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Die Bescheide über Körperschaftsteuer 2011 vom 5. September 2016 und über den Gewerbesteuermessbetrag 2011 vom 23. September 2016, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2017, werden dahingehend geändert, dass bei der Berechnung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrages weitere Betriebsausgaben i.H.v. 1.447.740 € berücksichtigt werden. Die Berechnung der Steuer und des Messbetrages wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten nach Durchführung einer Außenprüfung vorrangig über die Berechtigung des Beklagten zur Änderung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO – sowie inhaltlich über die Frage, ob der Beklagte zu Recht Betriebsausgaben wegen fehlender Empfängerbenennung im Sinne des § 160 AO unberücksichtigt gelassen hat.
3Die Klägerin ist eine im Jahr von H gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsgegenstand die Beratung der Industrie auf den Gebieten der Entwicklung und des Marketings sowie die Durchführung von Studien sein sollte. Der Gründer der Klägerin war bis zur Veräußerung wesentlicher Vermögensgegenstände im Jahr 2014 ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer.
4Die Klägerin ist unter dem Namen D GmbH gegründet, im Streitjahr zunächst in D1 GmbH und im Jahr 2013, in zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung der wesentlichen Vermögensgegenstände zur Durchführung von Studien an die W – W –, in D2 GmbH umbenannt worden. Ebenfalls im Jahr 2013 wurden mehrere hochpreisige Kraftfahrzeuge aus dem Unternehmensvermögen an die ausländische Firma A GmbH – A – in B veräußert (Blatt 102 ff. der Betriebsprüfungsakte – BpHA – I). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unterlagen in der Vertragsakte, das Handelsregister zu HRB … des Amtsgerichts C, das Protokoll des Einführungsgesprächs zur Außenprüfung (Blatt 90 BpHA I) und die Unterlagen zum Verkauf an W (Blatt 354 bis 493 BpHA II) verwiesen. Nach Tz. 7 bis 7.4 des Vertrags über die Veräußerung an W ist die Klägerin verpflichtet, W bei nachträglich festgesetzten Steuern, die unter anderem das Streitjahr betreffen, schadlos zu halten.
5Die Klägerin gab im Dezember 2012 die Steuererklärung für das Streitjahr beim Beklagten ab. Mit ihr deklarierte sie einen Jahresüberschuss von € und nicht abziehbare Aufwendungen i.H.v. €. Zugrunde lag der mit der Steuererklärung eingereichte Jahresabschluss, dessen Zahlen allerdings geringfügig abwichen.
6Die wesentlichen Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung waren neben Umsatzerlösen von € und Lohn- und Gehaltsaufwendungen von € die Kosten der Warenabgabe mit €. Neben aufgeschlüsselten Beträgen der letztgenannten Kosten für einzelne Leistungen enthält der Kontennachweis für den Betrag von € lediglich den Hinweis: „Fremdarbeiten (Vertrieb)“.
7Aus den Jahresabschlüssen ist weiterhin zu ersehen, dass sich die Umsatzerlöse in den Jahren 2009 bis 2011 mit einer Schwankungsbreite von ca. 150.000 € entsprechen. Die Anzahl der Arbeitnehmer der Klägerin war für alle drei Jahre übereinstimmend mit ausgewiesen. Der Aufwand für Fremdarbeiten stieg in den drei Jahren von ca. € im Jahr 2009 um insgesamt ca. € bis zum Streitjahr. Wegen der Einzelheiten wird auf die Jahresabschlüsse verwiesen.
8Der Beklagte veranlagte die Klägerin zunächst mit Bescheid vom 4. April 2013 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO zur Körperschaftsteuer des Streitjahres. Nachdem die Klägerin auf Nachfrage des Beklagten erläutert hatte, der Jahresüberschuss müsse der Bilanz entnommen werden und weitere Beweismittel vorgelegt worden waren, erließ der Beklagte unter dem 5. Juni 2013 – unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung – einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2011, mit dem die Körperschaftsteuer auf der Basis eines zu versteuernden Einkommens von 87.400 € auf 13.110 € festgesetzt wurde.
9Auf der Basis der gleichen Bemessungsgrundlage wurde, da eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes – GewStG – den Freibetrag nicht überstieg, der Gewerbesteuermessbetrag 2011 mit 3.059 € endgültig festgesetzt.
10Im Jahr 2015 wurde unter anderem für das Streitjahr und die hier streitbefangenen Steuern eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin angeordnet, begonnen und bis zum Jahr 2016 durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt übte die Klägerin so gut wie keine Tätigkeit mehr aus.
11Im Rahmen der Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Kosten der Warenabgabe von € mit einem Teilbetrag von € auf die Firma A entfielen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausdruck des Buchhaltungskontos … (Blatt 213 BpHA II) Bezug genommen.
12In der BpHA II finden sich neben dem Buchhaltungsskonto diverse Rechnungen der Firma A mit folgenden wesentlichen Leistungsbeschreibungen und Rechnungsbeträgen:
132. Februar 2011 |
1. Abschlagszahlung, Beratung…, Lobbying, Besprechungen und Akquisition |
140.000 € |
8. Juni 2011 |
E F |
20.000 € |
8. Juni 2011 |
fahrtkosten G |
5.060 € |
23. Juni 2011 |
fahrtkosten G |
1.780 € |
24. Juni 2011 |
H Study |
110.000 € |
28. Juni 2011 |
I Study |
90.000 € |
15. September 2011 |
EDI 09/01, Final installment |
60.000 € |
9. März 2012 |
honorare Studie G |
42.120 € |
9. März 2012 |
fahrtkosten G |
140 € |
Weiterhin wurden Rechnungen über insgesamt 300.000 € aus dem Jahr 2013 aufgefunden, die nicht gebucht und bezahlt worden waren. Der Steuerberater der Klägerin erläuterte insoweit, dies habe zu keinen Problemen geführt (vgl. BpHA II Blatt 225). Die einzelnen Rechnungen (Blatt 226 bis 231 BpHA II) wiesen die folgenden wesentlichen Leistungsbeschreibungen und Rechnungsbeträge aus:
1512. Februar 2013 |
Beratung und Lobbying… J AG |
65.000 € |
4. März 2013 |
Beratung und Lobbying…K AG |
35.000 € |
23. März 2013 |
Beratung und Lobbying… L |
50.000 € |
10. April 2013 |
Beratung und Lobbying…M |
45.000 € |
27. April 2013 |
Beratung und Lobbying… N AG |
55.000 € |
10. Mai 2013 |
Beratung und Lobbying… O AG |
50.000 € |
Im Rahmen der Außenprüfung wurde sodann eine Anfrage an die Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen – IZA – im Bundeszentralamt für Steuern – BZSt – zu den feststellbaren Aktivitäten und sonstigen Verhältnissen der A sowie der Muttergesellschaft der A, der P AG – P –, gerichtet.
17Ausweislich der Auskunft hinsichtlich der Firma P ist diese im Oktober 2008 ins Handelsregister eingetragen worden. Sie trägt einen sogenannten Domizilvermerk. Domizilgeber ist die Firma Q AG – Treuhandgesellschaft –, …straße in B mit dem Geschäftsführer R. Die P übernahm bei ihrer Gründung von Herrn R die Geschäftsanteile an der A, die damals noch D2 GmbH hieß.
18Die A wurde erstmals im Juni 2003 als D2 GmbH ins Handelsregister eingetragen. Am 4. Mai 2009 erfolgte die Umfirmierung in A GmbH. Gründungsgesellschafter war der Geschäftsführer der Treuhandfirma, der später die Geschäftsanteile an die P abtrat.
19Auch die A ist nach der Auskunft in der …straße in B, am Geschäftssitz der Treuhandgesellschaft, ansässig. Eingetragener Geschäftsführer der A war der Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft, Herr R.
20Außerdem vermutete das BZSt, es handele sich bei der A um eine reine Sitzgesellschaft, die an ihrem statutarischen Sitz über keinen eigenen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfüge. Sie habe zwar einen Telefonanschluss, aber keine firmeneigene Homepage. Es sei davon auszugehen, dass Herr R seine Funktion als Geschäftsführer lediglich treuhänderisch und weisungsgebunden für den wirtschaftlich berechtigten Gesellschafter der P ausübe. Es sei zu prüfen, wer Verfügungsberechtigter über das auf den Rechnungen angegebene Konto sei. Wegen der weiteren Einzelheiten insoweit wird auf die Auskunft vom 6. August 2015 (Blatt 526 bis 529 BpHA III) sowie die beigefügten Anlagen mit Auszügen aus Registern und allgemein zugänglichen Auskunftsquellen (Blatt 532 bis 557 BpHA III) verwiesen.
21Die Außenprüfung vertrat gegenüber der Klägerin die Auffassung, es handele sich bei der leistenden A um ein wirtschaftlich inaktives Unternehmen, das die fakturierten Leistungen nicht habe erbringen können.
22Daraufhin erläuterte die Klägerin, Herr R sei Staatsbürger. Er sei als Wirtschaftsmanager seit mehr als Jahren in der industrie tätig. Er sei Mitglied der Geschäftsführung mehrerer Tochtergesellschaften internationaler Unternehmen gewesen. Als Partner eines Treuhandunternehmens mit 25 bis 30 Angestellten und einer Bürofläche von 600 m² habe die erforderliche personelle und sachliche Ausstattung bestanden.
23Die A sei ein wirtschaftlich aktives Unternehmen, das von Herrn R geführt werde. Gegenstand des Unternehmens sei die Akquisition und Vermittlung von Aufträgen zur Durchführung von Studien. Die Aufträge würden durch die A entgegengenommen bzw. abgeschlossen. Sie beauftrage sodann Subunternehmer, z.B. die Klägerin, um die Studien durchführen zu lassen. Andere Aufträge würden direkt vermittelt. Der Geschäftserfolg ergebe sich aus der Vernetzung des Geschäftsführers in der Industrie. Zur Durchführung des Unternehmensgegenstandes bedürfe es keiner weiteren Mitarbeiter.
24Hinsichtlich der Anteilseignerin der A, der P, erklärte die Klägerin, Herr R habe zunächst die Anteile an der A treuhänderisch für Herrn S gehalten. Dieser habe die Anteile in der Folgezeit in die P eingebracht. Es handele sich bei dieser um eine reine Holding, deren alleiniger Gesellschafter Herr S sei. Auf das Schreiben vom 15. Oktober 2015 und die nachgereichte Bestätigung des Herrn R vom 19. Oktober 2015 wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen (Blatt 555/556 und 558/559 BpHA III).
25Die Außenprüfung forderte daraufhin weitere Unterlagen über die konkrete Tätigkeit und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaften bei der Klägerin an (Schriftsatz vom 3. November 2015, Blatt 561 bis 563 BpHA III).
26Die Klägerin erläuterte sowohl ihre als auch die Tätigkeit ihres Geschäftsführers. Zu Herrn R trug sie vor, er sei seit über zehn Jahren Prokurist der Firma T, einem der größten europäischen technologie- und Unternehmen (vgl. Handelsregister B, Blatt 593 bis 596 BpHA III). Zudem sei er im Verwaltungsrat mehrerer Unternehmen (vgl. Handelsregister B, Blatt 597/598 und Selbstauskunft von Herrn R, Blatt 599 BpHA III).
27Es wurden weiterhin Unterlagen zur Studie bezüglich „U“ (Verträge zwischen V GmbH und A sowie zwischen A und der Klägerin (Blatt 579 bis 590 und 600 bis 608 BpHA III)) sowie zu „X“, „X1“ und „X2“ zwischen der Firma Y und der Klägerin (Blatt 609 bis 620, 621 bis 632 und 633 bis 644 BpHA III) vorgelegt. Außerdem legte die Klägerin Serviceverträge zwischen ihr und A im Zusammenhang mit diesen Verträgen vor (Blatt 646 bis 657 BpHA III). Die Verträge im Zusammenhang mit Y betreffen das Jahr 2009. Dazu liegt eine Bestätigung zur Unterbeteiligung der A seitens der Firma Y vor (Blatt 79 d. A.).
28Letztlich wurden ein Kooperationsvertrag zwischen der Klägerin und A aus dem Jahr 2004 mit mehreren Zusätzen aus den Jahren bis 2010 (Blatt 658 bis 672 BpHA III) sowie weitere Unterlagen im Zusammenhang mit dem bezeichneten Verträgen (Blatt 673 bis 690 BpHA III) eingereicht.
29Der A habe aus den Verträgen im Zusammenhang mit dem Kooperationsvertrag eine Management-Fee von bis zu 25 % des Auftragsvolumens je Projekt zugestanden. Herr R habe die verschiedenen Studien durch Vermittlung der Aufträge, Herstellung der Kontakte sowie im Rahmen der Fortentwicklung der Projekte maßgeblich begleitet.
30Die Provisionszahlungen der Klägerin an die A seien daher als abzugsfähige Betriebsausgaben im Sinne der §§ 7 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – i.V.m. den §§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes – EStG – zu berücksichtigen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass deutsche Steuerpflichtige Empfänger der Betriebsausgaben seien.
31Sie, die Klägerin, habe auch nicht gegen ihre Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verstoßen. Sie habe vielmehr umfangreich zum Sachverhalt vorgetragen und sämtliche ihr zugänglichen Beweismittel vorgelegt. Ergänzend habe sie den Beweis durch Vernehmung der Zeugen R und Z von der Firma Y sowie der deutschen Zeugin Frau AA von der Firma Engelhardt Arzneimittel GmbH & Co. KG (vgl. z.B. Blatt 570 BpHA III) angeboten. Beweismittel außerhalb ihrer Kenntnis- und Einflusssphäre, insbesondere zu den Vertragsverhältnissen zwischen der A, der P und Herrn S, könnten von ihr nicht verlangt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 9. Dezember 2015 mit allen Anlagen (Blatt 565 bis 690 BpHA III) verwiesen.
32Die Außenprüfung ermittelte in der Folge aus allgemein zugänglichen Quellen weitere Informationen zu Herrn R (Blatt 692 bis 721 BpHA III) und zum Geschäftsführer der Klägerin, Herrn H (Blatt 723 bis 125 BpHA III). Eine erneute Anfrage an die IZA führte zur weiteren Auszügen aus allgemein zugänglichen Quellen zu Herrn R (Blatt 803 bis 821 BpHA IV),Herrn S und der P (Blatt 822/823 und 824 BpHA IV) sowie zu den unter der gleichen Adresse wie die A domizilierenden Unternehmen (Blatt 825 bis 835, 838 bis 842 BpHA IV).
33Die Außenprüfung vertrat unter Auseinandersetzung mit den recherchierten Sachverhalten und dem Vortrag der Klägerin weiter die Auffassung, die A sei ein wirtschaftlich nicht aktives Unternehmen gewesen. Der Vortrag, Herr R habe die Geschäfte führen können, vermöge nicht zu überzeugen, da dieser mehr als 50 Mandate in verschiedenen noch bestehenden Firmen habe. Eine aktive, wirkungsvolle Geschäftsführung für die A erscheine daher nicht möglich. Auch die vorgelegten Verträge seien ungeeignet, eine Tätigkeit der A nachzuweisen. Ein wirtschaftlich nachvollziehbarer Grund für die Einschaltung dieser Firma sei nicht erkennbar.
34Bei dieser Ausgangslage könne auf die Vorlage konkreter Arbeitsnachweise für die Tätigkeiten der A nicht verzichtet werden. Bisher sei mit Herrn R zwar eine zwischengeschaltete Person, nicht aber der tatsächliche Empfänger der Betriebsausgaben benannt worden. Weder die Existenz noch die Stellung des als Empfänger der Betriebsausgaben bezeichneten S sei nachgewiesen. Die Außenprüfung gehe davon aus, die erhöhten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO seien durch die Klägerin nicht erfüllt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 17. Mai 2016 (Blatt 843 bis 847 BpHA IV) verwiesen.
35Daraufhin reichte die Klägerin eine Bestätigung über die Kontaktanbahnung zwischen ihr und der Firma Y von Herrn Z und eine weitere Erläuterung von Herrn R ein (Blatt 849/850 BpHA IV) ein.
36Nach Durchführung der Schlussbesprechung erging unter dem 25. August 2016 der Bericht über die Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Jahre 2011 bis 2013, in dessen Tz. 2.4 die Außenprüfung die Auffassung vertrat, die im Streitjahr 2011 gebuchten Betriebsausgaben für Fremdleistungen i.H.v. € (Kto. … Fremdarbeiten), 240 € (Kto. … Fahrtkostenerstattungen) und 60.660 € (Kto. … ärzte), in der Summe €, seien als nicht abziehbare Betriebsausgaben gemäß § 160 Abs. 1 AO einkommenserhöhend zu berücksichtigen.
37Ausgehend von dem aus Sicht der Außenprüfung geschilderten Lebenssachverhalt, also insbesondere den Auskünften der IZA und dem Vorbringen der Klägerin, vertrat die Prüferin die Auffassung, der Empfängernachweis nach § 160 AO sei nicht erbracht worden. Dazu gehöre auch der Nachweis, dass tatsächlich Leistungen im vergüteten Umfang erbracht worden seien. An der Erbringung derartiger Leistungen bestünden berechtigte Zweifel. Zudem sei die Klägerin der Aufforderung zur Vorlage weiterer Nachweise zur Gesellschafterstellung von Herrn S nicht nachgekommen. Die Auffassung der Klägerin, entsprechende Unterlagen befänden sich nicht in ihrem Einflussbereich und dürften daher nicht angefordert werden, werde von der Außenprüfung nicht geteilt.
38Zusammenfassend bleibe festzustellen, dass die für den Betriebsausgabenabzug in § 160 AO genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die A sei auch ohne schweizerischen Domizilvermerk als Domizilgesellschaft zu qualifizieren. Die Existenz dritter, hinter ihr stehender Personen könne nicht ausgeschlossen werden. Da somit nicht sichergestellt sei, dass der wirkliche Empfänger der Zahlungen im Inland nicht steuerpflichtig sei, komme eine steuermindernde Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen nicht in Betracht.
39Für den Fall einer anderweitigen Beurteilung des Betriebsausgabenabzugs erteilte die Außenprüfung den Hinweis, dass die zum 31. Dezember 2011 passivierte Verbindlichkeit gegenüber der A dann gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen sei.
40Zum 1. Januar 2011 bestanden bei der Klägerin offene Verbindlichkeiten aus den Vorjahren i.H.v. 680.000 €. Hinzu traten die im Streitjahr 2011 gebuchten Rechnungsbeträge von € (Summe: €). Darauf erfolgten im Streitjahr Zahlungen i.H.v. € (Restsaldo: €). Bis zur Außenprüfung erfolgten noch weitere Zahlungen i.H.v. € (2012) und € (2013). Zum 31. Dezember 2013 bestanden offene Verbindlichkeiten gegenüber der A i.H.v. 555.000 €. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht mit allen Anlagen (BpHA IV) Bezug genommen.
41Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ unter dem 5. September 2016 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2011, mit dem die Körperschaftsteuer auf € festgesetzt wurde. Zugrunde lag insbesondere die Hinzurechnung sonstiger nicht abziehbarer Aufwendungen i.H.v. €, was zu einem zu versteuernden Einkommen von € führte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Körperschaftsteuerbescheid (Blatt 53 bis 55 d. A.) verwiesen. Unter dem 23. September 2016 erging ein nach § 35b Abs. 1 GewStG geänderter Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2011, der auf einem abgerundeten Gewerbeertrag von € beruhte und zu einem Gewerbesteuermessbetrag von € führte (Blatt 51/52 d. A.).
42Dagegen wandte sich die Klägerin mit fristgerechtem Einspruch. Hinsichtlich der hier angefochtenen Bescheide trug sie vor, eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei im Streitfall nicht möglich, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorlägen. Weder das Benennungsverlangen noch eine ggf. von der Finanzverwaltung angenommene unzureichende Antwort erfüllten die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift. Weitere Ausführungen betrafen aus Sicht der Klägerin gegebene Verfahrensverstöße wie die fehlende Begründung des angefochtenen Bescheides und die unzureichende Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen.
43Das Benennungsverlangen nach § 160 AO sei in Anbetracht der potentiellen Empfänger R und S unrechtmäßig, da beide nicht in Deutschland steuerpflichtig seien. Außerdem legte die Klägerin eine Erklärung von Frau AA vom 7. Juli 2016 vor, in der diese bestätigte, in ihrer Funktion als Projektleiterin bei der V GmbH Kontakte zu Herrn R unterhalten zu haben. Dieser habe den Kontakt zur Klägerin vermittelt (Rechtsbehelfshefter). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben mit Anlage verwiesen.
44Dem trat die Außenprüfung entgegen. Sie führte mit Schriftsatz vom 15. Februar 2017 aus, die Voraussetzungen für eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheides gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO hätten vorgelegen. Während der Außenprüfung sei erstmals festgestellt worden, dass die Klägerin im Jahr 2011 Betriebsausgaben zugunsten einer in der Schweiz ansässigen Domizilgesellschaft steuerlich geltend gemacht habe. Dieser Sachverhalt sei eine neue, bei der ursprünglichen Festsetzung nicht bekannt gewesene Tatsache im Sinne des § 173 AO.
45Die Einwendungen der Klägerin wegen der angeblichen Verfahrensverstöße wurden zurückgewiesen. Zur vorgetragenen Unrechtmäßigkeit des Benennungsverlangens wies die Außenprüfung darauf hin, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass die A die in Rechnung gestellten Leistungen nicht erbracht habe. Dies sei bisher durch die Klägerin nicht widerlegt worden. Die mehrfach angeforderten konkreten Tätigkeitsnachweise seien nicht erbracht worden. Die vorgelegten Verträge seien zum Nachweis ungeeignet. Auch der fehlende Domizilvermerk im Handelsregister für die A bedeute nicht, dass diese ein aktives Unternehmen gewesen sei.
46Mit Einspruchsentscheidung vom 16. November 2017 wies der Beklagte die Einsprüche unter anderem gegen die Bescheide wegen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2011 als unbegründet zurück. Die Begründung der Einspruchsentscheidung erschöpft sich in dem Verweis auf das Schreiben vom 15. Februar 2017.
47Dagegen wendet sich die Klägerin mit der fristgerecht erhobenen Klage.
48Die Klagebegründung einschließlich der beigefügten Anlagen 3 bis 18 (Blatt 62 bis 165 d. A.) entspricht weitgehend dem Schriftsatz vom 9. Dezember 2015 innerhalb der Außenprüfung. Die Klägerin schildert erneut ihren vormaligen Geschäftsgegenstand und die Rahmenbedingungen zur Durchführung von Studien . Ihr Geschäftsführer, Herr H, sei Vorstandsmitglied der BB in CC gewesen, die insbesondere entwickelt und erforscht habe. Die Nebentätigkeit im Rahmen der Klägerin sei von Seiten der Arbeitgeberin genehmigt gewesen. Er habe jedoch keine vertieften Kontakte zu Konkurrenten aus der Pharmabranche gehabt, welche Aufträge für die Durchführung von Studien vergeben hätten. Demgegenüber habe Herr R beste Kontakte in die Industrie gehabt. Im Rahmen des abgeschlossenen Kooperationsvertrages habe die von Herrn R vertretene A entsprechende Aufträge vermittelt. Im Prüfungszeitraum von 2011 bis 2013 hätten 94 % ihrer, der Klägerin, Umsätze auf dergestalt vermittelten Aufträgen im Zusammenhang mit den Kunden Y (ca. 61 %) und J (ca. 31 %) beruht. Insoweit verweist die Klägerin erneut auf die Bestätigungen der Zeugen Z und AA.
49Außerdem habe die A in Person von Herrn R die Klägerin durch stetige Beratungsleistungen bei der Durchführung der Studien unterstützt. Die A sei eine aktive Firma und als solche im Handels- und Mehrwertsteuersystem dokumentiert (Anl. 10, Blatt 84 d. A.). Alleinige Gesellschafterin der A sei die P AG, deren sämtliche Aktien im Besitz des Herrn S stünden. Für diesen legt die Klägerin eine Lebensbescheinigung, eine schwer lesbare Kopie des aktuellen Passes und eine Abmeldebescheinigung aus der vor (Anl. 10a, Blatt 86 bis 88 d. A.). Der weitere Vortrag zu den Vertragsabschlüssen und den Vertragsdurchführungen entspricht demjenigen des Schriftsatzes aus dem Prüfungsverfahren.
50In Übereinstimmung mit ihrem außergerichtlichen Vorbringen vertritt die Klägerin die Auffassung, die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lägen nicht vor. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 9. März 2016 (X R 9/13, BStBl II 2016, 815) trägt sie vor, Benennungsverlangen oder eine von der Finanzverwaltung angenommene fehlende bzw. unzureichende Antwort hierauf stellten keine nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen im Sinne des § 173 AO dar, weil es sich in beiden Fällen um Tatsachen handele, die erst nach Erlass des zu ändernden Bescheides entstanden seien. Eine Änderung nach § 173 AO sei auch nicht möglich, weil während der Außenprüfung erstmals festgestellt worden sei, dass sie, die Klägerin, im Jahr 2011 Betriebsausgaben zugunsten einer in ansässigen Domizilgesellschaft steuerlich geltend gemacht habe. Die Änderung setze voraus, dass die neu bekannt gewordene Tatsache im Vergleich zur ursprünglichen Steuerfestsetzung zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führe. Die Unkenntnis müsse kausal für die ursprüngliche Steuerfestsetzung sein. Diese Voraussetzung sei ebenfalls nicht erfüllt, weil es sich bei der Zahlung ungeachtet der Frage der Qualifikation der Empfängerin als Domizilgesellschaft um Betriebsausgaben handele. Dass es sich um derartige Ausgaben bei ihr handele, bestätige der Beklagte bereits dadurch, dass er ein Empfängerbenennungsverlangen nach § 160 AO gestellt habe. Dies setze voraus, dass auch er von Betriebsausgaben ausgegangen sei. Unabhängig davon verfüge sie als GmbH nicht über eine außerbetriebliche Sphäre. Sämtliche Aufwendungen seien Betriebsausgaben.
51Selbst wenn man eine Änderungsbefugnis des Beklagten unterstelle, sei die Nichtberücksichtigung der Betriebsausgaben nach § 160 AO rechtswidrig, da sie dem Benennungsverlangen nachgekommen sei. Sie habe den wirtschaftlichen Empfänger ihrer Zahlungen benannt. Gehe man davon aus, dass die A keine Domizilgesellschaft sei, genüge bereits ihre Bezeichnung als Empfängerin der Betriebsausgaben. Qualifiziere man die A als Domizilgesellschaft, seien mit der P AG und Herrn S die dahinter stehenden Empfänger bezeichnet. Tatsächlich tätig geworden sei Herr R, der ebenfalls benannt worden sei.
52Die von letzterem erbrachten Tätigkeiten seien durch die Vorlage der Verträge hinreichend belegt worden. Wie eine andere Form des Nachweises von Vermittlungs- und Beratungstätigkeiten aussehen solle, sei nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht dargestellt worden.
53Weiter führt die Klägerin aus, dass die A GmbH keine Domizilgesellschaft sei und sie auch keine Mitwirkungspflichten verletzt habe, soweit sie den vom Beklagten angeforderten Treuhandvertrag zwischen Herrn S und einem Dritten im Rahmen der Außenprüfung nicht vorgelegt habe. Weder sei erkennbar, dass der Treuhandvertrag entscheidungserheblich sei noch könne sie verpflichtet sein, Unterlagen vorzulegen, die sich ihrer Kenntnis- und Einflusssphäre entzögen.
54Darüber hinaus sei das Benennungsverlangen rechtswidrig. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass Anhaltspunkte für eine Nichtversteuerung oder für einen inländischen Empfänger bestünden. Er habe die Anweisung in Tz. 4 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung – AEAO – zu § 160 AO missachtet. Außerdem seien für sie keine Anhaltspunkte erkennbar gewesen, die darauf hingedeutet hätten, dass die A eine Domizilgesellschaft sein könnte. Vielmehr habe diese den Großteil der Aufträge vermittelt.
55Weiterhin habe der Beklagte das ihm durch § 160 AO auf der Rechtsfolgenseite eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. Weder im Prüfungsbericht noch in der Einspruchsentscheidung seien Ermessenserwägungen in nachprüfbarer Weise dargelegt worden. Es liege die Vermutung nahe, dass keine Ermessenserwägungen angestellt worden seien.
56Letztlich tritt die Klägerin dem Gedanken der Außenprüfung, bei Berücksichtigung der Betriebsausgaben müssten die zum 31. Dezember 2011 bilanzierten Verbindlichkeiten gegenüber der A abgezinst werden, entgegen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG seien von der Abzinsung Verbindlichkeiten ausgenommen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate betrage. Da es sich bei den gesamten Verbindlichkeiten um sofort fällige Verbindlichkeiten gehandelt habe, komme eine Abzinsung nicht in Betracht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründungsschrift mit allen Anlagen (Blatt 22 bis 165 d. A.) Bezug genommen.
57Im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten im Rahmen des Klageverfahrens bekräftigt die Klägerin ihre Auffassung, das Benennungsverlangen sei mit der Bezeichnung der A erfüllt worden. Die Feststellungen der IZA im Rahmen der Internetrecherche seien substanzlos. Auch die Aussage, die Vergütung sei unüblich, sei für den Streitfall ohne Bedeutung.
58Die Klägerin beantragt,
59den Bescheid über Körperschaftsteuer 2011 vom 5. September 2016 sowie den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2011 vom 23. September 2016, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2017 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der Körperschaftsteuer bzw. des Gewerbesteuermessbetrages weitere Betriebsausgaben i.H.v. € berücksichtigt werden.
60Der Beklagte beantragt,
61die Klage abzuweisen.
62Er vertritt die Auffassung, mit der Klagebegründung sei zum strittigen Sachverhalt nichts Neues vorgetragen worden. Die vorgelegten Unterlagen seien bereits mit den Erörterungsschreiben der Betriebsprüferin hinreichend gewürdigt worden.
63Nach wie vor sei eine aktive wirtschaftliche Tätigkeit der A nicht nachgewiesen. Weder ein durch den Geschäftsführer der Klägerin vorgenommenes Audit noch die Eintragungen im Handels- und Mehrwertsteuerregister seien zum Nachweis einer aktiven Tätigkeit geeignet.
64Demgegenüber habe das BZSt festgestellt, dass es sich bei der A um ein inaktives Unternehmen handele. Soweit die Klägerin vortrage, Herr R habe die Geschäfte der A wahrgenommen, stehe dem entgegen, dass Herr R mehr als Mandate in noch bestehenden Firmen innehabe. Bei der Vielzahl der Verwaltungsratsmandate erscheine eine aktive, wirkungsvolle Geschäftsführung der Unternehmen nicht möglich. Es werde nach wie vor angenommen, dass Herr R die Geschäftsführung/das Verwaltungsratsmandat lediglich treuhänderisch für die wirtschaftlich Berechtigten wahrnehme. Dies werde durch die vorgelegten Unterlagen wie Verträge oder Gesprächsnotizen nicht widerlegt.
65Das Auftreten der A als Vertragspartner belege weder die Vermittlung des Auftrags noch eine sonstige aktive Tätigkeit. Zudem sei ein wirtschaftlich nachvollziehbarer Grund, z.B. den Vertrag über die Studie zu U abzuschließen, nicht erkennbar. Auch die Rahmenvereinbarung einer Berechnung von Gebühren nach Absprache dürfte unter fremden Geschäftspartnern eher unüblich sein.
66Der Beklagte trägt weiter vor, es müsse überprüft werden, welche Umsätze mit welchen Betriebsausgaben im Zusammenhang stünden.
67Im Ergebnis geht er davon aus, die Klägerin habe mit Herrn R lediglich eine zwischengeschaltete Person, nicht aber den tatsächlichen Empfänger der Betriebsausgaben benannt. Die Existenz und die Stellung des Herrn S sei nicht nachgewiesen worden. Er, der Beklagte, sehe daher die erhöhten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten als nicht erfüllt an.
68Soweit die Klägerin eine Änderungsbefugnis bestreite, habe bereits die Betriebsprüferin im Schreiben vom 15. Februar 2017 dargelegt, die neue Tatsache sei die Feststellung, dass in den Zahlungen für Fremdleistungen Beträge an eine ausländische Gesellschaft enthalten seien, die durch das BZSt als Domizilgesellschaft eingestuft werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 13. Juni 2017 (Blatt 167 bis 169 d. A.) verwiesen.
69Entscheidungsgründe
70Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
71Der Bescheid über Körperschaftsteuer 2011 vom 5. September 2016 und der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2011 vom 23. September 2016, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2017, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
72Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, es bestehe hinsichtlich der hier allein streitbefangenen Zahlungen an die bzw. die passivierten Verbindlichkeiten gegenüber der A für Fremdleistungen i.H.v. € (Kto. …), Fahrtkosten i.H.v. 240 € (Kto. …) und ärzte i.H.v. € (Kto. …), in der Summe €, eine Möglichkeit, den vorangegangenen und unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2011 vom 5. Juni 2013, der mangels Anfechtung formell und materiell bestandskräftig geworden ist, zu ändern. Insbesondere ist eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen des Vorliegens nachträglich bekannt gewordener „neuer“ Tatsache nicht zulässig. Dementsprechend lagen auch die Voraussetzungen für die Änderung des vorangegangenen Gewerbesteuermessbescheides (ohne Datum) weder nach § 173 AO noch nach § 35b GewStG vor.
73Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind demgegenüber Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29. November 2017 II R 52/15, BStBl II 2018, 419 und vom 12. März 2019 IX R 29/17, BFH/NV 2019, 1057 m.w.N.).
74Nachträglich bekannt geworden ist eine Tatsache, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des geänderten Steuerbescheids noch nicht kannte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. November 2017 II R 52/15, BStBl II 2018, 419 m.w.N.). Die Tatsache muss daher zu dem für eine Aufhebung oder Änderung nach § 173 AO maßgebenden Zeitpunkt bereits vorhanden, aber noch unbekannt sein. Dies gilt auch für Hilfstatsachen, die den sicheren Schluss auf eine (innere) Haupttatsache zulassen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 IX R 11/91, BStBl II 1995, 192).
751. Ausgehend von dieser auch von der Finanzverwaltung geteilten Auffassung (vgl. dazu Tz. 1.1 bis 1.1.2 des AEAO zu § 173 AO) kann entgegen der Auffassung der Außenprüfung und des Beklagten eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Nachteil der Klägerin nicht darauf gestützt werden, dass die Klägerin ein Empfängerbenennungsverlangen im Sinne des § 160 AO nicht oder nicht zureichend beantwortet habe.
76Sowohl das Benennungsverlangen als auch die Reaktion des Steuerpflichtigen sind erst nach der vorangegangenen – nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden – Veranlagung erfolgt. Ein erstmalig nach einem endgültigen Bescheid gestelltes Empfängerbenennungsverlangen und eine darauf erfolgende ggf. unzureichende Antwort des Steuerpflichtigen sind daher als solche niemals geeignet, eine Änderungsbefugnis nach § 173 AO zu begründen. Es fehlt nach der vom erkennenden Senat geteilten Rechtsprechung des BFH (vgl. dazu BFH-Urteile vom 9. März 2016 – X R 9/13, BStBl II 2016, 815 Rdnr. 17 und vom 19. Januar 2017 – III R 28/14, BStBl II 2017, 743 Rdnr. 28) und der dieser folgenden überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. z.B. Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 160 Rdnr. 34; Frotscher im Schwarz/Pahlke, AO, § 160 Rdnr. 94/95; Mihm, AO-Steuerberater 2016, 251; Szymczak in AO-eKommentar, § 160 AO Rdnr. 7, Aktualisierung vom 13. Oktober 2017) an einer bereits im Zeitpunkt der vorangegangenen Veranlagung vorhandenen Tatsache.
772. Auch die alternativ gegebene Begründung des Beklagten, durch die Außenprüfung sei erstmals festgestellt worden, dass die Klägerin im Jahr 2011 Betriebsausgaben zugunsten einer in der ansässigen Domizilgesellschaft steuerlich geltend gemacht habe, trägt die vorgenommene Änderung der angefochtenen Bescheide nach § 173 AO (ggf. i.V.m. § 35b GewStG) nicht.
78Der Senat teilt zwar die ganz herrschende Auffassung, dass durch ein Empfängerbenennungsverlangen oder im Zusammenhang mit einem solchen Verlangen, z.B. durch die Reaktion des Steuerpflichtigen, neue Tatsachen festgestellt werden können, die unabhängig von dem Benennungsverlangen eine Änderung nach § 173 AO tragen können. § 173 AO ist demnach einschlägig, wenn nachträglich ein Benennungsverlangen gestellt und nicht erfüllt wird und daraus Schlussfolgerungen auf neue steuererhebliche Tatsachen gezogen werden können (vgl. z.B. Rüsken in Klein, AO, § 160 Rdnr. 34).
79So war z.B. in den beiden durch den BFH entschiedenen Verfahren jeweils der Wareneingang nicht entsprechend § 143 Abs. 1 AO aufgezeichnet worden (vgl. BFH, BStBl II 2016, 815 und BStBl II 2017, 743). Der Verstoß gegen diese Vorschrift berechtigte die jeweiligen Finanzbehörden zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Es lagen neue Tatsachen (keine ordnungsgemäße Aufzeichnung des Wareneingangs) vor, die den Beklagten zu einer Schätzung nach § 162 AO berechtigten. Bei dieser Schätzung durften allerdings die Gedanken des § 160 AO, der materiell eine Haftungsvorschrift für die voraussichtlich beim Empfänger ausfallende Steuer darstellt, nicht einbezogen werden (vgl. dazu auch Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 160 AO Rdnr. 29).
80Zu Unrecht geht der Beklagte davon aus, seine Änderungsbefugnis ergebe sich bereits daraus, dass in der Gewinnermittlung der Klägerin Zahlungen für Fremdleistungen an eine ausländische Gesellschaft enthalten seien, die durch das BZSt als Domizilgesellschaft eingestuft werde. Diese neue (Tatsachen-)Erkenntnis kann die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht rechtfertigen, da sie nicht rechtserheblich ist.
81Neue Tatsachen können nach herrschender Meinung (vgl. Tz. 3.1 des AEAO zu § 173 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BFH; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rdnr. 54/55; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 173 Rdnr. 125) die Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 AO nur rechtfertigen, wenn sie rechtserheblich sind. Die Rechtserheblichkeit ist zu bejahen, wenn das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer höheren Steuer gelangt wäre (vgl. AEAO Tz. 3.1 zu § 173 AO).
82Eine derartige rechtserhebliche Tatsache liegt in der Erkenntnis der Zahlung einer GmbH an eine ausländische Kapitalgesellschaft jedoch nicht. Die Zahlungen der Klägerin stellen, unabhängig davon, ob die empfangende Kapitalgesellschaft eine inländische oder ausländische Gesellschaft ist, stets Betriebsausgaben dar.
83Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH verfügen Kapitalgesellschaften steuerlich gesehen über keine außerbetriebliche Sphäre (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 2016 – I R 8/15, BStBl II 2017, 214 Rdnr. 8 m.w.N.). Die von ihnen getätigten Aufwendungen stellen daher Betriebsausgaben dar. Insoweit bestehen auch keine Besonderheiten für Zahlungen an ausländische Empfänger.
84Hätte der Beklagte also um die Zahlung an einen ausländischen Empfänger, den das BZSt als Domizilgesellschaft qualifiziert, gewusst, hätte er möglicherweise ein Benennungsverlangen gestellt. Er hätte aber nicht den Betriebsausgabenabzug unabhängig von weiteren Aufklärungsmaßnahmen versagen können, denn auch Zahlungen an eine Domizilgesellschaft sind dem Grunde nach Betriebsausgaben. Dies ergibt sich sowohl aus dem vom Beklagten im Streitfall angewendeten § 160 AO, der voraussetzt, dass es sich um Betriebsausgaben handelt (vgl. dazu z.B. Tz. 2 des AEAO zu § 160 AO), als auch aus dem speziell bei niedrig besteuerten Auslandsgesellschaften anwendbaren § 16 des Außensteuergesetzes – AStG –.
85Eine unmittelbare Rechtserheblichkeit kann der Kenntnis von der Zahlung an eine ausländische Gesellschaft, die möglicherweise als Domizilgesellschaft zu qualifizieren ist, nicht zugemessen werden. Ob die A überhaupt eine Domizilgesellschaft war oder ist, kann dabei offenbleiben, da es darauf nicht ankommt.
863. Die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist auch nicht deshalb rechtmäßig, weil im Rahmen der Außenprüfung auf Grund des Benennungsverlangens (andere) Tatsachen bekannt geworden wären, die den Beklagten zu der vorgenommenen Änderung, also der Nichtberücksichtigung der Betriebsausgaben in Höhe von €, berechtigten.
87Es ist für die Feststellung einer Änderungsbefugnis zwar gleichgültig, dass sich der Beklagte nur auf die beiden oben bereits dargestellten Tatsachen (Benennungsverlangen und ausländische Domizil-Gesellschaft) gestützt hat, denn es kommt für die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides nicht auf die vom Beklagten gegebene Begründung, sondern allein darauf an, ob die Bescheide im Zeitpunkt ihres Ergehens durch eine Korrekturvorschrift gedeckt waren (vgl. BStBl II 2017, 743 Rdnr. 19 m.w.N.).
88Es kann jedoch auch keine andere tragfähige Begründung für die vorgenommene Nichtberücksichtigung der im Zusammenhang mit den Geschäften zwischen der Klägerin und der A erfassten Betriebsausgaben nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO festgestellt werden.
89Da die Vorschrift nur eine punktuelle Änderung („soweit“) auf der Basis festgestellter neuer Tatsachen zulässt, hätte der Beklagte einen Lebenssachverhalt feststellen müssen, der entweder – unabhängig von der oben bereits behandelten Zahlung an eine ausländische Gesellschaft oder dem Ansatz einer entsprechenden Verbindlichkeit – die Qualifikation als abziehbare Betriebsausgaben in Zweifel zu ziehen geeignet ist oder zumindest eine von den bisherigen Bilanzansätzen abweichende Schätzung der Höhe nach begründen könnte. Dies ist nicht gelungen.
90Insbesondere konnte die Änderung nicht auf die Feststellung insgesamt schätzungsbegründender neuer Tatsachen gestützt werden. Die nachträglich erlangten Erkenntnisse im Rahmen des Benennungsverlangens berechtigen den Beklagten weder dazu, die streitigen Betriebsausgaben auf geringere als die bislang geltend gemachten Beträge noch auf null Euro zu schätzen.
91Nach § 162 Abs. 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann.
92Es ist hier bereits zweifelhaft, ob von einem nicht aufklärbaren steuerrelevanten Lebenssachverhalt ausgegangen werden kann. Die Klägerin hat – soweit vom Beklagten verlangt – im Rahmen der Außenprüfung die Verträge mit der A und deren Rechnungen vorgelegt. Es besteht kein Streit darüber, dass auch hinsichtlich der übrigen in dem Buchhaltungsskonto gebuchten Beträge Rechnungen vorgelegen haben.
93Die Klägerin und der gesetzliche Vertreter der A haben übereinstimmend vorgetragen und mit schriftlichen Bestätigungen untermauert, dass entsprechende (neue im Streitjahr entstandene) Verbindlichkeiten der Klägerin aufgrund des Rahmenvertrages sowie einzelner Verträge im Zusammenhang mit den konkreten Aufträgen bestanden haben.
94Auf diese nach dem Vortrag der Klägerin im Streitjahr entstandenen Verbindlichkeiten hat sie unter Berücksichtigung der (Teil-)Zahlungen auf bereits zum 1. Januar 2011 bestehende Verbindlichkeiten von € insgesamt € gezahlt. Die Zahlungen erfolgten unbar. Es ist unstreitig, dass die Zahlungen auf das von der A auf ihren Rechnungen angegebene Konto erfolgt sind. Anhaltspunkte für die Annahme, Verfügungsberechtigte (vgl. § 154 AO) über das Konto sei die Klägerin, sind weder festgestellt noch vom Beklagten behauptet. Folglich ist davon auszugehen, dass mit der Zahlung auf das fremde Konto ein Mittelabfluss und eine entsprechende Betriebsvermögensminderung eingetreten sind.
95Es dürfte weiterhin unstreitig sein, dass grundsätzlich allein Zweifel des Beklagten an der Tätigkeit von Herrn R oder der Eigenschaft von Herrn S als mittelbarem Inhaber der Anteile an der A nicht genügen, um unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches – HGB –) Forderungen der Klägerin auf Rückzahlung der abgeflossenen Mittel gegen die A oder eventuelle andere Empfänger (Verfügungsberechtigte über das Konto in ) zu aktivieren.
96Eine Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Aktivierung gewinnerhöhender Forderungen kann daher nicht begründet werden. Der Beklagte hat dies auch nicht geltend gemacht, so dass der Senat auf weitere Ausführungen zur Frage einer möglichen Qualifikation von (denkbaren) Rückforderungsansprüchen als Ansprüche auf Rückgängigmachung einer verdeckten Gewinnausschüttung (Einlageforderungen) verzichtet.
97Kein anderes Ergebnis ergibt sich hinsichtlich der bisher nur passivierten Verbindlichkeiten aus den zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2011 noch nicht beglichenen Rechnungen der A. Diese waren im Jahresabschluss der Klägerin für das Streitjahr gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen. Unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips kann – vorbehaltlich eines nachfolgend behandelten Scheingeschäftes – keine Berechtigung, eine vom Schuldner (Klägerin) unbestrittene und vom Gläubiger (A) geltend gemachte Forderung nicht zu passivieren, festgestellt werden.
98Gründe für eine Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG bestehen entgegen der Auffassung des Beklagten ebenfalls nicht. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG sind von der Abzinsung Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, ausgenommen. Ausweislich der vorliegenden Rechnungen bestand für alle Verbindlichkeiten jeweils ein Zahlungsziel von zwei Monaten. Anhaltspunkte für eine Novation hat der Beklagte nicht vorgetragen. Sie sind aus den Akten auch nicht ersichtlich.
99Allein die nachvollziehbaren Zweifel des Beklagten an der Fremdüblichkeit der Gestaltung und die nicht (offen) ausgesprochene, aber aus dem Rechtsbehelfsvorgang erkennbare Vermutung, die Gelder seien an den Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin (als wirtschaftlich hinter der A stehender Person) zurückgeflossen, führen bei der Klägerin als deutscher Kapitalgesellschaft nicht zu einer auf die Qualifikation von Betriebsausgaben bezogenen Schätzungsbefugnis, da die betriebliche Veranlassung in Anbetracht des Fehlens einer außerbetrieblichen Sphäre der Klägerin vorgegeben ist.
100Es sind letztlich auch keine Tatsachen festgestellt worden, die den hinreichend sicheren Schluss auf das Vorliegen von Scheingeschäften im Sinne des § 117 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – zuließen. Nach § 117 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die im Einverständnis mit dem Vertragspartner nur zum Schein abgegeben wurde, nichtig.
101Die nachträglich festgestellten Lebenssachverhalte (neuen Tatsachen) lassen den Rückschluss, die Verträge zwischen der Klägerin und der A seien nur zum Schein eingegangen worden und könnten daher eine Passivierung der Verbindlichkeiten nicht rechtfertigen, nicht zu.
102Der Beklagte hat sich auf das Argument eines Scheingeschäftes zwar nicht gestützt, sondern sowohl in dem Bericht über die Außenprüfung als auch in der Klageerwiderung seine Argumentation auf § 160 AO fokussiert.
103Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente bzw. die in Bezug genommenen Feststellungen lassen im Ergebnis auch keinen Rückschluss auf das Vorliegen von Scheingeschäften zu.
104Insbesondere die Annahme des BZSt, die A sei eine Domizilgesellschaft (vgl. dazu Tz. 5. AEAO zu § 160 AO), ist weder eine festgestellte Tatsache noch wäre sie als solche geeignet, den sicheren Schluss auf Scheingeschäfte zu ermöglichen.
105Es ist bereits zweifelhaft, ob die A als Domizilgesellschaft qualifiziert werden kann. Dagegen sprechen der fehlende Domizilvermerk im schweizerischen Handelsregister und ihre Erfassung als mehrwertsteuerpflichtige Gesellschaft in der Schweiz. Demgegenüber spricht ihr Geschäftssitz unter der Adresse der von Herrn R betriebenen Treuhandgesellschaft für die Annahme einer Domizilgesellschaft. Weder die Existenz eines Telefonanschlusses noch das Fehlen einer Homepage lassen klare Erkenntnisse zu.
106Auch die Vielzahl der vom Geschäftsführer der A, Herrn R, wahrgenommenen Mandate und die daraus resultierende Annahme des Beklagten, der Geschäftsführer der A sei infolge der Vielzahl der Mandate nicht zu einer substantiellen Geschäftsführung imstande gewesen, sind nicht mehr als Indizien für eine mögliche Qualifikation der A als Domizilgesellschaft. Die vielen Verwaltungsmandate von Herrn R lassen auch unter Berücksichtigung der von ihm bzw. der Treuhandgesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer nicht sicher darauf schließen, eine ernsthafte Geschäftsführung durch Herrn R habe nicht stattgefunden.
107Insbesondere im Hinblick auf die vorgetragene Tätigkeit, die im Wesentlichen Vermittlungen betreffen soll, ist keinesfalls ausgeschlossen, dass Herr R die entsprechenden Kontakte zwischen der Klägerin und Unternehmen hergestellt hat. Dies setzt lediglich gute Kontakte in dem einschlägigen Wirtschaftsbereich voraus, aber keine zeitintensive Tätigkeit. Die vorgelegten schriftlichen Bekundungen von Herrn Z und Frau AA bestätigen die Vermittlung entsprechender Kontakte und/oder Verträge. Indizien dafür, dass die nach Lage der Akten unbescholtenen Zeugen Gefälligkeitsbescheinigungen ausgestellt haben und damit ggf. Beihilfe zur Steuerhinterziehung zugunsten der Klägerin leisten wollen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
108Die Frage, ob die Klägerin mit der Bezeichnung der A oder hilfsweise der P oder Herrn S eine ordnungsgemäße Empfängerbenennung gelungen ist, spielt lediglich für die Anwendung des hier nicht erheblichen § 160 AO eine Rolle, nicht aber für die Frage des Vorliegens eines Scheingeschäftes.
109Selbst wenn man davon ausginge, die festgestellten Hilfstatsachen ließen den sicheren Schluss auf die Qualifikation der A als Domizilgesellschaft zu, reiche dies nicht, um von Scheingeschäften auszugehen. Insbesondere die dann naheliegende Möglichkeit, dass Herr H als (mittelbar) Begünstigter der Zahlungen an die A, also als die tatsächlich hinter dieser Gesellschaft stehende natürliche Person, angesehen werden könnte, stünde der Annahme von (nichtigen) Scheingeschäften i.S.d. § 117 BGB entgegen. Eine (erfolgreiche) Verlagerung des deutschen Steuersubstrats durch in fließende Betriebsausgaben setzte nämlich wirksame Verträge voraus.
110Die stärksten Indizien für die Annahme von Scheingeschäften sind die im Tatbestand dargestellten nicht gebuchten und bezahlten Rechnungen über „Beratung und Lobbying…“ aus dem Jahr 2013 und die fehlende Konkretisierung und Dokumentation der von der A erbrachten Leistungen.
111Die Rechnungen des Jahres 2013 werfen erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der diesen Rechnungen eventuell zugrunde liegende Absprachen auf. Diese Zweifel betreffen aber nicht das Streitjahr 2011. Die in diesem Jahr gestellten und von der Klägerin berücksichtigten Rechnungen weichen in jeder Hinsicht von den Rechnungen des Jahres 2013 ab. Während sich die Rechnungen für das Streitjahr überwiegend auf konkret bezeichnete Studien, Fahrtkosten oder Arzthonorare beziehen, haben die Rechnungen des Jahres 2013 durchgängig die gleiche Bezeichnung und beziehen sich lediglich auf unterschiedliche Geschäftspartner. Sie lassen sich konkreten Ausgangsleistungen der Klägerin nicht zuordnen. Die in den Rechnungen des Jahres 2011 in Bezug genommenen Ausgangsleistungen, z.B. die U-Studie, betreffen demgegenüber unstreitig von der Klägerin durchgeführte Studien.
112Was die Vermittlungsleistungen von Herrn R angeht, liegen Bestätigungen von Herrn R, Herrn Z und Frau AA vor. Dies scheint dem Senat unter Berücksichtigung der Anwendung des § 173 AO hinreichend. Es ist nicht ersichtlich, wie derartige Vermittlungsleistungen besser bewiesen werden sollen. Der Beklagte ist bezeichnenderweise die Antwort auf die Frage, wie Vermittlungen anders als durch die Bestätigung der beteiligten Personen bewiesen werden sollen, schuldig geblieben.
113Hinsichtlich der Beauftragung der A mit der Begleitung der Studien auf der Basis des Kooperationsvertrages und insbesondere der tatsächlichen Durchführung liegen zwar nur rudimentäre Unterlagen (vgl. Blatt 147 bis 165 d. A.) in Form von internen Protokollen des Herrn R vor. Jedoch hat der medizinische Direktor der Y die Begleitung der Studien durch Herrn R bestätigt. Bei dieser Ausgangslage können jedenfalls keine Hilfstatsachen festgestellt werden, die den hinreichend sicheren Schluss auf das Vorliegen von Scheingeschäften zuließen. Folgerichtig hat der Beklagte auch zu keinem Zeitpunkt die Qualifikation der passivierten Verbindlichkeiten gegenüber der A als Betriebsausgaben in Abrede gestellt. Der Senat sieht keine Gründe, von dieser Beurteilung des Beklagten abzuweichen.
1144. Auch eine Berechtigung zur Änderung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO mit einer teilweisen Kürzung der streitbefangenen Betriebsausgaben von insgesamt € kann nicht festgestellt werden.
115Der Beklagte hat trotz des Missverhältnisses zwischen den Ausgangsumsätzen von insgesamt € und den Kosten der Warenabgabe von insgesamt € selbst keine Befugnis zur Schätzung einer abweichenden Höhe der Verbindlichkeiten reklamiert oder auch nur im Sinne einer Hilfsbegründung erwogen. So hat er insbesondere nicht zwischen den verschiedenen Teilbeträgen differenziert, obwohl z.B. die augenscheinlich durchgeleiteten Honorare für Ärzte oder die unterschiedlichen vorgetragenen Lebenssachverhalte hinsichtlich der Ausgangsumsätze im Streitjahr mit Y ( €) oder J ( € zzgl. €) eine solche Differenzierung nahegelegt hätten.
116Er hat die Höhe der Betriebsausgaben nicht bestritten, sondern vielmehr im Rahmen der Prüferbilanz die Verbindlichkeiten in voller Höhe angesetzt. Auch der Beklagte ist somit bei seiner Behandlung hinsichtlich der gesamten geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Firma A vom Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) ausgegangen und hat sich – konsequent – auf § 160 AO gestützt. Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Einschätzung des Beklagten abzuweichen.
117Die Erkenntnisse zum Missverhältnis zwischen den Ausgangsumsätzen (€) und dem Gewinn ( €) der Klägerin einerseits zu den Kosten der Warenabgabe ( €) und den Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen ( €) andererseits sind im Übrigen nicht neu im Sinne des § 173 AO.
118Bereits aus dem Jahresabschluss war zu ersehen, dass die Klägerin extrem hohe Aufwendungen für die Kosten der Warenabgabe gebucht und um über € gegenüber dem Vorjahr erhöhte Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung passiviert hatte. Dies allein hätte ggf. Anlass für eine Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung sein können, trägt aber keine Änderung nach § 173 AO wegen dieser bereits bei der Erstveranlagung bekannten Tatsachen.
1195. Letztlich kann die vom Beklagten vorgenommene Änderung unter Berücksichtigung der ihn treffenden Feststellungslast auch nicht mit der Schätzung einer verdeckten Gewinnausschüttung – vGA – in voller Höhe von € wegen der durch die Außenprüfung festgestellten Indizien für die Vermutung des Beklagten, hinter der A stehe der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin, gerechtfertigt werden.
120Auch unter Berücksichtigung der aus den Akten ersichtlichen Indizien, die es möglich erscheinen lassen, dass die zwischen der Klägerin und der A ausgehandelten Konditionen im Hinblick auf das bereits dargestellte Missverhältnis zwischen den Ausgangsumsätzen der Klägerin und den Kosten für den Einsatz der A nicht fremdüblich waren, oder der Vermutung des Beklagten, die A sei im Streitjahr eine nahestehende Person des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin gewesen, liegen keine hinreichenden neuen Hilfstatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor, die eine entsprechende Annahme und damit die außerbilanzielle Hinzurechnung der als Betriebsausgaben gebuchten € als vGA rechtfertigen könnten.
121Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG und für die Gewerbesteuer mit § 7 GewStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 37/02, BStBl II 2004, 121 m.w.N.). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteile vom 8. September 2010 I R 6/09, BFH/NV - 2011, 154 m.w.N. und vom 15. Februar 2012 I R 19/11, BFH/NV 2012, 885). Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der gemäß § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwendet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. August 2008 I R 19/07, BFHE 222, 494 und vom 9. Dezember 2010 I R 28/09, BFH/NV 2011, 850).
122Der unmittelbaren Zuwendung an einen Gesellschafter steht die an einen Dritten gleich, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Falls der Dritte eine einem Gesellschafter nahestehende Person ist, wertet die Rechtsprechung dies als Indiz für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Zur Begründung des "Nahestehens" reicht jede Beziehung eines Gesellschafters der Kapitalgesellschaft zu einem Dritten aus, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an den Dritten beeinflusst. Derartige Beziehungen können familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 I R 139/94, BStBl II 1997, 301 m.w.N. und vom 8. Oktober 2008 I R 61/07, BStBl II 2011, 62). Es kann sich bei dem nahestehenden Dritten auch um eine juristische Person (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1967 I 98/65, BStBl II 1968, 322, und vom 18. Juli 1985, IV R 135/82, BStBl II 1985, 635; BFH-Beschluss vom 10. Juni 2008 I B 19/08, BFH/NV 2008, 1704 zu Stiftung) handeln.
123Ist die Zuwendung an eine einem Gesellschafter nahestehende Person für den betreffenden Gesellschafter selbst vorteilhaft - wie z.B. in Fällen, in denen die Zuwendung ihn von einer Schuld befreit oder ihm eigene Aufwendungen erspart -, so erhöht dies die Indizwirkung des Nahestehens. Ein mit der Zuwendung verbundener Vorteil für den Gesellschafter ist aber nicht notwendige Voraussetzung der indiziellen Wirkung des Nahestehens. Ebenso wenig setzt die verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei einer Kapitalgesellschaft voraus, dass die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderung aufgrund einer Zuwendung an eine nahestehende Person zum Zufluss eines entsprechenden unmittelbaren Vermögensvorteils beim Gesellschafter führt. Allerdings muss die Gewinnminderung bei der Körperschaft geeignet sein, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 2002 I R 2/02, BStBl II 2004, 131). Für diese Eignung genügt aber ein mittelbarer materieller oder immaterieller Vorteil, wenn dem Gesellschafter eine der Zuwendung korrespondierende Einnahme als Folge des Nahestehens und einer dadurch bedingten gesellschaftlichen Mitveranlassung auch persönlich zuzurechnen ist (Gosch, KStG, 4. Aufl., 2020, § 8, Tz. 227 ff., 231). Erforderlich ist lediglich die abstrakte Eignung, einen „sonstigen Bezug“ auslösen zu können.
124Die festgestellten Tatsachen tragen nicht den Schluss, die A sei im Streitjahr 2011 dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin als Treugeber zuzuordnen (a) oder als nahestehende Person zu qualifizieren (b).
125a. Nach den vorliegenden Unterlagen ist die alleinige Gesellschafterin der A die P AG, deren alleiniger Gesellschafter Herr S war. Im Verlauf des Verfahrens hat das BZSt die Inhaberschaft der P an den Anteilen der A bestätigt (Auskunft vom 6. August 2015). Dies entspricht auch den Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen (vgl. Blatt 824 BpHA IV). Hinsichtlich der unbestrittenen Eigenschaften der P als Domizil- und Holdinggesellschaft ist vorgetragen worden, alleiniger Inhaber der Anteile an der P sei Herr S. Dies ist durch eine (schriftliche) Erklärung von Herrn S (Blatt 84 d. A.) bestätigt. Im Übrigen wird auf die Lebensbescheinigung, die Passkopie und die Abmeldebescheinigung verwiesen.
126Anhaltspunkte dafür, dass Herr S die Anteile im Streitjahr 2011 treuhänderisch für Herrn H gehalten hätte, fehlen. Damit fehlt es an einem Sachverhalt, der den Beklagten berechtigen würde, von einer mittelbaren Gesellschafterstellung des Herrn H hinsichtlich der A im Jahr 2011 auszugehen.
127Die aus der Veröffentlichung im Thieme E-Journal – Zeitschrift für /Abstract zu der Studie über das DD resultierende Feststellung, dass Herr H im Jahr xxxx (nach seinem im Januar xxxx erfolgten Umzug in ) für die A tätig war (Ausdruck in der Rechtsbehelfsakte), lässt keinen (sicheren) Rückschluss auf eine Gesellschafterstellung im Jahr 2011 bei der P oder der A zu.
128b. Auch die vom absoluten und relativen finanziellen Volumen her ungewöhnliche Einbindung der A in die Vertragsabsprachen und -durchführungen zwischen der Klägerin und den Auftrag erteilenden Unternehmen ist nicht hinreichend, um von einer gesellschaftsrechtlich veranlassten Zuwendung an eine nahestehende Person auszugehen.
129Im Streitfall ist zunächst kein Sachverhalt aufgeklärt worden, der ein Nahestehen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG zwischen der Klägerin und A begründen könnte. Wie bereits oben dargelegt, fehlen Anhaltspunkte für eine gesellschaftsrechtliche Verknüpfung zwischen der Klägerin und der A. Weder bestehen Anhaltspunkte für eine Beteiligung der Klägerin an der A oder der A an der Klägerin noch kann eine (mittelbare) Beteiligung des alleinigen Anteilseigners der Klägerin an der A festgestellt werden.
130Letztlich konnte auch kein anderer Sachverhalt aufgeklärt werden, der ein Nahestehen der A zu Herrn H mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begründen könnte.
131Die ungewöhnlichen Vertragsbeziehungen und -abwicklungen, die Veräußerung der Firmenfahrzeuge, die schwer verständlichen Handlungsweisen (nicht umstrittene Nichtbezahlung von Rechnungen über €), Zweifel an der tatsächlichen Tätigkeit von Herrn R, der anders als der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin tatsächlich nicht schwerpunktmäßig im bereich tätig war, oder – nach dem Streitjahr – die längeren Zeiten der Nichtzahlung offener Verbindlichkeiten sind allerdings Indizien, die für ein Näheverhältnis zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin und der A sprechen.
132Obwohl auch der Senat insoweit Zweifel an den vorgetragenen rein betrieblichen Gründen für die Vertragsgestaltungen und -abwicklungen hat, reichen diese ebenso wie die Feststellungen des Beklagten unter Berücksichtigung der diesen treffenden Feststellungslast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zur Änderung des bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Ungunsten der Klägerin (vgl. zur Feststellungslast: BFH-Beschluss vom 22. November 2006 II B 6/06, BFH/NV 2007, 395 m.w.N.) nicht aus, die vorgenommene Korrektur des Körperschaftsteuerbescheides (und nachfolgend des Gewerbesteuermessbescheides) zu rechtfertigen.
133Der Beklagte hat nur Hilfstatsachen für die Annahme einer vGA angeführt. Er ist selbst nicht davon ausgegangen, dass diese Hilfstatsachen den erforderlichen sicheren Schluss auf die Haupttatsache – gesellschaftsrechtlich veranlasste Zahlungen an die A als nahestehende Person zum Alleingesellschafter der Klägerin – zuließen, sondern hat sich (nur) auf die eine Änderung nicht tragende Regelung in § 160 AO gestützt.
134Nach Überzeugung des Senats sprechen die genannten Indizien zwar gegen die Anerkennung der geltend gemachten Betriebsausgaben ohne den Ansatz kompensierender vGA, der sichere Schluss auf gesellschaftsrechtlich veranlasste Zahlungen an eine nahestehende Person, also ein Näheverhältnis zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin und dem tatsächlichen Empfänger der Betriebsausgaben, ist auf der Basis der festgestellten Lebenssachverhalte jedoch nicht möglich.
135Die Änderungsbefugnis des Beklagten kann auch nicht unter Berücksichtigung eines reduzierten Beweismaßes für die Feststellung der neuen steuererhöhenden Tatsachen bejaht werden. Auch der höchstwahrscheinliche Schluss auf ein Näheverhältnis ist nach Überzeugung des Senats nicht möglich.
136Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Urteil vom 23. März 2011 – X R 44/09, BStBl II 2011, 884) stellt die Anwendung der Regeln der Feststellungslast nicht das vorrangige Instrument richterlicher Entscheidungsfindung dar, sondern ist regelmäßig die „ultima ratio“ (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462). Vorrangig sind eigene Bemühungen des Finanzgerichts zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) wobei die Beteiligten heranzuziehen sind (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO). Wenn die gerichtlichen Versuche zur Sachaufklärung erfolglos bleiben, weil ein Beteiligter, der über eine besondere Beweisnähe verfügt, die ihm zumutbare Mitwirkung an der Sachaufklärung (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 3 FGO) verweigert, ist vor einer Anwendung der Regeln über die Feststellungslast zu erwägen, ob das im konkreten Einzelfall für die richterliche Überzeugungsbildung erforderliche, aber auch ausreichende Beweismaß gegenüber dem Regelbeweismaß zu reduzieren ist. Das Beweismaß kann sich dann auf eine „größtmögliche Wahrscheinlichkeit“ verringern (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Mai 2004 IV B 221/02, BFH/NV 2004, 1367). Diese Grundsätze zur möglichen Reduzierung des Beweismaßes gelten für sämtliche vom Finanzgericht vorzunehmenden Tatsachenfeststellungen, also auch für die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 22. November 2006 II B 6/06, BFH/NV 2007, 395; BFH-Urteil vom 25. April 2018 VI R 34/16, BStBl II 2018, 600; BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2018 X B 101/18, BFH/NV 2019, 285)
137Ausgehend von dieser Rechtslage sind im Streitfall keine weiteren Sachaufklärungsmaßnahmen von Seiten des Finanzgerichts erforderlich, da eine weitgehende Sachaufklärung im Verfahren bereits stattgefunden hat.
138Die Aufklärung über die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse der involvierten natürlichen und juristischen Personen, soweit sie sich aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben, hat die IZA des BZSt bereits vorgenommen. Der Senat, der über geringere Zugriffsmöglichkeiten und Erfahrungen als das BZSt verfügt, sieht insoweit keine Möglichkeiten zu weiterführender Sachverhaltsaufklärung.
139Die Vernehmung der von der Klägerin angebotenen Zeugen Herr Z und Frau AA ist entbehrlich, da die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Lebenssachverhalte bereits schriftlich bestätigt haben und der Beklagte dies nicht qualifiziert bestritten, sondern im Kern nur ausgeführt hat, die Aussagen seien unzureichend.
140Die Aussage des Zeugen R, der in seinen beiden schriftlichen Stellungnahmen erläutert hat, warum er entgegen der Auffassung des Beklagten mit seinem voll eingerichteten Geschäftsbetrieb und ca. bis Mitarbeitern sowohl die streitbefangenen Vermittlungsleistungen als auch die Koordinationsleistungen erbringen konnte, und der Einwand des Beklagten, bei einer Tätigkeit im Rahmen von mehr als Mandaten erscheine eine aktive, wirkungsvolle Geschäftsführung von Herrn R in der A nicht möglich, sind nicht wirklich widersprüchlich. Eine andauernde intensive Geschäftsführungstätigkeit von Herrn R ist von der Klägerin nicht behauptet worden. Die Vermittlungsleistungen sollen auf der dargelegten Vernetzung von Herrn R beruhen und keine zeitaufwendige Tätigkeit erfordern. Die Koordinationsleistungen sollen an Mitarbeiter delegiert worden sein.
141Der Senat sieht bei dieser Ausgangslage keine Veranlassung, ohne konkrete Anhaltspunkte für Falschaussagen den schriftlichen Bekundungen der drei Zeugen keinen Glauben zu schenken. Dabei ist zu bedenken, dass jede falsche Aussage im Zweifel eine Beihilfe zur (versuchten) Steuerhinterziehung darstellen würde. Dies zu unterstellen, erscheint nicht angemessen.
142Die maßgeblichen Verträge und Rechnungen liegen vor. Weiterer Aufklärungsbedarf besteht insoweit nicht. Auch die Buchhaltungskonten sind vom Beklagten geprüft worden. Einwendungen gegen die formelle Ordnungsmäßigkeit wurden nicht erhoben.
143Eine weitere Sachaufklärung wegen der vom Beklagten verlangten Vorlage konkreter Arbeitsnachweise und insbesondere von Dokumentationen der Arbeitsergebnisse der A ist nicht erforderlich. Der Beklagte begründet diese Anforderung mit der Nichterfüllung des Empfängerbenennungsverlangens nach § 160 AO. Wie bereits oben ausgeführt, ist aber § 160 AO für die Entscheidung des Streitfalls ohne Bedeutung, da die Nichtbeantwortung des Benennungsverlangens weder eine neue Tatsache darstellt noch im Rahmen einer durch eine andere neue Tatsache ausgelösten Korrekturbefugnis berücksichtigt werden darf. Aufklärungsmaßnahmen zwecks Anwendung des § 160 AO sind daher ungeachtet der Einwendungen der Klägerin, die Anforderung des Beklagten seien unzumutbar, da sie keinen Zugriff auf die geforderten Unterlagen habe, weshalb deren Vorlage nicht verlangt werden dürfe, nicht erforderlich.
144Ausgehend von dem festgestellten Lebenssachverhalt ergibt sich keine Änderungsbefugnis des Beklagten aus der Erwägung, dass die Klägerin unabhängig von der Anwendung des § 160 AO der Vorwurf eines (schweren) Mitwirkungspflichtenverstoßes (vgl. §§ 90 Abs. 2, 162 Abs. 2 AO) träfe, der eine so weitgehende Reduzierung des Beweismaßes zur Folge hätte, dass eine neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (Näheverhältnis der A zum Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geschätzt werden könnte.
145Auch wenn § 162 Abs. 1 und 2 AO grundsätzlich – ausgehend von der Gewissheit des Vorliegens eines steuerlich relevanten Lebenssachverhaltes (vgl. dazu z.B. BFH in BStBl II 2017, 743 Rdnr. 17 und BFH-Beschluss vom 10. Februar 2015 V B 87/14, BFH/NV 2015, 662) – nur die Schätzung quantitativer Größen erlaubt und nicht die Schätzung rein qualitativer Besteuerungsmerkmale, kommt hier zwar eine Schätzung grundsätzlich in Betracht, da alternativ oder kumulativ die Kürzung von Betriebsausgaben wegen des Vorliegens von Scheingeschäften und/oder die Kompensation von Betriebsausgaben durch Ansatz gegenläufiger vGA im Streit steht. Die Änderung scheidet aber deshalb aus, weil es an der Feststellung eines hinreichend qualifizierten Mitwirkungspflichtenverstoßes fehlt, der eine weitere Absenkung des Beweismaßes für die Annahme der neuen Tatsache begründen könnte.
146Die Klägerin hat eine Vielzahl von Verträgen und die Zeugenaussagen beigebracht, wonach die A einerseits Vermittlungsleistungen erbracht hat und andererseits als Subunternehmerin tätig geworden ist. Sie hat allerdings nicht die vom Beklagten angeforderten „Arbeitsergebnisse“ der A vorgelegt.
147Hinsichtlich der Vermittlungsleistungen kann ein Pflichtenverstoß bereits nicht sicher festgestellt werden. Es steht nicht fest, dass bei einer Vermittlung „Arbeitsergebnisse“ im Sinne von anderen Dokumenten als den vorgelegten datierten Verträgen überhaupt existieren müssen. Die im Übrigen zum Nachweis von Vermittlungen geeigneten Zeugenaussagen liegen vor.
148Soweit Koordinationsleistungen im Bereich der Subunternehmertätigkeit erfolgt sein sollen, erscheint es demgegenüber wahrscheinlich, dass in diesem Zusammenhang E-Mails, Schriftverkehr oder förmliche Protokolle existieren. Eine (fast) ausschließlich telefonische oder im Rahmen von Präsenzterminen erfolgte Abwicklung ohne Dokumentation ist nicht glaubhaft.
149Die Klägerin, insoweit als Auftraggeberin, hatte allerdings vorrangig ein Erfüllungsinteresse. Eine Dokumentation, wie die Subunternehmerin A ihre Aufgaben erfüllte, war daneben nachrangig. Dies gilt umso mehr, als ausweislich der vorgelegten Aufzeichnungen von Herrn R der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin bei diversen Besprechungen selbst anwesend war. Letztlich ist zu bedenken, dass ein Aufbewahrungsinteresse für Unterlagen z.B. zur Vorbereitung von Besprechungen oder der zeitlichen Koordination an einer Studie beteiligter Personen nach erfolgreicher Abwicklung regelmäßig nicht mehr besteht.
150Davon ausgehend kann bereits nicht sicher festgestellt werden, dass entsprechende „Arbeitsergebnisse“ hinsichtlich der Koordinationsleistungen überhaupt (noch) existieren und die Klägerin Zugriff auf diese Unterlagen hat, die Nichtvorlage also einen Pflichtenverstoß darstellt. Die Klägerin hat dies unter Hinweis auf die Unzumutbarkeit einer Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen, die ihr nicht zur Verfügung stehen, bestritten.
151Bei dieser Ausgangslage kommt der Senat nicht zu der Überzeugung, dass die größtmögliche Wahrscheinlichkeit für ein Näheverhältnis zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin und der A oder der hinter ihr stehenden Personen spricht und deshalb eine Änderung des vorangegangenen Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO unter Schätzung von vGA möglich wäre.
152Die Einschätzung des Senats entspricht dabei nach Lage der Akten im Wesentlichen derjenigen des Beklagten. Dieser ist ebenfalls nicht zu der Auffassung gelangt, es liege der Anfangsverdacht (vgl. dazu § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung) für die Annahme von vGA vor. Ansonsten hätte er nach Nrn. 14, 26 der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren – AStBV – die Einleitung eines Strafverfahrens initiieren müssen, da sowohl die Annahme einer vGA als auch von Scheingeschäften gleichzeitig die Annahme einer schweren Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO zugunsten der Klägerin und im Falle der vGA vermutlich auch des Gesellschafter-Geschäftsführers bedeuten würde.
153Ausweislich des Akteninhalts hat aber weder die Außenprüfung (vgl. dazu Nr. 130/131 AStBV) noch die Rechtsbehelfsstelle das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung informiert.
154Dieses Verhalten des Beklagten ist stimmig, wenn man von einer nur vagen Vermutung schuldhaften Verhaltens auf Seiten der für die Klägerin tätigen Personen ausgeht, denn in diesem Fall ist nach Nr. 130 Abs. 1 Satz 2 AStBV nur in Ausnahmefällen eine Unterrichtung der Straf- und Bußgeldsachenstelle geboten. Die Annahme einer derartigen Einschätzung stimmt mit der (fast) ausschließlichen Argumentation des Beklagten auf der Basis des § 160 AO überein. Eine nur vage Vermutung reicht aber zur Begründung der Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht aus.
1556. Andere Änderungsvorschriften sind nicht einschlägig. Da dies zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, verzichtet der Senat auf weitere Ausführungen.
1567. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
157Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.