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Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 06.12.2019 und der Einspruchsentscheidung vom 16.01.2020 verpflichtet, die Körperschaft-steuer 2017 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags i.H.v. 14.058 € festzusetzen. Die Berechnung der danach festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über einen Verlustrücktrag nach einer Anteilsübertragung und nachfolgenden Verschmelzung.
2Die Klägerin ist eine im Jahre 19XX gegründete GmbH mit Sitz in A, deren Unternehmensgegenstand in der Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen ... sowie in Management- und Beratungsdienstleistungen aller Art ... besteht. Alleiniger Geschäftsführer und zu einem Viertel am Stammkapital der Klägerin beteiligter Gesellschafter ist B. Die weiteren Anteile an der Klägerin werden von C (50 %) und D (25 %) gehalten.
3Am 17.10.2018 erwarb die Klägerin Anteile im Nennwert von insgesamt 115.000 € am 500.000 € betragenden Stammkapital der E GmbH (E GmbH) mit Sitz in F. Die übrigen Anteile im Nennwert von 385.000 € wurden von der E GmbH selbst gehalten. Durch den Anteilserwerb wurde die Klägerin zur alleinigen (Fremd-)Gesellschafterin.
4Mit Vertrag vom 31.10.2018 übertrug die E GmbH sodann als übertragende Rechtsträgerin ihr Vermögen als Ganzes unter Auflösung und Abwicklung im Wege der Verschmelzung gemäß den §§ 2 Nr. 1, 4 ff., 46 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG) auf die Klägerin als übernehmende Rechtsträgerin ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten (Verschmelzung durch Aufnahme). Als „Verschmelzungsstichtag“ wurde in § 2 des Vertrags der 30.09.2018 bestimmt. Die Klägerin sollte das Vermögen der E GmbH im Innenverhältnis „mit Wirkung zum Ablauf des 30.09.2018 (ab 01.10.2018, 0.00 Uhr)“ übernehmen; von diesem Zeitpunkt an sollten die Geschäfte der E GmbH als für Rechnung der Klägerin geführt gelten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Verschmelzungsvertrag vom 31.10.2018 Bezug genommen.
5Die Verschmelzung wurde am 29.11.2018 ins Handelsregister der Klägerin (Amtsgericht A, HRB ...) eingetragen.
6Unstreitig hatte die E GmbH im Veranlagungszeitraum 2017 ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 1.843.459 € erzielt, welches sie in ihrer am 03.09.2018 beim Finanzamt F eingereichten Körperschaftsteuererklärung für 2017 entsprechend deklarierte. Nach Erörterung wurde sie mit Bescheid vom 12.11.2018 erklärungsgemäß veranlagt. Der Körperschaftsteuerbescheid für 2017 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) und war an die E GmbH als Inhaltsadressatin gerichtet.
7Im darauf folgenden Wirtschaftsjahr 2018, das infolge ihrer Verschmelzung auf die Klägerin am 30.09.2018 endete, erzielte die E GmbH einen zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitigen Verlust i.H.v. 14.058 €, den sie in ihrer am 04.07.2019 beim Beklagten eingereichten Körperschaftsteuererklärung für 2018 deklarierte. Ein Antrag nach § 10d Abs. 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG; i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG) wurde in der Erklärung bezüglich dieses Verlustes nicht gestellt. Mit Bescheid vom 30.09.2019 setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer für 2018 hiervon ausgehend auf 0 € fest; eine Verlustfeststellung unterblieb. Der Bescheid erging gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der E GmbH. Unter den im Bescheid dargestellten Besteuerungsgrundlagen wies der Beklagte den Verlust als „nach § 8c KStG nicht berücksichtigungsfähigen Verlust des laufenden Veranlagungszeitraums“ aus. In den Erläuterungen führte er aus, „aufgrund der erfolgten Anteilsübertragung (Verkauf und Verschmelzung) von 100 %“ komme die Verlustkürzung nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG zum Tragen. Der bis zum 30.09.2018 erklärte Verlust i.H.v. 14.058 € sei damit vollständig zu kürzen.
8Mit Schreiben vom 08.10.2019 legte die Klägerin Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2018 ein und begehrte den Rücktrag des festgestellten Verlustes der E GmbH in das Jahr 2017. Nach dem BFH-Urteil vom 28.11.2018 (I R 41/18) sei der Einspruch zulässig, obwohl er sich gegen einen Nullbescheid richte. In dem angefochtenen Bescheid werde der Verlust als „nach § 8c KStG nicht berücksichtigungsfähiger Verlust des laufenden Veranlagungszeitraums“ ausgewiesen. Diese Einstufung sei nur insoweit zutreffend, als der Verlust nicht auf zukünftige Veranlagungszeiträume vorgetragen werden könne. Zwar sehe § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG vor, dass die nicht genutzten Verluste nicht mehr abziehbar seien. Der Gesetzeswortlaut sage aber nichts darüber aus, ob ein Verlustabzug im Wege des Rücktrags und/oder des Vortrags nicht mehr möglich sei. Nach Sinn und Zweck der Regelung werde der Verlustrücktrag nicht berührt, da die Vorschrift lediglich verhindern wolle, dass früher entstandene Verluste durch einen Beteiligungserwerb wirtschaftlich übertragen und durch personell veränderte Gesellschaften genutzt würden. Durch den Rücktrag der bis zum 30.09.2018 bei der E GmbH entstandenen Verluste nutze aber lediglich die Gesellschaft den Verlust, die ihn wirtschaftlich getragen habe. Im Zeitraum bis zum 30.09.2018 seien unverändert dieselben Anteilseigner an der E GmbH beteiligt gewesen.
9Der Beklagte erwiderte hierauf unter Verweis auf das BMF-Schreiben vom 28.11.2017 zu § 8c KStG, er könne dem Einspruch nicht entsprechen. Hieran hielt er auch in der nachfolgenden Einspruchsentscheidung vom 15.11.2019 fest, mit der er den Einspruch der Klägerin bezüglich des Körperschaftsteuerbescheids 2018 als unbegründet zurückwies. Unstreitig seien zum 30.09.2018 sämtliche Anteile an der Rechtsvorgängerin der Klägerin übertragen worden, so dass der von ihr bis dahin erwirtschaftete Verlust von 14.058 € gemäß § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG vollständig zu kürzen gewesen sei. Gemäß Rn. 2 des BMF-Schreibens vom 28.11.2017 zu § 8c KStG sei die Abzugsbeschränkung auf alle nicht ausgeglichenen und nicht abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) anwendbar und umfasse insbesondere die Verluste nach § 10d EStG (Verlustvor- und -rücktrag). Die Rechtsfolge des § 8c KStG trete in dem Wirtschaftsjahr ein, in dem die 50 %-Grenze überschritten werde. Verluste, die bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs entstanden seien, dürften mit danach entstandenen Gewinnen weder ausgeglichen noch von ihnen abgezogen und auch nicht in vorangegangene Veranlagungszeiträume zurückgetragen werden.
10Gegen die Einspruchsentscheidung wegen Körperschaftsteuer 2018 wurde keine Klage erhoben.
11Mit Schreiben vom 03.12.2019 beantragte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der E GmbH beim Beklagten, den unter dem 12.11.2018 gegenüber der E GmbH erlassenen Körperschaftsteuerbescheid für 2017 gemäß § 164 Abs. 2 AO dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um „€ 14.000,58“ (gemeint wohl 14.058 €) reduziert werde. Diese Reduzierung ergebe sich aus dem Rücktrag des Verlustes, der im Rumpfgeschäftsjahr bis zur Verschmelzung entstanden sei.
12Mit Bescheid vom 06.12.2019 lehnte der Beklagte den Antrag ab und verwies zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung zur Körperschaftsteuer 2018.
13Unter dem 12.12.2019 legte die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch ein. Die Verluste der E GmbH aus dem Rumpfgeschäftsjahr bis zum 30.09.2018 seien zurückzutragen. Ein schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c KStG liege nicht vor, da während dieses Rumpfgeschäftsjahres gar kein Beteiligungserwerb stattgefunden habe.
14Mit Einspruchsentscheidung vom 16.01.2020 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte er die Ausführungen aus seiner abschlägigen Einspruchsentscheidung wegen Körperschaft-steuer 2018.
15Hiergegen hat die Klägerin am 28.01.2020 Klage erhoben.
16Sie macht geltend, dass die im BMF-Schreiben vom 28.11.2017 vertretene Verwaltungsauffassung umstritten sei. Die vom BFH in seinem Urteil vom 20.11.2011 (I R 14/11) zum unterjährigen Gewinn vertretene These sei auch auf den unterjährigen Verlust zu übertragen, weil auch in diesem Fall keine Verlustübertragung in den Zeitraum nach dem Wechsel der wirtschaftlichen Identität erfolge. Der schädliche Beteiligungserwerb stelle eine zeitliche Zäsur dar. Daher gehe Sinn und Zweck des § 8c KStG den verfahrensrechtlichen Regelungen vor, so dass ein Rücktrag des bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs erzielten Verlusts möglich sei.
17Diese Auffassung habe auch das FG Münster in seinem Urteil vom 21.07.2016 (9 K 2794/15 K, F) vertreten. Wenn § 8c KStG verhindern wolle, dass früher entstandene Verluste durch einen Beteiligungserwerb wirtschaftlich übertragen und durch personell veränderte Gesellschaften genutzt werden könnten, so liege eine solche Situation bei einem Verlustrücktrag nicht vor. Vielmehr nutzten wirtschaftlich nur diejenigen Anteilseigner den Verlust, die ihn während ihrer Beteiligungszeit auch erwirtschaftet hätten. In seinem nachfolgend dazu ergangenen Revisionsurteil vom 28.11.2019 (I R 41/18) habe es der BFH zumindest für möglich gehalten, dass entgegen der Ansicht des BMF bei einem unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb ein Rücktrag der bis zum schädlichen Beteiligungserwerb entstandenen laufenden Verluste möglich bleibe.
18Nach Rn. 31 des BMF-Schreibens vom 28.11.2017 zu § 8c KStG trete dessen Rechtsfolge zudem grundsätzlich in dem Wirtschaftsjahr ein, in dem die 50 %-Grenze überschritten werde. Das Wirtschaftsjahr der E GmbH, in dem der Verlust entstanden sei, habe aber nur vom 01.01.2018 bis zum 30.09.2018 gedauert. In diesem Zeitraum habe keine schädliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen stattgefunden. Im Gegensatz zum Beklagten sei das Finanzgericht überdies nicht an ein BMF-Schreiben gebunden.
19Dem beantragten Verlustrücktrag stehe auch nicht entgegen, dass der Beklagte im Körperschaftsteuerbescheid für 2018 die negative Summe der Einkünfte als „nach § 8c KStG nicht berücksichtigungsfähigen Verlust des laufenden Veranlagungszeitraums“ bezeichnet habe. Denn Feststellungen über die Höhe des vor- oder zurückgetragenen Verlustes im Bescheid des Jahres der Verlustentstehung seien keine Grundlagenbescheide für die Veranlagung des vorangegangenen Jahres (so der BFH im Verfahren I R 41/18 unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung). Wie der BFH in seinem Urteil vom 28.11.2018 in der Sache I R 61/16 entschieden habe, sei ein Einspruch gegen den Steuerbescheid des Verlustentstehungsjahres das falsche Rechtsmittel, um einen Verlustrücktrag zu erstreiten, und könne auch nicht als „richtiger“ Einspruch gegen den Bescheid des Rücktragsjahres ausgelegt werden. Im Streitfall werde eine Herabsetzung der Körperschaftsteuer 2017 infolge des Verlustrücktrags begehrt, was nur über eine Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2017 zu erreichen sei.
20In der mündlichen Verhandlung ist für die Klägerin niemand erschienen. In der Klageschrift hatte die Klägerin den Antrag angekündigt,
21den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 06.12.2019 und der Einspruchsentscheidung vom 16.01.2020 dazu zu verpflichten, die Körperschaftsteuer 2017 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags i.H.v. 14.058 € festzusetzen.
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen;
24hilfsweise, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des BVerfG in dem Verfahren 2 BvL 19/17 auszusetzen;
25äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.
26Er verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Einspruchsentscheidung. An die im BMF-Schreiben vom 28.11.2017 zu § 8c KStG vertretene Rechtsauffassung sei er gebunden. Überdies hätte die Frage, ob ein Verlustrücktrag in das Jahr 2017 möglich sei, seines Erachtens im Verlustentstehungsjahr 2018 geklärt werden müssen, auch wenn es sich bei dem Steuerbescheid des Verlustentstehungsjahres nicht um einen Grundlagenbescheid für das Rücktragsjahr handele. Gleichwohl ergebe sich über § 8c KStG aber die Situation eines untergegangenen Verlustes, wodurch es gar nicht erst zur Anwendung des § 10d EStG komme. Damit seien Verlustvor- und -rücktrag gleichermaßen ausgeschlossen.
27In dem Verfahren I R 61/16 habe der BFH sich überdies nur dazu geäußert, ob ein Einspruch und eine Klage gegen das Verlustentstehungsjahr dahingehend auslegungsfähig seien, dass auch das Rücktragsjahr habe angefochten werden sollen. Dass ein Verfahren gegen das Verlustentstehungsjahr das falsche Rechtsmittel zur Erreichung eines Rücktrags sei, habe der BFH hingegen nicht entschieden. Auch das FG Münster als Vorinstanz zu dem Verfahren habe keine dahingehende Entscheidung getroffen, da es die Klage gegen das Verlustentstehungsjahr andernfalls hätte zurückweisen müssen, was jedoch nicht geschehen sei. Tatsächlich sei die Revision betreffend das Verlustentstehungsjahr auch nach dem im Verfahren I R 41/18 ergangenen Urteil zum Rücktragsjahr weiterbetrieben worden und habe letztlich zum Erfolg geführt. Aufgrund der im Urteilsfall vollzogenen Anteilsübertragung von unter 50 % habe das Finanzamt die Revision zurückgenommen und dem Klagebegehren entsprochen.
28Mit Schriftsätzen vom 22.09.2022 und 04.11.2022 hat der Beklagte das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das beim BVerfG anhängige Normenkontrollverfahren 2 BvL 19/17 beantragt und klargestellt, dass seines Erachtens nicht die (Aufwärts-) Verschmelzung der E GmbH auf die Klägerin einen schädlichen Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG bezogen auf die Anteile an der E GmbH darstelle, sondern vielmehr der mit Vertrag vom 17.10.2018 erfolgte Erwerb der Anteile der E GmbH durch die Klägerin. Die auf den 30.09.2018 zurückbezogene Verschmelzung habe lediglich dazu geführt, dass sich der Ermittlungszeitraum für das laufende Ergebnis der E GmbH verkürzt habe, nicht aber dazu, dass die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag vollzogene Anteilsübertragung mit steuerlicher Wirkung rückgängig gemacht werde. Vielmehr gelte dieser i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG schädliche Erwerb nur bereits als am steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgt (vgl. Rn. 02.24 des UmwSt-Erlasses vom 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314).
29Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) lägen im Streitfall überdies nicht vor. Die Vorschrift gelte nur für Verluste, die der übernehmenden Kapitalgesellschaft für den Rückwirkungszeitraum (hier für die Zeit nach dem 30.09.2018) aufgrund der steuerlichen Rückwirkung des § 2 UmwStG als eigene Verluste zugerechnet würden. Im vorliegenden Fall gehe es aber um den bis zum Beginn des Rückwirkungszeitraums von der übertragenden Kapitalgesellschaft erzielten Verlust.
30In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte an seinem vorherigen schriftsätzlichen Vortrag, dass die Frage der Möglichkeit eines Verlustrücktrags in das Jahr 2017 im Verlustentstehungsjahr 2018 hätte geklärt werden müssen, nicht länger festgehalten. Zudem hat er sich von seinem früheren Vortrag distanziert, dass der im Rückwirkungszeitraum vollzogene schädliche Anteilserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG aufgrund der rückwirkenden Verschmelzung bereits als am steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgt gelte. Gleichwohl mache die steuerliche Rückwirkung der Verschmelzung den schädlichen Anteilserwerb aber nicht ungeschehen. Wirtschaftlich möge ein Rücktrag des unterjährig bis zum schädlichen Beteiligungserwerb angefallenen Verlusts auf das Vorjahr zwar durchaus sachgerecht sein. Technisch sei dies aber nicht möglich, da die Verlustfeststellung nach § 10d EStG stets auf den 31.12. eines Kalenderjahres erfolge und der Verlust zu diesem Zeitpunkt bereits nach § 8c KStG untergegangen sei. Ungeachtet dessen sei aber ein nach dem unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb bis zum 31.12. entstandener Verlust nach Verwaltungsauffassung rücktragsfähig.
Die zulässige Klage ist begründet.
32Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 06.12.2019 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16.01.2020 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
33Die am 17.10.2018 erfolgte Übertragung der Anteile an der E GmbH sowie die am 31.10.2018 vereinbarte und auf den 30.09.2018 als steuerlichen Übertragungsstichtag zurückbezogene Verschmelzung der E GmbH auf die Klägerin schließen den Rücktrag des von der E GmbH bis zum 30.09.2018 erzielten Verlusts in den Veranlagungszeitraum 2017 nicht aus.
34I. Der Senat durfte gemäß § 91 Abs. 2 FGO trotz Nichterscheinens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Sache verhandeln und entscheiden. Die Klägerin ist am 26.09.2022 unter Hinweis darauf, dass im Falle ihres Ausbleibens auch ohne sie verhandelt und entschieden werden könne, ordnungsgemäß zum ursprünglich für den 18.10.2022 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Die Ladung wurde der Klägerin mittels Postzustellungsurkunde am 28.09.2022 zugestellt. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 17.10.2022, der Klägerin zugestellt am 18.10.2022, wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung nachfolgend auf den 08.12.2022 verlegt. Eines erneuten Hinweises gemäß § 91 Abs. 2 FGO bedurfte es hierbei nicht (vgl. Herbert in: Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 91 Rn. 10 m.w.N.). Eine Aufhebung oder Verlegung dieses Termins wurde von der Klägerin nicht beantragt. Gründe für eine Terminsaufhebung oder -verlegung nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) wurden von ihr weder vorgetragen noch sind diese anderweitig ersichtlich.
35II. Die Klage ist zulässig.
36Das von der Klägerin verfolgte Begehren, einen Rücktrag des in dem Rumpfwirtschaftsjahr 01.01.2018 bis 30.09.2018 bei der E GmbH entstandenen Verlustes in das Streitjahr 2017 zu erreichen, ist als Verpflichtungsbegehren i.S.d. § 40 Abs. 1 FGO zulässig.
371. Der Senat versteht die in § 2 des Verschmelzungsvertrags vom 31.10.2018 getroffene Regelung dahingehend, dass handelsrechtlicher Stichtag der Verschmelzung der E GmbH auf die Klägerin i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG der 01.10.2018 war. Dies beruht darauf, dass die Klägerin das Vermögen der E GmbH im Innenverhältnis ab dem 01.10.2018 (0.00 Uhr) übernehmen sollte. Stichtag der Schlussbilanz i.S.d. § 17 Abs. 2 UmwG und damit steuerlicher Übertragungsstichtag i.S.d. § 2 Abs. 1 UmwStG war daher der dem Verschmelzungsstichtag unmittelbar vorausgehende Tag, mithin der 30.09.2018 (vgl. allgemein zum Verhältnis zwischen handelsrechtlichem Umwandlungs- und steuerlichem Übertragungsstichtag van Lishaut in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 2 Rn. 32 ff.).
38Steuerlich ist bei der E GmbH infolge der Verschmelzung ein vom 01.01.2018 bis zum 30.09.2018 laufendes Rumpfwirtschaftsjahr entstanden, ohne dass es insoweit eines Einvernehmens des Finanzamtes nach § 7 Abs. 4 Satz 3 KStG bedurfte (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2008 – I R 11/07, BFH/NV 2008, 1538 Rn. 17; ebenso Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 11 UmwStG Rn. 17; Rödder in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 11 Rn. 120). Diesbezüglich und hinsichtlich der steuerlichen Rückwirkung der Verschmelzung auf den 30.09.2018 besteht nach dem Verständnis des Senats trotz der missverständlichen Regelung in § 2 des Verschmelzungsvertrags auch zwischen den Beteiligten Einigkeit.
392. Wird der Antrag auf Änderung eines Steuerbescheids nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO – wie vorliegend – durch das Finanzamt abgelehnt, greifen Einspruch und Verpflichtungsklage ein, deren Gegenstand ausschließlich der geltend gemachte Änderungsanspruch ist (vgl. Heuermann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 164 AO Rn. 120 m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist über dieses Verpflichtungsbegehren, also den Grund und die Höhe des Verlustrücktrags, zudem ausschließlich im Rahmen der Veranlagung des Rücktragsjahres und nicht der Steuerfestsetzung oder eines Verlustfeststellungsbescheids des Verlustentstehungsjahres zu entscheiden. Insbesondere besteht keine Bindung der Steuerfestsetzung des Rücktragsjahres an die Steuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahres (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.03.2020 – IX R 24/19, BFH/NV 2020, 873 m.w.N.). Entgegen der ursprünglichen Auffassung des Beklagten ist die Frage, ob ein Rücktrag des unterjährig bis zum 30.09.2018 aufgelaufenen Verlusts der E GmbH in das Jahr 2017 möglich ist, daher ausschließlich im Rahmen einer die Körperschaftsteuerfestsetzung 2017 betreffenden Klage zu klären.
40Der Zulässigkeit des auf einen Verlustrücktrag gerichteten Klagebegehrens steht die eingetretene Bestandskraft der Körperschaftsteuerfestsetzung 2018 jedenfalls nicht entgegen.
41III. Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, den gegenüber der E GmbH ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2017 vom 12.11.2018 auf Antrag der Klägerin als ihrer Rechtsnachfolgerin gemäß § 164 Abs. 2 AO dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen im Wege eines Verlustrücktrags i.H.v. 14.058 € reduziert wird. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der von der E GmbH in ihrem letzten steuerlichen Wirtschaftsjahr vor der Verschmelzung – dem Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.01.2018 bis zum 30.09.2018 – erzielte Verlust i.H.v. 14.058 € zurückzutragen.
421. Nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von 1.000.000 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor anderen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag). Gemäß § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG ist auf Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise von der Anwendung des § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG abzusehen, d.h. es besteht ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, ob ein im jeweiligen Veranlagungszeitraum nicht ausgeglichener Verlust in das Vorjahr zurückgetragen oder aber gemäß § 10d Abs. 2 EStG in das Folgejahr vorgetragen werden soll. Im Streitfall wurde von der Antragsmöglichkeit nach § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG kein Gebrauch gemacht. Damit verblieb es grundsätzlich bei dem verpflichtenden Regelabzug nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG in Gestalt des von Amts wegen vorzunehmenden Verlustrücktrags im höchstmöglichen Umfang.
43Dem Verlustrücktrag zugänglich sind sämtliche steuerbaren und steuerpflichtigen negativen Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 2 EStG, soweit sie nicht bereits bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte, also im Rahmen des Verlustausgleichs im Entstehungsjahr, ausgeglichen wurden (vgl. Vogel in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 10d EStG Rn. 110). Davon ausgenommen sind allerdings solche negativen Einkünfte, die nach der im Jahr ihrer Entstehung geltenden Rechtslage einem den Verlustrücktrag ausschließenden Verlustabzugsverbot unterliegen (vgl. z. B. Heinicke in: Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 10d Rn. 11; Ratschow in: BeckOK EStG, 14. Edition (Stand: 01.10.2022), § 10d Rn. 60, 158).
442. Im Streitfall greift kein Abzugsverbot ein, das einem Rücktrag des im Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.01.2018 bis zum 30.09.2018 auf Ebene der E GmbH entstandenen Verlusts i.H.v. 14.058 € in den Veranlagungszeitraum 2017 entgegenstünde. Ein Abzugsverbot lässt sich weder den umwandlungssteuerrechtlichen Regelungen noch § 8c KStG entnehmen.
45a) Ein solches Verbot ergibt sich zunächst nicht aus den auf die Verschmelzung der E GmbH auf die Klägerin anwendbaren Regelungen des UmwStG, insbesondere nicht aus § 12 Abs. 3 UmwStG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG und § 2 Abs. 4 UmwStG.
46aa) Gemäß § 12 Abs. 3, 1. Halbsatz UmwStG tritt die übernehmende Körperschaft aufgrund der Verschmelzung in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Nach § 12 Abs. 3, 2. Halbsatz i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG wird die Übernahme der steuerlichen Rechtsstellung aber in Bezug auf steuerliche Verlustpositionen der übertragenden Körperschaft eingeschränkt. Danach gehen verrechenbare Verluste, verbleibende Verlustvorträge, vom übertragenden Rechtsträger nicht ausgeglichene negative Einkünfte, ein Zinsvortrag i.S.d. § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG und ein EBITDA-Vortrag i.S.d. § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG im Zuge der Verschmelzung nicht auf die übernehmende Körperschaft über.
47Da § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG u.a. von den „vom übertragenden Rechtsträger nicht ausgeglichenen negativen Einkünften“ spricht, findet die Vorschrift auch auf einen laufenden Verlust Anwendung, der auf Ebene der übertragenden Körperschaft – hier: der E GmbH – in dem am steuerlichen Übertragungsstichtag – hier: am 30.09.2018 – endenden Wirtschaftsjahr entsteht (vgl. Martini in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwStG Rn. 194; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 4 UmwStG Rn. 77). Ausweislich ihres Wortlauts betrifft die Regelung aber nur den Verlusttransfer von der übertragenden auf die übernehmende Körperschaft und lässt Verlustnutzungsmöglichkeiten, die sich auf Ebene der übertragenden Körperschaft bieten (vgl. dazu Martini in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwStG Rn. 199 ff.), unberührt. Einem Rücktrag des im (Rumpf-)Wirtschaftsjahr bis zur Verschmelzung von der übertragenden Körperschaft erlittenen Verlusts in das Vorjahr zwecks Ausgleichs mit einem von dieser im Vorjahr erzielten Gewinn steht das Übertragungsverbot nach § 12 Abs. 3, 2. Halbsatz UmwStG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG daher nicht entgegen. Denn insoweit handelt es sich um eine Verlustnutzung auf Ebene der übertragenden Körperschaft selbst, nicht um einen Verlusttransfer auf die übernehmende Körperschaft, dessen Unterbindung § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG bezweckt.
48bb) Ferner ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG der Ausgleich oder die Verrechnung eines Übertragungsgewinns mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden Verlustvorträgen, nicht ausgeglichenen negativen Einkünften, einem Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG und einem EBITDA-Vortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG (Verlustnutzung) des übertragenden Rechtsträgers nur zulässig, wenn dem übertragenden Rechtsträger die Verlustnutzung auch ohne Anwendung von § 2 Abs. 1 und 2 UmwStG möglich gewesen wäre. Für negative Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum gilt dies entsprechend (§ 2 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 UmwStG beschränkt somit die Verlustnutzung durch rückbezogene Umwandlungen und soll verhindern, dass ein nach § 8c KStG untergegangener Verlust durch eine rückwirkende Umwandlung „wiederbelebt“ wird, indem die Verlustnutzung vor den schädlichen Beteiligungserwerb verlegt wird (vgl. van Lishaut in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 2 Rn. 169).
49(1) § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG betrifft insoweit die vom übertragenden Rechtsträger bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag erzielten Verluste und deren Nutzung auf Ebene des übertragenden Rechtsträgers. Allerdings beschränkt sich sein Anwendungsbereich dem Wortlaut nach auf den Ausschluss des Ausgleichs oder der Verrechnung von Verlusten des übertragenden Rechtsträgers mit einem „Übertragungsgewinn“. Dies ist der auf Ebene der übertragenden Körperschaft entstehende Gewinn nach § 11 Abs. 1 oder Abs. 2 UmwStG, der sich ergibt, wenn in der steuerlichen Schlussbilanz nicht die Buchwerte angesetzt werden (vgl. das Beispiel bei von Lishaut in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 2 Rn. 170). Im Streitfall begehrt die Klägerin aber nicht den Ausgleich oder die Verrechnung des von der E GmbH vom 01.01.2018 bis zum 30.09.2018 erlittenen Verlustes mit einem von ihr aufgrund der Verschmelzung erzielten Übertragungsgewinn, sondern mit einem von der E GmbH im Vorjahr 2017 erwirtschafteten laufenden Gewinn. § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG steht einem entsprechenden Verlustrücktrag folglich nicht entgegen.
50(2) Soweit § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwStG die entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG für negative Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum anordnet, steht diese Vorschrift einem Verlustrücktrag ebenfalls nicht entgegen. § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwStG setzt zwar im Gegensatz zu § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG keinen Übertragungsgewinn nach § 11 Abs. 1 UmwStG voraus, betrifft aber bei gebotener teleologischer Auslegung (vgl. dazu Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 2 UmwStG Rn. 149 ff.; Mückl in: BeckOK UmwStG, 23. Edition (Stand: 01.10.2022), § 2 Rn. 1505) nur die Verluste des übertragenden Rechtsträgers, die bei diesem in der Zeit nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag angefallen sind, und beschränkt deren Nutzung auf Ebene des übernehmenden Rechtsträgers. Anders als bei § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwStG ist Adressat des § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwStG somit der übernehmende Rechtsträger, dem das Ergebnis des übertragenden Rechtsträgers aufgrund der steuerlichen Rückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 1 UmwStG als eigenes zuzurechnen ist (vgl. Loose in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 2 UmwStG Rn. 84).
51Unstreitig geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht um die Nutzbarkeit von nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag bei der E GmbH angefallenen Verlusten auf Ebene der Klägerin, sondern um den Abzug des bis zu diesem Stichtag von der E GmbH erzielten Verlusts von ihrem Gesamtbetrag der Einkünfte des Vorjahres. Da der Beklagte § 2 Abs. 4 UmwStG im Streitfall ebenfalls nicht für einschlägig hält, sieht der Senat von weiteren diesbezüglichen Ausführungen ab.
52b) Entgegen der Auffassung des Beklagten wird der von der Klägerin begehrte Verlustrücktrag auch nicht durch § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ausgeschlossen.
53Danach sind, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, der Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (schädlicher Beteiligungserwerb), die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste vollständig nicht mehr abziehbar (vgl. Art. 6 Nr. 2 i.V.m. Nr. 6 Buchst. b Satz 1, Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338).
54aa) Die aufgrund des Vertrags vom 31.10.2018 mit steuerlicher Rückwirkung auf den 30.09.2018 vollzogene Aufwärtsverschmelzung der E GmbH auf die Klägerin stellt keinen schädlichen Beteiligungserwerb in diesem Sinne dar.
55Zwar kann die unmittelbare oder mittelbare Übertragung von Anteilen an einer Verlustkörperschaft durch einen Umwandlungs- und insbesondere einen Verschmelzungsvorgang grundsätzlich einen schädlichen Beteiligungserwerb bewirken (vgl. Leibner/Dötsch in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8c KStG Rn. 82; Neumann in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 1. Aufl. 2015, § 8c Rn. 108). Dies gilt jedoch nicht für den vorliegend gegebenen Fall der Aufwärtsverschmelzung einer Verlustkörperschaft auf ihre Alleingesellschafterin (vgl. letzter Satz der Darstellung der Variante b im Beispielsfall von Lang in: Bott/Walter, KStG, § 8c Rn. 119). In dieser Konstellation werden die Anteile der Alleingesellschafterin (hier: der Klägerin) an der Verlustkörperschaft (hier: der E GmbH) im Zuge der Verschmelzung nicht, wie es § 8c Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative KStG verlangt, auf einen Erwerber übertragen, sondern sie gehen unter (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG; vgl. Leonard/Simon in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 20 Rn. 73a). An die Stelle der Anteile der Alleingesellschafterin an der Verlustkörperschaft tritt das Betriebsvermögen der Verlustkörperschaft. Somit wird die Aufwärtsverschmelzung einer Verlust-Tochtergesellschaft auf ihre 100 %-ige Muttergesellschaft bereits nicht vom Gesetzeswortlaut des § 8c Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative KStG erfasst, ohne dass es insoweit auf die sog. Konzernklausel nach § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG ankäme.
56Auch der Ersatztatbestand eines „vergleichbaren Sachverhalts“ i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative KStG liegt nicht vor. Nach Verwaltungsauffassung stellt die Umwandlung auf eine Verlustgesellschaft zwar einen „vergleichbaren Sachverhalt“ nach § 8c Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative KStG dar, wenn durch die Umwandlung ein Beteiligungserwerb durch einen Erwerberkreis stattfindet (vgl. BMF-Schreiben vom 28.11.2017, BStBl. I 2017, 1645, Rn. 7). Vorliegend fehlt es jedoch sowohl an der Umwandlung „auf“ eine Verlustgesellschaft als auch an einem durch die Verschmelzung der E GmbH erfolgten Beteiligungserwerb durch einen Erwerberkreis.
57Wie der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 04.11.2022 klargestellt hat, teilt er die Auffassung, dass die Verschmelzung der E GmbH auf die Klägerin nicht zu einem schädlichen Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG bezogen auf die Anteile an der E GmbH geführt hat. Vor diesem Hintergrund verzichtet der Senat auf weitere Ausführungen.
58bb) Demgegenüber lässt sich der im steuerlichen Rückwirkungszeitraum erfolgte Erwerb sämtlicher Anteile der E GmbH von deren übrigen (Fremd-)Gesellschaftern als schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG qualifizieren. Zwar hat die Klägerin mit Vertrag vom 17.10.2018 nur Anteile im Nennwert von 115.000 € am 500.000 € betragenden Stammkapital der E GmbH erworben, was einem Anteil von 23 % entspricht. Allerdings mindern die von der E GmbH gehaltenen eigenen Anteile im Nennwert von 385.000 € die für § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG maßgebliche Bezugsgröße. Für die Prüfung, ob die quantitativen Voraussetzungen für einen schädlichen Beteiligungserwerb erfüllt sind, ist daher das Verhältnis der übertragenen Bezugsgröße zum Betrag der um die eigenen Anteile gekürzten Bezugsgröße maßgebend (vgl. Suchanek in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8c KStG Rn. 23). Im Ergebnis stellt der am 17.10.2018 erfolgte Anteilserwerb durch die Klägerin somit für Zwecke des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG einen schädlichen Anteilserwerb im Umfang von 100 % dar.
59Der Senat teilt hingegen nicht die vom Beklagten im vorbereitenden Verfahren unter Bezugnahme auf Rn. 02.24 des UmwSt-Erlasses vom 11.11.2011 vertretene Ansicht, dass der mit Vertrag vom 17.10.2018 erfolgte schädliche Beteiligungserwerb aufgrund der steuerlich auf den 30.09.2018 zurückwirkenden Verschmelzung bereits als am 30.09.2018 vollzogen gilt. Gemäß der vom Beklagten angeführten Rn. 02.24 desUmwSt-Erlasses vom 11.11.2011 gelten im Falle des im steuerlichen Rückwirkungszeitraum erfolgenden Erwerbs von Anteilen an der übertragenden Körperschaft durch die übernehmende Körperschaft diese Anteile von der übernehmenden Körperschaft als am steuerlichen Übertragungsstichtag erworben (§ 12 Abs. 2 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 5 Abs. 1 UmwStG). Der Gewinn der Übernehmerin ist daher so zu ermitteln, als hätte sie die Anteile an der Überträgerin bereits am steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft.
60Nach dem Verständnis des Senats gilt diese durch § 12 Abs. 2 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 5 Abs. 1 UmwStG vorgeschriebene Fiktion jedoch nur für Zwecke der Ermittlung des Übernahmeergebnisses i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, d.h. des Unterschiedsbetrags zwischen dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter von der übernehmenden Körperschaft zu übernehmen sind (abzüglich der Kosten für den Vermögensübergang). Bei der Verschmelzung zweier Körperschaften sind danach nicht nur die Anteile an der übertragenden Körperschaft in die Berechnung des Übernahmeergebnisses der übernehmenden Körperschaft einzubeziehen, die die übernehmende Körperschaft bereits am steuerlichen Übertragungsstichtag hielt, sondern auch die Anteile, die sie erst nach diesem Stichtag erworben hat. Für eine darüber hinausgehende Reichweite der Fiktion nach § 12 Abs. 2 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 5 Abs. 1 UmwStG bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere führt sie nach Einschätzung des Senats bezogen auf den Streitfall nicht dazu, dass auf Ebene der E GmbH fiktiv von einem bereits am 30.09.2018 verwirklichten schädlichen Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG auszugehen wäre. Hiergegen spricht die systematische Stellung der Vorschrift, da § 12UmwStG die Besteuerung der übernehmenden Körperschaft, also der Klägerin, betrifft und § 12 Abs. 2 UmwStG allein die Übernahmeergebnisermittlung zum Gegenstand hat. Auch aus den Kommentierungen zu § 5 Abs. 1 UmwStG ergibt sich kein Hinweis darauf, dass § 12 Abs. 2 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 5 Abs. 1 UmwStG darüber hinaus zu einer Verschiebung des Zeitpunkts des schädlichen Beteiligungserwerbs i.S.d. § 8c KStG auf den steuerlichen Übertragungsstichtag führen würde. Zwar wird die Frage aufgeworfen, ob sich der Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag der Verschmelzung oder nach dem Zeitpunkt des zivilrechtlichen Anteilsübergangs bestimmt, wenn die Anteile an einer Verlustgesellschaft durch eine Verschmelzung auf einen übernehmenden Rechtsträger übergehen und hierdurch ein schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c KStG bewirkt wird (vgl. Schießl in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Vor § 11 UmwStG Rn. 160 ff. m.w.N.). Dies betrifft aber einen anderen Fall als den vorliegenden, da der schädliche Beteiligungserwerb im Streitfall gerade nicht durch eine Verschmelzung, sondern durch den im Rückwirkungszeitraum (am 17.10.2018) erfolgten Anteilserwerb seitens der Klägerin eingetreten ist. Im Übrigen vertritt die Finanzverwaltung in Rn. 15 des BMF-Schreibens vom 28.11.2017 zu § 8c KStG (BStBl. I 2017, 1645) selbst die Auffassung, dass der steuerliche Rückbezug eines schädlichen Beteiligungserwerbs infolge einer Umwandlung ausscheide. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte daran in Bezug auf den Streitfall ebenfalls nicht mehr festgehalten.
61cc) Letztlich kommt es aber nicht in entscheidungserheblicher Weise darauf an, ob der mit Vertrag vom 17.10.2018 erfolgte schädliche Beteiligungserwerb durch die Klägerin aufgrund der rückwirkenden Verschmelzung der E GmbH bereits als am 30.09.2018 vollzogen gilt oder ob er steuerlich wegen § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG eliminiert wird. Denn unabhängig davon, wie sich die Rückwirkung der Verschmelzung auf den schädlichen Beteiligungserwerb auswirkt, besteht die Rechtsfolge des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG aus Sicht des Senats jedenfalls nicht in einem Ausschluss des von der Klägerin begehrten Verlustrücktrags.
62Die Finanzverwaltung vertritt in Rn. 2 und Rn. 31 Satz 2 und 3 des BMF-Schreibens vom 28.11.2017 (BStBl. I 2017, 1645) die Auffassung, die Abzugsbeschränkung des § 8c KStG sei auf alle nicht ausgeglichenen und nicht abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) anwendbar und umfasse insbesondere auch die Verluste nach § 10d EStG (Verlustvor- und -rücktrag). Verluste, die bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs entstanden seien, dürften weder mit danach entstandenen Gewinnen ausgeglichen oder von ihnen abgezogen noch in vorangegangene Veranlagungszeiträume zurückgetragen werden. Hieraus zieht der Beklagte für den Streitfall den Schluss, dass der im Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.01.2018 bis zum 30.09.2018 von der E GmbH erwirtschaftete Verlust nicht in das Streitjahr 2017 zurückgetragen werden könne.
63Dem folgt der Senat nicht. Vielmehr schließt er sich der aufgrund des BFH-Urteils vom 30.11.2011 (I R 14/11, BStBl II 2012, 360) vom FG Münster in seiner Entscheidung vom 21.07.2016 (9 K 2794/15 K, F, EFG 2016, 1546) vertretenen Auffassung an, wonach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG die Möglichkeit eines Verlustrücktrags in Bezug auf unterjährig bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielte Verluste nicht einschränkt. Tragend für diese Sichtweise ist der Zweck des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG, das wirtschaftliche Engagement vor und nach dem schädlichen Beteiligungswechsel voneinander zu trennen.
64Dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG lässt sich ein Ausschluss des Verlustrücktrags nicht eindeutig entnehmen. Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt der Regelung zudem der Gedanke zugrunde, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners (oder Anteilseignerkreises) ändert. Die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste sollen unberücksichtigt bleiben, soweit sie auf dieses neue wirtschaftliche Engagement entfallen (vgl. Fraktionsentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drucks. 16/4841, S. 75 f.). Daraus wird nach Auffassung des Senats deutlich, dass der Gesetzgeber die Verlustnutzung mit der wirtschaftlichen Identität der Gesellschaft, die durch den Anteilseigner(-kreis) bestimmt wird, verknüpfen wollte. Fallen jedoch wirtschaftliche Identität und Erwirtschaftung des Verlusts zeitlich zusammen, so besteht danach kein Grund, den Verlustabzug zu beschränken.
65Der Senat verkennt dabei nicht, dass sich die Entscheidung, von einem Antrag nach § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG abzusehen, als eine Entscheidung des neuen Anteilseigners (hier: der Klägerin) darstellt, der damit die Verlustnutzung steuert (vgl. zu diesem Kriterium Fraktionsentwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, BT-Drucks. 16/4841, S. 34 f.). Auch ist es, wie der Streitfall zeigt, im Falle der Verschmelzung einer Verlustkörperschaft deren Rechtsnachfolger, der – vorbehaltlich anderslautender vertraglicher Vereinbarungen – von dieser Entscheidung profitiert. Dennoch hat der BFH in seinem Urteil vom 30.11.2011 (I R 14/11, BStBl II 2012, 360) zur Auslegung des § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG in einer spiegelbildlichen Situation (bis zum unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb erzielter Gewinn, verbleibender Verlustvortrag zum 31.12. des Vorjahres) entschieden, dass Gegenstand des Verlustabzugsverbots nach § 8c KStG entweder die Summe aus dem verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12. des Vorjahres und dem „laufenden Verlust“ bis zum schädlichen Beteiligungserwerb oder aber der Saldo aus dem verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12. des Vorjahres und dem „laufenden Gewinn“ bis zum schädlichen Beteiligungserwerb sein kann. Zu der letztgenannten Auslegung ist der BFH unter Rückgriff auf den Regelungszweck des § 8c KStG gelangt und hat bei einem unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb die Möglichkeit bejaht, einen bis zum Zeitpunkt des schädlichen Anteilserwerbs in diesem Wirtschaftsjahr erzielten Gewinn mit einem bisher noch nicht genutzten Verlust zu verrechnen. Der Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG liege nach der Gesetzesbegründung – so der BFH – der Gedanke zugrunde, dass sich ungeachtet des Trennungsprinzips die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners ändere. Die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste sollten für das „neue wirtschaftliche Engagement“ unberücksichtigt bleiben. Wenn das wirtschaftliche Ergebnis der Kapitalgesellschaft nach dem schädlichen Beteiligungserwerb gemäß dem Regelungszweck des § 8c KStG von dem vor diesem Zeitpunkt erwirtschafteten (negativen) Ergebnis unbeeinträchtigt bleiben solle, spreche nichts dafür, bei dieser Separierung ein vor diesem Zeitpunkt erzieltes positives Zwischenergebnis auszusparen. Denn der bisher nicht ausgeglichene Verlust (Verlustvortrag) werde in der Höhe eines bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielten Gewinns gerade nicht für das „neue“, sondern noch für das „alte“ wirtschaftliche Engagement genutzt (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.2011 – I R 14/11, BStBl II 2012, 360 Rn. 16). Insoweit stelle der schädliche Beteiligungserwerb eine zeitliche Zäsur dar.
66In Fortführung dieses Gedankens hat das FG Münster entschieden, dass ein unterjährig bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs angefallener Verlust ungeachtet des § 8c KStG in das Vorjahr zurückgetragen und vom positiven Gesamtbetrag der Einkünfte dieses Jahres abgezogen werden könne. Ein Verlustrücktrag werde ausgehend von dessen Regelungszweck von § 8c KStG insgesamt nicht berührt, da durch den Verlustrücktrag lediglich diejenigen Anteilseigner den Verlust nutzten, die ihn während ihres wirtschaftlichen Engagements auch getragen hätten. Dass der Gesetzgeber die Verlustnutzung durch eine Kapitalgesellschaft für solche Zeiträume habe einschränken wollen, in denen unverändert dieselben Anteilseigner an ihr beteiligt gewesen seien wie im Zeitraum der Verlustentstehung, ergebe sich weder aus dem Tatbestand des § 8c KStG noch aus den Gesetzesmaterialien. Eine sachliche Rechtfertigung für eine Versagung des Verlustrücktrags in derartigen Fällen sei nicht erkennbar, insbesondere lasse sich insoweit angesichts der Schwere des mit § 8c KStG verbundenen Eingriffs für den Steuerpflichtigen nicht der mit § 8c KStG verfolgte Vereinfachungszweck anführen (so FG Münster, Urteil vom 21.07.2016 – 9 K 2794/15 K, F, EFG 2016, 1546 Rn. 58 f.).
67Auch die Literatur vertritt die Auffassung, dass negative Einkünfte, die im Wirtschaftsjahr des schädlichen Beteiligungserwerbs dem Zeitraum vor dem Zeitpunkt dieses schädlichen Erwerbs zuzuordnen seien, zwar insoweit der Abzugsbeschränkung nach § 8c KStG unterlägen, als sie nicht in die danach folgenden Wirtschaftsjahre vorgetragen werden könnten. Dagegen verbiete es § 8c KStG jedoch nicht, die im Wirtschaftsjahr des schädlichen Anteilserwerbs dem Zeitraum vor dem Zeitpunkt dieses Erwerbs zuzuordnenden Verluste in das Wirtschaftsjahr vor der Anteilsübertragung zurückzutragen. Was nach der BFH-Entscheidung vom 30.11.2011 (I R 14/11) für einen unterjährigen Gewinn gelte, müsse konsequenterweise auch auf einen unterjährigen Verlust übertragen werden, da im Falle seines Rücktrags ebenfalls keine Verlustübertragung in den Zeitraum nach dem schädlichen Beteiligungserwerb erfolge (vgl. Brandis in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8c KStG Rn. 56; Suchanek in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8c KStG Rn. 32; Roser in: Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8c Rn. 96; Leibner/Dötsch in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG Rn. 159 f.; Frotscher in: Frotscher/Drüen, KStG, § 8c Rn. 80a; Thonemann-Micker/Kanders in: BeckOK KStG, 14. Edition (Stand 25.10.2022), § 8c Rn. 158; Hackemann in: Mössner/Oellerich/Valta, KStG, 5. Aufl. 2021, § 8c Rn. 438; jeweils m.w.N.).
68Der erkennende Senat hält diese Ansicht für überzeugend und sieht sie im Einklang mit der im Urteil vom 30.11.2011 (I R 14/11) zum Ausdruck gekommenen Auffassung des BFH, der trotz Zulassung der Revision gegen das o.g. Urteil des FG Münster im Rahmen des anschließenden Revisionsverfahrens aus verfahrensrechtlichen Gründen keine Gelegenheit hatte, sich zu der materiellen Streitfrage des Verlustrücktrags trotz schädlichen Beteiligungserwerbs zu äußern (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.2018 – I R 61/16, BFH/NV 2019, 898 und Zwischenurteil vom 28.11.2018 – I R 41/18, BFH/NV 2019, 1109 mit anschließender Rücknahme der Revision nach Ergehen der Entscheidung des BVerfG in dem Verfahren 2 BvL 6/11).
69Soweit der Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung zur Rechtfertigung seines Standpunktes darauf berufen hat, dass die Finanzverwaltung einen Verlustrücktrag nicht gänzlich ausschließe und einen im Zeitraum nach dem unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb bis zum 31.12. entstandenen Verlust nach dem Wortlaut des § 8c KStG für rücktragsfähig halte (so auch Leibner/Dötsch in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG Rn. 159, 154; Neumann in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 1. Aufl. 2015, § 8c Rn. 178; Lang in: Bott/Walter, KStG, § 8c Rn. 74), spricht dies aus Sicht des Senats nicht für, sondern vielmehr gegen die vom Beklagten im Streitfall vertretene Auffassung. Die nach dem unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb erzielten Verluste sind durch das wirtschaftliche Engagement des neuen Anteilseigners verursacht. Wenn die Finanzverwaltung einen Abzug dieser Verluste vom noch durch das Engagement des früheren Anteilseigners erwirtschafteten positiven Ergebnis des Vorjahres zulässt, liegt es mit Blick auf den Regelungszweck des § 8c KStG nahe, Verluste und Gewinne, die durch das wirtschaftliche Engagement ein und desselben Anteilseigners verursacht wurden, erst recht miteinander verrechnen zu können.
70Gegen die Zulassung des Rücktrags eines im Wirtschaftsjahr des schädlichen Beteiligungserwerbs unterjährig bis zum Zeitpunkt seiner Verwirklichung angefallenen Verlustes in das Vorjahr lässt sich entgegen der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht auch nicht mit Erfolg einwenden, dass es sich bei diesem Verlust nur um ein rein rechnerisches Teiljahresergebnis handele, das einem Verlustrücktrag aufgrund des Wortlauts und der Regelungssystematik des § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG nicht zugänglich sei (so aber Neumann in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 1. Aufl. 2015, § 8c Rn. 178; ebenso Lang in: Bott/Walter, KStG, § 8c Rn. 73).
71Zwar spricht § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG von „negativen Einkünften, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden“ und entsteht ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte grundsätzlich erst mit Ablauf des gemäß §§ 7 Abs. 3 Satz 1, 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 1 EStG dem Kalenderjahr entsprechenden Veranlagungszeitraums. Gleichwohl bezieht sich die Finanzverwaltung in Rn. 33 Satz 3 des BMF-Schreibens vom 28.11.2017 selbst auf einen „bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erwirtschafteten Gesamtbetrag der Einkünfte“. Des Weiteren legt auch der Wortlaut des § 8c KStG bis zu seiner rückwirkenden Änderung durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl. I 2018, 2338) sowie nach seiner erneuten Änderung durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2451) nahe, dass der Gesetzgeber von einem unterjährigen Verlustabzugskonzept ausgeht. Danach ist in § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG von den „bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünften (nicht genutzte Verluste)“ die Rede. Der Terminus „bis zum schädlichen Beteiligungserwerb“ bezieht sich dabei nicht nur auf den Ausgleich, sondern auch auf den Abzug von Verlusten einschließlich des Verlustrücktrags nach § 10d Abs. 1 EStG, wobei dem Gesetzgeber klar gewesen sein muss, dass schädliche Beteiligungserwerbe nicht stets mit dem Kalenderjahresende zusammenfallen (so auch Weiss/Brühl, DStZ 2018, 451, 456). Dem zwischenzeitlichen Wegfall der in § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG enthaltenen Legaldefinition der „nicht genutzten Verluste“ infolge der ersatzlosen Aufhebung der Regelung zum anteiligen Untergang des Verlustvortrags bei Kapitalgesellschaften aufgrund des BVerfG-Beschlusses vom 29.03.2017 (2 BvL 6/11) misst der Senat insoweit keine inhaltliche Bedeutung zu, zumal die Definition im Zuge des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2020 wieder in die gesetzliche Regelung aufgenommen wurde (vgl. zur gesetzlichen Entwicklung BR-Drs. 372/1/18, S. 18 ff. und BR-Drs. 356/19, S. 145; für eine mit dem Wegfall der Legaldefinition intendierte „Entkoppelung“ des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG von § 10d EStG dagegen Kunas/Przybilka, Ubg 2019, 282, 286).
72Richtigerweise ist § 8c KStG als Modifikation des allgemeinen Verlustverrechnungskonzepts nach § 10d EStG zu verstehen. Verlustausgleich und -abzug sind danach, was auch mit Rn. 33 des BMF-Schreibens vom 28.11.2017 und der vom BFH betonten Zäsurwirkung des schädlichen Beteiligungserwerbs im Einklang stünde, bei einem unterjährig erfolgenden schädlichen Beteiligungserwerb auf den Zeitpunkt dieses Erwerbs durchzuführen (vgl. Weiss/Brühl, DStZ 2018, 451, 456; Ronneberger, NWB 2016, 3300, 3303; ähnlich auch Brandis in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 8c KStG Rn. 56; Suchanek in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8c KStG Rn. 32 und Leibner/Dötsch in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG Rn. 160).
73Der Standpunkt des Beklagten erscheint demgegenüber unstimmig. Wenn, wie der Beklagte meint, der Verlust für Zwecke des § 8c KStG technisch erst am 31.12. eines Jahres und damit nach dem schädlichen Beteiligungserwerb „entsteht“, besteht letztlich kein Grund dafür, einen Rücktrag des wirtschaftlich dem Zeitraum vor diesem schädlichen Erwerb zuzuordnenden Verlusts zu versagen, denn auch nach Auffassung des Beklagten können – wie von ihm in der mündlichen Verhandlung angeführt – nach dem schädlichen Beteiligungserwerb entstandene Verluste ohne Weiteres zurückgetragen werden (so auch FG Münster, Urteil vom 21.07.2016 – 9 K 2794/15 K, F, EFG 2016, 1546 Rn. 61 und Weiss/Brühl, DStZ 2018, 451, 456).
74Schließlich vermag die Argumentation, dass ein auf den Zeitraum bis zu einem unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb entfallender Verlust nicht im Wege des Verlustrücktrags nutzbar sei, weil es sich formal nur um ein rechnerisch ermitteltes „Teiljahresergebnis“ handele und der Gesamtbetrag der Einkünfte erst zum Jahresende entstehe, jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Verlustkörperschaft durch eine unterjährige Verschmelzung untergeht und zum Jahresende nicht mehr existiert, nicht zu überzeugen. Bei dem von der E GmbH in ihrem letzten Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.01.2018 bis zum 30.09.2018 erwirtschafteten Verlust i.H.v. 14.058 € handelt es sich nicht nur um ein rein rechnerisches Teiljahresergebnis, sondern um einen – vorbehaltlich des Eingreifens des § 8c KStG – mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte des Veranlagungszeitraums 2018 identischen Verlust. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 KStG tritt aufgrund der unterjährigen Verschmelzung der E GmbH der Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 30.09.2018 an die Stelle ihres nach § 7 Abs. 3 Satz 2 KStG grundsätzlich dem Kalenderjahr entsprechenden Einkünfteermittlungszeitraums. Die Notwendigkeit einer „Schattenermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte“ (vgl. Neumann in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 1. Aufl. 2015, § 8c Rn. 178) besteht somit nicht. Ob durch eine nicht ganzjährig bestehende Steuerpflicht, wie vorliegend, auch der Veranlagungszeitraum verkürzt wird, ist offen (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2008 – I R 11/07, BFH/NV 2008, 1538 mit einem Überblick zum Meinungsstand). Sofern man davon ausgehen wollte, dass an die Stelle des Kalenderjahres als Veranlagungszeitraum in diesem Falle der (kürzere) Zeitraum der Körperschaftsteuerpflicht tritt (so Oellerich in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 31 KStG Rn. 17), fallen vorliegend der Ablauf des Veranlagungszeitraums und das Ende des Zeitraums, innerhalb dessen die E GmbH bis zum unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb einen Verlust erzielt hat, zusammen. Eine Versagung des Verlustrücktrags ließe sich unter diesen Umständen mit dem auf den Wortlaut und die Systematik des § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG gestützten Argument des Beklagten, selbst wenn man dieses grundsätzlich für überzeugend hielte, sachlich nicht rechtfertigen.
75dd) Nach Überzeugung des Senats berührt § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG nach alledem nicht die Höhe der für das Streitjahr festzusetzenden Körperschaftsteuer. Folglich besteht auch kein Grund dafür, das vorliegende Verfahren bis zum Abschluss des beim BVerfG anhängigen Normenkontrollverfahrens 2 BvL 19/17 gemäß § 74 FGO auszusetzen oder – was ohnehin eine diesbezügliche Zustimmung der Klägerin vorausgesetzt hätte – gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 251 ZPO ruhend zu stellen.
76IV. Die Steuerberechnung wird dem Beklagten entsprechend § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 709 ZPO.
77V. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da der Senat von der in Rn. 2 und 31 des BMF-Schreibens vom 28.11.2017 (BStBl. I 2017, 1645) zu § 8c KStG vertretenen Verwaltungsauffassung abweicht.