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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Zahlung in Höhe von rund 1,3 Mio € an den Kläger, die dieser im Streitjahr von der Z Verwaltungs-GmbH, einer zwischenzeitlichen Gesellschafterin der Arbeitgeberin des Klägers, erhalten hat, als steuerfreies Trinkgeld im Sinne des § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen ist.
3Der Kläger ist als Prokurist bei der Y GmbH tätig und hier insbesondere für den Bereich Products & Solutions zuständig.
4Alleinige Gesellschafterin der Y GmbH war im Jahr 2016 die Y Holding GmbH. An der Y Holding GmbH wiederum hielt zu Beginn des Jahres 2016 die Z Verwaltungs-GmbH 26,6 % der Anteile. Alleiniger Inhaber und Geschäftsführer der Z Verwaltungs-GmbH ist Herr Z, der im Jahr 2016 auch Geschäftsführer der Y GmbH war.
5Im Jahr 2016 veräußerte die Z Verwaltungs-GmbH etwa 5,2 % der Anteile an der Y Holding GmbH für ca. ... Mio. €.
6Im Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung zahlte die Z Verwaltungs-GmbH im November 2016 an den Kläger 100.000 €. In einem Schreiben der Z Verwaltungs-GmbH vom 28. November 2016 an den Kläger, das Herr Z unterschrieben hatte, heißt es unter anderem: „Ich persönlich möchte mich an dieser „Zwischenstation“ unserer erfolgreichen gemeinsamen Reise auch aus Sicht des Gesellschafters mit dem beigefügten ‘Scheck‘ ganz herzlich bei Dir für die gemeinsame erfolgreiche Zeit bedanken.“ Zudem wird in dem Schreiben „ohne Gewähr“ darauf hingewiesen, dass der Betrag überwiesen werde und es sich steuerrechtlich um eine Schenkung handele und das Finanzamt über die Schenkung zu informieren sei. Lohnsteuer oder Sozialversicherungsabgaben würden nicht anfallen.
7Mit Wirkung zum 1. Januar 2017 wurde die Y GmbH auf die Y Holding GmbH verschmolzen. Die vormalige Y Holding GmbH firmiert seitdem unter Y GmbH. An dieser hielt in 2017 die Z Verwaltungs-GmbH weiterhin ca. 21,4 %. Der Kläger war dort weiterhin als Prokurist tätig.
8Im Juli 2018 veräußerte die Z Verwaltungs-GmbH die restlichen 21,4 % der Gesellschaftsanteile an der Y GmbH für ca. ...Mio. €, die in zwei Tranchen in 2018 und 2019 zu zahlen waren. Herr Z blieb nach der Veräußerung Geschäftsführer der Y GmbH.
9Nach der Veräußerung der Gesellschaftsanteile zahlte die Z Verwaltungs-GmbH in 2018 weitere rund 1,3 Mio. € an den Kläger. Die Zahlung wurde wiederum mit einem Schreiben angekündigt, womit sich Herr Z als Geschäftsführer der Z Verwaltungs-GmbH auch aus Sicht des (ehemaligen) Gesellschafters mit der Zahlung für die gemeinsame erfolgreiche Zeit bedanken wolle.
10Eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin, der Y GmbH, über die Zahlung der Beträge bestand nicht. Neben dem Kläger erhielt auch ein weiterer Prokurist eine unter entsprechenden Umständen und sich lediglich der Höhe nach unterscheidende Zahlung.
11Der Kläger gab für das Streitjahr zunächst keine Einkommensteuererklärung ab.
12Mit Bescheid vom 17. September 2019 setzte das Finanzamt X als Betriebsstätten-Finanzamt der Arbeitgeberin des Klägers gegenüber dem Kläger nachzufordernde Lohn- und Kirchensteuer sowie nachzufordernden Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt ... € fest. In diesem Bescheid wird ausgeführt, dass es sich bei dem von der Z Verwaltungs-GmbH im Jahr 2018 gezahlten Arbeitslohn von rund 1,3 Mio. € nicht um ein nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfreies Trinkgeld handele. Gegen diese Nachforderungsfestsetzung legte der Kläger mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 Einspruch beim Finanzamt X ein.
13Nachdem der Beklagte den Kläger und seine Ehegattin mit Schreiben vom 24. September 2019 aufgefordert hatte, die Einkommensteuererklärungen für 2017 und 2018 spätestens bis zum 23. Oktober 2019 abzugeben, reichten diese die angeforderten Erklärungen am 17. Oktober 2019 ein. Der Einkommensteuererklärung für 2018 war ein Begleitschreiben vom 13. Oktober 2019 beigefügt, in dem der Kläger darauf hinwies, dass die Eintragung in Zeile 72 der Anlage N (rund 1,3 Mio. €) eine nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfreie Zahlung betreffe.
14Der Beklagte erließ am 15. November 2019 einen Bescheid für 2018 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, in dem er die Zahlung der Z Verwaltungs-GmbH weder bei der Ermittlung des Einkommens noch bei der Berechnung der darauf entfallenden Steuer berücksichtigte. Der Bescheid enthielt im Erläuterungstext den Hinweis, dass die Zahlung der Z Verwaltungs-GmbH mit dem Sonderbescheid über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer und Kirchensteuer sowie von nachzuforderndem Solidaritätszuschlag vom 17. September 2019 festgesetzt worden seien und eine weitere Berücksichtigung der Zahlungen nicht mehr geltend gemacht werde. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Einspruch ein.
15Am 28. September 2020 erließ der Beklagte einen nach § 174 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid für 2018 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. In diesem Bescheid berücksichtigte der Beklagte die Zahlung der Z Verwaltungs-GmbH sowie die geleisteten Steuerabzugsbeträge. Der Erläuterungstext dieses Bescheids enthielt den Hinweis, dass dieser Bescheid an die Stelle des angefochtenen Lohnsteuernachforderungsbescheids vom 17. September 2019 trete. Der Einspruch sei hierdurch nicht erledigt, sondern werde weitergeführt. Eines weiteren Einspruchs bedürfe es nicht.
16Gleichwohl legte der Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2020 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 28. September 2020 ein.
17Mit Einspruchsentscheidung vom 16. November 2020 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers vom 17. Oktober 2019 gegen den Bescheid über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer und Kirchensteuer sowie von nachzuforderndem Solidaritätszuschlag für 2018 vom 17. September 2019, „nachfolgend“ Bescheid über die Festsetzung der Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2018 vom 28. September 2019 zurück.
18Der vorliegende Sachverhalt lasse sich nicht unter den Tatbestand des § 3 Nr. 51 EStG subsumieren.
19Zunächst seien die streitgegenständlichen Zuwendungen weder anlässlich einer Arbeitsleistung noch zusätzlich zum Arbeitslohn gezahlt worden. Diese Tatbestandsmerkmale würden zwischen einer gegenüber dem Arbeitgeber zu erbringenden (und von diesem zu entlohnenden) Hauptleistung und einer durch das Trinkgeld abgegoltenen, anlässlich dieser Arbeit zusätzlich erbrachten Nebenleistung unterscheiden.
20Die Tätigkeit des Klägers als Prokurist der Y GmbH sei der Z Verwaltungs-GmbH nicht unmittelbar zugutegekommen. Dass die Beteiligung der Z Verwaltungs-GmbH an der Y Holding GmbH eine – unter Umständen beträchtliche – Wertsteigerung erfahren habe, sei der Tätigkeit des Klägers allenfalls mittelbar zuzuschreiben. Die Zuwendung der Z Verwaltungs-GmbH habe der Leistung des Klägers auch nicht in diesem Sinne korrespondierend gegenübergestanden.
21Auch aufgrund der Höhe der streitgegenständlichen Zuwendungen könne jedenfalls für die Zahlung im Jahr 2018, die rund 500 % des Bruttoarbeitslohns des Klägers betragen habe, nicht mehr nur eine Nebenleistung angenommen werden.
22Es sei ferner nicht erkennbar, dass mit den tatbestandlichen Präzisierungen der überkommene, durch den allgemeinen Sprachgebrauch geprägte und bisher nur typologisch umschriebene Trinkgeldbegriff durch einen nun eigenständig gesetzlich definierten ersetzt und insbesondere auf die für das Trinkgeld typische persönliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Dritten verzichtet werden sollte. Danach sei das Trinkgeld Ausdruck der Zufriedenheit mit der Qualität der Dienstleistung, die ausschließlich an die Person des Dienstleistenden gebunden sei, und setze damit ebenfalls ein Mindestmaß an persönlicher Beziehung zwischen Trinkgeldgeber und Trinkgeldempfänger voraus. An einer solchen persönlichen Beziehung fehle es. Weder sei ersichtlich noch dargelegt, dass der Kläger seine Leistung gegenüber der Y GmbH zumindest auch im Bewusstsein einer hierdurch erreichbaren Wertsteigerung für die Z Verwaltungs-GmbH erbracht habe.
23Bei den vorliegenden konzernrechtlichen Strukturen – wenn auch ohne beherrschende Verbindungen – scheitere die Steuerbefreiung am Tatbestandsmerkmal „von Dritten“. Etwas anderes gelte nur im Falle von sogenanntem „Streubesitz“, der bei einer Beteiligung der Z Verwaltungs-GmbH an der Y GmbH von zunächst 26 % und später 21,41 % nicht vorgelegen habe.
24Nicht unbeachtlich sei zudem die Höhe der gezahlten Zuwendung, auch wenn die für die Streitjahre geltende Fassung der Vorschrift keine ausdrückliche betragsmäßige Begrenzung mehr enthalte. Es würde erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, wenn § 3 Nr. 51 EStG in unbegrenzter Höhe Steuerbefreiungen gewähre und Teile des Nettoeinkommens, das sich aus dem Saldo von Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen ergebe, aus der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage ausnehme und gleiche Leistungsfähigkeit ungleich besteuert würde. Die Steuerbefreiung verstoße bereits ohne Grund gegen das objektive Nettoprinzip. Gerechtfertigt werden könne diese lediglich aus sozialen oder Verwaltungsvereinfachungsgründen. Die Regelung diene nach dem Wegfall der Freibetragsgrenze vornehmlich der Entlastung des Niedriglohnsektors sowie der Vermeidung von Erhebungsproblemen. Der vorliegende Sachverhalt entstamme jedoch nicht dem Niedriglohnsektor. Auch die im Rahmen der Gesetzesänderung erwarteten Steuermindereinnahmen durch den Wegfall der Freibetragsgrenze von etwa 6 Millionen Euro sprächen dagegen, dass der Gesetzgeber derartig hohe Beträge als steuerfreie Trinkgelder im Sinn gehabt habe.
25Schließlich orientiere sich der BFH am allgemeinen Sprachgebrauch, wonach der Trinkgeldbegriff entscheidend durch den traditionell bestimmten Trinkgeldempfänger geprägt werde. Dies seien allen voran Kellner, aber auch unselbstständige Boten, Friseure, Fußpfleger, Gepäckträger und Taxifahrer, also alles Arbeitnehmer in niedrig entlohnten Berufen, die solche Zusatzleistungen auch nur jeweils als geringe Beträge einnehmen würden. Damit qualifiziere der BFH das Trinkgeld als kleineres Geldgeschenk. Geldgeschenke, die einen hohen Wert hätten oder die einem Arbeitsentgelt – wohl nicht allein im Hinblick auf die Qualität, sondern auch im Hinblick auf die Quantität – entsprächen, seien damit kein Trinkgeld.
26Mit der am 17. Dezember 2020 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
27Für den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid für 2018 vom 28. September 2020 habe es keine Rechtsgrundlage gegeben. Insbesondere sei die Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 3 AO nicht einschlägig.
28Bereits der vom Beklagten erlassene Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 15. November 2019 sei an die Stelle des Lohnsteuernachforderungsbescheids für 2018 vom 17. September 2019 getreten. Damit habe sich der Einspruch des Klägers gegen den Lohnsteuernachforderungsbescheid auf andere Weise im Sinne des §124 Abs. 2 AO erledigt. Die Erläuterung des Beklagten im streitgegenständlichen Einkommensteueränderungsbescheid für 2018 vom 28. September 2020, wonach erst „dieser Bescheid“ an die Stelle des angefochtenen Lohnsteuernachforderungsbescheids für 2018 vom 17. September 2019 trete, wodurch sich jedoch der Einspruch nicht erledigt habe, sondern weitergeführt werde, gehe insoweit fehl.
29Die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 3 AO erfasse zudem lediglich die Fälle, in denen bei einer Steuerfestsetzung ein bestimmter Sachverhalt in der erkennbaren Annahme nicht berücksichtigt worden sei, dass der Sachverhalt nur Bedeutung für eine andere Steuer, einen anderen Besteuerungszeitraum oder einen anderen Steuerpflichtigen habe. Aus Sicht des Beklagten habe wegen der Identität von Steuer, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigen festgestanden, dass die streitgegenständliche Zahlung im Einkommensteuerbescheid für 2018 zu berücksichtigen gewesen sei. Auch sei der vom Finanzamt X erlassene Lohnsteuernachforderungsbescheid für 2018 vom 7. September 2019 kein tauglicher „anderer Steuerbescheid“ im Sinne von § 174 Abs. 3 AO, in dem die streitgegenständliche Zahlung – anstatt in dem Einkommensteuerbescheid für 2018 – hätte berücksichtigt werden müssen. Der Lohnsteuernachforderungsbescheid sei nur eine in einem besonderen Vorauszahlungsverfahren erhobene Einkommensteuer bzw. ein Vorauszahlungsbescheid. Materiell-rechtlich handele es sich bei Lohn- und Einkommensteuer nicht um verschiedene Steuerarten, sondern um ein und dieselbe Steuer.
30Schließlich erfordere § 174 Abs. 3 AO das Vorliegen eines negativen Widerstreits, dass ein bestimmter Sachverhalt in keinem von mehreren in Betracht zu ziehenden Steuerbescheiden berücksichtigt worden sei, obwohl er in einem dieser Bescheide hätte berücksichtigt werden müssen. Den Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 15. November 2019 habe der Beklagte jedoch in dem Wissen, dass die Zahlungen im Lohnsteuernachforderungsbescheid für 2018 vom 17. September 2019 bereits berücksichtigt gewesen seien, erlassen.
31Weiter sei der von § 3 Nr. 51 EStG angeführte Begriff „Trinkgeld“ nicht ausfüllungsbedürftig, sondern werde durch die Norm selbst definiert, wie sich bereits aus der Gesetzeshistorie und der Parallelnorm in § 107 der Gewerbeordnung (GewO) ergebe. Auch ergebe sich keine Einschränkung auf der Höhe nach „übliche“ Trinkgelder. Im Übrigen sei die gezahlte Honorierung im Verhältnis zu dem Verkaufspreis der Beteiligung im Vergleich zu anderen Trinkgeldern niedrig bemessen. Die jeweilige Zahlung betrage nur ... % des jeweiligen von der Z Verwaltungs-GmbH erzielten Kaufpreises. Der erhöhte Verkaufspreis sei gerade das Ergebnis der besonderen Arbeitsleistungen des Klägers gewesen, die mit den Zahlungen zusätzlich honoriert werden sollten. Bereits damit sei die Veranlassung durch eine Arbeitsleistung zu bejahen.
32Die Z Verwaltungs-GmbH sei auch „Dritter“ im Sinne der Vorschrift. Wer Dritter sei, sei weder gesetzlich definiert, noch höchstrichterlich geklärt. Eine Einschränkung der Norm auf Kundenverhältnisse oder kundenähnliche Verhältnisse widerspreche bereits dem Wortlaut der Norm. Aus der Gesetzeshistorie sei zudem erkennbar, dass eine solch einschränkende Auslegung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche. In der ersten Fassung des Gesetzentwurfs seien die Begriffe „Kunden“ und „Gäste“ noch im Wortlaut vorgesehen gewesen. Im Gesetzgebungsverfahren sei aber ausdrücklich im Hinblick auf hiervon ggf. nicht erfasste Personengruppen, beispielsweise Trinkgelder von Angehörigen von Patienten an Krankenhauspersonal, Abstand genommen worden.
33Auch das vom Beklagten verneinte Mindestmaß der persönlichen Beziehung sei gegeben. Die Z Verwaltungs-GmbH habe die Wertsteigerungen ganz wesentlich auf die aus ihrer Sicht herausragenden Leistungen des Klägers zurückgeführt. Geldfluss und persönliche Leistung stünden deshalb korrespondierend zueinander.
34Die Zahlungen seien auch freiwillig und ohne dass der Kläger einen Rechtsanspruch hierauf gehabt habe, zusätzlich zum Lohn, den er von seiner Arbeitgeberin, der Y GmbH, erhalten hat, bezahlt worden. Die Z Verwaltungs-GmbH habe die Honorierung auch nicht allen Arbeitnehmern der Y GmbH, sondern nur dem Kläger und einem weiteren Prokuristen gewährt, um gerade deren außerordentliche Leistungen zu honorieren, die über viele Jahre hinweg eine deutliche Wertsteigerung der von der Z Verwaltungs-GmbH gehaltenen Geschäftsanteile an der Y GmbH bewirkt hätten.
35Der Kläger beantragt,
36den Lohnsteuernachforderungsbescheid 2018 vom 17. September 2019 und den Einkommensteueränderungsbescheid 2018 vom 28. September 2020 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2020 dahingehend abzuändern, dass der Bruttoarbeitslohn in Höhe von € ... gemindert wird,
37im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
38Der Beklagte beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2018 vom 15. November 2019 gemäß § 174 Abs. 3 AO sei zulässig gewesen.
41§ 174 Abs. 3 AO erfasse die Fälle, in denen ein bestimmter Sachverhalt bei einer Steuerfestsetzung nicht berücksichtigt worden sei, weil die Finanzbehörde erkennbar von der Ansicht ausgegangen sei, dieser Sachverhalt müsse bei einer anderen Steuerfestsetzung berücksichtigt werden. Es müsse also ein negativer Widerstreit der Steuerfestsetzungen vorliegen, weil die Finanzbehörde den Sachverhalt in dem einen Steuerbescheid nicht erfasst habe, weil sie fälschlich davon ausgegangen sei, der Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen. Dies sei hier der Fall.
42Die Zahlungen der Z Verwaltungs-GmbH seien bei der Erstveranlagung zur Einkommensteuer für 2018 durch den Bescheid vom 15. November 2019 durch den ausdrücklichen Hinweis in Erläuterungsteil erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass eine Festsetzung im Lohnsteuernachforderungsbescheid – einem (Steuer-)Bescheid zur Festsetzung nachzufordernder Lohnsteuer – ausreichend und der Ausgang des Einspruchsverfahrens gegen den Lohnsteuernachforderungsbescheid abzuwarten gewesen sei. Deshalb sei die Änderung dieses Bescheids nach § 174 Abs. 3 AO zulässig gewesen.
43Nach dem vom BFH herangezogenen allgemeinen Sprachgebrauch werde der Begriff des Trinkgeldes entscheidend durch den traditionell bestimmten Trinkgeldempfänger geprägt. Allen voran seien dies Kellner, aber auch Boten, Friseure, Fußpfleger, Gepäckträger und Taxifahrer, alles also Arbeitnehmer in niedrig entlohnten Berufen, die solche Zusatzleistungen auch nur als jeweils geringe Beträge einnähmen. Damit qualifiziere der BFH das Trinkgeld als kleineres Geldgeschenk. Geldgeschenke, die einen hohen Wert haben oder die einem Arbeitsentgelt – wohl nicht allein im Hinblick auf die Qualität, sondern auch im Hinblick auf die Quantität – entsprächen, seien damit kein Trinkgeld. Auch der Bundestag sei offensichtlich davon ausgegangen, dass unter den Begriff Trinkgeld lediglich kleinere Geldgeschenke an Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor als Anerkennung für Dienstleistungen und Dienstleistungsbereitschaft fielen.
44Bei dem Kläger handele es sich nicht um einen solchen Arbeitnehmer. Auch wenn die Zahlung nur wenige Prozent des erzielten Kaufpreises betragen hätte, so bedeute der Prozentsatz nicht, dass es sich bei der Zahlung in Höhe von rund 1,3 Mio € nur um ein kleineres Geldgeschenk gehandelt habe, also eine Zusatzleistung in Form einer Nebenleistung.
45Der Kläger habe bislang ohne Vorlage entsprechender Nachweise vorgetragen, dass die Zahlungen als Honorierung für seinen außerordentlichen und entscheidenden Beitrag zu der langjährigen Wertentwicklung der Geschäftsanteile gezahlt worden seien. Angaben dazu, welcher Art die Dienstleistung des Klägers an die Z Verwaltungs-GmbH gewesen sei, habe der Kläger nicht gemacht. Es sei nicht ersichtlich, warum die Z Verwaltungs-GmbH davon ausgegangen sein solle, dass der Kläger persönlich und im Bewusstsein einer Leistungserbringung für die Z Verwaltungs-GmbH eine zusätzliche Leistung erbracht habe, dass ihm daher ein Anteil an der Wertentwicklung der Geschäftsanteile und damit eine besondere Honorierung zukomme.
46Entscheidungsgründe
47I. Die Klage ist, soweit sie den Lohnsteuernachforderungsbescheid für 2018 des Finanzamts X vom 17. September 2019 betrifft, als Anfechtungsklage unzulässig.
481. Gemäß § 40 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann mit der Anfechtungsklage nur die Aufhebung bzw. Änderung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Für eine derartige Klage fehlt jedoch das Rechtsschutzinteresse, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt vor der Entscheidung durch das FG erledigt hat (vgl. BFH, Urteile vom 10. Februar 1988 – X R 38/82, BFH/NV 1988, 604, vom 27. April 1982 – VIII R 36/70, BStBl II 1982, 407; vom 5. April 1984 – IV R 244/83, BStBl II 1984, 790). Die behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheids hätte nur durch Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 100 Abs.1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemacht werden können. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht auf Antrag durch Urteil auszusprechen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich dieser vorher, d.h. vor Beendigung des wegen seiner Rechtmäßigkeit anhängigen Verfahrens, durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Stellt der Kläger diesen Antrag im finanzgerichtlichen Verfahren nicht, ist die Klage in einem solchen Fall als unzulässig abzuweisen (vgl. BFH, Urteil vom 10. Februar 1988 – X R 38/82, BFH/NV 1988, 604, Rn. 12 m. w. N.).
492. Der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid für 2018 vom 17. September 2019 hat sich durch den Erlass des Bescheids des beklagten Finanzamts X1 für 2018 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 15. November 2019 und damit noch vor Erhebung der Klage gegen den Bescheid am 17. Dezember 2020 in sonstiger Weise gemäß § 124 Abs. 2 AO erledigt (hierzu unten II. 1 a)) und ist deshalb nicht mehr wirksam.
50II. Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.
51Der Bescheid für 2018 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 28. September 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
52Der Beklagte hat die an den Kläger im Streitjahr geleistete Zahlung i. H. v. rund 1,3 Mio. € zutreffend als steuerpflichtige Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG und nicht als steuerfreies Trinkgeld im Sinne von § 3 Nr. 51 EStG behandelt (hierzu 2.). Er war zu diesem Zwecke berechtigt, den Bescheid für 2018 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 15. November 2019 gemäß § 174 Abs. 3 AO dahingehend zu ändern, die im Festsetzungsteil dieses Bescheids zunächst nicht berücksichtigte Zahlung noch nachträglich zu erfassen (hierzu 1.).
531. Der Beklagte konnte den Bescheid für 2018 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 15. November 2019 gemäß § 174 Abs. 3 AO ändern.
54a) Gemäß § 174 Abs. 3 AO kann eine Steuerfestsetzung, bei der ein Sachverhalt erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, bis zum Ablauf der für diese Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden, wenn sich diese Annahme als unrichtig herausstellt.
55Zweck der Vorschrift ist es, der Finanzbehörde die Berücksichtigung eines bekannten Sachverhalts im Rahmen der Steuerfestsetzung noch nachträglich zu ermöglichen, wenn diese – für die Beteiligten erkennbar – irrtümlich davon ausgegangen ist, dieser Sachverhalt sei bereits Gegenstand einer Steuerfestsetzung gewesen oder dürfte noch im Rahmen einer Steuerfestsetzung berücksichtigt werden. Die Vorschrift zielt darauf ab, eine Korrekturmöglichkeit für fehlerhafte Steuerbescheide zu schaffen, wenn allen Beteiligten bekannt ist, dass ein Sachverhalt jedenfalls in einer Steuerfestsetzung berücksichtigt werden müsste und sich später herausstellt, dass er gar nicht berücksichtigt wurde.
56Der Tatbestand des § 174 Abs. 3 AO erfordert das Vorliegen eines „negativen Widerstreits“. Ein „bestimmter Sachverhalt“ darf in keinem von mehreren in Betracht zu ziehenden Steuerbescheiden berücksichtigt worden sein, obwohl er in einem dieser Bescheide hätte berücksichtigt werden müssen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Mai 1993 – IV R 65/91, BStBl II 1994, 76 m. w. N.). Dabei muss die Berücksichtigung des „bestimmten Sachverhalts“ in einem Bescheid nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift gerade in der (erkennbaren) Annahme unterblieben sein, dass er in einem anderen Bescheid zu berücksichtigen sei. Dieser andere Bescheid muss nicht notwendigerweise – kann jedoch – schon erlassen worden sein oder später erlassen werden (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 6 K 179/88, EFG 1993, 337). Der Anwendung des § 174 Abs. 3 AO steht überdies auch nicht entgegen, dass die Finanzbehörde in der (erkennbaren) Annahme, ein bestimmter Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen, zunächst überhaupt keinen Steuerbescheid erlässt (vgl. BFH, Urteil vom 29. Mai 2001 – VIII R 19/00, BStBl II 2001, 743 Rn. 29 ff., vom 23. Mai 1996 – IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89 m. w. N.). Es ist deshalb auch nicht entscheidend, ob der negative Widerstreit deshalb entstanden ist, weil der „andere“ Steuerbescheid gar nicht oder inhaltlich unzutreffend erlassen wurde oder aus – von der Behörde nicht erkannten – verfahrensrechtlichen Gründen unwirksam ist. Voraussetzung ist lediglich, dass eine „doppelte Nichtberücksichtigung“ vorliegt.
57Ein „anderer Steuerbescheid“ kann dabei jeder Bescheid sein, durch den eine Steuer festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 AO). Dies ist auch ein Lohnsteuernachforderungsbescheid. Das Verfahren zur Lohnsteuernachforderung dient als Fortsetzung des Lohnsteuerabzugsverfahrens der Festsetzung von Lohnsteuer gegenüber dem Arbeitnehmer, der Schuldner der Lohnsteuer ist (§ 38 Abs. 2 S. 1 EStG). Der Lohnsteuernachforderungsbescheid ist damit Steuerbescheid (vgl. BFH, Urteil vom 25. März 2021 – VIII R 1/18, BStBl II 2021, 655). Im Verhältnis zum Einkommensteuerbescheid stellt er einen Vorauszahlungsbescheid dar (vgl. BFH, Urteil vom 17. Oktober 2013 – VI R 44/12, BStBl II 2014, 892). Da sich Vorauszahlungsbescheide nach der Rechtsprechung des BFH in sonstiger Weise gemäß § 124 Abs. 2 AO mit Erlass des Jahressteuerbescheids erledigen (vgl. BFH, Beschluss vom 3. Juli 1995 – GrS 3/93, BStBl II 1995, 730 Rn. 21 m. w. N.), stellen Nachforderungs- und Einkommensteuerbescheid – auch wenn sie sich inhaltlich auf dieselbe materielle, nämlich die Einkommensteuer beziehen – formaliter unterschiedliche Steuerbescheide dar. Offenkundig ist dies in den – wie im Streitfall gelagerten – Fällen, in denen das für die Lohnsteuernachforderung zuständige (Betriebstätten-)Finanzamt des Arbeitgebers nicht mit dem für die Einkommensteuer des Arbeitnehmers zuständigen Finanzamt identisch ist und damit zwei Bescheide zweier unterschiedlicher Finanzämter vorliegen. Erlässt das für die Einkommensteuer des Arbeitnehmers zuständige Finanzamt diesem gegenüber einen Eikommensteuerbescheid, erledigt sich hierdurch der zuvor vom Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers für den entsprechenden Abzugszeitraum erlassene Lohnsteuernachforderungsbescheid. Etwas anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund des § 365 Abs. 3 S. 1 AO, wonach der einen angefochtenen Verwaltungsakt ändernde oder ersetzende Verwaltungsakt zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird. Vielmehr verdeutlicht diese Regelung, wonach trotz der hinsichtlich des ursprünglichen Verwaltungsakts eingetretenen Erledigung ein neuer Einspruch gegen den ändernden oder ersetzenden – neuen – Verwaltungsakt nicht erforderlich ist, dass unterschiedliche Steuerbescheide vorliegen. Hat das für die Einkommensteuer zuständige Finanzamt den im Lohnsteuernachforderungsbescheid erfassten Sachverhalt nicht im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt, liegt angesichts der Erledigung des Lohnsteuernachforderungsbescheids ein nach § 174 Abs. 3 S. 1 AO zu korrigierender negativer Widerstreit vor, da der zu berücksichtigende Sachverhalt weder im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid noch im – nach Ergehen des Einkommensteueränderungsbescheids rechtlich nicht mehrwirksamen– Lohnsteuernachforderungsbescheid berücksichtigt ist.
58b) Diese vorgenannten Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Beklagte hat in dem Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 15. November 2019 die von der Z Verwaltungs-GmbH an den Kläger geleistete Zahlung i. H. v. rund 1,3 Mio. € nicht berücksichtigt, da er – wie im Erläuterungstext des Bescheids ausdrücklich dargestellt und für den Kläger damit erkennbar – davon ausgegangen war, dass im Zusammenspiel seines Einkommensteuerbescheids mit dem Lohnsteuernachforderungsbescheid des Finanzamts X vom 17. September 2019 die vollständige Besteuerung des Klägers sichergestellt werde. Da sich – wie der Kläger zutreffend ausführt – mit dem Erlass des Einkommensteuerbescheids durch den Beklagten der – einem Vorauszahlungsbescheid entsprechende – Lohnsteuernachforderungsbescheid des Finanzamts X in sonstiger Weise im Sinne des § 124 Abs. 2 AO erledigt hat, war zu diesem Zeitpunkt weder im Einkommensteuerbescheid noch im – nun nicht mehr wirksamen – Lohnsteuernachforderungsbescheid die streitgegenständliche Zahlung berücksichtigt. Diesen „negativen Widerstreit“ durfte der Beklagte mit dem Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheids vom 28. September 2020 auflösen, indem er die im Lohnsteuernachforderungsbescheid berücksichtigte Zahlung an den Kläger in den „neuen Steuerbescheid“ hineinzog und in dem Bescheid seinen Änderungswillen zum Ausdruck brachte.
592. Die an den Kläger geleistete Zahlung i. H. v. rund 1,3 Mio. € stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn und kein nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfreies Trinkgeld dar.
60a) Die Zahlung der Z Verwaltungs-GmbH stellt nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtiger Arbeitslohn dar.
61aa) Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Zuwendungen durch Dritte sind Arbeitslohn, wenn sie ein Entgelt für eine Leistung bilden, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll, sie sich für den Arbeitnehmer als Ertrag seiner individuellen Arbeit für den Arbeitgeber darstellen und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen (vgl. BFH, Urteile vom 1. September 2016 – VI R 67/14, BStBl II 2017, 69; vom 28. Februar 2013 – VI R 58/11, BStBl II 2013, 642; vom 20. Mai 2010 – VI R 41/09, BStBl II 2010, 1022; vom 18. Dezember 2008 – VI R 8/06, BFH/NV 2009, 382).
62bb) Das ist vorliegend der Fall. Der Kläger erhielt die streitgegenständliche Zahlung der Z Verwaltungs GmbH ausweislich des von ihr überreichten Begleitschreibens gerade für die – aus Sicht der zuwendenden Gesellschaft erfolgreiche – Tätigkeit als Prokurist der Y GmbH.
63b) Die Zahlung ist kein steuerfreies Trinkgeld im Sinne des § 3 Nr. 51 EStG.
64aa) Gemäß § 3 Nr. 51 EStG sind Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist, steuerfrei.
65Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der erkennende Senat anschließt, ist ein Trinkgeld im Sinne des § 3 Nr. 51 EStG eine dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte zusätzliche Vergütung, die eine gewisse persönliche Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten voraussetzt (vgl. ausführlich BFH in BFH/NV 2009, 382).
66Ein Trinkgeld ist eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in Form eines kleineren Geldgeschenks (vgl. BFH, Urteil vom 19. Juli 1963 – VI 73/62 U, BStBl III 1963, 479 und vom 3. Mai 2007 – VI R 37/05, BStBl II 2007, 712). Dem Begriff des Trinkgelds ist als Zeichen der besonderen Honorierung einer Dienstleistung über das vereinbarte Entgelt hinaus ein Mindestmaß an persönlicher Beziehung zwischen Trinkgeldgeber und Trinkgeldnehmer grundsätzlich immanent. Charakteristisch dafür ist, dass in einem nicht unbedingt rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen (vgl. BFH in BStBl II 2007, 712). Das Trinkgeld und die damit „belohnte“ Dienstleistung kommen dem Arbeitnehmer und dem Kunden unmittelbar zugute. Der Trinkgeldempfänger steht faktisch in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält entsprechend dazu auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden.
67Dieser Trinkgeldbegriff gilt auch nach der Neuregelung des § 3 Nr. 51 EStG durch das Gesetz zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmertrinkgeldern. Denn es war zwar erklärtes Ziel der Neuregelung, klar zwischen Arbeitsentgelt und Trinkgeld abzugrenzen (vgl. Bundestags-Drucksache (BT-Drs.) 14/9428, 1, 6) und zu vermeiden, dass reguläre Lohnleistungen durch „Trinkgelder“ ersetzt werden (vgl. BT-Drs. 14/9428, 1, 5). Zu diesem Zweck wurden auch in § 3 Nr. 51 EStG die Tatbestandsmerkmale „anlässlich einer Arbeitsleistung“, „freiwillig“ und „zusätzlich zu dem Betrag ..., der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist“ eingefügt. Es ist aber nicht erkennbar, dass mit diesen Ergänzungen der überkommene, durch den allgemeinen Sprachgebrauch geprägte und bisher nur typologisch umschriebene Trinkgeldbegriff durch einen nun eigenständig gesetzlich definierten ersetzt und insbesondere auf die für das Trinkgeld typische persönliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Dritten verzichtet werden sollte. Anhaltspunkte geben dazu weder die Begründung des Gesetzentwurfs zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmertrinkgeldern (BT-Drs. 14/9029) noch die des Gesetzentwurfs zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung, BT-Drs. 14/9061). Trinkgeld ist danach Ausdruck der Zufriedenheit mit der Qualität der Dienstleistung, die ausschließlich an die Person des Dienstleistenden gebunden ist (BT-Drs. 14/9061, 3), und setzt damit ebenfalls eine persönliche Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und Kunden voraus. In Übereinstimmung damit versteht auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) unter Trinkgeld Leistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung als persönliche Zuwendung aus einer bestimmten Motivationslage von Dritten freiwillig erbracht werden (vgl. BAG, Urteil vom 28. Juni 1995 – 7 AZR 1001/94, BAGE 80, 230).
68Ausweislich der vorstehend zitierten Dokumente aus dem Gesetzgebungsverfahren hatte der Gesetzgeber auf der Empfängerseite auch nach der gesetzlichen Neufassung Beschäftigte des Niedriglohnsektors im Sinn, deren Einkommen in nicht unerheblichem Maße durch Trinkgelder ergänzt werden.
69bb) Danach ist die vom Kläger erhaltene Zahlung weder der Höhe nach noch unter den Umständen ihrer Gewährung ein steuerfreies Trinkgeld im Sinne des § 3 Nr. 51 EStG.
70aaa) Bereits aufgrund der Höhe der Zahlung von rund 1,3 Mio. € verneint der Senat das Vorliegen eines Trinkgeldes.
71Dabei schließt sich der Senat der Auffassung des Bundesfinanzhofs an, wonach die Neufassung des § 3 Nr. 51 EStG keine abschließende Legaldefinition des Trinkgeldbegriffes darstellt, sondern den Begriff des Trinkgeldes voraussetzt und dessen Umstände für Zwecke der Einkommensteuer näher beschreibt.
72Hierfür spricht gerade auch der vom Kläger herangezogene zeitliche Zusammenhang zwischen der Änderung der Gewerbeordnung (GewO) und des Einkommensteuergesetzes. Während in § 107 Abs. 3 S. 3 GewO eine Legaldefinition des Trinkgeldbegriffs enthalten ist („Trinkgeld ist…“), setzt § 3 Nr. 51 EStG einen Trinkgeldbegriff voraus („Trinkgelder, die…“). Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Begriffe trotz des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung nicht identisch auszulegen. Beide Gesetze verfolgen nämlich unterschiedliche Zwecke. Während die Gewerbeordnung in § 107 darauf abzielt, Beschäftigte möglichst umfassend davor zu schützen, dass aufgrund der Üblichkeit von Trinkgeldern die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgeltes vertraglich ausgeschlossen werden kann, stellt § 3 Nr. 51 EStG eine rechtfertigungsbedürftige und deshalb restriktiv anzuwendende Ausnahme vom Grundsatz des steuerlichen Nettoprinzips dar, da der Gesetzgeber aus Verwaltungsvereinfachungs- und sozialen Gründen von der verfassungsrechtlich gebotenen gleichmäßigen Besteuerung absieht.
73Auch wenn der Gesetzgeber im Jahr 2002 die damals noch enthaltene Freibetragsgrenze in Höhe von 1.224 € abschaffte, sollte nach Überzeugung des Senats damit nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass dem Begriff des Trinkgeldes keinerlei Begrenzung zu entnehmen wäre. Eine solche ergibt sich bereits aus dem nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legenden überkommenen allgemeinen Begriffsverständnis, das durch die Neufassung des Gesetzestextes nicht von abschließend zu verstehenden Tatbestandsmerkmalen verdrängt werden sollte. Dabei kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, nach welchen Maßstäben im Einzelnen sich die angemessene Höhe eines Trinkgeldes ermittelt. Unzutreffend hält der Senat jedenfalls die Auffassung des Klägers, wonach sich die prozentuale Angemessenheitsgrenze auf den von der Z Verwaltungs-GmbH aus der Anteilsveräußerung erzielten Gewinn bezieht. Typischerweise erfolgt eine Trinkgeldzahlung in Ergänzung des Betrags, den der von der Dienstleistung Begünstigte für die erbrachte Leistung selbst zu entrichten hat und der nach Überzeugung des Senats den Maßstab für die Trinkgeldzahlung bilden dürfte. Die im Streitfall erhaltene Zahlung in Höhe von rund 1,3 Mio. € jedenfalls übersteigt den Rahmen dessen, was nach dem allgemeinen Begriffsverständnis als Trinkgeld verstanden werden kann, deutlich.
74Auch der vom Gesetzgeber erwartete Steuerausfall von sechs Millionen € spricht angesichts der Vielzahl der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vorrangig von Trinkgeldzahlungen profitierenden Beschäftigten bzw. Branchen für im Einzelfall deutlich geringere Zahlungen.
75bbb) Darüber hinaus fehlt es vorliegend am für das Trinkgeldverhältnis typischen persönlichen Kunden- oder Dienstleistungsverhältnis und an der damit verbundenen doppelten Leistungsbeziehung zwischen den Beteiligten.
76Zwischen der Z Verwaltungs-GmbH und der Y GmbH bestand über das Beteiligungsverhältnis hinaus kein Kunden- oder Dienstleistungsverhältnis, in dessen Rahmen der Kläger die erforderliche zusätzliche Leistungsbeziehung hätte bedienen können, die Grundlage für die Trinkgeldzahlung ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach Überzeugung des Senats die Z Verwaltungs-GmbH keine Leistung der Y GmbH in Anspruch genommen hat, die vom Kläger persönlich zu erbringen gewesen wäre und für die die Z Verwaltungs-GmbH eine Gegenleistung (Bezahlung) erbracht hätte. Der (besondere) Einsatz des Klägers bezog sich jedenfalls nicht auf die Zufriedenheit des von ihm persönlich betreuten „Kunden“, sondern vorrangig auf die Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber seiner Arbeitgeberin, deren Geschäftsführer zugleich auch der Geschäftsführer der Z Verwaltungs-GmbH war.
77Es kann daher dahinstehen, ob die Z Verwaltungs-GmbH trotz ihrer Stellung als Minderheitsgesellschafterin der Y GmbH und angesichts der Personenidentität der Geschäftsführung in Person des Z überhaupt „Dritte“ im Sinne des § 3 Nr. 51 EStG war oder als juristische Person an einem dem Trinkgeldbegriff zugrundeliegenden persönlichen Kundenverhältnis überhaupt beteiligt sein kann.
78IV. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
79V. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO lagen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung eines Einzelfalls unter Anwendung der bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.