (als in Gründung befindlich bezeichneten) Beigeladenen bezeichnet ist (Bl. ...f der Prozessakte 1 K 2368/10). Darin heißt es u. a.:
47„Als Folge der Unterhaltung des Hoheitsbetriebes sind die finanziellen Zuweisungen des Zweckverbandes als Anstaltsträger an die W weder nach den Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes noch nach denen des Umsatzsteuergesetzes steuerbar und steuerpflichtig.“
48Die Beigeladene vertritt die Auffassung, dass die verbindliche Auskunft eine Änderungssperre in dem Sinne beinhalte, dass der Beklagte bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen die beantragte Umsatzsteuerveranlagung der Beigeladenen nicht vornehmen dürfe.
49Auf den Schriftsatz der Beigeladenen vom 10.09.2019 wird verwiesen.
50Das Gericht hat die Prozess- und Steuerakten zu dem Verfahren des FG Köln – Az.: 1 K 2368/10 einschließlich der Akte des Beklagten mit dem Schriftverkehr aus dem Revisionsverfahren VII R 20/16 zum Verfahren beigezogen und die Beteiligten hierüber in Kenntnis gesetzt.
51Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
52Entscheidungsgründe
53Die Klage ist unzulässig.
54Die Voraussetzung der Zulässigkeit einer auf § 2 Abs. 3 UStG als drittschützende Norm gestützten Konkurrentenklage liegen im Streitfall offensichtlich nicht vor.
55Der Vorschrift des § 2 Abs. 3 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung wird in Rechtsprechung und Literatur entgegen ihrem Wortlaut Drittschutzwirkung zugeschrieben (BFH, Urteil vom 05.10.2006 – VII R 24/03, juris; Seer in Tipke-Kruse, AO, FGO, § 40 FGO, Rn. 47 m.w.N., 83).
56Gemäß dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 UStG sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.
57Die § 2 Abs. 3 UStG zugeschriebene drittschützende Wirkung im Rahmen einer Konkurrentenklage beruht darauf, dass der EuGH mit Urteil vom 08.06.2006 (EuGH, Urteil vom 08.06.2006 – C-430/04 (Feuerbestattung Halle), juris) in Beantwortung eines Vorabentscheidungsersuchens des BFH (Urteil vom 08.07.2004 – VII R 24/03, juris), dessen Gegenstand die Frage war, ob § 2 Abs. 3 UStG auch dem Schutz privater Wettbewerber diene, entschieden hat, dass sich ein Einzelner, der mit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts im Wettbewerb steht und der geltend macht, diese Einrichtung werde für Tätigkeiten, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübe, nicht oder zu niedrig zur Umsatzsteuer herangezogen, vor dem nationalen Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits gegen die nationale Steuerverwaltung auf Art. 4 Abs. 5 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 berufen kann.
58Art. 4 Abs. 5 Unterabsatz 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 (ab 2007: Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL) bestimmt:
59„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen,...
60Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.“
61Mit dieser EuGH Rechtsprechung korrespondiert, dass § 2 Abs. 3 UStG in der Folgezeit auch unabhängig von der Frage der Zulässigkeit einer Konkurrentenklage durch die Rechtsprechung zur Bestimmung der Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts entgegen seinem Wortlaut unionskonform ausgelegt worden ist (vergl. z.B. BFH, Urteil vom 01.12.2011 – V R 1/11, juris, Rz.14; BFH, Urteil vom 14.03.2012 – XI R 8/10, juris, Rz. 27; jeweils m.w.N.).
62Danach ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts grundsätzlich Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen ausübt. Erfolgt ihre Tätigkeit nicht auf privatrechtlicher sondern auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, ist sie nur dann Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (BFH, Urteil vom 01.12.2011 – V R 1/11, juris, Rz.15; BFH, Urteil vom 14.03.2012 – XI R 8/10, juris, Rz. 28; BFH, Urteil vom 13.02.2014 – V R 5/13, juris, Rz.15).
63Aus der unionskonformen Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG ergeben sich als Voraussetzungen für die Zulässigkeit der vorliegenden auf § 2 Abs. 3 UStG gestützten Konkurrentenklage somit erstens, dass die Klägerin, eine juristische Person des Privatrechts, mit der Beigeladenen, einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) gemäß § 114a Gemeindeordnung (-GO-) NRW, tatsächlich in einem Wettbewerbsverhältnis steht und zweitens, dass der Beigeladenen durch die Nichtbesteuerung ihrer Umsätze gegenüber der Klägerin fühlbare Wettbewerbsvorteile verschafft werden, die erwarten lassen, dass sie sich auf die von der Klägerin erzielbaren Umsätze konkret auswirken werden (BFH, Urteil vom 05.10.2006 – VII R 24/03, Rz. 22).
64Im Streitfall ist offensichtlich, dass schon die erste Voraussetzung für die Zulässigkeit der auf § 2 Abs. 3 UStG gestützten Konkurrentenklage der Klägerin nicht erfüllt ist. Denn die Klägerin und die Beigeladene stehen nicht in einem Wettbewerbsverhältnis.
65Die Beigeladene ist damit einhergehend nicht als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG in seiner unionskonformen Auslegung zu bewerten.
66Die Beigeladene hat im Entsorgungsgebiet des Entsorgungszweckverbandes W als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger gemäß § 15 Abs. 1 S. 1, 13 Abs. 1 S. 1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, einem Bundesgesetz, i.V.m. § 5 Landesabfallgesetz NW, jeweils in der in den Streitjahren aktuellen Fassung, ein rechtliches und lokales Monopol auf das Sammeln und Transportieren privater Hausabfälle, das einen Marktzutritt privater Unternehmer wie der Klägerin ausschließt.
67§ 5 Abs. 6 Landesabfallgesetz NW ordnet an, dass die kreisangehörigen Gemeinden als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger im Sinne der §§ 15 Abs. 1 S. 1 und 13 Abs. 1 S. 1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die in ihrem Gebiet anfallenden und ihnen zu überlassenen Abfälle einzusammeln und zu den Abfallentsorgungsanlagen oder zu den Müllumschlagstationen zu befördern haben. Gemäß § 5 Abs. 7 Landesabfallgesetz NW können die Gemeinden sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Formen kommunaler Zusammenarbeit nach den Vorschriften des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit –GKG– NRW in der in den Streitjahren geltenden Fassung bedienen.Laut § 1 Abs. 1 S. 1 GKG NRW können Gemeinden Aufgaben, zu deren Erfüllung sie berechtigt oder verpflichtet sind, nach den Vorschriften dieses Gesetzes gemeinsam wahrnehmen. Nach § 4 Abs. 1 GKG NRW können sich Gemeinden zu Zweckverbänden zusammenschließen, um einzelne Aufgaben gemeinsam zu erfüllen. Ein solcher Zweckverband ist gemäß § 5 Abs. 1 GKG NRW eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung verwaltet. § 6 Abs. 1 GKG NRW lautet:
68„(1) Das Recht und die Pflicht der an einem Zweckverband beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung der Aufgaben, die dem Entsorgungszweckverband gestellt sind, gehen auf den Entsorgungszweckverband über“.
69Gemäß § 8 GKG NRW finden die Vorschriften der Gemeindeordnung sinngemäß Anwendung. § 114 a Abs. 3 der Gemeindeordnung NRW lautet auszugsweise:
70(1) Die Gemeinde kann Unternehmen und Einrichtungen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts errichten …
71(3) Die Gemeinde kann der Anstalt einzelne oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängende Aufgaben ganz oder teilweise übertragen ...“
72Unter Beachtung dieser Rechtsvorschriften haben die kreisangehörigen Kommunen G, F, N und T ... den Entsorgungszweckverband W als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet, dem weitere Kommunen im späteren Verlauf der Streitjahre beigetreten sind. Der Entsorgungszweckverband W wiederum hat die Beigeladene als Kommunalunternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts zum Zweck der Hausmüllentsorgung gegründet.
73In diesem Rahmen ist die Aufgabe zur Hausmüllentsorgung von den landesrechtlich als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bestimmten Kommunen vollinhaltlich zunächst auf den Entsorgungszweckverband W und von diesem auf die Beigeladene als Kommunalunternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts übertragen worden (siehe nur § 2 der Satzung der AöR im..., Bl. ... ff. der Prozessakte 1 K 2368/10).
74Die Beigeladene ist daher rechtlich als der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger an die Stelle der jeweils ursprünglich zuständigen Kommune getreten. Sie hat in dieser Position ab dem Zeitpunkt ihrer Gründung im lokalen Bereich des Entsorgungszweckverbandes W in Erfüllung der nunmehr ihr allein originär obliegenden hoheitlichen Aufgabe der Entsorgung des privaten Hausmülls durch dessen Abholung und Transport als Monopolistin agiert.
75a
76Die weder gegenwärtig noch potentiell bestehende Markteintrittsmöglichkeit der Klägerin wegen des rechtlichen und lokalen Monopols der Beigeladenen aufgrund der zitierten gesetzlichen Vorschriften schließt ein Wettbewerbsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen im Entsorgungsbereich des Entsorgungszweckverbandes W dauerhaft aus.
77Für eine reale Änderungungsmöglichkeit des rechtlichen und lokalen Monopols der Beigeladenen sieht der erkennende Senat angesichts der Bedeutung der Hausmüllentsorgung für die Gesundheit der Bevölkerung und aus Umweltgesichtspunkten keine Anhaltspunkte (siehe insofern auch BFH, Urteil vom 10.02.2016 – XI R 26/13, juris, Rz. 53-58; BFH, Urteil vom 21.09.2016 – XI R 4/15, juris, Tz. 22).
78Das bloße Vorhandensein der Klägerin auf dem Entsorgungsmarkt führt nicht zu einem Wettbewerbsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen.
79Insofern hat der EuGH mit Urteil vom 19.01.2017 (EuGH, Urteil vom 19.01.2017 – C-344/15 National Roads Authority, juris, Rz. 42 m.w.N.) klargestellt, dass das bloße Vorhandensein privater Wirtschaftsteilnehmer auf einem Markt weder das Bestehen eines gegenwärtigen oder potentiellen Wettbewerbs belegen kann, sondern rein hypothetisch und deshalb irrelevant ist.
80Auch reicht für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn private Wirtschaftsteilnehmer nur dadurch in den jeweiligen, von der Einrichtung des öffentlichen Rechts monopolisierten Markt eintreten können, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts eine diesbezügliche Genehmigung erteilen, die Letztverantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung der dem privaten Betreiber überantworteten Verpflichtungen aber bei der öffentlichen Einrichtung verbleibt (EuGH, Urteil vom 19.01.2017 – C-344/15 (National Roads Authority), juris, Rz. 46).
81So ist die Sach- und Rechtslage im Streitfall.
82§ 16 Abs. 1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz regelt, dass den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern gemäß § 5 Landesabfallgesetz NW die Abfälle aus privaten Haushaltungen zur Entsorgung zu überlassen sind. Diese Überlassungspflicht gilt gemäß § 16 Abs. 2 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht, wenn private Entsorgungsunternehmen, wie die Klägerin, mit der Erfüllung der Entsorgung von der Kommune beauftragt werden.
83Die Verantwortlichkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers für die Erfüllung der übertragenen Pflichten bleibt allerdings gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in diesem Fall durch die Übertragung unberührt.
84Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4 FGO.
85Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren gemäß § 139 Abs. 4 FGO aus Billigkeit der Klägerin aufzuerlegen.Es entspricht in aller Regel der Billigkeit, der Beigeladenen Kostenerstattung zuzubilligen, wenn ihr Kosten entstanden sind und sie Sachanträge gestellt hat, weil sie dann auch das Risiko getragen hat, zu unterliegen und mit Kosten belastet zu werden (vgl. Stapperfend in: Gräber, FGO, 8. Auflage 2015, § 139, Rz. 158 mit weiteren Nachweisen). Dies gilt darüber hinaus auch dann, wenn die Beigeladene das Verfahren durch ihren Sachvortrag oder Rechtsausführungen wesentlich gefördert hat (st. Rspr., vgl. nur vgl. Stapperfend in: Gräber, FGO, 8. Auflage 2015, § 139, Rz. 160 mit Nachweisen).
86Die Beigeladene hat im Sinne der o.g. Grundsätze das Verfahren wesentlich gefördert.
87Die Kosten der Beigeladenen sind grundsätzlich dem unterliegenden Beteiligten aufzuerlegen (vgl. BFH-Beschluss vom 14.9.2010 IV B 15/10, BFH/NV 2011, 5).