Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Klägerin ist eine geschäftsleitende Holding, die über mehrere Tochtergesellschaften mit rund ... Gesellschaftern und einem Stammkapital von ... € weltweit Dienstleistungen anbietet. Eine ihrer 100%igen Tochtergesellschaften ist die Z & Partners ... Consultants GmbH (nachfolgend Organgesellschaft -- OG --). Zwischen den beiden Gesellschaften besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und eine Organschaft im Sinne von § 14 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bzw. § 2 Abs. 2 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG). Die OG erwarb in der Vergangenheit bei außerplanmäßigem Ausscheiden von Gesellschaftern der Klägerin (etwa bei Tod oder Kündigung eines Gesellschafters) die Gesellschaftsanteile der ausscheidenden Gesellschafter an der Klägerin, mit dem Ziel, die Geschäftsanteile später wieder an neu eintretende Gesellschafter der Klägerin zu veräußern. Das hierdurch begründete - wechselseitige - Beteiligungsverhältnis bestand auch im Zeitpunkt der jeweiligen Beschlüsse über die Gewinnausschüttung für das Geschäftsjahr 2013 am ....2014 bzw. für das Geschäftsjahr 2014 am ....2015. Zu diesen Zeitpunkten war die OG zu 0,713% bzw. 3,5% an der Klägerin beteiligt. Im Jahr 2014 wurde an die OG eine Gewinnausschüttung in Höhe von ... €, im Jahre 2015 eine solche in Höhe von ... € vorgenommen. Von dem Beklagten wurde der in den Streitjahren aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages abgeführte Gewinn der OG - inklusive der Gewinnausschüttungen aus der Beteiligung an der Klägerin - bei der Klägerin der Besteuerung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer unterworfen. Auf den Bescheid vom 2.1.2017 für das Jahr 2014 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG, den Körperschaftsteuerbescheid vom 21.12.2016 und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom 2.1.2017, jeweils für das Jahr 2014 sowie den Bescheid vom 2.1.2017 für das Jahr 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG, den Körperschaftsteuerbescheid vom 21.12.2016 und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom 2.1.2017 jeweils für das Jahr 2015 wird insoweit verwiesen.
3Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 19.1.2017 Einsprüche ein und beantragte zugleich hilfsweise eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO zu den vorgenannten Bescheiden. Der hierzu ergangene ablehnende Bescheid des Beklagten vom 14.2.2017 wurde von der Klägerin mit Einspruchsschreiben vom 28.2.2017 angefochten.
4Mit Einspruchsentscheidung vom 5.4.2017 wies der Beklagte sodann die Einsprüche gegen die Bescheide für die Jahre 2014 und 2015 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag als unbegründet zurück. Ebenfalls mit Einspruchsentscheidung vom 5.4.2017 wies der Beklagte die Einsprüche vom 28.2.2017 gegen die Ablehnung der Anträge auf abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO für Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag jeweils für die Jahre 2014 und 2015 als unbegründet zurück. Mit Einspruchsentscheidungen vom 2.5.2017 wurden die Einsprüche gegen die Bescheide für die Jahre 2014 und 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG sowie der Einspruch gegen die diesbezügliche Ablehnung der Anträge auf abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO für die einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 14 Abs. 5 KStG als unbegründet zurückgewiesen.
5Der Beklagte vertrat insoweit die Auffassung, dass die Gewinnausschüttungen der Klägerin an die OG nach § 8b Abs. 4 KStG i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG bzw. § 8 Nr. 5 GewStG i.V.m. § 9 Nr. 2a GewStG steuerpflichtig seien, da die gesetzlichen Mindestbeteiligungsquoten von 10% (KStG) bzw. 15% (GewStG) nicht erreicht seien. Eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO komme nicht in Betracht da kein Fall der sachlichen Unbilligkeit vorliege, weil die doppelte Steuerbelastung nicht auf einer Entscheidung des Gesetzgebers beruhe. Vielmehr habe der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Tatbestands des § 8b Abs. 4 KStG die Möglichkeit einer Mehrfachbesteuerung bewusst in Kauf genommen. Im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidungen verwiesen.
6Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.
7Streitig sei, ob die Gewinnausschüttungen der Klägerin und Organträgerin an ihre 100%ige Tochter und Organgesellschaft über den Gewinnabführungsvertrag und die Einkommens- bzw. Gewerbeertragszurechnung letztlich einer weiteren Besteuerung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer bei der Klägerin unterlägen. Bejahendenfalls würde der entsprechende Gewinn - bei dem gleichen Steuersubjekt - sowohl im Jahr der Gewinnerzielung als auch im Jahr der Gewinnverwendung der Besteuerung unterworfen. Bei Lichte betrachtet, käme es nicht (nur) zu einer – untechnisch gesprochen - Doppelbesteuerung. Ein fortbestehendes Beteiligungsverhältnis unterstellt, würde der Restgewinn nach Steuern wiederum jeweils anteilig auch an die Organgesellschaft (steuerpflichtig) ausgeschüttet und abgeführt. Diese konfiskatorische (und mithin verfassungsrechtlich zweifelhafte) Besteuerungswirkung könne - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht mit den Streubesitzregelungen im KStG und GewStG gerechtfertigt werden. Zwar treffe es zu, dass diese sowohl im KStG (vgl. § 8b Abs. 4 KStG) als auch im GewStG (vgl. §§ 8 Nr. 5, 9 Nr. 2a GewStG) die körperschaft- bzw. gewerbesteuerliche Freistellung von dem Erreichen sog. Mindestbeteiligungsquoten abhängig machten (mind. 10 % für die Körperschaftsteuer bzw. 15 % für die Gewerbesteuer). Der Beklagte verkenne jedoch, dass die Freistellung der Gewinnausschüttungen im vorliegenden Fall der Vermeidung der Mehrfachbesteuerung im Organkreis diene, und die Rechtsgrundlage für eine Freistellung in § 14 KStG bzw.§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG verortet sei. Es sei zudem davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der tatbestandlichen Ausgestaltung der vorgenannten Streubesitzregelungen den atypischen Fall wechselseitiger Beteiligungen in einer Organschaft nicht im Blick gehabt habe. Sofern eine sachgerechte Besteuerung nicht im Auslegungswege erreicht werden könne, liege daher ein ungewollter Tatbestandsüberhang vor. Da es den Wertungen des Gesetzgebers entspreche, die Gewinnausschüttungen im vorliegenden Einzelfall nicht der mehrfachen Besteuerung zu unterwerfen, wäre eine solche Besteuerung unbillig i.S. des § 163 AO.
8Die Körperschaftsteuer betreffend könnten die Regelungen in § 8b Abs. 4 KStG und §§ 14 ff. KStG - jeweils isoliert und auf den ersten Blick betrachtet – zwar für eine Besteuerung der Gewinnausschüttungen sprechen. So blieben Organträgerin und Organgesellschaft eigenständige Steuersubjekte i.S. des KStG. Deren Einkommen würden getrennt ermittelt und auf Ebene der Organträgerin der Besteuerung unterworfen. Auch die Gewinnausschüttungen der Organträgerin fänden aufgrund der vorstehenden Zweistufigkeit zunächst Eingang in die steuerliche Gewinnermittlung. Allerdings dürfe die vorstehende Systematik der Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft gemäß § 14 KStG und Einkommensermittlung beim Organträger nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weder zu einer Mehrfachbesteuerung des Organeinkommens führen, noch solle das Organeinkommen unbesteuert bleiben (vgl. etwa BFH v. 7.2.2007, 1 R 5/05, DStRE 2007, 732). Eine solche Mehrfachbesteuerung widerspreche dem Sinn und Zweck der Organschaftsregelungen, eine „Einmalbesteuerung" des Organeinkommens zu erreichen. Als Beleg für diesen Rechtsprechungsgrundsatz sei auf die Behandlung verdeckter Gewinnausschüttungen („vGA“) im Organschaftsfall zu verweisen (vgl. BFH v. 20.8.1986, I R 150/82, BSIBI. II 1987, 455; vgl. dazu auch Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 8 Rn. 1048: “Vermeidung der Doppelbesteuerung","Grundsatz der Einmalbesteuerung"). Den gleichen Zwecken diene die Ausgleichspostenmethode bei Mehr- bzw. Minderabführung (vgl. etwa von Freeden in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 14 Rz. 340 [Stand Sept. 2016] m.w.N. aus der Rechtsprechung; vgl. BFH vom 29.8.2012, I R 65/11, BStBl II 2013, 555 und vom 15.3.2017, I R 67/15, BFH/NV 2017, 1276).
9Der vorstehend beschriebene Rechtsprechungsgrundsatz finde auch auf die vorliegende Konstellation Anwendung. Der auf die Klägerin als Organträgerin entfallende Gewinn habe im Jahr der Gewinnerzielung bereits auf Ebene der Klägerin der Besteuerung unterlegen. Eine weitere Besteuerung im Jahr der Gewinnverwendung würde mithin eine mehrfache (und nicht nur doppelte) Besteuerung mit Körperschaftsteuer im Organkreis zur Folge haben. Eine solche Mehrfachbesteuerung sei, wie die Beispiele aus der Rechtsprechung zur Bildung von Ausgleichsposten bei Mehr- oder Minderabführungen zeigten, auch dann nicht sachgerecht, wenn diese in verschiedenen Veranlagungszeiträumen eintrete. Ein sachlicher Grund, der für eine Doppelbesteuerung im vorliegenden Fall, aber gegen eine solche in den zuvor beschriebenen Fällen streite, sei nicht ersichtlich.
10Ein Ausgleich dieser Mehrfachbesteuerung vermeide überdies verfassungsrechtliche Probleme, da nicht erkennbar sei, worin ein Zuwachs an Leistungsfähigkeit bei der Klägerin liegen solle, wenn diese ihre Gewinne auf Grundlage des Gewinnabführungsvertrages - vergleichbar mit dem Halten eigener Anteile mit einer Einstellung der auf die eigenen Anteile entfallenden Gewinne in die Gewinnrücklage - letztlich im Ergebnis „an sich selbst“ ausschütte.
11Nach Einführung des Feststellungsverfahrens in § 14 Abs. 5 KStG sei, soweit ersichtlich, bislang nicht durch Rechtsprechung geklärt, ob die notwendigen Korrekturen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Feststellungsbescheid nach § 14 Abs. 5 KStG zu erfolgen hätten. Dafür spreche, dass der BFH sich im vGA-Fall für eine Kürzung auf Ebene der Organgesellschaft ausgesprochen habe (BFH v. 20.8.1986, 1 R 150/82, BSIBI. II 1987, 455) und deren Einkommen nun durch das Feststellungsverfahren mit Bindungswirkung auch gegenüber dem Organträger festgestellt werde. Mit dem Antrag zu 1.) werde daher vorrangig die Abänderung der Feststellungsbescheide nach § 14 Abs. 5 KStG für 2014 und 2015 begehrt. Sollte der Senat der Auffassung sein, dass die Korrekturen auf Ebene des Organträgers vorzunehmen seien, werde hilfsweise die Änderung der Bescheide über Körperschaftsteuer für 2014 und 2015 begehrt.
12Sofern eine einschränkende Auslegung von § 8b Abs. 4 KStG verneint werde, sei gleichwohl eine Freistellung auf Grundlage von § 14 KStG bzw. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG geboten. Zunächst dürfte außer Frage stehen, dass es gerade das „Grundanliegen" der Organschaftsbesteuerung sei, eine Einmalbesteuerung sicherzustellen und eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dies gelte sowohl im Körperschaft- als auch Gewerbesteuerrecht (vgl. zur körperschaftsteuerlichen Organschaft zuletzt BFH v. 15.3.2017, I R 67/15, DStRE 2016, 1433). Es sei gerade nicht der vermeintliche Wille des Gesetzgebers gewesen, das Teileinkünfteverfahren für unternehmerische Beteiligungen und - erst Recht nicht - die Einmalbesteuerung innerhalb der Organschaft aufzuheben. Insoweit werde ergänzend auf die ständige Rechtsprechung zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung (§ 8 GewStG) im Organkreis verwiesen. Gewähre der Organträger einer Organgesellschaft ein verzinsliches Darlehen, erfolge - zur Sicherstellung der Einmalbesteuerung im Organkreis - keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Zinsaufwendungen bei der Organgesellschaft.
13Sollte der Senat der Auffassung sein, dass die 100 %ige Freistellung der Gewinnausschüttungen weder im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 14 Abs. 5 KStG noch durch eine Korrektur des Körperschaftsteuerbescheids auf Ebene des Organträgers zu erzielen sei, stelle sich hilfsweise die Frage, ob die Steuerfolge im vorliegenden (atypischen) Einzelfall unbillig sei (§ 163 AO).
14Die Festsetzung einer Steuer sei aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspreche, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderlaufe. Das setze voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen habe, rechtfertige dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. etwa BFH v. 23.7.2013, VIII R 17/10, DSt RE 2013, 1277). Entscheidend sei insoweit nicht, ob der Gesetzgeber die entsprechende Regelung in § 8b Abs. 4 KStG bewusst herbeigeführt habe – dies sei zweifelsfrei –, entscheidend sei vielmehr, ob der Gesetzgeber bei Einführung des § 8b Abs. 4 KStG auch den atypischen Fall der wechselseitigen Beteiligung im Organschaftsfall bewusst der Besteuerung habe unterwerfen wollen und eine solche (mehrfache) Besteuerung in Kauf genommen habe. Letzteres sei nicht ersichtlich. Folgerichtig sei deshalb zu beurteilen, ob der Gesetzgeber die Rechtsfolge auch im vorliegenden Fall als gerechtfertigt angesehen hätte oder nicht. Dies sei zu verneinen. Vielmehr widerspreche die Einziehung des Steueranspruches im vorliegenden Fall den Wertungen des Gesetzgebers in § 8b KStG und § 14 KStG. Soweit mit der Mindestbeteiligungsgrenze nicht lediglich Fiskalinteressen verfolgt würden, sondern vielmehr eine Abgrenzung zwischen einem (begünstigten) "hinreichend betrieblichen Engagement" des Gesellschafters und der (nicht begünstigten) „Kapitalanlage" erfolge, spreche ein solcher Besteuerungszweck für eine Befreiung im vorliegenden Fall: Ein „betriebliches Engagement" sei im vorliegenden Fall zweifellos gegeben. Die Gesellschaften bildeten einen steuerlichen Organkreis, eine stärkere Verbindung zweier Steuersubjekte existiere im Ertragsteuerrecht nicht. Sie, die Klägerin, sei zudem geschäftsleitende Holding der OG. Es handle sich um verbundene Unternehmen i.S. des § 271 HGB. Die Beteiligung der OG an ihr (der Klägerin) sei gerade keine "Kapitalanlage" der OG. Davon, dass der Gesetzgeber bewusst von dem Prinzip der Einmalbesteuerung im Organkreis habe abweichen wollen, könne nicht ausgegangen werden. Vielmehr sei im Gesetzgebungsverfahren gerade kein Wille des Gesetzgebers erkennbar geworden, der für eine Steuerpflicht im vorliegenden Fall streite. Auch § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG behandle (nur) Beteiligungserträge von „außen" und eben nicht solche „innerhalb" der Organschaft. Der Wortlaut von § 8b Abs. 4 KStG führe daher im vorliegenden Fall zu überschießenden Besteuerungsfolgen. Der Gesetzgeber habe ersichtlich nur die Kapitalanlage besteuern wollen. Im Organkreis solle es bei der Einmalbesteuerung bleiben. Den hier vorliegenden atypischen Fall der wechselseitigen Beteiligung habe der Gesetzgeber nicht im Blick gehabt, weshalb die überschießende Steuerfolge durch eine Billigkeitsmaßnahme beseitigt werden könne.
15Der Annahme einer sachlichen Unbilligkeit stehe auch nicht entgegen, dass die als unbillig anzusehende Steuerbelastung nicht vorrangig auf eine Entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen sei, sondern auf einer Entscheidung des Steuerpflichtigen beruhe. Zwar sei zutreffend, dass der Erwerb der Beteiligung an ihr (der Klägerin) durch die OG ebenso auf ihrer (der Klägerin) Entscheidung beruht habe wie die Ausschüttung der auf diese Beteiligung entfallenden Gewinne an sie. Sie habe aber darauf vertrauen dürfen, dass diese Ausschüttungen, die an sie aufgrund des Gewinnabführungsvertrages zurückflössen, auch nach der Einführung des § 8b Abs. 4 KStG nicht der mehrfachen Besteuerungen unterlägen, sondern es entsprechend der Behandlung vergleichbarer Fälle in der Vergangenheit bei einer einmaligen Besteuerung im steuerlichen Organkreis bliebe. Die Vermeidung der Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung sei schließlich ein Grundprinzip der steuerlichen Organschaft. Jede Doppel- oder Mehrfachbesteuerung widerspreche dem Wesen der steuerlichen Organschaft und müsse daher, sofern sie vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich durch eine gesetzliche Grundlage gebilligt worden sei, vom Steuerpflichtigen nicht hingenommen werden. Der Tatbestand der sachlichen Unbilligkeit sei somit erfüllt. Da der Beklagte die Tatbestandsvoraussetzungen des § 163 AO verneint habe, habe er sein Ermessen bislang nicht ausgeübt. Der Beklagte sei daher hilfsweise zu verurteilen, ermessensfehlerfrei über den Antrag auf abweichende Festsetzung gemäß § 163 AO zu entscheiden.
16Im Ergebnis sei dies bei der Gewerbesteuer ebenso zu sehen. Auch § 9 Nr. 2a GewStG in Verbindung mit der Betriebsstättenfiktion in § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG streite für eine Freistellung von Dividenden bei wechselseitiger Beteiligung im Organschaftsfall. Im Gewerbesteuerrecht bildeten der Organträger und die Organgesellschaft nach ständiger Rechtsprechung - ungeachtet der Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG - zwar kein einheitliches Unternehmen. Für jedes der sachlich selbständigen Unternehmen im Organkreis sei der Gewerbeertrag unter Berücksichtigung der Hinzurechnungen und Kürzungen in den §§ 8 und 9 GewStG getrennt zu ermitteln (vgl. auch R. 7.1 Abs. 5 Gewerbesteuerrichtlinie – GewStR-). Allerdings sei der Organträger alleiniger persönlicher Steuerschuldner i. S. d. § 5 GewStG (vgl. BFH v. 29.8.2000, VIII R 1/00, BStBl. II 2001, 114), weshalb die vorstehende Systematik als „gebrochene Einheitstheorie" bezeichnet werde (vgl. etwa BFH v. 30.10.2014, IV R 9/11, BFH/NV 15, 227). Der gebrochenen Einheitstheorie sei immanent, dass es in verschiedenen Konstellationen zu ungerechtfertigten doppelten steuerlichen Belastungen oder Entlastungen kommen könne. Wie im Bereich der Körperschaftsteuer sei eine solche doppelte steuerliche Belastung oder Entlastung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mit dem Wesen der gewerbesteuerlichen Organschaft unvereinbar. Rechtsgrundlage für die Korrektur und Beseitigung der Doppelbesteuerung sei § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG (vgl. BFH v. 30.10.2014, lV R 9/11, BFH/NV 2015, 227), weshalb es auf die tatbestandlichen Anforderungen der §§ 8 Nr. 5, 9 Nr. 2a GewStG und die Beteiligungsgrenze nicht ankomme (vgl. etwa BFH v. 27.9.2006, IV R 50/98, unter ll.2).
17Diese Rechtsprechungsgrundsätze würden auch von der Finanzverwaltung angewandt und seien entsprechend in den GewStR wiedergegeben. Auf R. 7.1 Abs. 5 Satz 3 ff. GewStR zu § GewStG werde insoweit verwiesen.
18Der entsprechende Gewerbeertrag habe im Jahr der Gewinnerzielung bereits auf Ebene des Organträgers der Besteuerung unterlegen. Eine weitere Besteuerung im Jahr der Gewinnverwendung würde mithin eine mehrfache (und nicht nur doppelte) Besteuerung mit Gewerbesteuer im Organkreis zur Folge haben. Dabei sei es mit Blick auf die Beispiele der Veräußerung der Organbeteiligung (dazu R 7.1 Abs. 5 Satz 4 GewStR) und der verlustbedingten Teilwertabschreibung der Organbeteiligung (dazu R 7.1 Abs. 5 Satz 5 GewStR) auch im Gewerbesteuerrecht unmaßgeblich, ob die doppelte Gewerbesteuerbelastung oder -entlastung bei dem Organträger in denselben oder unterschiedlichen Erhebungszeiträumen entstehe. Mit anderen Worten stehe auch der Gewerbesteuerfreiheit der Dividende im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass die vorherige - erstmalige - Belastung bei der Organträgerin in einem früheren Erhebungszeitraum eingetreten sei. Eine 100 %ige Freistellung sei daher sachgerecht und entspreche der Auslegung materiellen Rechts. Andernfalls würde sich auch hier die Frage stellen, ob die Steuerfolge im vorliegenden (atypischen) Einzelfall unbillig sei (§ 163 AO), was zu bejahen sei. Insoweit werde im Wesentlichen auf die obigen Ausführungen verwiesen.
19Auch nach der Entscheidung des BVerfG v. 8.3.2022, 2 BvR 1832/20 zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des § 8b Abs. 4 KStG und des § 9 Nr. 2a GewStG bleibe weiterhin streitig, ob die Gewinnausschüttungen der Klägerin und Organträgerin an ihre 100%ige Tochter und Organgesellschaft über den Gewinnabführungsvertrag und die Einkommens- bzw. Gewerbeertragszurechnung letztlich einer weiteren Besteuerung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer bei der Klägerin unterlägen.
20Die Klägerin beantragt,
211. die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des der Klägerin als Organträgerin zuzurechnenden Einkommens der Z & Partners ... Consultants GmbH als Organgesellschaft und damit zusammenhängender Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG für 2014 vom 25. April 2016, geändert durch Bescheid vom 2. Januar 2017, und für 2015 vom 2. Januar 2017, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2017, dahingehend abzuändern, dass bei dem der Klägerin als Organträgerin zuzurechnenden Einkommen die Erträge aus der Gewinnausschüttung der Klägerin an die Organgesellschaft in Höhe von ... € im Jahre 2014 und in Höhe von ... € im Jahre 2015 unberücksichtigt bleiben;
2. den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2014 vom 23. Juni 2016, geändert durch Bescheid vom 2. Januar 2017, sowie den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 vom 2. Januar 2017, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. April 2017, dahingehend abzuändern, dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Klägerin in dem der Klägerin zuzurechnenden Gewerbeertrag der Organgesellschaft Z & Partners ... Consultants GmbH die Erträge aus der Gewinnausschüttung der Klägerin an die Organgesellschaft in Höhe von ... € im Jahre 2014 und in Höhe von ... € im Jahre 2015 unberücksichtigt bleiben;
3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.) den Bescheid über Körperschaftsteuer für 2014 vom 23. Juni 2016, geändert durch Bescheid vom 21. Dezember 2016 sowie den Bescheid über Körperschaftsteuer für 2015 vom 21. Dezember 2016, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. April 2017, dahingehend abzuändern, dass bei der Ermittlung des von der Klägerin zu versteuernden Einkommens die Gewinnausschüttungen an die Organgesellschaft Z & Partners ... Consultants GmbH in Höhe von ... € im Jahre 2014 und in Höhe von ... € im Jahre 2015 unberücksichtigt bleiben;
4. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1.) bis 3.) den Beklagten zu verpflichten,
a) den Bescheid vom 14. Februar 2017 über die Ablehnung des Antrags der Klägerin vom 19. Januar 2017 auf Änderung nach § 163 AO für die gesonderte und einheitliche Feststellung des der Klägerin als Organträgerin zuzurechnenden Einkommens der Z & Partners ... Consultants GmbH als Organgesellschaft und damit zusammenhängender Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG für 2014 und für 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2017 sowie
30b) den Bescheid vom 14. Februar 2017 über die Ablehnung des Antrags der Klägerin vom 19. Januar 2017 auf Änderung nach § 163 AO für den Gewerbesteuermessbetrag für 2014 und 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. April 2017 aufzuheben und ermessensfehlerfrei unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden;
315. äußerst hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 4.) a) den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 14. Februar 2017 über die Ablehnung des Antrags der Klägerin vom 19. Januar 2017 auf Änderung nach § 163 AO für Körperschaftsteuer 2014 und 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. April 2017 aufzuheben und ermessensfehlerfrei unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden;
6. hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
36die Klage abzuweisen
37Unter Verweis auf die Einspruchsentscheidungen weist er darauf hin, dass eine Freistellung des nach § 8b Abs. 1 und 4 i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG ermittelten Einkommens der Klägerin um die Beteiligungserträge der OG nicht in Betracht komme. Zwar sei in Zusammenhang mit der körperschaftsteuerlichen Würdigung des Sachverhalts zu prüfen, ob bei einem wechselseitigen Beteiligungsverhältnis im Organkreis § 8b KStG auf die ausgeschütteten Beteiligungserträge der Klägerin an die OG angewendet werden könne oder ob es sich dabei tatsächlich um eine nicht gewollte Mehrfachbesteuerung handle. Die Besonderheit im streitgegenständlichen Sachverhalt sei, dass die OG, deren Einkommen der Klägerin zuzurechnen sei und daher entsprechend der Bruttomethode erst auf Ebene der Klägerin die Rechtsfolgen des § 8b KStG gezogen werden könnten, an der Klägerin selbst beteiligt sei. Somit werde von dieser zu Recht darauf hingewiesen, dass das abgeführte Einkommen der OG an diese wieder ausgeschüttet werde und dann im Jahr der Ausschüttung erneut auf Ebene der Klägerin der Besteuerung unterworfen werde. Spinne man diesen Umstand über mehrere Jahre unter gleichbleibendem Beteiligungsverhältnis weiter fort, ergebe sich ein Endlosschleifeneffekt, der zu einer fast vollständigen Amortisation (natürlich nur in Höhe der Beteiligung der OG an der Klägerin) des damals auf Ebene der OG generierten wirtschaftlichen Ertrags durch die fortlaufende Steuerbelastung führe. Vergleiche man allerdings den vorliegenden Fall einer wechselseitigen Beteiligung im Organkreis mit den Fällen einer mehrgliedrigen Gesellschaftsstruktur und einer wechselseitigen Beteiligung ohne Organkreis sei festzustellen, dass das Ergebnis in allen Fällen den vom Gesetzgeber in Kauf genommenem Kaskadeneffekt widerspiegle, der stets bei mehrgliedrigen Gesellschaftsstrukturen mit Schachtelbeteiligungen aufgrund der Wirkung des § 8b Absatz 5 KStG einsetze (auf die in der Klageerwiderung vom 10.8.2017, Bl. 62 ff d. FG-Akte, näher dargestellten Beispielsfälle wird verwiesen). Auch bei einer wechselseitigen Beteiligung ohne Organkreis werde das einmal von der originär tätigen Gesellschaft erwirtschaftete Markteinkommen über die Jahre hinweg mehrfach besteuert. Demnach könne eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der wechselseitigen Beteiligung im Organkreis nicht angenommen werden. Die aufgezeigten Verwerfungen, in Form einer geringen Mehrfachbelastung seien vom Gesetzgeber gewollt bzw. zur Vervollständigung des Systems hingenommen worden.
38Ausweislich der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses vom 28.11.2012 (BT-Drs 17/11717) zu § 8b Abs. 4 KStG habe der Gesetzgeber auch die Auswirkungen der Neuregelungen im Blick gehabt (siehe Plenarprotokoll 17/205 vom 09.11.2012, 25081 ff., Erste Lesung des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09), weshalb der Gesetzentwurf u. a. auch durch den Vermittlungsausschuss habe gehen müssen. Ferner ergebe sich aus der Protokollerklärung zum Vermittlungsverfahren (Plenarprotokoll 17/225 vom 28.02.2013, Anlage 4, 28160 f.) von Herrn Dr. Michael Meister, dass es dem Vermittlungsausschuss bekannt gewesen sei, dass mit der Neuregelung des § 8b Abs. 4 KStG die bisherige Systematik der Besteuerung von Beteiligungserträgen verlassen werden würde. In dieser Kenntnis und diesem Willen sei das Gesetz verabschiedet worden.
39Hinzu komme noch, dass der Gesetzgeber in § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG eine Sonderregelung für die Prüfung der zehnprozentigen Beteiligungsgrenze in Organschaftsfällen eingeführt habe. Diese Regelung möge zwar nicht primär den hier vorliegenden Fall der wechselseitigen Beteiligung im Blick gehabt haben, habe aber ziemlich offensichtlich die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck gebracht, dass bei Überprüfung der Beteiligungsgrenze Organträger und Organgesellschaft stets getrennt und isoliert zu betrachten seien. Beim Organträger und bei der Organgesellschaft handle es sich nicht um dasselbe Steuersubjekt. Organträger und Organgesellschaft blieben selbständige Körperschaftsteuersubjekte, deren Einkommen getrennt ermittelt werde. Lediglich die Besteuerung erfolge auf Ebene des Organträgers gemeinsam (vgl. Montag in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14 Rz.9).
40Auch der klägerische Antrag nach § 163 AO sei zurückzuweisen, da es wegen der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung an einer sachlichen Unbilligkeit mangle. Umstände, die dem Besteuerungszweck entsprächen oder die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestandes bewusst in Kauf genommen habe, könnten einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nicht rechtfertigen (BFH-Urteil vom 20. Februar 1991, II R 63/88, BStBI II 1991, 541). Sachliche Billigkeitsgründe seien gegeben, wenn die Besteuerung des Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand falle, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck der Steuergesetze nicht vereinbar sei, wenn also ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar sei (BFH-Urteil vom 25.11.1980, VII R 17/78, BStBI II 1981, 204). Das gelte nicht, wenn die Steuerbelastung nicht ausschließlich auf eine Entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen sei, sondern im Wesentlichen auf eine Initiative des Steuerpflichtigen und dieser die steuerlichen Folgen seines Handelns gekannt habe oder habe kennen müssen. Die streitgegenständliche Norm sei so konkret ausgestaltet, dass die betroffenen Adressaten in die Lage versetzt worden seien, ihr Handeln anhand der Regelung auszurichten und die steuerlich für sie negativen Folgen des § 8b Abs. 4 KStG zu vermeiden. Auch der steuerlich beratenen Klägerin habe die Neuregelung des § 8b Abs. 4 KStG im Jahr 2013 bekannt sein müssen, sodass man um die Folgen für das gewählte Organschaftsmodell hätte wissen müssen. Weiterhin komme im Organschaftsfall hinzu, dass der OT aufgrund der finanziellen Eingliederung i.S.d. § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 KStG stets auf die OG entscheidenden Einfluss nehmen könne und solche Beteiligungsstrukturen somit billigend in Kauf nehme.
41Weiterhin komme eine abweichende Festsetzung nicht in Betracht, da der Fall der wechselseitigen Beteiligung im Organkreis zu keiner Steuermehrbelastung führe, als der Fall der wechselseitigen Beteiligung ohne Organschaft sowie einer mehrgliedrigen Beteiligungsstruktur (s. die Ergebnisse der drei Beispiele). Es könne dahin gestellt bleiben, ob dem Gesetzgeber genau dieser Fall bewusst gewesen sei. Die dargestellte Steuerbelastung beweise, dass dieser Fall den Gesetzgeber nicht zu einer abweichenden Regelung veranlasst hätte, da keine ungünstigeren Rechtsfolgen, als systembedingt im Regelungsbereich des § 8b KStG üblich, im Streitfall entstünden.
42Auch bei der Ermittlung der Gewerbeerträge komme eine Freistellung nicht in Betracht, da es zu keiner Doppelbesteuerung desselben wirtschaftlichen Erfolgs komme. Es handle sich um die Besteuerung eines Beteiligungsertrags der OG und nicht um die Besteuerung der Gewinnausschüttung der Klägerin, es liege somit keine Steuerobjektidentität vor. Der Umstand, dass es sich um eine wechselseitige Beteiligung im Organkreis handle, sei hierbei unmaßgeblich. Die von der Klägerin angeführte Passage des R 7.1 Absatz 5 Satz 3ff. der GewStR sei auf den Streitfall nicht anwendbar. Hinzurechnungen nach § 8 GewStG hätten danach zu unterbleiben, soweit die Hinzurechnung zu einer doppelten steuerlichen Belastung führe. Eine doppelte steuerliche Belastung könne dabei eintreten, wenn die für die Hinzurechnung in Betracht kommenden Beträge bereits in einem der zusammenzurechnenden Gewerbeerträgen enthalten seien. Im Streitfall kommt es nicht zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nummer 5 GewStG. Da sowohl im Jahr 2014 als auch im Jahr 2015 die Beteiligungshöhe unter den in § 9 Nummer 2a GewStG geforderten 15% liege, seien mangels Anwendung des § 8b KStG auf Ebene der OG die Dividenden noch vollständig im Gewerbeertrag enthalten, so dass eine Hinzurechnung unterbleiben könne. Dieser Gewerbeertrag werde dann, wie bereits dargestellt, dem Organträger zugerechnet und bei diesem nach § 15 Satz 1 Nummer 2 KStG wieder § 8b KStG unterworfen. Da aber auch hier § 8b Absatz 4 KStG einschlägig sei und demnach der Beteiligungsertrag vollständig zu versteuern sei, komme es zu keiner weiteren Korrektur in Form einer Hinzurechnung des Gewerbeertrages.
43Schließlich komme auch bei der Gewerbesteuer eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht, da keine sachliche Unbilligkeit gegeben sei. Insoweit werde auf die obigen Ausführungen verwiesen. Dessen ungeachtet könne die Klägerin mit ihrem Klageantrag gewerbesteuerlich bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht durchdringen. Bezüglich der begehrten Billigkeitsmaßnahme sei der Beklagte gern. § 184 Abs. 2 AO nicht befugt. Es stehe der Klägerin insoweit offen, die Billigkeitsmaßnahme bei der hebeberechtigten Gemeinde zu beantragen.
44Das Verfahren hat geruht (Senatsbeschluss vom 1.4.2021) bis zum Abschluss des beim BVerfG anhängigen Verfahrens 2 BvR 1832/20.
45Entscheidungsgründe
46Die zulässige Klage ist nicht begründet.
47Zu Recht hat der Beklagte die streitigen Beteiligungserträge in den Jahren 2014 und 2015 der Körperschaftsteuer (1.) und der Gewerbesteuer (2.) unterworfen und die Anträge nach § 163 AO (3.) abgelehnt.
481.
49a) Gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 vom 21.03.2013 (BGBl I 2013, 561, BStBl I 2013, 344) sind Bezüge i.S. des Abs. 1 der Vorschrift abweichend von Abs. 1 Satz 1 bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Nach § 34 Abs. 7a Satz 2 KStG in der vorgenannten Fassung ist § 8b Abs. 4 KStG erstmals für Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden, die nach dem 28.02.2013 zufließen.
50Sind die verbundenen Unternehmen - wie hier - Teile einer körperschaftsteuerlichen Organschaft, gelten bei der Ermittlung des der Klägerin nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zuzurechnenden Einkommens der OG nach § 15 KStG folgende Besonderheiten:
51Abweichend von den allgemeinen Vorschriften sind nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG bei der Organgesellschaft § 8b Abs. 1 bis 6 KStG nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Gewinn der Organgesellschaft selbständig und ungeschmälert um darin enthaltene Bezüge nach § 8b Abs. 1 KStG zu ermitteln und sodann dem Organträger nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zuzurechnen (sog. Bruttozurechnung). Dieses dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft wird nach § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft einheitlich und gesondert festgestellt.
52Sodann ist der brutto zugerechnete Gewinn beim Organträger den zuvor ausgeschlossenen allgemeinen Vorschriften zu unterwerfen. Sind in dem dem Organträger nach § 14 KStG zugerechneten Einkommen Bezüge, Gewinne oder Gewinnminderungen i.S. des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG enthalten, ist § 8b KStG nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden. Für die Anwendung der Beteiligungsgrenze im Sinne des § 8b Absatz 4 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 vom 21. März 2013 (BGBl. I S. 561) werden Beteiligungen der Organgesellschaft und Beteiligungen des Organträgers getrennt betrachtet (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG).
53b) Dies zugrunde gelegt hat der Beklagte die an die OG in den Jahren 2014 und 2015 ausgeschütteten Beteiligungserträge in den angefochtenen Feststellungsbescheiden (Antrag zu 1) bei dem der Klägerin zuzurechnenden Einkommen der OG und sodann in den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheiden (Antrag zu 3) der Klägerin zutreffend berücksichtigt.
54aa) Die auf den Ausschüttungen der Klägerin an die OG beruhenden Beteiligungserträge sind unstreitig Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG. Diese Bezüge waren gemäß § 8b Abs. 4 KStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung auch bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin in voller Höhe zu berücksichtigen und der Klägerin nach §§ 14, 15 Satz 1 Nr. 2 KStG zuzurechnen, da die OG zu Beginn des jeweiligen Streitjahres zu weniger als 10 % an der Klägerin beteiligt war. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 8b Abs. 4 KStG bestehen nicht. Insoweit wird auf das Urteil des BFH vom 18.12.2019 (I R 29/17, BStBl. II 2020, 690) verwiesen. Das BVerfG hat die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen BVerfG-Beschl. v. 8.3.2022, 2 BvR 1832/20).
55bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin gebietet der Grundsatz der Einmalbesteuerung im Organkreis – allein dies ist hier streitig – keine einschränkende Auslegung des § 8 Abs. 4 i.V.m. § 14 KStG dahingehend, dass bei einer wechselseitigen Beteiligung der Organgesellschaften die betreffenden Beteiligungserträge freizustellen sind. Eine Verpflichtung zur Freistellung dieser Erträge ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des BFH zur Einmalbesteuerung im Organkreis. Eine Freistellung kommt weder durch Reduzierung der der Klägerin zuzurechnenden Erträge der OG im Feststellungsbescheid (Antrag zu 1) noch durch Reduzierung des Einkommens der Klägerin im Körperschaftsteuerbescheid (Antrag zu 3) in Betracht.
56Zwar weist der BFH in den von der Klägerin zitierten Entscheidungen (BFH-Urteil vom 20.8.1986, I R 150/82, BStBl II 1987, 455 zu verdeckten Gewinnausschüttungen im Organkreis und BFH-Urteile vom 29.8.2012, I R 65/11, BStBl II 2013, 555 und vom 15.3.2017, I R 67/15, BFH/NV 2017, 1276 zu Mehr- und Minderabführungen im Organkreis) ausdrücklich darauf hin, dass sich das jeweils dort zu findende Ergebnis an dem sich aus § 7a KStG a.F. bzw. § 14 KStG ergebenden Grundanliegen des Gesetzgebers zu orientieren habe, die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger sicherzustellen als Ausnahme von dem Grundsatz der steuerlichen Doppel- und Mehrfachbelastung der Gewinne der Kapitalgesellschaft, einmal durch die Körperschaftsteuer der Gesellschaft, sodann bei Ausschüttung durch die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer bei den Gesellschaftern (so z.B. BFH-Urteil vom 20.8.1986, I R 150/82, BStBl II 1987, 455, Rdn. 25). Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass mit § 8 b Abs. 1 KStG für die hier streitigen Beteiligungserträge im Konzernverbund bereits eine gesetzliche Vorschrift ausdrücklich dem Grundsatz der Einmalbesteuerung im Konzernverbund - und damit auch im Organkreis - Rechnung trägt, als Ausnahme vom Grundsatz der Doppel- und Mehrfachbelastung der Gewinne einer Kapitalgesellschaft. § 8b Abs. 1 KStG ist Ausdruck der Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu besteuern und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten Bezüge innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen (s. BFH v. 18.12.2019, I R 29/17, BStBl. II 2020, 690). Diese durch die ausdrückliche Inbezugnahme in § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG auch für Organschaften geltende gesetzgeberische Grundentscheidung wird durch den hier streitigen § 8b Abs. 4 KStG ganz bewusst zur Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage durchbrochen. Dabei ist diese Vorschrift – ebenso wie die Grundentscheidung des § 8b Abs. 1 KStG – in verfassungsrechtlich zulässiger Weise typisierend angelegt (so auch BFH-Urteil v. 18.12.2019, I R 29/17, BStBl. II 2020, 690) und nach ihrem Wortlaut unterschiedslos auf alle Streubesitzverhältnisse anzuwenden. Auch für organschaftlich verbundene Unternehmen stellt § 8b Abs. 4 KStG daher eine Ausnahme von der Einmalbesteuerung dar. Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien lassen erkennen, dass der Gesetzgeber hiervon für den Fall der wechselseitigen Organschaft eine Ausnahme hätte machen wollen. Auch der Einwand der Klägerin, dass der Gesetzgeber die unterschiedliche Behandlung der Erträge von Beteiligungen, an denen der Anteilseigner zu mindestens 10 % und denen, an denen er zu weniger als 10 % beteiligt sei, dadurch für gerechtfertigt gehalten habe, dass bei einer Streubesitzbeteiligung die Beteiligung als Kapitalanlage angesehen werde und häufig auch keine dauerhafte Beteiligung an der Unternehmung angestrebt und unternehmerischer Einfluss nicht möglich sei, was bei der wechselseitigen organschaftlichen Verbindung der Klägerin und der OG zweifelsfrei anders sei, führt zu keiner anderen Beurteilung.
57(1.) Dies gilt im Jahr der jeweils erstmaligen Ausschüttung – hier im Jahr 2014 in Höhe von ... € und im Jahr 2015 in Höhe von ... € (... € abzgl. 3,5% von ... €) - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8b Abs. 4 KStG bereits deshalb, weil die wechselseitig verbundenen Gesellschaften des Organkreises insoweit keine höhere Belastung trifft als nicht wechselseitig verbundene Gesellschaften eines Organkreises oder die nicht organschaftlich verbundene Konzernstruktur. Ein eine Freistellung rechtfertigender Verstoß gegen die Belastungsgleichheit ist insoweit nicht erkennbar. Dies gilt unabhängig von der Frage ob die Erträge im Fall der Organschaft infolge der Gewinnabführung dem Organträger oder in den Fällen einer nicht organschaftlich verbundenen Konzernstruktur der Beteiligungsgesellschaft zuzurechnen sind. Hierzu wird im Einzelnen auf die von dem Beklagten in seiner Klageerwiderung vom 10.8.2017 (Bl. 62ff d. FG-Akte) dargestellten Beispielsfälle verwiesen.
58(2.) Nichts anderes gilt aber auch insoweit, als in den Folgejahren als Folge des Gewinnabführungsvertrages eine erneute Ausschüttung und Abführung in Höhe der jeweiligen Beteiligung erfolgt und dadurch eine Mehrfachbelastung eintritt, die ausschließlich durch das wechselseitige Organschaftsverhältnis bedingt ist. Im Streitfall ist dies unstreitig im Jahr 2015 - infolge der Gewinnabführung des im Jahr 2014 an die OG ausgeschütteten Betrages von ... € an die Klägerin - durch die erneute Ausschüttung von 3,5% dieses Betrages eine Mehrbelastung von ... €. Auch hinsichtlich dieses im Jahr 2015 erneut ausgeschütteten Beteiligungsertrages von ... € ist eine Freistellung von der Besteuerung nicht geboten.
59Insbesondere steht der hierauf entfallenden Besteuerung das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht entgegen. Zwar muss bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen daher eines besonderen sachlichen Grundes. Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen erkennt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken allerdings auch Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.2019, I R 29/17, BStBl II 2020, 690, unter Verweis auf BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 116, 164; in BVerfGE 123, 1, in BVerfGE 122, 210). Auch insoweit kommt daher eine Freistellung nicht in Betracht, denn bei einer typisierend angelegten Vorschrift wie der des § 8b Abs. 4 KStG ist es hinzunehmen, dass es im Einzelfall zu überschießenden Wirkungen kommen kann. Der Gesetzgeber hat hierbei im Rahmen seiner verfassungsrechtlich zulässigen Typisierungsbefugnis die Wirkungen und Umstände des jeweiligen Einzelfalles bewusst unberücksichtigt gelassen (s. z.B. BFH v. 13.10.2010, I R 79/09, BStBl II 2014, 943; v. 24.6.2014, VIII R 35/10, BStBl II 2016, 916; v. 21.12.2016, I R 24/15, BFH/NV 2017, 770). Der Gesetzgeber war sich ausweislich der Gesetzesmaterialien (z. B. BT-Drs. 17/11717) möglicher unerwünschter Auswirkungen durchaus bewusst, die er aber in Kauf genommen hat, um eine EU-Rechts konforme Gesetzeslage herzustellen.
602.
61Auch bei der Ermittlung des der Klägerin zuzurechnenden Gewerbeertrags (Antrag zu 2) hat der Beklagte die Erträge aus der Gewinnausschüttung an die OG zu Recht berücksichtigt. Eine Korrektur des Gewerbeertrages kann nicht mit § 2 Abs. 2 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) begründet werden.
62a) Gemäß § 7 GewStG ist der Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Gemäß § 9 Nr. 2a GewStG ist eine Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft vorzunehmen, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt.
63Zwar gilt für den Gewerbeertrag im Organkreis nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG eine Kapitalgesellschaft, die - wie im Streitfall - Organgesellschaft i.S. der §§ 14, 17 oder 18 KStG ist, als Betriebsstätte des Organträgers, hier der Klägerin (sog. gewerbesteuerliche Organschaft). Allerdings bilden die Organgesellschaft und der Organträger trotz dieser Fiktion kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind. Der Gewerbeertrag der Organgesellschaft ist so zu ermitteln, als wäre diese Gesellschaft selbständiges Steuersubjekt. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags jedes der Unternehmen sind auf dieser ersten Stufe die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften (§§ 8, 9 GewStG 2002) zu beachten (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie; ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, z.B. BFH v. 29.5.1968, I 198/65, BStBl II 1968, 807; v. 17.12. 2014, I R 39/14, BStBl II 2015, 1052, jeweils m.w.N.). Erst der selbständig ermittelte Gewerbeertrag der Organgesellschaft ist sodann --auf einer zweiten Stufe-- mit dem für den Organträger selbst ermittelten Gewerbeertrag zusammenzurechnen. Ergeben sich dabei unberechtigte doppelte steuerliche Be- oder Entlastungen, so sind diese auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG auszuscheiden (so z.B. BFH v. 27.9.2006, IV R 50/98, BFH/NV 2007, 239; v. 17.12. 2014, I R 39/14, BStBl II 2015, 1052; v. 7.9.2016, I R 9/15, BFH/NV 2017, 485, jeweils m.w.N).
64aa) Hinsichtlich der Gewinnermittlung nach den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes wird auf die entsprechenden Ausführungen zu den Anträgen 1 und 3 (s.o. 1.a)) verwiesen. Die Dividendeneinnahmen der OG sind im Gewinn aus Gewerbebetrieb der OG i.S. des § 7 GewStG enthalten und müssen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der OG vollumfänglich gekürzt werden, wenn die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG erfüllt sind. Da die Beteiligung weniger als 15% beträgt kommt eine Kürzung um die Beteiligungserträge der OG jedoch nicht in Betracht. Der insoweit ungekürzte Betrag wird auf der zweiten Stufe der Klägerin zugerechnet. Die grundsätzliche Anwendung dieser Vorschriften ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
65bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Freistellung des ihr insoweit zuzurechnenden Betrages von den streitigen Beteiligungserträgen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG nicht geboten. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH-Urteil v. 27.9.2006, IV R 50/98, BFH/NV 2007, 239; v. 17.12. 2014, I R 39/14, BStBl II 2015, 1052; v. 7.9.2016, I R 9/15, BFH/NV 2017, 485, jeweils m.w.N) § 2 Abs. 2 Satz 2GewStG stets eine geeignete Grundlage unberechtigte doppelte steuerliche Be- oder Entlastungen im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis zu korrigieren. Erfasst werden nach der Zielrichtung der Vorschrift ungerechtfertigte Doppelerfassungen oder ungerechtfertigten Nichterfassungen, die gerade wegen der getrennten Ermittlung und der anschließenden Zusammenrechnung zu einer Doppel- oder Nichterfassung führen (vgl. BFH-Urteil v. 17.12. 2014, I R 39/14, BStBl II 2015, 1052). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr sind die Vorschriften in § 15 Satz 1 Nr. 2 und § 8b Absätze 1 und 4 KStG ebenso wie § 7 und § 9 Nr. 2a GewStG hinsichtlich der hier streitigen Beteiligungserträge lückenlos aufeinander abgestimmt. Insbesondere liegt auch gerade der Zweck des § 9 Nr. 2a GewStG - soweit die Beteiligung mindestens 15% beträgt - in der Vermeidung der gewerbesteuerlichen Doppelbelastung (z. B. BFH v. 24.1.2012, I B 34/11, BFH/NV 2012, 700), wobei die Kürzung ganz bewusst für alle unter 15% liegenden Beteiligungen ausgeschlossen worden ist, unabhängig von deren Unternehmensstruktur. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen zu § 8b Abs. 4 KStG verwiesen.
66Selbst wenn man der Klägerin zugesteht, dass – jedenfalls hinsichtlich der mehrfachen Ausschüttung der Beteiligungserträge - im Streitzeitraum ... € im Jahr 2015 - eine periodenübergreifende gewerbesteuerliche Doppelbelastung entstanden ist, führt dies nicht zu einem Anspruch auf Freistellung, denn nach der Rechtsprechung des BFH (BFH v. 7.9.2016, I R 9/15, BFH/NV 2017, 485 m.w.N.) besteht im Gewerbesteuerrecht kein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Kürzung bei der Ermittlung des Gewerbeertrages durchzuführen ist, soweit es ohne diese Kürzung zu einer periodenübergreifenden Doppelerfassung kommt. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt darin nicht, da diesem Maßstab keine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Wahrung eines periodenübergreifenden Ausgleichs zu entnehmen ist (BFH v. 7.9.2016, I R 9/15, BFH/NV 2017, 485 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss v. 15.2.2016,1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557).
673.
68Auch die Anträge der Klägerin hilfsweise in den Streitjahren nach § 163 AO die Körperschaftsteuern und die Gewerbesteuern unter Außerachtlassung der Beteiligungserträge niedriger festzusetzen bzw. die Körperschaftsteuer betreffend bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung nach § 14 Abs. 5 KStG die streitigen Beteiligungserträge unberücksichtigt zu lassen, haben keinen Erfolg.
69a) Dem Antrag der Klägerin, den Bescheid vom 14.2.2017 über die Ablehnung des Antrags vom 19.1.2017 nach § 163 AO für die Gewerbesteuermessbeträge für 2014 und 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.4.2017 aufzuheben und ermessensfehlerfrei unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (hier Antrag zu 4 b)) kann bereits deshalb nicht stattgegeben werden, weil der Beklagte für die abweichende Festsetzung von Gewerbesteuer aus Billigkeitsgründen nicht zuständig ist. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO sieht zwar eine Zuständigkeit des Finanzamtes für Billigkeitsmaßnahmen im Rahmen der Festsetzung von Realsteuermessbeträgen vor. Da der Gesetzgeber die Zuständigkeit für Fälle der sog. Gruppenunbilligkeit den Finanzämtern übertragen, für Fälle der sog. Individualunbilligkeit dagegen keine Regelung getroffen hat, sind für Letztere die Gemeinden als steuerfestsetzende Behörden zuständig (Finanzgericht -- FG -- Nürnberg v 5.10.2005, V 205/2004, juris; FG Köln v. 16.6.2016, 13 K 984/11, EFG 2016, 1756).
70b) Auch die Anträge der Klägerin nach § 163 AO betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung des der Klägerin als Organträgerin zuzurechnende Einkommens der OG für die Jahre 2014 und für 2015 (hier Antrag zu 4 a)) sowie betreffend die gegenüber der Klägerin ergangenen Körperschaftsteuerbescheide 2014 und 2015 (hier Antrag zu 5) hat der Beklagte zu Recht abgelehnt.
71aa) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach der Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Festsetzung einer Steuer ist aus --im Streitfall allein streitigen-- sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber dessen Wertungen zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme. Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist hierbei nicht die subjektive Vorstellung eines am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, sondern der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (BFH v. 21.12.2016, I R 24/15, BFH/NV 2017, 923 m.w.N.).
72bb) Der Gesetzgeber hat mit § 8b Abs. 4 KStG verfassungsrechtlich zulässig in typisierender Weise ausnahmslos für alle Unternehmensstrukturen die Steuerfreiheit von Beteiligungserträgen bei Beteiligungen unter 10% aufgehoben. Der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers lässt nicht erkennen, dass er eine Ausnahme für wechselseitige Beteiligungen im Organkreis geschaffen hätte – und nur für solche ist die Frage überhaupt von Bedeutung - wenn er die Problematik der Mehrfachbelastung ab dem zweiten Jahr der Ausschüttung - im Streitfall in Höhe des Betrages von ... € im Jahr 2015 – im Blick gehabt hätte. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass auch in allen anderen Fällen als dem hier konkret streitigen - wegen der Steuerfreistellung ab einer Beteiligungshöhe von 10 % - stets die maximale Auswirkung bei der Bemessungsgrundlage ab dem zweiten Jahr der Ausschüttung unter 1% des Beteiligungsertrages liegt. Für den Beteiligungsertrag im ersten Jahr der Ausschüttung – hier die Ausschüttung im Jahr 2014 und der den ... € übersteigenden Betrag im Jahr 2015 - fehlt es bereits an einer ungerechtfertigten Mehrbelastung (s.o. 1. b)
73Der Gesetzgeber war sich ausweislich der Gesetzesmaterialien (z. B. BT-Drs. 17/11717) möglicher unerwünschter Auswirkungen bewusst, die er aber in Kauf genommen hat, um eine EU-Rechts-konforme Gesetzeslage herzustellen. Auch in Ansehung der typisierenden Annahme des Finanzausschusses, dass bei einer Streubesitzbeteiligung die Beteiligung als Kapitalanlage angesehen werde und häufig auch keine dauerhafte Beteiligung an der Unternehmung angestrebt sei (BRDrucks 632/1/12, S. 32 f) ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber - angesichts der verhältnismäßig geringen Auswirkung - für den Fall der wechselseitigen Organschaft eine Ausnahmeregelung hätte einfügen wollen, wenn er sich der Problematik bewusst gewesen wäre. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass derlei ungewollte Auswirkungen (wie die im Streitfall) nach Bekanntwerden der geplanten Gesetzesänderung bereits durch die vom Bundesrat am 6.7.2012 in das Gesetzgebungsverfahren zum JStG 2013 eingebrachte Empfehlung zur Einführung eines neuen § 8b Abs. 4 KStG durch eine anderweitige Gestaltung hätte vermieden werden können.
744.
75Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Klärung der Anwendbarkeit von § 8b Abs. 4 KStG auf wechselseitig verbundene Organkreise zugelassen.
765.
77Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.