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1. Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 29.9.2017 wird dergestalt abgeändert, dass
a. die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung um ... € verringert werden und
b. die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. ... € anstatt gemäß § 32a Abs. 5 (Splitting-Verfahren) gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG mit einem Steuersatz i.H.v. 28,25 Prozent versteuert werden.
2. Die Errechnung der danach neu festzusetzenden Einkommensteuer 2012 wird dem Beklagten übertragen.
3. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern zu ¼ und dem Beklagten zu ¾ auferlegt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten bei der Einkommensteuer für das Streitjahr 2012 inzwischen nur noch über die Frage, ob Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft teilweise dem ermäßigten Steuersatz gem. § 34a EStG zu unterwerfen sind. Ursprünglich war zusätzlich streitig, ob der Beklagte bei der Ermittlung der Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung die zutreffende Höhe der Absetzungen für Abnutzung (AfA) aus dem Grundstück Z-Straße ... in ... Y berücksichtigt hat. In formeller Hinsicht ist streitig, ob die Kläger zulässigerweise eine Untätigkeitsklage erhoben haben.
3Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren neben den hier streitigen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft weitere Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als ,,, Die Klägerin erzielte als ... Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielten die Kläger Einkünfte aus der Vermietung diverser Objekte.
4Dem Rechtsstreit betreffend die AfA aus dem Grundstück Z-Straße ..., ... Y, lag, soweit hier noch von Belang, folgender Sachverhalt zugrunde:
5Der Kläger hatte das genannte Objekt mit Vertrag vom 29.9.2008 mit Wirkung zum 1.10.2008 von der Klägerin zum Preis von ... € erworben. Die Beteiligten hatten in den Veranlagungszeiträumen 2008 und 2009 bezüglich des Objekts einvernehmlich eine AfA i.H.v. ... € p.a. berücksichtigt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 21.1.2011 hatte die Klägerin das Objekt vom Kläger zum Kaufpreis von ... € zurückerworben. In den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden 2010 bis 2011 hatte der Beklagte die AfA wiederum mit jeweils ... € angesetzt. Die ursprünglich in den – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen – Einkommensteuerbescheiden 2012 vom 6.3.2015 und vom 22.8.2016 angesetzte AfA für das Objekt betrug ... €.
6Nachdem der Bausachverständige des Beklagten, Herr X, in einem Gutachten vom 7.12.2011 den Verkehrswert des genannten Objekts zum 29.9.2008 mit... € ermittelt hatte, änderte der Beklagte die AfA bezüglich des Objekts u.a. in dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 29.9.2017 (Bl. 97 ff. d.A.) und berücksichtigte diese nur noch i.H.v. ... €. Insoweit wird auf den Erläuterungsteil des Bescheids Bezug genommen.
7Gegen diesen Bescheid hatten die Kläger am 2.10.2017 Einspruch eingelegt, der bis heute nicht beschieden ist.
8Die Kläger haben am 13.4.2018 Klage erhoben, die ursprünglich neben dem vorliegenden Streitjahr 2012 zusätzlich die Einkommensteuer 2010 und 2011 betraf. Bezüglich des Jahres 2010 hatte der Beklagte zuvor, nämlich am 15.3.2018, eine Einspruchsentscheidung erlassen, in der er seine Rechtsauffassung zur zutreffenden Höhe der AfA für das Objekt Z-Straße ..., ... Y, dargelegt hatte.
9Die Kläger hatten mit der Klage für das Jahr 2012 zunächst alleine beantragt, die AfA bezüglich des Objekts Z-Straße ..., ... Y, um ... € zu erhöhen. In der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 haben sich die Beteiligten für die Jahre 2010 bis 2012 darauf verständigt, die AfA bezüglich des Objekts Z-Straße ..., ... Y, mit jährlich ... € anzusetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 Bezug genommen.
10In den Jahren 2010 und 2011 war ausschließlich die zutreffende AfA bezüglich des Objekts Z-Straße ..., ... Y, und deren Auswirkung auf die Bemessung des Veräußerungsgewinns des Klägers im Jahr 2011 streitig. Nachdem sich die Streitgegenstände zur Einkommensteuer 2010 und 2011 mit der o.g. tatsächlichen Verständigung in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 in der Hauptsache erledigt hatten, hat der Senat die Streitjahre 2010 und 2011 aus dem vorliegenden Verfahren abgetrennt und einer gesonderten (Kosten-) Entscheidung unter dem Aktenzeichen1 K 2051/23 zugeführt.
11Die im vorliegenden Verfahren zusätzlich streitig gewordene und streitig gebliebene Frage der zutreffenden Höhe der Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft war beim erkennenden Senat zunächst Gegenstand eines eigenständigen Verfahrens unter dem Az.: 1 K 3008/17 zum Streitgegenstand: „Gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages nach § 34a EStG 2012". Der Streitfrage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
12Der Kläger ist Inhaber zweier Forstbetriebe, nämlich
13des Forstbetriebs W in V (zuständiges Finanzamt: U) und
des Forstbetriebs T in R (zuständiges Finanzamt: R).
Am 1.12.2012 überwies der Forstbetrieb T einen Betrag von ... € auf das Konto des Forstbetriebs W mit dem ausdrücklichen Überweisungszweck „Übertragung nach § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG“ (Bl. 314 d.A.).
17In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger in den Anlagen 34a („Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns (§ 34a EStG“)) einen Gewinn aus dem Forstbetrieb T i.H.v. ... € und aus dem Forstbetrieb W i.H.v. ... €. In Zeile 15 der Anlage 34a („Nachversteuerung: Bei Antrag nach § 34a Abs. 5 Satz 2, Buchwerte von übertragenen oder überführten Wirtschaftsgütern nach§ 6 Abs. 5 EStG“) für den Forstbetrieb T trug der Kläger den Wert von... € ein und deklarierte den entsprechenden Wert in Zeile 24 der Anlage 34a des Forstbetriebs W („Übernahme des nachversteuerungspflichtigen Betrags: Auf den Betrieb/Mitunternehmeranteil lt. Zeile 5 übertragener nachversteuerungspflichtiger Betrag nach § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG“). Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt der genannten Anlagen 34a (Bl. 312, 313 d.A.) Bezug genommen.
18Den Antrag nach § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG hatte der Beklagte im Bescheid über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages nach§ 34a EStG für 2012 vom 4.3.2015 abgelehnt.
19Der Kläger ging in Übereinstimmung mit dem Beklagten zunächst davon aus, dass der Feststellungsbescheid nach § 34a EStG Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid 2012 sei. Entsprechend hatte der Kläger am 18.3.2015 Einspruch gegen den Feststellungsbescheid vom 4.3.2015 eingelegt, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16.10.2017 unter Berufung auf das BMF-Schreiben vom 11.8.2008 zur Anwendung von § 34a EStG (BStBI I 2008, 838, Tz.: 32) mit der Begründung ablehnte, die Vorschrift sei nicht anwendbar, wenn Geldbeträge übertragen würden.
20Im hier streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid 2012 vom 29.9.2017 berücksichtigte der Beklagte – wie auch bereits zuvor in den ursprünglichen Bescheiden vom 6.3.2015 und 22.8.2016 – Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. ... €, die er lediglich i.H.v. ... € dem Steuersatz nach § 34a Abs. 1 EStG i.H.v. 28,25 v.H. unterwarf. Den Restbetrag i.H.v. ... versteuerte er nach dem Splittingtarif. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auch insoweit auf den Inhalt des Einkommensteuerbescheids Bezug genommen.
21Der Berichterstatter hatte in dem gegen den Feststellungsbescheid vor dem erkennenden Senat geführten Klageverfahren (1 K 3008/17) mit Schreiben vom 24.11.2020 darauf hingewiesen, die Frage der Anwendung des § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG sei „in erster Linie durch Anfechtung des Einkommensteuerbescheids zu erreichen“. Werde die ermäßigte Besteuerung bei der Einkommensteuer erreicht, sei der Bescheid über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages nach § 34a EStG 2012 automatisch gemäß § 34a Abs. 11 EStG anzupassen. Der Einkommensteuerbescheid sei insoweit Grundlagenbescheid für den Feststellungsbescheid. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Hinweisschreibens Bezug genommen.
22Hierauf hat der Kläger, nachdem er zuvor mit Schriftsatz vom 26.11.2020 die Verbindung des Verfahrens 1 K 3008/17 mit dem vorliegenden Verfahren beantragt hatte, die Klage im Verfahren 1 K 3008/17 zurückgenommen und im Schriftsatz vom 30.11.2020 (Bl. 305 ff. d.A.) erklärt, er verfolge sein Begehren im vorliegenden Verfahren weiter. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt der genannten Schriftsätze (Bl. 295 ff. d.A. und Bl. 305 ff. d.A.) Bezug genommen.
23Die Kläger machen in formeller Hinsicht geltend, die vorliegende Klage sei zulässigerweise als Untätigkeitsklage erhoben worden. Über ihren Einspruch vom 2.10.2017 gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 29.9.2017 habe der Beklagte bisher nicht entschieden. Auf ihre Anfrage vom 7.3.2018, wann mit einer Entscheidung über den Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2012 zu rechnen sei, habe der Beklagte bisher nicht reagiert. Die Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO sei verstrichen, so dass insoweit die Untätigkeitsklage zulässig sei.
24In materieller Hinsicht macht der Kläger geltend, die vom Beklagten für sich in Anspruch genommene Rechtsauffassung im BMF-Schreiben vom 11.8.2008 zur Anwendung von § 34a EStG (BStBI I 2008, 838, Tz.: 32), wonach § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG nicht anzuwenden sei, wenn Geldbeträge von einem Betrieb in einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 EStG überführt oder übertragen würden, sei in der Literatur zu Recht allgemein auf Widerspruch gestoßen (Wacker in: Schmidt, EStG, 36. Auflage 2017, § 34a EStG Rn. 67; Niehus, DStZ 2009, S. 14, 19; Ley/Brandenberg, FR 2007, S. 1085, 1103; Doerfler in Littmann/Bitz/Pust, EStG § 34a Rn. 167 (Stand: November 2010); Stein in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 34a EStG Rn. 70 (Stand: Januar 2010), jeweils m.w.N.).
25Die Auffassung der Finanzverwaltung sei bereits mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. Denn Forderungen gegen Kreditinstitute seien Wirtschaftsgüter und könnten darum durch Überweisung von einem Betrieb in einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen werden. Beim überweisenden Betrieb handele es sich dann um die Entnahme, beim Überweisungsempfänger um die Einlage eines Wirtschaftsgutes.
26Auch der Sinn und Zweck des Gesetzes gebe für eine teleologische Reduzierung der Vorschrift nichts her. Denn es mache keinen Unterschied, ob der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben eines Betriebes wie des Forst T im Forst T oder im Forst W thesauriert werde.
27Es liege auch kein Gestaltungsmissbrauch durch zweckwidrige Verwendung der Mittel vor.
28Die hier beantrage Anwendung des § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG stehe auch mit dem Gesetzeszweck – nämlich der Gleichstellung der Besteuerung der Gewinne von natürlichen Personen aus einzelnen Betrieben mit der Besteuerung der Gewinne von Kapitalgesellschaften – im Einklang. Nur in das Privatvermögen entnommene Gewinne von Betrieben sollten danach mit dem vollen Einkommensteuersatz besteuert werden, weil auch ausgeschüttete Gewinne von Kapitalgesellschaften neben den Unternehmenssteuern bei den Gesellschaftern noch der Abgeltungsteuer unterlägen. Würden die Gewinne eines Betriebes nicht privat verbraucht, sondern vom selben Steuerpflichtigen in einem anderen Betrieb weiterhin betrieblich genutzt, so verdienten sie die Anwendung des § 34a EStG ebenso, wie nicht ausgeschüttete Gewinne einer Kapitalgesellschaft keiner Abgeltungssteuer unterlägen und zwar unabhängig davon, in welchem ihrer Betriebe die Kapitalgesellschaft das Geld verwende. Es ergebe auch keinen Sinn, von dem Inhaber zweier Betriebe zu verlangen, dass er die Gewinne des einen Betriebes zunächst in begünstigungsfähiges Sachanlagevermögen oder Umlaufvermögen investiere, um dann das so erworbene Anlage- oder Umlaufvermögen in den anderen Betrieb zu überführen, anstatt die betrieblichen Überschüsse des einen Betriebes im direkten Wege für die Investitionsbedürfnisse des anderen Betriebes zu verwenden.
29Der Kläger führt desweiteren aus, dass seine Auffassung im Einklang mit dem Willen des historischen Gesetzgebers stehe und bei der Ausklammerung von Geldübertragungen aus der Vorschrift deren praktische Bedeutung auf Ausnahmefälle beschränkt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten zum klägerischen Vorbringen zu diesem Streitpunkt wird auf den Schriftsatz vom 30.11.2020 (Bl. 305 ff. d.A.) Bezug genommen.
30Die Kläger beantragen,
31den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 29.9.2017 dahingehend zu ändern, dass
32a. bei der Ermittlung der Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung für das Grundstücks Z-Straße ..., Y, eine AfA i.H.v. ... € berücksichtigt wird und
b. zusätzlich die festgesetzte Einkommensteuer um ... € zu mindern ist, indem die nach § 34a EStG zu 28,25% zu versteuernden Einkünfte des Klägers um ... € erhöht und die mit 45% tarifbesteuerten Einkünfte des Klägers um ... € gemindert werden,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
37Der Beklagte beantragt,
38die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks Z-Straße ..., Y, unter Berücksichtigung einer AfA i.H.v. ... € ermittelt werden.
39Er macht in formeller Hinsicht geltend, die Klage sei als Untätigkeitsklage unzulässig. Es habe nämlich ein zureichender Grund für die Zurückstellung der Entscheidung betreffend die Einkommensteuer 2012 bestanden, da die Entscheidung im Klageverfahren zur Einkommensteuer 2010 grundlegenden Einfluss auf die Folgejahre gehabt habe. Es sei unverständlich, dass die Kläger mit der Zurückstellung nicht einverstanden seien, da sie in den Rechtsbehelfsverfahren bezüglich der Einkommensteuer 2013 bis 2015 dieser Vorgehensweise ausdrücklich zugestimmt hätten.
40Hierzu hat der Beklagte dem Gericht ein Schreiben der Kläger an den Beklagten vom 29.3.2016 betreffend den Einspruch des Klägers zur Einkommensteuer 2014 übersandt, in dem es u.a. heißt:
412. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 wird auch mit der unrichtigen Berechnung der Abschreibung für Abnutzung für das Haus Z-Straße ... begründet. Insoweit verweise ich auf den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 und beantrage, das Einspruchsverfahren für 2014 ruhen zu lassen, bis über 2011 in diesem Punkte rechtskräftig entschieden ist.
42In materieller Hinsicht beruft der Beklagte sich auf das BMF-Schreiben vom 11.8.2008, BStBl I 2008, 838, und macht dazu geltend, er sei an den Inhalt des Schreibens gebunden.
43Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 Bezug genommen.
44Entscheidungsgründe
45Die Klage ist zulässig und begründet.
461.
47Die vorliegende Klage ist – obschon eine Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 2012 bis heute nicht ergangen ist – zulässig.
48Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Ist allerdings über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO kann die Klage in diesem Fall nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Hierzu gilt, dass das Vorhandensein eines zureichenden Grundes, nicht über den Rechtsbehelf zu entscheiden, allein noch kein Verfahrenshindernis i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO darstellt. Hinzukommen muss, dass der zureichende Grund dem Kläger vom Finanzamt auch mitgeteilt wird und zwar noch vor Klageerhebung (Teller in Gräber, FGO, 9. Auflage, § 46 Rz 19 m.w.N.).
49Ausgehend hiervon ist die vorliegende Klage zulässigerweise als Untätigkeitsklage erhoben worden. Bei Klageerhebung am 13.4.2018 war – nachdem die Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 29.9.2017 am 2.10.2017 Einspruch eingelegt hatten – die Frist von 6 Monaten gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO abgelaufen. Den Klägern ist vor Klageerhebung auch kein zureichender Grund mitgeteilt worden, weshalb über den Rechtsbehelf zunächst nicht entschieden werde. Die Kläger sind im Gegenteil auf ihre Nachfrage vom 7.3.2018, wann mit einer Entscheidung über den Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2012 zu rechnen sei, nach Aktenlage ohne Antwort geblieben.
50Soweit sich der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf beruft, es sei unverständlich, dass die Kläger mit der Zurückstellung des Einspruchs bezüglich der Einkommen-steuer 2012 nicht einverstanden seien, da sie in den Rechtsbehelfsverfahren bezüglich der Einkommensteuer 2013 bis 2015 dieser Vorgehensweise ausdrücklich zugestimmt hätten, trägt der Akteninhalt dieses Vorbringen nicht. Der Beklagte hat hierzu lediglich den Einspruch der Kläger vom 29.3.2016 zur Einkommensteuer 2014 vorlegen können. Aus diesem ergibt sich das vom Beklagten für sich beanspruchte Einverständnis aber nicht. Denn diesem Einspruch ist lediglich zu entnehmen, dass die Kläger mit dem Ruhen des Einspruchs bei der Einkommensteuer 2014 einverstanden waren. Von einem Ruhen des Einspruchs für das Jahr 2012 ist dort keine Rede. Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 diesen Punkt auch nicht weiter vertieft hat, sieht auch der Senat hierzu von weiteren Ausführungen ab.
512.
52Die Klage ist auch begründet.
53Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 29.9.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vergl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) soweit der Beklagte darin einerseits bei der Ermittlung der Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung die AfA bezüglich des Objekts Z-Straße ..., Y, in unzutreffender Höhe berücksichtigt hat (dazu unten zu. a.) und zum anderen die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. ... € dem Splittingtarif unterworfen hat, anstatt sie gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 des im Streitjahr geltenden Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Steuersatz von 28,25 Prozent zu besteuern (dazu unten zu b.).
54a.
55Zu den Werbungskosten, die bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG abgezogen werden, gehören gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auch die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die zur Erzielung der Einkünfte eingesetzten abnutzbaren Wirtschaftsgüter, insbesondere eines vermieteten Gebäudes. Bemessungsgrundlage sind insoweit die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 7 Abs. 4 und 5 EStG), soweit sie anteilig auf das entgeltlich zur Nutzung überlassene Gebäude entfallen.
56Nachdem sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 im Wege der tatsächlichen Verständigung darauf geeinigt haben, die jährliche AfA – auch für das Streitjahr – aus einer Bemessungsgrundlage der auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten i.H.v. ... € mit ... € anzusetzen und die Beteiligten entsprechend dieser Einigung die Klageanträge in der mündlichen Verhandlung angepasst haben, bedarf es seitens des Senats hierzu keiner weiteren Ausführungen. Deshalb sind die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung i.H. der Differenz zwischen der bisher im Einkommensteuerbescheid 2012 vom 29.9.2017 angesetzten AfA (... €) und der AfA laut Einigung (... €), mithin also i.H.v. ... € zu verringern. Nachdem die Kläger den Klageantrag in der mündlichen Verhandlung entsprechend eingeschränkt hatten, führt dies hinsichtlich der Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung zu einem vollständigen Klageerfolg; die Einschränkung des Klageantrags ist allerdings bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen (siehe unten zu 3.).
57b.
58Zu Unrecht hat der Beklagte die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. ... € der Besteuerung gemäß § 32a Abs. 5 EStG (Splitting-Verfahren) unterworfen, anstatt sie gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG mit einem Steuersatz i.H.v. 28,25 Prozent zu versteuern. In diesem Zusammenhang hat er zu Unrecht den Antrag des Klägers gemäß § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG abgelehnt.
59§ 34a Abs. 1 Satz 1, 1 Halbsatz EStG sieht vor: Sind in dem zu versteuernden Einkommen nicht entnommene Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit (§ 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 EStG) im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift enthalten, ist die Einkommensteuer für diese Gewinne auf Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise mit einem Steuersatz von 28,25 Prozent zu berechnen. Hierzu sieht § 34a Abs. 4 Satz 1 EStG ergänzend vor: Übersteigt der positive Saldo der Entnahmen und Einlagen des Wirtschaftsjahres bei einem Betrieb oder Mitunternehmeranteil den nach § 4 Absatz 1 Satz 1 oder § 5 ermittelten Gewinn (Nachversteuerungsbetrag), ist vorbehaltlich Absatz 5 eine Nachversteuerung durchzuführen, soweit zum Ende des vorangegangenen Veranlagungszeitraums ein nachversteuerungspflichtiger Betrag nach Absatz 3 festgestellt wurde. Die Einkommensteuer auf den Nachversteuerungsbetrag beträgt 25 Prozent (§ 34a Abs. 4 Satz 2 EStG). § 34a Abs. 5 Satz 1 EStG sieht ergänzend vor, dass die Übertragung oder Überführung eines Wirtschaftsguts nach § 6 Absatz 5 Satz 1 bis 3 EStG unter den Voraussetzungen des § 34a Abs. 4 EStG zur Nachversteuerung führt. Eine Nachversteuerung findet allerdings nicht statt, wenn der Steuerpflichtige beantragt, den nachversteuerungspflichtigen Betrag in Höhe des Buchwerts des übertragenen oder überführten Wirtschaftsguts, höchstens jedoch in Höhe des Nachversteuerungsbetrags, den die Übertragung oder Überführung des Wirtschaftsguts ausgelöst hätte, auf den anderen Betrieb oder Mitunternehmeranteil zu übertragen (§ 34a Abs. 5 Satz 2 EStG).
60Ausgehend hiervon steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dass die hier in Rede stehenden Einkünfte des Kläges aus dem Forstbetrieb T i.H. von ... € im Streitjahr dem Steuersatz gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG i.H.v. 28,25 Prozent unterlegen hätten, wenn die Überweisung des nämlichen Betrags aus dem Forstbetrieb T in den Forstbetrieb W am 1.12.2012 unterblieben wäre. Die Überweisung ändert hieran indes nach Auffassung des Senats nichts. Soweit der Kläger hierzu vorträgt, bei diesem Vorgang handele es sich um eine Entnahme beim überweisenden Betrieb und um die Einlage eines Wirtschaftsguts beim Überweisungsempfänger, lässt dies die Anwendung des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG unberührt, wenn – wie hier – der Steuerpflichtige gemäß § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG beantragt, dass insoweit eine Nachversteuerung nicht stattfinden soll. Denn dieser Antrag bewirkt, dass der durch die Anwendung des Steuersatzes gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG festzustellende nachversteuerungspflichtige Betrag (vergl. § 34a Abs. 9 Satz 1 EStG) nicht im überweisenden Betrieb, sondern im Betrieb des Überweisungsempfängers stattfindet. Der Antrag nach § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG bewirkt hier damit im Ergebnis, dass trotz der vorgenommenen Überweisung der ... € aus dem Forstbetrieb T in den Forstbetrieb W eine Besteuerung des Gewinns im Forstbetrieb T in Höhe des Überweisungsbetrags mit dem Steuersatz von 28,25 Prozent möglich bleibt. Denn die Nachversteuerung gemäß § 34a Abs. 4 EStG bei späterer Entnahme des Betrags ist durch die in § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG vorgesehene Übertragung des nachversteuerpflichtigen Betrags auf den Überweisungsempfänger (hier: Forstbetrieb W) sichergestellt. Dies stellt der Beklagte nach Aktenlage dem Grunde nach auch nicht in Frage. Er ist vielmehr der Auffassung, eine Besteuerung der hier streitigen ... € nach § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG komme deshalb nicht in Frage, weil im Falle eines Geldtransfers ein Antrag gemäß § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG nicht gestellt werden könne. Diese Ansicht teilt der Senat indes nicht:
61Die Auffassung entspricht zwar dem Inhalt des Schreibens des BMF vom 11.8.2008, IV C 6 – S 2290-a/07/10001 –, BStBl I 2008, 838, Rz 32. Abgesehen davon, dass der Inhalt dieses Schreibens für den erkennenden Senat nicht bindend ist (vergl. dazu z.B.: FG Hamburg, Urteil vom 23.5.2023, 6 K 95/21, juris, dort in Rz. 71; Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 7.5.2002, 1 K 74/02, EFG 2002, 951), überzeugt die Auffassung des BMF aber auch inhaltlich nicht. Denn dort wird die Nichtanwendbarkeit des § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG in Fällen, in denen Geldbeträge von einem Betrieb oder Mitunternehmeranteil in einen anderen Betrieb oder Mitunternehmeranteil des Steuerpflichtigen unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 EStG überführt oder übertragen werden, lediglich behauptet, ohne dies auch nur ansatzweise zu begründen. Eine Begründung wäre allerdings zu erwarten, weil die Auffassung des BMF mit dem Wortlaut des § 34a Abs. 5 EStG nicht in Einklang zu bringen ist. Denn dort ist ausdrücklich von der Übertragung oder Überführung eines Wirtschaftsguts die Rede. Bei Geld handelt es sich indes eindeutig um ein Wirtschaftsgut (vergl. dazu Ley/Bodden in Korn, EStG, § 34a Rz 169 m.w.N. (Stand: Februar 2013).
62Entsprechend macht der Kläger zu Recht geltend, dass die Auffassung des BMF in der Literatur auf vielfältige Kritik gestoßen ist (vergl. dazu Nachweise bei Kirchhof/Seer, EStG, 22. Auflage, § 34a Rn 77, dort unter FN 3). Zwar hat die Auffassung des BMF auch Zustimmung erfahren. Begründet wird dies damit, dass § 34a Abs. 5 Satz 1 EStG die unter § 6 Abs. 5 EStG fallenden Wirtschaftsgüter betreffe. Das seien solche, die zu bewerten seien. Dazu gehörten Geldbeträge nicht. Auch das Telos des § 34a Abs. 5 EStG spreche nicht für die Einbeziehung von Geldbeträgen. Abs. 5 solle verhindern, dass durch eine Nachversteuerung die von § 6 Abs. 5 EStG durch den Verzicht auf eine Aufdeckung stiller Reserven mittels Buchwertfortführung erleicherten Umstrukturierungen im betrieblichen Bereich konterkariert werden. Das treffe aber nicht die Überführung/Übertragung von Geld innerhalb des Betriebsvermögens (Reddig in Kirchhof/Seer, a.a.O.). Hierzu hat der Kläger – nach Auffassung des Senats zu Recht – in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 geltend gemacht, mit dieser Auffassung sei der Sinn und Zweck des § 34a Abs. 5 EStG nicht zutreffend erfasst. Denn es geht im Rahmen des § 34a Abs. 5 EStG nicht um die Frage der Vermeidung der Aufdeckung von stillen Reserven – die in Geldmitteln naturgemäß nicht enthalten sind – sondern alleine um die Sicherstellung der künftigen Nachversteuerung nach § 34a Abs. 4 EStG dadurch, dass der nachversteuerungspflichtige Betrag – ausgelöst durch die Besteuerung nach dem Steuersatz gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG – sichergestellt wird. Dies wird gewährleistet durch die Übertragung des nachversteuerungspflichtigen Betrags von dem einen auf den anderen Betrieb. Insoweit verweist § 34a Abs. 5 EStG nach Auffassung des Senats nicht auf die in § 6 Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG vorgesehene Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven, sondern lediglich auf die dort vorgesehenen Übertragungsformen.
63Im Übrigen hält der Senat die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 30.11.2020 (Bl. 305 ff. d.A.) dazu, dass auch im Falle von Geldübertragungen § 34a Abs. 5 EStG Anwendung finde, für treffend, verweist vollinhaltlich auf diese und macht sie sich zu eigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.
643.
65Der Senat hält es für ermessensgerecht, dem Beklagten die Berechnung der neu festzusetzenden Einkommensteuer 2012 nach Maßgabe der Urteilsgründe zu übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
664.
67Die Kostenentscheidung beruht, nachdem die Kläger ihr ursprüngliches Klagebegehren hinsichtlich der Frage der Höhe der AfA für das Objekt Z-Straße ..., ... Y, in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 teilweise eingeschränkt hatten, auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
685.
69Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zur Klärung der Rechtsfrage, ob § 34a Abs. 5 EStG auch im Falle der Übertragung von Geldmitteln Anwendung findet, zuzulassen.