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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Verfahrensrechtlich ist dabei problematisch, ob die Klage im Jahr 2023 wirksam durch den Steuerberater innerhalb der Klagefrist eingereicht worden ist.
3Der Kläger ist Eigentümer einer Immobilie in der H-Str. 00 in D. Diese Immobilie wird seit ihrer Herstellung im Jahr 2000 von der U GmbH (nachfolgend GmbH) angemietet. Gesellschafter der GmbH sind die Kläger, je zu 50%.
4Unter dem 19.1.2021 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid 2019. Darin schätzte er die Besteuerungsgrundlagen zunächst (Steuerfestsetzung 36.500 €).
5Dagegen wandten sich die Kläger mit Einspruch vom 22.2.2021. Zur Begründung übermittelten sie die fehlende Einkommensteuererklärung 2019. Nach Prüfung der Erklärung verblieben folgende Punkte streitig: Anrechnung Steuer aus X i.H.v. 254,99 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, Höhe der Heizkosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bei dem Grundstück Astr. 0-0 in L und die Berücksichtigung des Umfangs der Werbungskosten für das Grundstück H-Str. 00 in D.
6Der Beklagte erließ unter dem 6.7.2023 eine Einspruchsentscheidung. Darin änderte er die Einkommensteuerfestsetzung vom 19.1.2021 auf €. Zur Begründung führte er – zusammengefasst – aus, dass die indische Steuer auf Kapitalerträge i.H.v. 83,20 € angerechnet werden könne. Bezüglich der Werbungskosten bei dem Grundstück Astr. 0-0 sei eine Einigung darüber erzielt worden, dass die Werbungskosten im Verhältnis der Flächen aufzuteilen seien, so dass 70,76 % der Heizkosten i.H.v. 7.183 €, also 5.083 €, zu berücksichtigen seien. Im Übrigen, also bezüglich der Berücksichtigung der Werbungskosten für das Objekt H-Str. 00 sei der Einspruch unbegründet. Die Werbungskosten seien nicht zu berücksichtigen, soweit ein Steuerpflichtiger aus privaten Gründen auf Einnahmen aus der Vermietung verzichte. Insoweit sei zu beachten, dass der Einspruchsführer die Mieteinnahmen der Hauptmieterin ohne schriftliche Vereinbarung und Angabe der genauen Höhe und Dauer gestundet habe. Hintergrund dafür sei die persönliche Nähe des Einspruchsführers als Vermieter und der mietenden GmbH, an der beide Einspruchsführer beteiligt seien. Das Verhältnis zwischen in 2019 vereinnahmter Miete zu der im Jahr 2016 vereinnahmten Miete ergebe einen Anteil von 12% der Werbungskosten, der berücksichtigt werden könne (2.552 € von 21.264 €).
7In der Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung vom 6.7.2023 heißt es, dass die Klage „schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären ist“. Außerdem wird ergänzt: „Die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung regelt § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO.“
8Dagegen wenden sich die Kläger mit der Klage vom 8.8.2023, die die jetzige Bevollmächtigte der Kläger, eine Steuerberatungsgesellschaft, per Fax eingereicht hat. Darin führt sie aus, die Klage richte sich gegen die Kürzung der Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt H-Str. 00, D. Für diesen Teil der Einkommensteuerveranlagung werde die volle Berücksichtigung der Werbungskosten für 2019 beantragt. Die Klage könne aktuell nicht elektronisch eingereicht werden, da der Chip aus dem Personalausweis des Vertreters nicht gelesen werden könne. Ein neuer Ausweis sei beantragt. Die Begründung werde nachgereicht.
9In einem weiteren, am 5.9.2023 per Telefax übermittelten Schriftsatz vom 22.8.2023 führt die Klägerbevollmächtigte aus, die GmbH und die Kläger hätten in 2018 eine Übereinkunft getroffen, wonach die Miete gestundet würde, bis die finanziellen Schwierigkeiten der GmbH überwunden wären. Inzwischen leiste die GmbH die Miete wieder in voller Höhe. Für die nächsten Jahre sei geplant, die rückständige Miete zurückzuzahlen. Die Einkünfteerzielungsabsicht hätten die Kläger zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Die Rückzahlung der rückständigen Mieten in den Folgejahren führe zu einer deutlich höheren Einkommensbesteuerung, während die im Streitjahr liegenden Verluste keine steuerliche Anerkennung fänden. Diese Klagebegründung werde per Fax eingereicht, da der Personalausweis des Unterzeichners vom entsprechenden Lesegerät nicht erkannt worden sei. Ein Ersatz sei bestellt worden.
10Sowohl die Klageschrift vom 8.8.2023 als auch den Schriftsatz vom 22.8.2023 hat die Klägervertreterin am 17.10.2023 auch noch einmal per besonderen Steuerberaterpostfach (beSt) übermittelt. Über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügt das Dokument nicht. Es ist abgesendet worden von der E GmbH und maschinenschriftlich unterschrieben mit „F“.
11Die Kläger beantragen,
12den Einkommensteuerbescheid 2019 vom 19.1.2021 in Form der Einspruchsentscheidung vom 6.7.2023 dahingehend zu ändern, dass die Werbungskosten für das Objekt in D erklärungsgemäß berücksichtigt werden und die Einkommensteuer 2019 entsprechend herabzusetzen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor: Bei Gewerbeimmobilien sei im Einzelfall festzustellen, ob bezweckt sei, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Mietverträge unter nahestehenden Personen seien nur der Besteuerung zu Grunde zu legen, wenn die Gestaltung und tatsächliche Durchführung dem zwischen Fremden üblichen entspreche. Von nahestehenden Personen sei auszugehen, wenn zwischen ihnen eine Beziehung familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder tatsächlicher Art bestehe. Bereits ab dem Jahr 2017 hätten die Kläger eine deutlich geringere Miete als zuvor vereinnahmt, so dass sich in den Jahren 2018, 2019 und 2020 negative Einkünfte ergeben hätten. Zu den einzelnen Einnahmen- bzw. Einkünfteangaben wird auf das Schreiben des Beklagten vom 27.9.2023, Blatt 32 der Gerichtsakte, verwiesen. Der Beklagte trägt zudem vor, dass ein fremder Dritter die Miete nicht ohne schriftliche Vereinbarung, Sicherheiten und auf unbestimmte Zeit gestundet hätte.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist unzulässig.
181. Die Klage ist innerhalb der Klagefrist des § 47 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht formgerecht erhoben worden.
19a) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt nach § 47 Abs. 1 S 1 FGO einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 54 Abs. 1 FGO). Wird die Entscheidung durch die Post übermittelt, gilt sie grundsätzlich am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Ist der Tag einen Monat nach der Aufgabe zur Post ein Sonntag, so verlängert sich die Monats-Frist des § 122 Abs. 2 AO bis zum nächstfolgenden Werktag (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003, IX R 68/98, BStBl II 2003, 898). Hiernach gilt die Einspruchsentscheidung vom 6.7.2023 am 10.7.2023 (Montag) als bekannt gegeben. Die Klagefrist lief somit mit Ablauf des 9.8.2023 (Mittwoch) ab. Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin keine wirksame Klage eingereicht.
20b) Die am 8.8.2023 eingereichte Klageschrift vermag die Klagefrist nicht zu wahren, da sie formunwirksam ist.
21aa) Die Klage ist nach § 64 Abs. 1 FGO bei dem Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind nach § 52d S. 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht (§ 52d S. 2 FGO).
22Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Steuerberater steht seit dem 1.1.2023 ein sicherer Übermittlungsweg i.S. des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung; denn seit dem 1.1.2023 (§ 157e des Steuerberatungsgesetzes – StBerG) richtet die Bundessteuerberaterkammer über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach empfangsbereit ein (§ 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG). Steuerberater sind mit der Einrichtung des Postfachs, spätestens aber ab diesem Zeitpunkt, nach § 52d Satz 2 FGO nutzungspflichtig (vgl. BFH-Beschluss vom 27. April 2022 – XI B 8/22 –, BFH/NV 2022, 1057, Rz 9; BFH, Beschluss vom 28. April 2023 – XI B 101/22 –, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763, Rn. 13; vom 11. August 2023 – VI B 74/22 –, Rn. 7; s.a. Brandis in Tipke/Kruse, § 52d FGO Rz 1; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52d FGO Rz 15). Die Klägervertreterin hat gleichwohl die Klage am 8.8.2023 nicht per beSt, sondern per Telefax eingereicht und folglich nicht die erforderliche Form gewahrt, so dass diese Klageerhebung unwirksam ist.
23bb) Es liegt auch keine wirksame Ersatzeinreichung i.S.d. § 52d Satz 3 FGO vor.
24Nach § 52d Satz 3 FGO bleibt, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wobei nach § 52d Satz 4 FGO die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist. Insoweit kann offen bleiben, ob überhaupt ein Fall einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit i.S.d. § 52d Satz 3 FGO vorlag. Denn ein solcher liegt nicht vor, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument daran scheitert, dass ein zugelassener elektronischer Übermittlungsweg noch nicht eingerichtet wurde. Es handelt sich in diesen Fällen vielmehr um einen strukturellen Mangel, der den Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften nicht rechtfertigen kann (vgl. BFH, Beschluss vom 11. August 2023 – VI B 74/22 –, Rn. 24).
25So liegt der Fall hier. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger hat insoweit selbst angegeben, dass die Klage derzeit nicht elektronisch eingereicht werden könne, da der Chip aus dem Personalausweis des Vertreters nicht gelesen werden könne. Ein neuer Ausweis sei beantragt worden. Danach ist davon auszugehen, dass der elektronische Übermittlungsweg im Zeitpunkt der Übermittlung des Faxes noch nicht eingerichtet war.
26c) Die Übermittlung der Klage und der Klagebegründung am 17.10.2023 per beSt erfolgte – selbst wenn man sie rechtsschutzgewährend als erneute Klageerhebung werten würde – nicht fristgemäß. Wie zuvor dargestellt, endete die Klagefrist am 10.8.2023.
27aa) § 55 Abs. 1 FGO führt zu keiner anderen Bewertung. Nach § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der am Verfahren Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz (der Behörde oder des Gerichts) und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, sodass die reguläre Klagefrist nicht zu laufen begonnen hat, so ist die Einlegung einer Klage nach Maßgabe des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung im Sinne des § 54 Abs. 1 FGO zulässig. Die Vorschrift des § 55 Abs. 1 FGO verlangt keine Belehrung über die einzuhaltende Form der Klageerhebung. Somit ist eine solche auch nicht erforderlich, um den Lauf der Klagefrist in Gang zu setzen. Die für die Klageerhebung einzuhaltende Form ergibt sich in erster Linie aus der Vorschrift des § 64 Abs. 1 FGO, darüber hinaus erweitert durch die Vorschrift des § 52a FGO und eingeschränkt durch die seit dem 1. Januar 2023 geltende und im Streitfall anzuwendende Vorschrift des § 52d FGO. Insoweit die einer Einspruchsentscheidung angefügte Rechtsbehelfsbelehrung dennoch Ausführungen über die Form der Klageerhebung enthält, gehören diese somit nicht zum zwingend notwendigen – wenn auch für den Empfänger nützlichen – Inhalt der Belehrung (vgl. Hartmann in Gosch AO/FGO, § 55 FGO Rn. 34; Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO § 55 FGO Rn. 34; Brandis in Tipke/Kruse AO/FGO § 55 FGO Rn. 8; Malzahn in Schwarz/Pahlke AO/FGO, § 55 FGO Rn 20).
28Fehlen in der Rechtsbehelfsbelehrung Ausführungen über die Form der Klageerhebung gänzlich, so ist diese aus den genannten Gründen nicht unrichtig im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO. Der Umstand, dass insbesondere die Vorschrift des § 64 Abs. 1 FGO in ihren früheren Fassungen bis einschließlich der aktuell geltenden Fassung lediglich auf die Möglichkeiten der Klageerhebung in schriftlicher Form oder zur Niederschrift (bzw. seit 1. Januar 2018 zu Protokoll) des Urkundsbeamten verweist, hat die Rechtsprechung des BFH dazu veranlasst, eine Rechtsbehelfsbelehrung (über die Möglichkeit einer Klage) nicht deshalb als unrichtig im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO anzusehen, weil in ihr ein Hinweis auf die zusätzliche Alternative der Klageerhebung in elektronischer Form nach § 52a FGO unterblieben ist (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juni 2015 IV R 18/13, BFH/NV 2015, 1349 und vom 5. März 2014 VIII R 51/12, BFH/NV 2014, 1010).
29Auch wenn Hinweise auf die Form der Klageerhebung nicht zum notwendigen Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung zählen, so haben sie für den Fall ihrer fakultativen Verwendung immerhin inhaltlich richtig zu sein. Unrichtig im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO ist eine Rechtsbehelfsbelehrung deshalb auch dann, wenn sie über den gesetzlich erforderlichen Mindestinhalt hinausgehende Informationen enthält, die falsch, unvollständig und/oder missverständlich sind, falls diese Informationen bei objektiver Betrachtung dazu geeignet sind, die Möglichkeiten der Fristwahrung zu gefährden (BFH-Urteil vom 13. Mai 2015 III R 8/14, BFHE 249, 422, BStBl II 2015, 844 und BFH-Beschluss vom 26. Mai 2010 VIII B 228/09, BFH/NV 2010, 2080). So kann sich eine Rechtsbehelfsbelehrung beispielsweise dann als falsch erweisen, wenn sie bezüglich der Form der etwaigen Erhebung einer Klage den Hinweis enthält, dass eine solche schriftlich oder als elektronisches Dokument beim Finanzgericht eingereicht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Finanzgerichts erklärt werden muss, nicht aber für den Fall der Klageerhebung durch einen Rechtsanwalt auf die ausschließliche Übermittlung als elektronisches Dokument (so FG München, Urteil vom 25. Januar 2023 – 4 K 347/22 –, Rn. 10, EFG 2023, 639).
30bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung vom 6.7.2023 nicht fehlerhaft, so dass die einmonatige Klagefrist regulär zu laufen begann.
31In der Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung vom 6.7.2023 heißt es zwar zunächst nur, dass die Klage „schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären ist“. Diese allgemeinen, primär Steuerpflichtige als Naturalparteien betreffenden Ausführungen werden zum Schluss aber ergänzt durch die Sätze: „Die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung regelt § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO.“
32Selbst wenn man mit dem FG München davon ausgehen wollte, dass im Fall der Auslassung eines Hinweises zu § 52d FGO die Rechtsbehelfsbelehrung als falsch anzusehen sein könnte, und man – obwohl sich die Einspruchsentscheidung eigentlich an die Steuerpflichtigen selbst als Inhaltsadressaten richtet und nur mittelbar an ihre Bevollmächtigten als Bekanntgabeadressaten – einen Anspruch auf eine uneingeschränkt richtige Rechtsbehelfsbelehrung bejaht (FG München, Urteil vom 25. Januar 2023 – 4 K 347/22, Rn. 34, EFG 2023, 639), fehlt es vorliegend gerade nicht an einem solchen Hinweis zu § 52d FGO. Der Beklagte hat seine vorherigen allgemeinen Ausführungen zur schriftlichen, elektronischen Klageform bzw. der Erklärung zu Protokoll mit diesem letzten Satz eingeschränkt und auf die wörtlich „verpflichtende Übermittlung“ auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.d. §§ 52d, 52a FGO hingewiesen. Weitergehender Belehrungen bedurfte es insoweit nicht, zumal sich dieser Hinweis – im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich des § 52d FGO – nur an steuerlich versierte Bevollmächtigte richtet. Die vorliegende Belehrung geht damit sogar über das nach Ansicht des BFH erforderliche Maß (Hinweis bloß auf § 52 FGO) hinaus (BFH, Beschluss vom 21. Mai 2021 – II S 5/21 (PKH), Rn. 21, Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Juli 2022 – 9 K 9009/22, Rn. 65 f.).
33cc) Da die per beSt übermittelten Schriftsätze vom 8.8.2023 und vom 22.8.2023 dem Gericht damit schon nicht innerhalb der Klagefrist vorgelegt worden sind, kann die weitergehende Frage, ob die Übermittlung per beSt über ein Kanzleipostfach – ohne qualifizierte Signatur – den Vorgaben des § 52 Abs. 3 S. 1 FGO gerecht wird, dahinstehen.
342. Den Klägern ist schließlich auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
35War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Dabei steht das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden eines Beteiligten gleich (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).
36Die Bevollmächtigte der Kläger hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weder beantragt noch hat sie glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumnis unverschuldet war. Ein Verschulden i.S.d. § 56 FGO ist, jedenfalls wenn es sich um die Fristversäumnis eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts handelt, nur dann zu verneinen, wenn dieser die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet hat (vgl. BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 – VIII R 19/17 –, Rn. 8). Soweit die Bevollmächtigte der Kläger vorgetragen hat, der Chip aus dem Personalausweis könne nicht gelesen werden, fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung dieser Ausführungen. Insoweit hätte es sich angeboten, der Klageschrift etwa einen Screenshot beizufügen, die Bestätigung des für IT-Angelegenheiten der Kanzlei zuständigen Bearbeiters oder auch eine anwaltliche Versicherung oder eidesstattliche Versicherung des zuständigen Bevollmächtigten selbst.
37Im Übrigen hätte allein die Angabe eines solchen technischen Problems auch noch nicht genügt, um erkennbar werden zu lassen, dass ein Verschulden nicht vorliegt. Vielmehr hätte es weitergehender Ausführungen und deren Glaubhaftmachung dazu bedurft, warum die Einrichtung des beSt nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt begonnen worden ist bzw. dass die Einrichtungsprobleme über den gesamten Zeitraum seit Bestehen der Nutzungspflicht des beSt bis zum Ablauf der Klagefrist angehalten haben. So war es Steuerberatern durchaus möglich, frühzeitig auf die Einrichtung des beSt hinzuwirken und bereits in 2022 auf den Erhalt der Registrierungsunterlagen zu drängen. Die Bundessteuerberaterkammer hat in ihrem Schreiben vom 12.09.2022 explizit auf die Möglichkeit einer priorisierten Versendung des Registrierungsbriefes mittels sog. fast-lane hingewiesen. Insoweit handelte die Bevollmächtigte der Klägerin auch schon deshalb nicht ohne Verschulden, weil sie von der Möglichkeit, per fast-lane vorrangig einen Registrierungscode übermittelt zu bekommen, keinen Gebrauch gemacht hat bzw. nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie dies getan hat und die technischen Probleme anhielten bis zum Ablauf der Klagefrist. Steuerberater mussten damit rechnen, schon zu Beginn des Jahres 2023 formgerecht mit dem Finanzgericht kommunizieren können zu müssen (vgl. BFH, Beschluss vom 28. April 2023 – XI B 101/22 –, BFHE 279, 523, BStBl II 2023, 763; vom 11. August 2023 – VI B 74/22). Dass die Bevollmächtigte der Klägerin entsprechende Vorkehrungen getroffen hat, hat sie weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
383. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.