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Der Umsatzsteuerbescheid 2018 vom 01.02.2019 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2019 dergestalt abgeändert, dass Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 4.548,07 € berücksichtigt werden.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches des Klägers abwenden, soweit dieser nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
2Streitig ist die Höhe des abzugsfähigen Anteils der Vorsteuer aus der Insolvenzverwaltervergütung.
3Der Kläger war als Insolvenzverwalter im Verfahren des Insolvenzschuldners A eingesetzt (Beschluss AG B vom ....2014), nachdem er zuvor schon vorläufiger Insolvenzverwalter gewesen war. Der Insolvenzschuldner war als IT-Administrator selbständig tätig. Da nach seinem Gutachten im Insolvenzeröffnungsverfahren Fortführungsaussichten bestanden, führte der Kläger den Betrieb des Insolvenzschuldners im Wege der fachlichen Tätigkeit durch den Insolvenzschuldner weiter; dieser wickelte die von Kunden erteilten Aufträge für die Masse ab. Der Kläger gab für die Zeit der Weiterführung Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Der Abschlussbericht des Klägers datiert vom ....2016; wegen Einzelheiten wird auf diesen Bericht verwiesen.
4Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom ....2018 wurde dem Kläger eine Nettovergütung von 21.513,54 € zzgl. Umsatzsteuer von 4.087,56 € bewilligt. Am gleichen Tag wurde dem Kläger für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter eine Vergütung von netto 1.150,00 € zzgl. 218,50 € Umsatzsteuer zugesprochen. Unter dem ....2018 erteilte der Kläger entsprechende Rechnungen an die Insolvenzmasse. Am 28.11.2018 gab er zunächst eine unstreitig fehlerhafte, sodann eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 2018 ab, in welcher er ausschließlich Vorsteuerbeträge in Höhe von 4.661,32 € (darin enthalten 4.087,56 € + 218,50 € = 4.306,06 € Vorsteuer aus Insolvenzverwaltervergütung, der Rest ist unstreitig) deklarierte.
5Im Rahmen der Erörterung wies der Beklagte darauf hin, dass die geltend gemachte Vorsteuer nach Maßgabe des Verhältnisses der im Insolvenzverfahren geltend gemachten unternehmerischen und privaten Verbindlichkeiten aufzuteilen sei. Demgegenüber führte der Kläger aus, dass nach dem Schlussverzeichnis insgesamt Insolvenzforderungen i.H.v. 333.809,24 € angemeldet worden seien; davon entfielen allein auf den Beklagten 318.187,67 € (darin 261.222,52 € auf Forderungen aus Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag, Umsatzsteuer 56.965,15 €). Eine Vorsteueraufteilung nach den Vorstellungen des Beklagten sei indessen nicht sachgerecht. Er - der Kläger - beantragte eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der in der Zeit der Insolvenzverwaltung erzielten Gesamteinnahmen. Diese betrügen 272.555,72 €. Davon seien 265.390,58 € betrieblich begründet. Nach dem Umsatzschlüssel betrage die Vorsteuerquote somit 97,37 %.
6Der Beklagte errechnete eine Vorsteuerquote von 17,06% (56.965 €/333.809 €), die er im Bescheid vom 01.02.2019 auf die Vorsteuer aus den beiden Insolvenzverwaltervergütungen anwandte und so 734,61 € als abzugsfähig berücksichtigte (17,06% x 4.306,07 €). Die im Übrigen vom Beklagten angesetzte Vorsteuer von 355,26 € ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
7Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Entscheidung vom 17.04.2019 als unbegründet zurück.
8Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.
9Der Beklagte stütze seine Rechtsauffassung auf den Leitsatz des BFH-Urteiles vom 15.04.2015, V R 44/14, wonach der Insolvenzschuldner zum Vorsteuerabzug aus der Leistung des Insolvenzverwalters grundsätzlich nur im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten berechtigt sei. Bereits aus dem Leitsatz und durch den Gebrauch des Wortes „grundsätzlich" seien auch andere Aufteilungsmaßstäbe zulässig, ein starrer Maßstab werde eben nicht definiert.
10Dem Insolvenzrecht komme auch eine Sanierungsfunktion zu, wie sich aus dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) ergebe. Die bestmögliche Gläubigerbefriedigung sei kein absolutes Ziel der Insolvenzordnung.
11Insofern diene eine Fortführung des schuldnerischen Geschäftsbetriebes keinesfalls allein der größtmöglichen Befriedigung der Gläubiger, sondern auch der Sanierung des Schuldners bzw. des schuldnerischen Unternehmens. Deswegen und gerade auch im Hinblick auf das Institut der Restschuldbefreiung solle dem Schuldner ein Neuanfang und damit der Erhalt seiner Existenzgrundlagen ermöglicht werden.
12Schon deshalb könne im Fall einer Betriebsfortführung nicht einziger Maßstab der Anteil der betrieblichen an den Gesamtverbindlichkeiten sein. Ob die im vorgenannten BFH-Urteil gewählte Aufteilungsgrundlage in Form der angemeldeten Forderungen überhaupt sachgerecht sei, werde in der Literatur zu Recht kritisch gesehen (vgl. Kohler, ZIP 2015, 1239; Schmittmann, EWIR 2015, 489; de Werth, NZI 2015, 626; Leichleitner, ZInsO 2015, 1382). Denn es werde nicht dem Umstand Rechnung getragen, dass es im Insolvenzverfahren auch Anmeldungen von Forderungen geben könne, die überhaupt nicht begründet seien. Aber auch solche Forderungen müsse der Insolvenzverwalter zunächst in die Insolvenztabelle aufnehmen (§ 175 Abs. 1 InsO).
13Eine nicht substantiierte angemeldete Forderung, die entweder dem nichtbetrieblichen oder dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sei, würde daher bei starrer Anwendung dieses Aufteilungsmaßstabes zu Verzerrungen führen. Im Unterschied zum vom BFH entschiedenen Fall sei vorliegend der schuldnerische Geschäftsbetrieb bzw. die schuldnerische Tätigkeit fortgeführt worden, so dass ein Neuvermögen entstehen konnte. Während es bei einer Betriebseinstellung vor Insolvenzeröffnung in diesem Bereich in der Regel keine Vermögensmehrungen mehr gebe, so werde die Insolvenzmasse im gegenteiligen Fall der Betriebsfortführung gemehrt. Deshalb umfasse das Vermögen des Schuldners nicht nur das Vermögen, das er zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens besessen habe, sondern nach § 35 InsO auch das Vermögen, welches der Schuldner während des Verfahrens erlange, hier insbesondere im Rahmen der selbständigen Tätigkeit. Demzufolge erhalte das Merkmal der Verwaltung des schuldnerischen Vermögens im Fall einer Betriebsfortführung viel mehr Gewicht als bei einer Betriebseinstellung.
14Auch im Hinblick auf die hohe Spezialisierung des Schuldners bestehe die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters in der Analyse und Überwachung der schuldnerischen Tätigkeit in betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Daher habe er – der Kläger – monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen angefordert, erhalten und geprüft sowie engen Kontakt mit dem Schuldner gehalten. Diese permanente wirtschaftliche Einschätzung der Lage müsse er schon allein aus haftungsrechtlichen Gründen vornehmen.
15Bereits im Eröffnungsgutachten habe er - der Kläger - als späterer Insolvenzverwalter die positiven Aussichten einer Betriebsfortführung bejaht, weil der Schuldner voraussichtlich Überschüsse erzielen werde. Diese Einschätzung könne nur durch eine Prüfung der Auftragslage und deren Deckungsgrad vorgenommen werden.
16Der Beklagte verkenne zudem die in § 80 InsO genannten umfassenden Befugnisse des Insolvenzverwalters. Im Rahmen einer Betriebsfortführung träfe den Insolvenzverwalter auch eine Unternehmensleitungspflicht, die die strategische, selbständige und weisungsfreie Führung umfasse. Dieser Verpflichtung entspreche die eigene Haftungsverantwortung. Vor diesem Hintergrund müsse auch ständig die Erforderlichkeit einer Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO geprüft werden. Dies könne der Insolvenzverwalter freilich nur leisten, wenn er sich mit den Erfolgsaussichten der fortgeführten Tätigkeit hinsichtlich vorhandener Aufträge und anfallender Kosten beschäftige, auf deren Grundlage er sodann unternehmerische Entscheidungen treffe.
17Der Kläger beantragt,
18unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17.04.2019 den Umsatzsteuerbescheid 2018 vom 01.02.2019 abzuändern und hierbei Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 4.548,07 € zu berücksichtigen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Das Ziel des Insolvenzverfahrens liege nach § 1 InsO darin, das Vermögen des Schuldners zu verwerten und den Erlös zu verteilen oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens zu finden. Der Kläger gehe indessen im Wesentlichen unter Hinweis auf das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) von einer Sanierungsfunktion aus. Es sei indessen nicht erkennbar, dass der Kläger dies im Streitfall auch so gehandhabt habe. Er habe auch nicht derartig entscheidend in den Betriebsablauf eingegriffen, als dass seine Tätigkeit der eines Unternehmensleiters gleichgekommen sei und sein Wirken entscheidenden Anteil an den Betriebseinnahmen gehabt hätte. Besondere betriebswirtschaftliche Entscheidungen des Klägers seien nicht zu erkennen. Die Überwachungs- und Lenkungsfunktion des Klägers habe sich nach den eingereichten Unterlagen augenscheinlich in der Prüfung der betrieblichen Veranlassung einzelner Kosten und der Vornahme der Auszahlung des pfändungsfreien Einkommens erschöpft. Diese Tätigkeiten führten jedoch nicht zu einer Vorsteueraufteilung nach Umsätzen, bzw. den im Laufe des Insolvenzverfahrens generierten Einnahmen, da ein solcher Aufteilungsmaßstab vorliegend nicht sachgerecht sei.
22Die Leistung, über deren Vorsteueraufteilung zu entscheiden sei, sei die Insolvenzverwalterleistung des Klägers, die er gegenüber dem Insolvenzschuldner erbringe. Diese Leistung sei eine einheitliche Leistung, die in der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse zwecks Gläubigerbefriedigung bestehe. Die Vorsteueraufteilung nach erzielten Einnahmen würde die Verwaltung und die Verteilung der Insolvenzmasse als Hauptaufgabe des Klägers vernachlässigen, wenn wie im vorliegenden Fall der Hauptteil der Einnahmen aus dem unternehmerischen Bereich und nur zu einem geringen Teil aus dem nichtunternehmerischen Bereich stamme, während das Verhältnis der betrieblichen zu den privaten Insolvenzverbindlichkeiten genau umgekehrt sei.
23In der mündlichen Verhandlung wurde dahingehende Einigkeit hergestellt, dass das gesamte Zahlenwerk sowohl des Klägers als auch des Beklagten zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht.
24Entscheidungsgründe
25Die zulässige Klage ist begründet.
26Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte hat die Vorsteuer aus den Insolvenzverwalterleistungen zu Unrecht nicht in der vom Kläger geltend gemachten Höhe berücksichtigt. Der vom Kläger angesetzte Vorsteueraufteilungsschlüssel, der den gesamten Zeitraum seiner Insolvenzverwaltertätigkeit berücksichtigt, ist sachgerecht.
27Der Unternehmer und damit im Streitfall der Insolvenzschuldner ist nach § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Eingangsleistungen für Zwecke seines Unternehmens und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit bezieht.
28I. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen als Eingangsleistung ausgeführt worden sind und für die er eine ordnungsgemäße Rechnung i. S. der §§ 14, 14a UStG besitzt, als Vorsteuerbetrag abziehen. Die nationale Regelung beruht auf Art. 167, 168 Abs. 1 Buchst. a) MwStSystRL.
29Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit über das Vorliegen der Voraussetzungen für das Recht zum Vorsteuerabzug dem Grunde nach. Ordnungsgemäße Rechnungen des Klägers gem. §§ 14, 14a UStG liegen vor.
30II. Allerdings ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Regelung hat ihre Grundlage in Art. 168 Abs. 1 MwStSystRL.
311. Dieser Regelungszusammenhang beruht unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. a MwStSystRL. Danach ist der Steuerpflichtige, der „Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet“, zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung bestehen. Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird zugunsten des Steuerpflichtigen allerdings auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und als solche Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. z.B. EuGH v. 06.09.2012 C-496/11, UR 2012, 762, Portugal Telecom; v. 14.09.2017 C-132/16, UR 2017, 928, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments; v. 01.10.2020 C-405/19, UR 2020, 883, Vos Aannemingen; BFH v. 16.12.2020 XI R 13/19, BFH/NV 2021, 901).
32Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG somit voraus, dass der Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL) zu verwenden beabsichtigt (st. Rspr., vgl. z.B. BFH v. 20.10.2021 XI R 10/21, BFH/NV 2022, 543 m.w.N).
33Für das Erfordernis einer entgeltlichen Leistung muss zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet (vgl. z.B BFH in BFH/NV 2022, 543 m.w.N.). Dass die Abrechnung der Höhe nach letztlich über das Insolvenzgericht läuft, ist unerheblich. Der Vergütungsbeschluss ist keine Rechnung i.S. des UStG (hierzu BFH v. 26.09.2012 V R 9/11, BFHE 239, 365, BStBl II 2013, 346), so dass der Kläger zu Recht gegenüber dem Schuldner eigene Rechnungen erteilt hat.
342. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Diese Vorschrift beruht auf Art. 173 bis 175 MwStSystRL.
35Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, ist der Unternehmer grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Kosten für die Eingangsleistung zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und – als solche – Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Derartige Kosten hängen direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen und berechtigen nach Maßgabe dieser Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug (vgl. BFH v. 24.04.2013 XI R 25/10, BFHE 241, 451, BStBl II 2014, 346 m.w.N.).
363. Für den Bezug von Leistungen eines Insolvenzverwalters durch einen Insolvenzschuldner hat der BFH eine besondere Aufteilungsmethode für den Fall entwickelt, dass der Insolvenzverwalter ausschließlich Verwertungshandlungen vornimmt (BFH v. 15.04.2015 V R 44/14, BFHE 250, 263, BStBl II 2015, 679).
37a) Hierzu hat der BFH entschieden, dass der für § 15 Abs. 4 UStG erforderlicheLeistungszusammenhang wirtschaftlicher und nicht wirtschaftlicher Tätigkeit im Verhältnis der im Insolvenzverfahren geltend gemachten unternehmerischen und privaten Verbindlichkeiten zu sehen sei. Dies zu Grunde gelegt, würde dieser Ansatz im Streitfall wegen des Vorliegens ganz überwiegender privater Einkommensteuerschulden als Insolvenzschulden zu dem vom Beklagten errechneten Ergebnis führen. Denn nach dem o.g. BFH-Urteil in BStBl II 2015, 679 erbringt der Insolvenzverwalter an den Insolvenzschuldner eine einheitliche Leistung. Auf die einzelnen Verwertungshandlungen wird in diesem Fall nicht abgestellt. Hierauf beruft sich der Beklagte.
38b) Der Senat folgt diesem Ansatz grundsätzlich, führt ihn jedoch für den Fall weiter, dass der Insolvenzverwalter – wie vorliegend der Kläger – den schuldnerischen Betrieb fortsetzt und gerade so gut wie keine Verwertungshandlungen vornimmt. Die Vorsteueraufteilung bestimmt sich in diesem Fall nach dem Gesamtumsatz des Insolvenzverwalters während seiner Verwaltungszeit nach Maßgabe der Anteile steuerpflichtiger und steuerfreier bzw. nichtwirtschaftlicher Umsätze.
39aa) Der BFH hat diesbezüglich in BStBl II 2015, 679 (Rz. 20; ebenso BFH v. 02.12.2015 V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486) ausdrücklich ausgeführt, dass eine sachgerechte Schätzung der Vorsteueraufteilung im Fall der Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter nach Maßgabe der fortgesetzten unternehmerischen Tätigkeit unter Vernachlässigung – einer nur teilweisen unternehmerischen Begründung – von Insolvenzforderungen in Betracht kommen könnte. Nach Heuermann (jM 2015, 384, 387) liege es nahe, nicht auf das Verhältnis der angemeldeten Verbindlichkeiten zueinander abzustellen, weil der Insolvenzverwalter für den Schuldner-Unternehmer tätig werde, indem er Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführe. Bedeutsam sei vielmehr, die Tätigkeiten des Insolvenzverwalters, die über bloße Verwertungshandlungen hinausgingen, bei der Aufteilung entsprechend dem ausgeführten Umsatz zu berücksichtigen.
40bb) Dieses Verständnis des normativen Regelungszusammenhangs hält der Senat für zutreffend. Denn im Fall der Unternehmensfortführung ist ebenfalls eine einheitliche Leistung des Insolvenzverwalters anzunehmen, die aber nach dem unstreitigen Sachverhalt gerade nicht in Verwertungshandlungen, sondern in der Beaufsichtigung der weitergeführten Tätigkeit des Schuldners unter betriebswirtschaftlicher Abwägung der Chancen und Risiken der Aufträge, der Kostenüberwachung und insbesondere in der Sanierung des Schuldner-Unternehmens (mit dem Ziel der Restschuldbefreiung) lag. Immerhin hat der Schuldner-Betrieb während des Insolvenzverfahrens Aufträge in durchaus erheblichem Umfang abgewickelt und bereits Gewinne erwirtschaftet. Der Senat sieht die Tätigkeit des Klägers daher als eine solche an, die – wie bei einem externen Berater oder einem selbständigen Geschäftsführer – zu Gemeinkosten des Unternehmens führt (ebenso FG Münster v. 15.09.2020 15 K 827/18 U, EFG 2020, 1806, Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rn. 693). Objektive Anhaltspunkte für die Anknüpfung der Tätigkeit des Klägers an bestimmte Umsätze steuerfreier bzw. nicht wirtschaftlicher Art sind nicht erkennbar, zumal der Kläger bei Fortführung des Schuldner-Unternehmens ausschließlich steuerpflichtige Umsätze erbracht hat.
41cc) Der Senat hat erwogen, ob ein alternativer Aufteilungsmaßstab, der sowohl die im Insolvenzverfahren geltend gemachten unternehmerischen und privaten Verbindlichkeiten als auch die Erträge aus der fortgesetzten unternehmerischen Tätigkeit berücksichtigt, ein nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG vorrangig anzuwendender Aufteilungsmaßstab wäre und dies jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, in dem so gut wie keine Verwertungshandlungen erfolgt sind, abgelehnt. Ein solcher Maßstab könnte dergestalt errechnet werden, dass sich der als Vorsteuer abziehbare Teil aus dem Verhältnis Summe der unternehmerischen Verbindlichkeiten und der Erlöse aus der Betriebsfortführung zu der Summe aus den gesamten Verbindlichkeiten und der gesamten Erlöse ergibt. Im Streitfall ergäbe sich daraus ein abziehbarer Vorsteueranteil von 53,16 % [(56.965 Euro + 265.390,59 Euro)/(333.809,24 Euro + 272.555,72 Euro)]. Vorteil eines solchen Aufteilungsmaßstabs wäre, dass darin die unterschiedlichen Zielsetzungen der Tätigkeit des Insolvenzverwalters – die Tätigkeit im Sinne der Gläubiger nach § 1 InsO sowie auch die auf Sanierung gerichtete Tätigkeit – grundsätzlich zum Ausdruck käme. Nach Auffassung des Senats ist dieser Schlüssel aber jedenfalls dann nicht sachgerechter als der Umsatzschlüssel, wenn – wie vorliegend – so gut wie keine Verwertungshandlungen erfolgt sind, weil in diesem Fall die unter bb) beschriebene tatsächliche Tätigkeit des Insolvenzverwalters nicht hinreichend berücksichtigt würde. Daneben hat der erkennende Senat aufgrund der Vermischung zweier unterschiedlicher Aufteilungsmaßstäbe in einem Gesamtschlüssel Zweifel an der grundsätzlichen Sachgerechtigkeit eines solchen Schlüssels, über die hier aufgrund des Vorstehenden jedoch nicht entschieden zu werden braucht.
42dd) Mangels eines besseren Aufteilungsmaßstabs kann der Kläger daher nach der gesetzlichen „Ersatzregelung“ des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG den Umsatzschlüssel anwenden. Diesen Schlüssel hat der Kläger zutreffend angewendet. Die abzugsfähige Vorsteuer berechnet sich demnach wie folgt:
43Vorsteuer aus Verwaltervergütung 100%: |
4.306,06 € |
|
Umsatzschlüssel 97,37% |
4.192,81 € |
|
zzgl. unstreitige Vorsteuer |
355,26 € |
|
abzugsfähige Vorsteuer |
4.548,07 € |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
45Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
46Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 Satz 1 ZPO.