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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
2Die Klägerin rügt die fehlerhafte steuerliche Berücksichtigung ihrer drei volljährigen Kinder sowie ihrer Schwerbehinderung im Rahmen der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale durch das Finanzamt P.
3Mit einer Beschwerde vom 17.01.2020 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und teilte mit, dass ihr bis zum Abschluss der Ausbildung ihrer Kinder ein Kinderfreibetrag zustehe. Die Klägerin habe den Arbeitgebern sowie dem Finanzamt die Nachweise für die Ausbildungen ihrer Kinder vorgelegt. Die Kinder seien jedoch steuerrechtlich nicht zutreffend berücksichtigt worden. Vor diesem Hintergrund werde die Unterstützung bei der Korrektur der bei dem Finanzamt vorgehaltenen Daten beantragt.
4Das Finanzamt teilte daraufhin dem Beklagten mit, dass die Klägerin am 23.03.2019 erstmals eine Mitteilung hinsichtlich der über sie gespeicherten Daten nach Art. 5 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) angefordert habe. Daraufhin habe das Finanzamt der Klägerin am 08.04.2019 mitgeteilt, dass ausschließlich Grunddaten, also die persönlichen Identifikations- und Kontaktdaten gespeichert gewesen seien. Diese Informationen seien übersandt worden. Daraufhin habe die Klägerin die falsche Eintragung ihrer Kinder hinsichtlich eines Kinderfreibetrages bei den Lohnsteuerabzugsmerkmalen gerügt. Diesbezüglich teilte das Finanzamt mit, dass Freibeträge für Kinder gemäß § 32 EStG bis zur Vollendung des 18. Lebensjahr ohne Weiteres in den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (ELStAM) gespeichert würden. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres erfolge eine Speicherung nur auf schriftlichen Antrag sowie bei Erfüllung und Nachweis der weiteren Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 EStG. Da die Klägerin keinen Antrag auf Berücksichtigung gestellt habe, habe kein Ansatz im Lohnsteuerabzugsverfahren erfolgen können. Mit Schreiben vom 19.12.2019 sei die Klägerin darüber informiert worden, dass die Fristen für die Antragstellung hinsichtlich der Kalenderjahre 2015-2019 abgelaufen seien. Für das Jahr 2020 sei eine Berücksichtigung der Kinder nur nach Einreichung eines entsprechenden Antrags nebst Vorlage der notwendigen Nachweise möglich. Darüber hinaus sei eine Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen bei der Festsetzung der Einkommensteuer nach Vorlage einer Steuererklärung möglich.
5Mit Bescheid vom 22.10.2020 wies der Beklagte die Beschwerde ab. Das Finanzamt habe dargelegt, dass die Klägerin keinen Antrag zur Berücksichtigung ihrer Kinder gestellt habe. Eine rückwirkende Berichtigung im Lohnsteuerabzugsverfahren sei nicht mehr möglich. Für das Jahr 2020 könne ein Antrag auf Lohnsteuerermäßigung noch gestellt werden. Es gebe keine Anhaltspunkte für einen Datenschutzverstoß.
6Hiergegen richtet sich die Klage vom 22.11.2020.
7Die Klägerin führt aus, dass sie drei Kinder habe, von denen eines bis Mai 2020 noch in der Ausbildung befindlich gewesen sei. Das Finanzamt könne nicht bestimmen, wann ein Kind „auf der Steuerkarte eingetragen“ werde. Sie habe das Finanzamt P schon seit 2008 aufgefordert, die die Kinder betreffenden Daten zu verbessern und die Informationen an ihre Arbeitgeber zutreffend weiterzugeben. Sie habe keine Eintragung bei ELStAM veranlasst.
8Darüber hinaus sei am 28.10.2020 ein Verfahren beim Sozialgericht abgeschlossen worden. Dieses Verfahren sei durch falsche Daten behindert worden. Das Finanzamt müsse die Behinderung der Klägerin berücksichtigen.
9Die wissentliche Weitergabe von falschen Daten an andere Behörden sei verboten.
10Die Klägerin beantragt sinngemäß,
11den Beklagten zu verpflichten, das Finanzamt P anzuweisen, die im Zusammenhang mit den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen gespeicherten personenbezogenen Daten dahingehend zu berichtigen, dass die Kinder der Klägerin sowie ihre eigene Schwerbehinderung Berücksichtigung finden.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte sei für die Veränderung der die Klägerin betreffenden Daten nicht der richtige Anspruchsgegner, da eine Berichtigung nur von der verantwortlichen Stelle vorgenommen werden könne. Dies sei vorliegend das Finanzamt P.
15Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Ablehnungsbescheid rechtmäßig sei. Der Beklagte sei im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens lediglich verpflichtet, sich mit einer Beschwerde zu befassen, den Gegenstand der Beschwerde zu untersuchen und dem Beschwerdeführer über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung zu unterrichten. Dies sei im Streitfall geschehen. Die Beschwerde sei abzuweisen gewesen, da ein Datenschutzverstoß seitens des Finanzamts nicht ersichtlich gewesen sei. Das Finanzamt sei nicht zur Berichtigung der Daten verpflichtet gewesen, sodass auch keine entsprechende Anweisung durch den Beklagten in Betracht gekommen sei. Eine Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen sei nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die Klägerin habe die hierzu notwendigen Anträge nicht gestellt.
16Soweit die Klägerin eine fehlerhafte Berücksichtigung ihrer Behinderung rüge, sei dieser Sachverhalt nicht Gegenstand der Datenschutzbeschwerde gewesen und dementsprechend im Abweisungsbescheid auch nicht berücksichtigt worden. Die Klage sei unzulässig, da die Anforderungen des Art. 78 DSGVO nicht erfüllt seien.
17Das Gericht hat mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2021 die Klage abgewiesen. Daraufhin hat die Klägerin einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
18Entscheidungsgründe
191. Soweit sich die Klägerin gegen die fehlende Berücksichtigung ihrer Schwerbehinderung wendet, ist die Klage unzulässig. Die fehlende Berücksichtigung der Schwerbehinderung war nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemäß Art. 77 DSGVO, sodass in Ermangelung einer behördlichen Entscheidung eine Klage gemäß Art. 78 Abs. 1 DSGVO nicht statthaft ist.
202. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
21Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
22Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass sie die Berücksichtigung ihrer Kinder sowie ihrer Schwerbehinderung im Rahmen der Verarbeitung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale begehrt. Da die Klägerin im vorliegenden Verfahren ihr Begehren nicht unmittelbar gegenüber dem – für die Datenhaltung im Zusammenhang mit den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen sachlich zuständigen – Finanzamt verfolgt, sondern sich im Beschwerdewege an den Beklagten als datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde gewandt hat, muss das Begehren der Klägerin dahingehend verstanden werden, dass sie von dem Beklagten eine gegenüber dem Finanzamt P ausgesprochene Anordnung zur Berichtigung von personenbezogenen Daten verlangt.
23Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Anweisung.
24Gemäß Art. 78 Abs. 1 DSGVO hat jede natürliche oder juristische Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde. Dieses Klagerecht besteht auch, wenn eine Beschwerde gemäß Art. 77 DSGVO zurückgewiesen wird (vgl. Mundil in BeckOK, Art. 78 DSGVO, Rn. 7).
25Gemäß Art. 77 Abs. 1 DSGVO hat jede betroffene Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen diese Verordnung verstößt. Das Beschwerderecht begründet grundsätzlich keinen Anspruch einer betroffenen Person auf den Erlass einer konkreten Maßnahme durch die Aufsichtsbehörde (vgl. Pötters/Werkmeister in Gola, Art. 77 DSGVO, Rn. 7). Allerdings wird z. T. die Auffassung vertreten, dass eine Aufsichtsbehörde bei einer begründeten Beschwerde regelmäßig verpflichtet sei, Maßnahmen zu ergreifen, um einen Verstoß gegen die DSGVO abzustellen. Das Ermessen der Aufsichtsbehörde könne gegebenenfalls im Hinblick auf bestimmte Maßnahmen auf Null reduziert sein (vgl. Mundil in BeckOK, Art. 77 DSGVO, Rn. 15 m. w. N.). Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in einer Entscheidung vom 26.10.2020 (10 A 10613/20, juris) in diesem Zusammenhang jedoch dargelegt, dass der gerichtliche Prüfungsmaßstab dergestalt eingeschränkt ist, dass eine gerichtliche Überprüfung, ob eine Beschwerdeentscheidung einer datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde auch inhaltlich zutreffend sei, in der DSGVO nicht vorgesehen sei. Eine solche folge insbesondere nicht aus Art. 78 DSGVO, denn aus dem in Abs. 2 normierten Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gegen eine untätige Aufsichtsbehörde ergebe sich, dass ein Beschwerdeführer grundsätzlich nur beanspruchen könne, dass sich eine Behörde mit seiner Beschwerde überhaupt befasse und ihn innerhalb der dort genannten Zeiträume über den Stand und das Ergebnis der Beschwerde unterrichte. Eine weitergehende gerichtliche Überprüfung sehe Art. 78 Abs. 1 DSGVO im Fall der Bescheidung der Beschwerde durch die Aufsichtsbehörde nicht vor. Zwar garantiere die Vorschrift auch gegen einen rechtsverbindlichen Beschluss der Aufsichtsbehörde einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf. Ein Anspruch des Betroffenen auf gerichtliche Prüfung der materiellen Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung ergebe sich hieraus jedoch nicht. Bei dem Beschwerderecht nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO handele es sich um ein petitionsähnlich ausgestaltetes Recht, das nur eingeschränkter richterlicher Kontrolle unterliege. Gegen eine inhaltliche Prüfung der aufsichtsrechtlichen Entscheidung spreche insbesondere auch der Umstand, dass dem Betroffenen neben seinem Beschwerderecht gegenüber der Aufsichtsbehörde regelmäßig auch die Möglichkeit eingeräumt sei, gegenüber dem Verantwortlichen selbst um Rechtsschutz nachzusuchen. Im Gegensatz zum Beschwerdeverfahren handele es sich bei dem Verfahren gegenüber dem Verantwortlichen um ein kontradiktorisches Verfahren, das zwischen den Beteiligten rechtsverbindlich kläre, ob der Betroffene durch den Verantwortlichen in subjektiven Rechten verletzt sei.
26Dieser in der zitierten Entscheidung ausführlich begründeten Auffassung des OVG Rheinland-Pfalz folgt der Senat umfassend.
27Da der Beklagte sich mit der Beschwerde der Klägerin inhaltlich auseinandergesetzt und das Ergebnis der Befassung der Klägerin mitgeteilt hat, besteht im Streitfall kein Anspruch auf eine weitergehende gerichtliche Prüfung.
283. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO