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Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 1. April 2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 11. August 2016 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9. August 2017 dahingehend abgeändert, dass die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen um 5.588,72 € reduziert werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung einer Zuweisung von 165,690 Aktien an der A ... Inc. in das Depot des Klägers aufgrund seiner Beteiligung an der G Group PLC im Streitjahr.
3Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist ..., die Klägerin ist .... Sie erzielten neben den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit solche aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalvermögen sowie (der Kläger) aus freiberuflicher Tätigkeit als und aus einer mitunternehmerischen Beteiligung.
4Der Kläger hielt in einem Wertpapierdepot bei der M-Bank u.a. seit dem Jahr 2010 6300 Aktien (Anschaffungskosten: 10.158 €) an der G Group PLC (im Folgenden: G). G war bis zum Jahr 2013 mittelbar zu 100 % an der G ... Ltd. beteiligt, diese ihrerseits wiederum unmittelbar an der G Q. Die G Q hielt mittelbar 45% der Anteile an dem US-amerikanischen Unternehmen A W. Mit Vertrag vom ... 2013 hatte die G ... Ltd. ihre Beteiligung an der G Q an A ... Inc. (im Folgenden: A) gegen Bargeld sowie gegen die Übertragung von Aktien an der A veräußert, insgesamt betrug die Gegenleistung rund ... USD. Neben der Bekanntmachung dieses Vertrags hatte sie am gleichen Tag angekündigt, im Rahmen eines sog. Return of Value sodann ... USD in Form von A‑Aktien und Bargeld an die Aktionäre auszukehren und eine Share Consolidation durchzuführen. Die Ankündigung stand unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Aktionäre der G sowie durch den High Court of Justice of England and Wales.
5Die Aktionäre der G stimmten am ... 2014 im Rahmen des Court Meeting und des General Meeting den Vorschlägen der G zu. Diese Vorschläge beinhalteten im Wesentlichen die Ausgabe von 0,263001 A-Aktien je 10 alte G-Aktien, die Zahlung von 0,36 € (umgerechnet) je 1 alte G-Aktie sowie den Tausch von 11 alten G-Aktien in 6 neue G Aktien.
6Im Depot des Klägers wurden infolgedessen am 24. Februar 2014 165,690 „Bonus-Aktien“ an der A eingebucht. Die Depotbank behandelte die Zuweisung der A-Aktien als steuerpflichtige Sachausschüttung, setzte den Börsenkurs der A-Aktie von 33,73 € (= 5.588,72 €) an und behielt Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.397,18 € zzgl. Solidaritätszuschlag in Höhe von 76,84 € ein (vgl. Mitteilung der M-Bank vom 27. Februar 2014 in der RBSt-Akte). Den Tausch der G-Aktien im Verhältnis 11/6 behandelte die Depotbank steuerneutral.
7Für das Streitjahr 2014 gaben die Kläger am 16. Juni 2015 eine Einkommensteuererklärung ab. Darin erklärte der Kläger u.a. Kapitalerträge aus dem Depot 1 bei der M-Bank in Höhe von 40.007,40 €, davon einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von 7.513,80 € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 412,68 €. Der Beklagte veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 30. September 2015 hinsichtlich der Kapitaleinkünfte entsprechend der eingereichten Steuererklärung und Steuerbescheinigungen. Gegen den Bescheid legten die Kläger am 3. Oktober 2015 Einspruch ein wegen der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, aus Vermietung und Verpachtung sowie aus der mitunternehmerischen Beteiligung. Am 28. Oktober 2015 änderte der Beklagte den Bescheid in teilweiser Abhilfe des Einspruchs, die Kläger nahmen ihren Einspruch am 30. Oktober 2015 zurück.
8Aufgrund zweier ESt4B-Mitteilungen vom 4. Dezember 2014 und vom 21. März 2016 erließ der Beklagte am 1. April 2016 einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem er die Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus einer Erbengemeinschaft von zuvor 23.825 € auf nunmehr 9.530 € reduzierte, was zu einem Nachzahlungsbetrag i.H.v. 6.003 € führte.
9Hiergegen legten die Kläger am 7. April 2016 Einspruch ein und beantragten, im Rahmen von § 177 Abs. 1 AO u.a. den Sachverhalt „G/A Spin-Off“ zu berichtigen und die Kapitaleinkünfte um 5.588,72 € zu reduzieren. Nach Ihrer Auffassung hätte die Abspaltung der A-Aktien durch G von der Depotbank nicht als sofort steuerpflichtiger Vorgang behandelt und keine Kapitalertragsteuer einbehalten werden dürfen. Die Bank habe lediglich in vorauseilendem Gehorsam und aus Sorge um die Haftung nach § 44 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) so gehandelt. Der fehlerhafte Kapitalertragsteuerabzug müsse nach § 32d Abs. 4 i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG berichtigt werden.
10B sei durch den Verkauf der A W Gesellschafter von A geworden und habe sich von den A-Aktien im Rahmen eines sog. Return of Value getrennt. Einer Behandlung als steuerpflichtige Sachausschüttung stehe entgegen, dass es sich entweder um eine Kapitalrückzahlung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, oder aber um eine Abspaltung im Sinne des § 15 Abs. 1, § 13 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG oder aber um einen zunächst steuerneutralen Vorgang nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG handele.
11Durch die Einführung des § 20 Abs. 4a EStG sei unstreitig, dass die Abspaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft nicht zur sofortigen Besteuerung führe, sondern dass die Besteuerung nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG bis zur Veräußerung aufgeschoben sei. Nach den einschlägigen BMF-Schreiben und auch nach der Gesetzesbegründung sei bei ausländischen Sachverhalten in der Regel davon auszugehen, dass der Tatbestand des Satzes 5 erfüllt sei, insbesondere, dass die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Insoweit sei ausreichend, dass Zweifel daran bestehen, ob dem Grunde nach eine steuerpflichtige Sachausschüttung oder aber lediglich eine Kapitalrückgewähr vorliegt. Satz 5 sei gerade zur Behebung von Zweifelsfällen wie dem vorliegenden Fall eines Return of Value geschaffen worden. Es gehe zudem kein Besteuerungssubstrat verloren.
12Bei der Maßnahme von G habe es sich um eine Kapitalmaßnahme gehandelt. G habe zwei Klassen von Aktien emittiert (B Shares und C Shares), wodurch die Anleger im Vereinigten Königreich die Art der Besteuerung hätten wählen können. Die Anleger hätten aber nicht wählen können, ob sie Anteile oder eine Barzahlung erhielten. Aus den entsprechenden Informationsschreiben ergebe sich, dass es sich nicht um eine Sachausschüttung gehandelt habe. Dies zeige sich auch am Umfang des Return of Value. Durch diesen habe die G-Aktie rund 44% an Wert verloren. Dies stelle keine Gewinnausschüttung dar, sondern eine Umverteilung von Unternehmenssubstanz. Er – der Kläger – habe durch die Maßnahme keine Bereicherung erfahren (Wert der 6300 G Aktien vor der Maßnahme: 18.027 €; Wert der 3.436 G Aktien nach der Maßnahme zzgl. der A-Aktien und der Bardividende: 17.936 €). Richtigerweise seien die B Shares als Abspaltung im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG und die C Shares nach § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu behandeln, beide im Streitjahr steuerneutral.
13Sofern § 20 Abs. 4a EStG nicht angewendet werde, so berufe er sich schließlich auf § 15 Abs. 1, § 13 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG. Seine Aktien an G und an A seien vor und nach dem Vorgang in Deutschland steuerverstrickt, das Besteuerungsrecht gehe Deutschland nicht verloren.
14Jedenfalls sei eine Einlagenrückgewähr nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG anzunehmen. Die Zuteilung der A Aktien sei aus der Kapitalrücklage erfolgt. Dies ergebe sich sowohl aus dem IFRS Konzernabschluss 2013/2014 als auch aus dem nach UK GAAP aufgestellten Einzelabschluss 2013/2014. Der Return of Value habe zu einer Auskehrung einer Kapitalrücklage geführt, die durch Aktienemissionen in den Jahren 2000 bis 2002 gebildet worden sei. Das steuerliche „Einlagekonto“ der G bestehe aus den Positionen „Called up share capital“ (eingezahltes Nominalkapial), „Share premium account“ (Aufgeld oder Agio i.S.d. § 272 Abs. 2 HGB) und „Captial redemption reserve“ (Rücklage für Kapitalherabsetzung), im Jahr 2013 in Höhe von insgesamt ... britische Pfund. Der Return of Value habe diese drei Positionen um ... britische Pfund reduziert. Setze man diesen Betrag ins Verhältnis zu den Gesamtausschüttungen des Wirtschaftsjahres 2013/2014 in Höhe von ... britische Pfund, so ergebe sich eine Quote für die Einlagenrückgewähr in Höhe von 66,8 %. Insgesamt habe er, der Kläger, im Streitjahr von G 8.612 € erhalten (A Aktien: 5.589 €, Sonderdividende: 2.251 €, normale Dividende 772 €). 66,8 % (= 5.751 €) lägen über dem Wert der A-Aktien (5.589 €), so dass für diese insgesamt eine Einlagenrückgewähr anzunehmen sei. Hinsichtlich entsprechender Berechnungen des Klägers zur Entwicklung des Einlagekontos der G wird auf den Schriftsatz vom 11. Juni 2016 und die vorgelegten Auszüge aus den Jahresabschlüssen der G (RBSt-Akte) verwiesen.
15Eine danach nicht steuerbare Ausschüttung aus dem Einlagekonto sei nach der Rechtsprechung des BFH auch bei im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften möglich. Unerheblich sei, dass die Nachweis- und Dokumentationspflichten nach § 27 Abs. 8 KStG nicht eingehalten worden seien. Ein Minderheitsgesellschafter sei faktisch nicht in der Lage, diesen Nachweis zu führen. Insoweit liege ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor.
16Mit Teilabhilfebescheid vom 11. August 2016 half der Beklagte hinsichtlich nun nicht mehr streitbefangener Punkte ab. Den verbleibenden Einspruch wies er nach mehreren, auch persönlichen Erörterungen mit Einspruchsentscheidung vom 9. August 2017 zurück. Unter Anwendung des BMF-Schreibens vom 18. Januar 2016 (BStBl I 2016, 85, Tz. 111-117) hielt er daran fest, dass in der Zuteilung der A-Aktien eine steuerpflichtige Sachausschüttung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EStG liege.
17Es handele sich nicht um eine nach § 20 Abs. 4a EStG begünstigte Kapitalmaßnahme, insbesondere nicht um eine Verschmelzung, Aufspaltung, einen Anteilstausch oder eine Abspaltung im Sinne von § 20 Abs. 4a Sätze 1 oder 7 EStG. Die im o.a. BMF-Schreiben in Rn. 115 bezeichneten Voraussetzungen lägen nicht vor, da die neuen G-Aktien eine neue ISIN erhalten hätten, die A-Aktien hingegen nicht. Auch sei zweifelhaft, ob die Strukturmerkmale einer Abspaltung überhaupt vorlägen, da die Beteiligung an A W nicht abgespalten, sondern verkauft worden sei. Insoweit stehe die Anteilsübertragung auf G im Zusammenhang mit einem Veräußerungsvorgang, nicht mit einer Unternehmensumstrukturierung. Zudem lägen Hinweise auf eine Gewinnverteilung vor.
18Eine steuerneutrale Einbuchung nach § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG scheide aus, da der Kapitalertrag der Höhe nach hätte ermittelt werden können und von der Depotbank auch tatsächlich ermittelt worden sei.
19Zudem hätten die Anleger zwischen einer Bardividende oder einer Kapitalrückzahlung wählen können. In beiden Fällen seien je G-Aktie 0,36 € gezahlt worden, was ebenfalls eine steuerpflichtige Ausschüttung darstelle. Steuerliche Hinweise von G hätten nur im Vereinigten Königreich ansässige Anleger betroffen. Nach deutschem Recht wäre dies nur anders, wenn es sich insoweit um eine Kapitalrückzahlung aus dem Einlagekonto nach § 27 KStG handele. Eine Bescheinigung nach § 27 Abs. 3, 8 KStG sei aber nicht vorgelegt worden.
20Hiergegen haben die Kläger am 30. August 2017 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter verfolgen.
21Unter Ergänzung und Wiederholung ihres Vortrags aus dem Einspruchsverfahren führen sie ergänzend aus, dass der Beklagte zu Recht darauf hinweise, dass es zweifelhaft sei, ob ein Return of Value mit einer Abspaltung nach inländischem Recht vergleichbar sei. Aber gerade für solche unklaren Sachverhalte sei § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG geschaffen worden. Die Unklarheit dem Grunde nach, ob ein Kapitalertrag vorliege, reiche für die Anwendung dieser Vorschrift aus. In den Verfahren des BFH VIII R 47/13 und VIII R 73/13 habe diese Vorschrift noch nicht gegolten. § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG und die darin geregelte nachgelagerte Besteuerung solle nach dem gesetzgeberischen Willen der Regelfall für Auslandssachverhalte sein und werde durch die Auslegung des Beklagten zur Ausnahme; ein Anwendungsfall sei bei börsennotierten Kapitalgesellschaften bei der Auslegung durch den Beklagten nicht vorstellbar.
22G habe ihr Einlagekonto nicht nach § 27 Abs. 8 KStG feststellen lassen. Ein Nachweis nach § 27 Abs. 3 KStG könne daher nicht vorgelegt werden. Hierauf habe er als Kleinaktionär aber keinen Einfluss. Nach der Rechtsprechung des EuGH (C-326/12 „van Caster“ und C-262/09 „Meilicke II“) stelle es einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar, in einem solchen Fall die Einlagenrückgewähr nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auszuschließen. Daher habe er, anders als der Kläger im zwischenzeitlich entschiedenen Verfahren vor dem FG Münster (9 K 2117/16 E) das Einlagekonto der G anhand der veröffentlichten Einzelabschlüsse selbst entwickelt (vgl. auch S. 8 der Einspruchsentscheidung). Nach der Rechtsprechung des BFH könne sich auch aus einer nach ausländischem Recht aufgestellten Bilanz eine Einlagenrückgewähr ergeben. Entgegenstehe Verwaltungsanweisungen seien unbeachtlich.
23Die Kläger beantragen,
24den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 1. April 2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 11. August 2016 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9. August 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 5.588,72 € reduziert werden.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest.
28Hinsichtlich einer nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr verweist er auf den Erlass des BMF vom 9. August 2017, wonach Ausschüttungen beim Anleger zu steuerpflichtigen Einkünften nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG führen, soweit Leistungen nach § 27 Abs. 8 Satz 9, 1 KStG nicht festgestellt wurden.
29Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung verschiedene Unterlagen von G zum Return of Value im Jahr 2014 zu den Akten gereicht („...“), auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
30Entscheidungsgründe
31Die Klage ist begründet.
32Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Unrecht hat der Beklagte aufgrund der dem Kläger zugeteilten 165,690 A-Aktien die Kapitaleinkünfte des Klägers um 5.588,72 € erhöht.
33I. Die mit der Einspruchsrücknahme der Kläger vom 30. Oktober 2015 eingetretene Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 2014 vom 28. Oktober 2015 steht dem Klageerfolg nicht entgegen, da dieser Einkommensteuerbescheid mit Bescheid vom 1. April 2016 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu Lasten der Kläger geändert wurde und sich das Klagebegehren innerhalb des Änderungsrahmens des § 177 Abs. 1 AO hält. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig.
34Ebenso gehen die Beteiligten übereinstimmend zutreffend davon aus, dass über die Frage, ob die Zuteilung der A-Aktien und die Barausschüttung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen geführt haben, entsprechend dem Antrag der Kläger im Rahmen des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2014 zu entscheiden ist (§ 32d Abs. 4 EStG) und dass bei Annahme derartiger Einkünfte der Sondertarif des § 32d Abs. 1 EStG Anwendung findet (§ 32d Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG).
35II. Unzutreffend aber hat der Beklagte die Zuweisung der A-Aktien an den Kläger in Höhe von 5.588,72 € als Sachdividende nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG beurteilt.
361. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen unter anderem Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien.
37a) Dabei ist der Begriff „Bezüge“ gleichbedeutend mit dem Begriff „Einnahmen“ (§ 8 Abs. 1 EStG) und umfasst alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert, die dem Gesellschafter aufgrund seines Gesellschaftsverhältnisses entweder von der Gesellschaft selbst oder von einem Dritten zufließen. Unerheblich ist hiernach insbesondere, ob die Bezüge zu Lasten des Gewinns oder der Vermögenssubstanz der Gesellschaft geleistet werden und in welcher Form die Vorteilszuwendung ausgestaltet ist (BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 I R 117/08, BFH/NV 2011, 669). Zu den Einnahmen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören auch Gewinnanteile und Bezüge, die – wie im Streitfall – von einer ausländischen Kapitalgesellschaft stammen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 669 sowie vom 13. Juli 2016 VIII R 73/13, BFH/NV 2016, 1827). Voraussetzung ist allerdings, dass sie ihrer inneren Struktur nach einer nach deutschem Recht errichteten AG, KGaA, GmbH oder Genossenschaft im Wesentlichen vergleichbar sind (sog. Typenvergleich, vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 669 und vom 16. Dezember 1992 I R 32/92, BStBl II 1993, 399).
38Zu den Bezügen können nicht nur Bar-, sondern auch Sachausschüttungen gehören, etwa wenn eine Körperschaft Anteile an einer anderen Körperschaft auf ihre Anteilseigner überträgt (vgl. zu den Einzelheiten etwa BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 1827; BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016, BStBl I 2016, 85 Rn. 113). In diesem Fall muss der Anteilseigner die erhaltenen Anteile grundsätzlich mit dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Zuflusses als Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG versteuern.
39b) Eine Ausnahme gilt gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG für solche Bezüge, die aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagenkonto im Sinne des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) als verwendet gelten.
40c) Zudem hat eine Besteuerung der in der Anteilszuweisung liegenden Sachausschüttung im Ergebnis auch dann zu unterbleiben, wenn es sich hierbei um eine Kapitalmaßnahme im Sinne des § 20 Abs. 4a EStG handelt, wonach eine anteilige Fortführung der Anschaffungskosten fingiert (Satz 7 i.V.m. Satz 1) bzw. der Ertrag und die Anschaffungskosten mit Null € angesetzt werden (Satz 5) und daher eine Besteuerung erst im Zeitpunkt der Veräußerung der erhaltenen Anteile eintritt.
412. Hiernach ist entgegen der Auffassung des Beklagten der Bezug der A-Aktien im Streitjahr jedenfalls nicht in Höhe von 5.588,72 € als steuerpflichtige (Sach-)-Dividende im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zu beurteilen.
42a) Bei der Zuteilung der A-Aktien im Rahmen des von den Aktionären der G in den beiden Meetings am ... 2014 beschlossenen Return of Value handelt es sich nach Auffassung des erkennenden Senats allerdings entgegen der Auffassung der Kläger nicht um eine nichtsteuerbare Einlagenrückgewähr im Sinne einer Ausschüttung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto gemäß § 27 KStG als verwendet gelten. Es fehlt insoweit an der für eine in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Körperschaft erforderlichen gesonderten Feststellung der Einlagenrückgewähr gemäß § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG.
43aa) B ist in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig, so dass ein steuerliches Einlagekonto gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht geführt wird.
44Dies schließt die Annahme einer nichtsteuerbaren Einlagenrückgewähr zwar nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 27 KStG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass auch eine in einem Drittstaat ansässige Kapitalgesellschaft, für die aus diesem Grund kein steuerliches Einlagekonto gemäß § 27 KStG geführt wird, eine nichtsteuerbare Einlagenrückgewähr erbringen kann (BFH-Urteil vom 13. Juli 2016 VIII R 47/13, BFH/NV 2016, 1831 mit Nachweisen auch zur Rechtsprechung des BFH vor dem Systemwechsel vom körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungs- zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren).
45Die mit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, ber. BGBl I 2007, 68, BStBl I 2007, 4) eingefügte Vorschrift des § 27 Abs. 8 KStG bestimmt aber, dass die Regelungen zur Einlagenrückgewähr auch auf Körperschaften oder Personenvereinigungen anwendbar sind, die – wie im Streitjahr G – in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, wenn sie Leistungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 EStG gewähren können (Satz 1). Die Einlagenrückgewähr ist dabei in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 bis 6 und §§ 28 und 29 KStG – mithin auch unter Berücksichtigung der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG – zu ermitteln (Satz 2). Der als Leistung i.S. des Satzes 1 zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der Körperschaft oder Personenvereinigung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum gesondert festgestellt (Satz 3). Soweit Leistungen nach Satz 1 nicht gesondert festgestellt worden sind, gelten sie als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 EStG führen (Satz 9).
46bb) Es ist bereits fraglich, ob sich aus den Berechnungen des Klägers anhand der Jahresabschlüsse der G die Höhe des steuerlichen Einlagenkontos und anhand der aufgezeigten Reduzierung verschiedener Bilanzpositionen („Called up share capital, „Share premium account“, und „Captial redemption reserve“) dessen Verwendung durch den Return of Value unter Berücksichtigung der Verwendungsreihenfolge nach den Grundsätzen des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG hinreichend im Sinne der Rechtsprechung des BFH erkennen lässt. Jedenfalls aber fehlt es im Streitfall unstreitig an der gesonderten Feststellung nach § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG, so dass es insoweit bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen keiner weiteren Aufklärung bedarf (so im Ergebnis auch FG Münster, Urteil vom 28. Februar 2013 9 K 2117/16 E, EFG 2018, 1265, Rev. anhängig unter dem Az.: VIII R 17/18).
47cc) Auf die gesonderte Feststellung eines steuerlichen Einlagenkontos nach § 27 Abs. 3 KStG bzw. der gemäß § 28 Abs. 8 Satz 1 KStG als Einlagerückgewähr zu qualifizierenden Leistung der Körperschaft gemäß § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG kann entgegen der Auffassung des Klägers im Streitfall nicht verzichtet werden.
48(1) Der Gesetzgeber hat durch das SEStEG auch für EU-Körperschaften die Möglichkeit eingeführt, den Nachweis einer nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr zu erbringen (§ 27 Abs. 8 KStG). Der BFH hat auch nach der geänderten Rechtslage an seiner o.g. Rechtsprechung zur Zulässigkeit der nichtsteuerbaren Einlagenrückgewähr für in Drittstaaten ansässigen Körperschaften festgehalten (BFH-Urteil vom 10. April 2019 I R 15/16, BFH/NV 2019, 1312 zum Veranlagungszeitraum 2008). Er hat dabei entschieden, dass die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eine Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 27 KStG dahingehend gebietet, dass auch Drittstaaten-Körperschaften die Möglichkeit einzuräumen ist, den Nachweis über die Rückgewähr nicht in das Nennkapital geleisteter Einlagen zu erbringen. Hiernach sei die Höhe des ausschüttbaren Gewinns einer Drittstaatengesellschaft auf der Grundlage des jeweiligen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts zu ermitteln, wohingegen sich die Verwendungsreihenfolge der ausgeschütteten Beträge nach den Grundsätzen der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG richte, so dass sichergestellt sei, dass die Gesellschafter von Drittstaaten-Gesellschaften nicht schlechter, aber auch nicht besser behandelt werden, als die Gesellschafter von inländischen oder von EU-ausländischen Gesellschaften. Nicht auf die Einlagenrückgewähr von Drittstaatengesellschaften übertragen werden könne dagegen der verfahrensrechtliche Aspekt der vorgeschalteten gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 2 Satz 1 KStG) bzw. der Leistungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 EStG (§ 27 Abs. 8 Satz 3 KStG). Da das Gesetz für die Einlagenrückgewähr von Drittstaatengesellschaften kein gesondertes Feststellungsverfahren zur Verfügung stellt, könnten die damit zusammenhängenden Fragen nur im Rahmen der jeweiligen Festsetzungsverfahren der Gesellschafter geklärt werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 1312, Rn. 27 f.).
49(2) Im Streitfall dagegen handelt es sich bei der G aber gerade um eine im Streitjahr in einem EU-Mitgliedsstaat ansässige Körperschaft, für die in § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG ein Verfahren zur gesonderten Feststellung angeordnet ist, so dass kein Grund vorliegt, den Nachweis der Einlagenrückgewähr auch außerhalb dieses Feststellungsverfahrens, welches in Anwendung der Auffassung des Klägers im Ergebnis leerliefe, zuzulassen. Zweifel an der unionsrechtlichen Zulässigkeit dieses Verfahrens hat der Senat jedenfalls nach der vorgenannten Entscheidung des BFH (BFH/NV 2019, 1312) nicht (vgl. auch BFH-Beschluss vom 27. Februar 2018 I B 37/17, BFH/NV 2018, 841; Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 25. September 2017 3 K 737/15, EFG 2017, 1951, Rev. anhängig unter dem Az.: VIII R 18/17; FG München, Urteil vom 22. November 2016 6 K 2548/14, EFG 2017, 234; Berninghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 27 KStG Rn. 15).
50(3) Soweit der Kläger vorbringt, dass ihm als Kleinaktionär der entsprechende Einfluss auf G fehle, die gesonderte Feststellung nach § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG durchzuführen, so folgt der Senat ihm nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Gesellschafter einer ausländischen Gesellschaft in ihrer Verbundenheit durchaus die Möglichkeit haben, die Gesellschaft zur Durchführung des Verfahrens nach § 27 Abs. 8 KStG zu zwingen (Hessisches Finanzgericht, in EFG 2017, 1951; Berninghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 27 KStG Rz. 15).
51b) Letztlich ist die Qualifizierung der Aktienzuteilung als nichtsteuerbare Einlagenrückgewähr für die Besteuerung im Streitjahr aber nicht streitentscheidend. Denn eine im Streitjahr steuerpflichtige Sachdividende im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG liegt in Höhe von 5.588,72 € bereits aus dem Grunde nicht vor, dass es sich bei der Zuweisung der A-Aktien im Rahmen des in Frage stehenden Return of Value um eine nach § 20 Abs. 4a EStG zu behandelnde Kapitalmaßnahme handelt, mit der Folge, dass steuerliche Folgen nicht im Jahr des Bezugs der A-Aktien, sondern erst im Jahr ihrer Veräußerung zu ziehen sind.
52aa) § 20 Abs. 4a EStG beinhaltet spezielle Sondervorschriften für Kapitalmaßnahmen wie z.B. Kapitalerhöhungen, Verschmelzungen oder Spaltungsvorgänge, bei denen die Erträge regelmäßig nicht als Geldzahlungen, sondern in Form von Anteilen an Kapitalgesellschaften zufließen. Ohne die Regelung des § 20 Abs. 4a EStG hätten insbesondere die zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichteten Banken vor dem Problem gestanden, den genauen rechtlichen Hintergrund der Kapitalmaßnahme beurteilen und die Höhe des zugeflossenen Ertrags bewerten zu müssen. Diese Problematik kommt etwa in den Gesetzesmaterialien zur im Zuge des JStG 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I 2008, 2794) eingefügten Vorschrift des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG zum Ausdruck. Im Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des JStG 2009 wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass die „bisherigen Stellungnahmen zu dem Regierungsentwurf gezeigt (haben), dass die inländischen Kreditinstitute auch bei Auslandsfällen im EU-/EWR-Raum nicht in der Lage sind, kurzfristig zu erkennen, ob dem Anteilstausch ein steuerpflichtiger Vorgang zu Grunde liegt. Außerdem können die Kreditinstitute auch im EU-/EWR-Raum grundsätzlich nicht den konkreten Veräußerungszeitpunkt sowie den Veräußerungspreis bestimmen“ (vgl. BT-Drucks. 16/11108, 16; vgl. ferner BT-Drucks. 17/2249, 53; BR-Drucks. 545/08, 72). Das gemeinsame Ziel der von § 20 Abs. 4a EStG umfassten Fallgestaltungen liegt darin, den Abzug der Kapitalertragsteuer bei den aufgeführten Kapitalmaßnahmen praktikabel auszugestalten und zugleich die Finanzverwaltung von zusätzlichen Veranlagungsfällen zu entlasten. Dieses Ziel wird im Wesentlichen dadurch erreicht, dass die Kapitalmaßnahme steuerneutral behandelt und eine Versteuerung etwaiger stiller Reserven in die Zukunft verschoben wird (vgl. BR-Drucks. 545/08, 72).
53bb) Dazu regelt Abs. 4a in Satz 1, dass beim Tausch von Gesellschaftsanteilen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen die erhaltenen Kapitalanteile an die Stelle der abgegebenen Anteile treten und der Gewinn aus einer nachfolgenden Weiterveräußerung der empfangenen Anteile wie ein Gewinn aus der Veräußerung der abgegebenen Anteile nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 vorzunehmen ist (sog. Fußstapfentheorie); Satz 5, dass der Ertrag und die Anschaffungskosten bei einer Zuteilung von Anteilen, für die der Steuerpflichtige keine Gegenleistung erbringt, mit 0 € zu erfolgen hat; und in Satz 7, dass die Sätze 1 und 2 (und nicht Satz 5) im Fall des Vermögensübergangs von einer Körperschaft auf eine andere durch Abspaltung entsprechend gelten. Rechtsfolge dieser unterschiedlichen Einzelfallregelungen ist jeweils, dass in Abweichung von § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG und §§ 13, 15 UmwStG keine zeitgerechte Besteuerung des durch die Kapitalmaßnahme entstandenen Gewinns eintritt. Die Besteuerung wird vielmehr auf einen späteren Zeitpunkt, den der nachfolgenden Weiterveräußerung der empfangenen Anteile, verschoben. Es handelt sich dabei um eine materiell-rechtliche Vorschrift, die auch im Rahmen der Veranlagung (§ 32d Abs. 3, 4, 6) zu beachten ist (Buge in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 20 EStG, Rn. 580; Beinert, GmbHR 2012, 291).
54Ein Konkurrenzverhältnis besteht insoweit zwischen § 20 Abs. 4a Satz 7 und Satz 5 EStG. Der Anwendungsbereich der letztgenannten Vorschrift umfasste, wie der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 16/11108, 16) ausdrücklich zu entnehmen ist, ursprünglich auch den Fall der Abspaltung. Dadurch, dass der Gesetzgeber die Vorschrift des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG nachträglich im Zuge des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I 2013, 1809, 1816) in den § 20 Abs. 4a EStG eingefügt hat, hat er allerdings zum Ausdruck gebracht, dass für Abspaltungen fortan § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG als lex specialis den § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG verdrängt (FG Düsseldorf, Urteile vom 29. Januar 2019 13 K 2119/17 E, EFG 2019, 698, und vom 12. März 2019 13 K 1762/17 E, EFG 2019, 111, Rev. anhängig unter dem Az.: VIII R 9/19; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. August 2019 1 K 2295/17, EFG 2019, 1824, Rev. anhängig unter dem Az.: VIII R 28/19; FG München, Urteil vom 19. Dezember 2019 8 K 981/17, juris).
55Dies führt jedoch nicht dazu, dass im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG eine Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG ausgeschlossen wäre; vielmehr kommt Satz 5 insoweit eine Auffangfunktion zu (Levedag in Schmidt, EStG, 2019, § 20 Rn. 227). Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung findet Satz 5 Anwendung, wenn die Einbuchung neuer Stücke aufgrund von Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsbeurteilung (nicht: Sachverhaltsermittlung) zweifelhaft ist, bspw. bei der Einbuchung als Bonus- oder Gratisaktie (BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016 IV C 1 – S 2252/08/10004, BStBl I 2016, 85 Rn. 116).
56cc) Hiernach stellt sich der Bezug der A-Aktien im Streitfall nicht als steuerpflichtige Sachdividende in Höhe von 5.588,72 € dar.
57(1) Dies dürfte allerdings nicht aus dem Grunde gelten, dass gemäß § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG die Folge der Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG auch für die Fälle der Abspaltung gilt.
58Auch wenn der Begriff der Abspaltung in § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG im Sinne einer typusorientierten Gesamtbetrachtung extensiv auszulegen ist (so zutreffend FG Düsseldorf, Urteile in EFG 2019, 698, und in EFG 2019, 111; FG Rheinland-Pfalz, Urteil in EFG 2019, 1824; FG München, Urteil vom 19. Dezember 2019 8 K 891/17, juris; vgl. auch Buge in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 20 EStG Rn. 592), ist das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abspaltung in diesem Sinne zweifelhaft.
59Der Senat neigt insoweit die Auffassung des FG Münster (Urteil vom 28. Februar 2018 9 K 2117/16 E, EFG 2018, 1265, Rev. anhängig unter dem Az.: VIII R 17/18 ) zu, wonach in der streitgegenständlichen Kapitalmaßname ein einer Abspaltung wirtschaftlich vergleichbarer Vorgang im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG aus dem Grunde nicht vorliegt, dass die Veräußerung der Anteile an der G Q (und damit mittelbar der Beteiligung an der A W) auf einer unteren Konzernstufe des G-Konzerns erfolgt ist und die Kläger keine unmittelbaren Anteilseigner der G ... Ltd. als übertragendem Rechtsträger, sondern nur mittelbar an dieser über die G beteiligt waren. Dementsprechend haben sie die A-Aktien nicht als „Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers“ erhalten. Denn „Rechtsträger“ ist die jeweilige übertragende Kapitalgesellschaft und nicht die dieser übergeordnete Obergesellschaft eines Konzerns. Der Gesetzeswortlaut bietet keinen Ansatzpunkt für eine weitergehende Auslegung unter Einbeziehung auch mittelbarer Beteiligungen.
60(2) Allerdings kann diese Frage im Ergebnis unentschieden bleiben, da der Ertrag aus dem Bezug der A-Aktien sowie deren Anschaffungskosten jedenfalls gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG mit 0 € anzusetzen sind und daher für das Streitjahr die gleiche Rechtsfolge eintritt.
61Werden einem Steuerpflichtigen Anteile im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zugeteilt, ohne dass dieser eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, werden der Ertrag und die Anschaffungskosten dieser Anteile mit 0 € angesetzt, wenn die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Sätze 3 und 4 EStG nicht vorliegen und die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist.
62Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
63Dem Kläger wurden die Anteile an der A aufgrund der Beschlüsse der Aktionäre in den Meetings am 24. Februar 2014 zugeteilt, ohne dass er – dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig – eine Gegenleistung z.B. in Form einer Zuzahlung oder eines Umtauschs von Aktien zu erbringen hatte; der Tausch von je 11 „alten“ in je 6 „neue“ G-Aktien im Rahmen der Share Consolidation stellt keine Gegenleistung in diesem Sinne dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Abs. 4a Sätze 3 und 4 lagen ebenfalls nicht vor.
64Entgegen der Auffassung des Beklagten war auch die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich. Die Voraussetzung ist nach Auffassung des erkennenden Senats in Übereinstimmung mit dem Kläger auch dann erfüllt, wenn dem Grunde nach nicht aufklärbar ist, ob Kapitalerträge vorliegen oder z.B. nur eine Einlagenrückgewähr (vgl. auch Levedag in RdF- Recht der Finanzinstrumente 2017, 130, 135, wonach die Regelung des Abs. 4a Satz 5 faktisch auch in den Fällen hilft, in denen die Sachausschüttung im Wege der Einlagenrückgewähr stattfindet und der Nachweis hierfür nicht geführt werden kann). Die Formulierung des Gesetzes („…die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich…“) unter Verwendung des Begriffs Kapitalertrag legt nahe, dass auch eine Unaufklärbarkeit dem Grunde nach eine Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG ermöglicht. Andernfalls hätte der Gesetzgeber – insoweit neutral – auf die Unmöglichkeit der Ermittlung des „Werts der Anteile“ abstellen können (so auch Dötsch/Werner in Dötsch/Pung/Möhlenbrook, Die Körperschaftsteuer, § 20 EStG, Rn. 305).
65Zudem entspricht auch nur diese Auslegung der Norm dem Willen des Gesetzgebers. Hintergrund für die Regelung in § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG war nach der amtlichen Gesetzesbegründung die Tatsache, dass im Rahmen der Abgeltungssteuer für die Kreditinstitute insbesondere bei Auslandssachverhalten regelmäßig nicht zu erkennen sei, ob die Einbuchung zusätzlicher Anteile eine sofort steuerwirksame Sachausschüttung oder lediglich eine Kapitalrückgewähr darstelle. Entsprechendes gelte auch für Spin-Off-Vorgänge. Zur Vermeidung von Veranlagungsfällen werde daher geregelt, dass die Einbuchung von Anteilen ohne Gegenleistung im Zweifelsfall zu einem Ertrag von 0 € führen soll. Bei Auslandssachverhalten sei in der Regel davon auszugehen, dass die Höhe des Kapitalertrags im Sinne dieser Vorschrift nicht ermittelt werden könne, wenn das ausländische Recht dem Aktionär nicht das Wahlrecht einräume, unter Verzicht auf eine Bardividende Freianteile zu beziehen (Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 vom 27. November 2008, BT-Drucks. 16/11108, 16 f.). Hiernach sei aber bei Zweifeln am Vorliegen einer steuerpflichtigen Sachausschüttung dem Grunde nach gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG ein Ertrag von 0 € anzusetzen.
66Schließlich vertritt grundsätzlich auch die Finanzverwaltung diese Auslegung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG. Sowohl für die Zeit vor (BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953) als auch nach der Einführung der Sonderregelung für Abspaltungsvorgänge in § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG (BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016 IV C 1-S 2252/08/10004:017, BStBl I 2016, 85) gilt danach, dass bei ausländischen Sachverhalten zu vermuten ist, dass die Ermittlung des Kapitalertrags (nicht: die Höhe des Kapitalertrags) nicht möglich ist (Rn. 114). Zudem finde § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG dann Anwendung, wenn die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der Einbuchung neuer Stücke aufgrund von Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsbeurteilung zweifelhaft (z.B. Einbuchung als Bonus- oder Gratisaktie) ist (Rn. 116).
67Nach Auffassung des erkennenden Senats aber war im Streitfall aus der maßgeblichen Sicht der depotführenden Banken gerade nicht zweifelsfrei zu ermitteln, ob in der Zuteilung der A-Aktien dem Grunde nach ein Kapitalertrag lag oder nicht (insoweit a.A. FG Münster, Urteil in EFG 2018, 1265), so dass auf die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG in seiner Auffangfunktion zurückzugreifen ist. Es erscheint dem Senat nicht eindeutig und ohne Schwierigkeiten erkennbar, dass es sich bei diesem Vorgang um eine steuerpflichtige Sachausschüttung und nicht um eine nicht steuerbare Kapitalrückgewähr gehandelt habe. Die Berechnungen des Klägers anhand der Jahresabschlüsse der G lassen eine Kapitalrückgewähr jedenfalls nicht als ausgeschlossen erscheinen, auch wenn hierüber mangels vorgelegter gesonderter Feststellung nach § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG nicht zu entscheiden war. Die vorgelegten Informationen der G für ihre Anleger lassen eine zweifelsfreie Beurteilung des Vorgangs ebenfalls nicht zu.
68Auch war die Behandlung durch die depotführenden Banken ausweislich in der Presse allgemein zugänglicher Informationen (vgl. z.B. www.focus.de/finanzen/steuern/fiese-fallen-problem-teil-ausgliederung_id_3912035.html), wonach einige Banken § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG angewendet haben, nicht einheitlich. Dies erscheint dem Senat aufgrund des unklaren Sachverhalts auch nachvollziehbar.
69Ein Wahlrecht zwischen dem Bezug der Aktien oder einer Bardividende, welches nach Auffassung der Finanzverwaltung die Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG ausschließen würde (BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016, in BStBl I 2016, 85, Rn111; so auch die amtliche Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/11108, 16), stand dem Kläger in seiner Möglichkeit zur Wahl von sog. B-Shares oder C-Shares nicht zu. Hierin liegt lediglich die Wahl der Art der Besteuerung für im Vereinigten Königreich ansässige Aktionäre (capital gains tax treatment für B-Shares oder income tax treatment für C-Shares, vgl. G, ...), nicht aber die Möglichkeit, anstelle der A-Aktien ausschließlich eine Bardividende zu erhalten.
70Der Senat teilt die Auffassung des Klägers, dass nach den Gesetzesmaterialien der Gesetzgeber die Regelung in § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG letztlich genau für solche Fälle wie den Return of Value im Zusammenhang mit der Veräußerung der A W durch G geschaffen hat.
71dd) Dieser Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG steht im Streitfall schließlich nicht entgegen, dass die Zuteilung der Aktien nicht nach § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG gesondert als Einlagenrückgewähr festgestellt worden ist.
72Zwar gelten gemäß § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG Leistungen nach § 27 Abs. 8 Satz 1 KStG, soweit sie nicht gemäß § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG gesondert festgestellt wurden, als Gewinnausschüttungen, die beim Anteilseigner zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 EStG führen. Diese Fiktion schließt es aber nach Auffassung des Senats nach der systematischen Stellung dieser Vorschrift lediglich aus, die materiellen Voraussetzungen einer Einlagenrückgewähr auch ohne die gesonderte Feststellung gemäß § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG nachzuweisen. Die steuerliche Behandlung der Zuweisung von Aktien beim Anteilseigner als Kapitalmaßnahme nach § 20 Abs. 4a EStG bleibt von dieser Fiktion unberührt (insoweit zweifelnd FG Münster, Urteil in EFG 2018, 1265), so dass der Ertrag im Streitfall gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG mit 0 € anzusetzen ist. Eine Kapitalmaßnahme nach § 20 Abs. 4a EStG setzt eine Einlagenrückgewähr gerade nicht voraus, die Vorschrift wäre andernfalls ohne Anwendungsbereich.
73III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung und die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer auf den Beklagten auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
74IV. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und im Hinblick insbesondere auf das anhängige Revisionsverfahren VIII R 17/18 gegen das Urteil des FG Münster vom 28. Februar 2018 9 K 2117/16 E (EFG 2018, 1265) zuzulassen.