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Der Beklagte wird unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung vom 26.7.2021 und der Einspruchsentscheidung vom 24.1.2022 verurteilt, die Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 14.4.2020 auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob ein von der Klägerin verwirklichter Erwerbsvorgang rückgängig gemacht worden ist.
3Mit notariellem Vertrag vom ....2020 erwarb die Klägerin zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten (L) von den Eheleuten N das Grundstück Z-Straße ... in X zu jeweils 1/2-Anteil. Der Gesamtkaufpreis sollte ... € betragen, von dem ... € auf das mitverkaufte Inventar entfielen. Die Zahlung des Kaufpreises sollte frühestens zum 1.7.2021 erfolgen. Hintergrund des langen Zeitraums zwischen Kaufvertragsabschluss und Kaufpreiszahlung war, dass die Eheleute N für sich altersgerecht bauen wollten und die Kaufpreiszahlung durch L und die Klägerin für das Erwerbsgrundstück vor diesem Hintergrund erst nach Fertigstellung des neuen Objekts der Eheleute N erfolgen sollte. Eine Auflassungsvormerkung für die Klägerin und L wurde am ....2020 im Grundbuch eingetragen.
4Mit Bescheid vom 14.4.2020 setzte der Beklagte auf der Grundlage der hälftigen Bemessungsgrundlage (... €) die Grunderwerbsteuer mit ... € gegenüber der Klägerin fest. Der Bescheid wurde nicht angefochten, die Klägerin hat die auf sie entfallende Grunderwerbsteuer entrichtet (II. Punkt 6. des Ergänzungsvertrags).
5In der Folgezeit - nach Eintragung der kaufvertraglich vereinbarten Auflassungsvormerkung und Einräumung des Grundpfandrechts für die finanzierende Bank, aber noch vor Kaufpreiszahlung und Eintragung der Erwerber als Eigentümer - trennten sich die Klägerin und L im Frühjahr 2021. Angesichts der Trennung war ein gemeinsamer Grundstückserwerb seitens der Klägerin und L nicht mehr erwünscht. Andererseits waren die Veräußerer nach wie vor an der Abwicklung des abgeschlossenen Kaufvertrags interessiert, L wollte das Grundstück nach wie vor auf der Grundlage des abgeschlossenen Kaufvertrags erwerben, während die Klägerin daran interessiert war, ohne Nachteile aus den kaufvertraglichen Verpflichtungen und dem Darlehnsvertrag entlassen zu werden.
6Vor diesem Hintergrund schlossen die Vertragsbeteiligten am ....2021 vor dem Notar Y einen weiteren Vertrag (UR 1.../2021), mit dem der vorgenannte Kaufvertrag hinsichtlich des Erwerbs des auf die Klägerin entfallenden Anteils rückgängig gemacht wurde. Die Klägerin wurde in dieser Urkunde als "ausscheidender Käufer" bezeichnet, L als "verbleibender Käufer" mit "Käufer". Der Notar stellte zunächst fest, dass die Kaufpreiszahlung noch nicht erfolgt und die Umschreibung des Eigentums noch nicht beantragt worden sei. Sodann nahm der Notar Bezug auf die zwischenzeitlich für die Klägerin und L eingetragene Auflassungsvormerkung sowie die zugunsten der Volksbank X zwischenzeitlich eingetragene Grundschuld. Die die Klägerin betreffende Auflassungsvormerkung sollte zur Löschung gebracht werden, ihre Verpflichtung aus dem Grundpfandrecht wurde von L übernommen, auf den auch alle mit der Grundschuld verbundenen Eigentümerrechte übertragen wurden.
7Danach führte der Notar aus, dass es sich bei der Bezugsurkunde rechtlich um zwei Kaufverträge handle, und zwar einen solchen der Verkäufer mit der Klägerin über einen ideellen 1/2-Miteigentumsanteil und einen solchen mit L über einen weiteren ideellen 1/2-Miteigentumsanteil. Die Klägerin wolle aufgrund der Trennung von L als Käuferin ausscheiden; der Vertrag mit der Klägerin solle vollständig aufgehoben und rückgängig gemacht werden. Der ursprünglich an die Klägerin verkaufte ideelle 1/2-Miteigentumsanteil solle von den Eheleuten N als Verkäufer an L verkauft werden.
8Nachdem die Klägerin auf dieser Grundlage aus allen kaufvertraglichen Verpflichtungen entlassen wurde, verkauften die Eheleute N als Verkäufer unter III. der Urkunde 1.../2021 an L zusätzlich auch den zunächst an die Klägerin verkauften ½‑Miteigentumsanteil, sodass L das Grundstück letztlich zu alleinigem Eigentum erwarb. Die übrigen Regelungen des ursprünglichen Kaufvertrags, auch die zum Kaufpreis und dessen Gesamthöhe blieben bestehen.
9Mit Schreiben vom 12.7.2021 übersandte der Notar an den Beklagten unter Bezugnahme auf die Veräußerungsanzeige vom ....2020 den von ihm als "Änderungsurkunde" bezeichneten Vertrag vom ....2021, mit welchem er den Alleinerwerb des L anzeigte und die Aufhebung der Steuerfestsetzung aufgrund der Urkunde vom 2.4.2020 gemäß § 16 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) für die Klägerin beantragte.
10Der Beklagte lehnte den Antrag mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 26.7.2021 ab. Es handele sich nicht um eine echte Rückgängigmachung, sondern um eine Vertragsübernahme, die nicht zur Aufhebung der Steuerfestsetzung gemäß § 16 GrEStG führe.
11Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Voraussetzungen einer tatsächlichen Rückgängigmachung lägen vor. Mangels Verfügungsbefugnis der Klägerin und mangels tatsächlicher Ingebrauchnahme des Grundstücks durch sie sei es nicht zu einem wirtschaftlichen Übergang auf die Klägerin gekommen. Im Übrigen sei ein Miteigentumsanteil erworben worden, so dass jeder Erwerb gesondert zu betrachten sei. Sodann sei der Neuabschluss zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem neuen Erwerber erfolgt, so dass es sich nicht um eine Vertragsübernahme handeln könne.
12Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 24.1.2022 aus, dass es nicht zu einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gekommen sei. Voraussetzung für eine Aufhebung der Steuerfestsetzung sei die formelle und die tatsächliche Rückgängigmachung des wirksamen Erwerbsvorgangs. Im Streitfall sei lediglich die formelle Rückgängigmachung durch den notariellen Vertrag vom ....2021 erfolgt. Darüber hinaus verlange § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auch eine tatsächliche Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs. Das Grunderwerbsteuergesetz knüpfe für die Steuerentstehung an die Verwirklichung des Rechtsgeschäfts, also den wirksamen Abschluss des Vertrags an. Nicht entscheidungsrelevant sei daher der Einwand der Klägerin, das Grundstück noch nicht in Besitz genommen zu haben.
13Von einer tatsächlichen Rückgängigmachung könne nur gesprochen werden, wenn die ursprünglichen Vertragsbeteiligten wieder so gestellt würden, als wäre der Vertrag nie zustande gekommen. Hierzu zähle insbesondere, dass der Veräußerer wieder frei über das Grundstück verfügen könne und seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlange, sodass der Erwerber keine Möglichkeit habe, auf die Verwertung oder Nutzung des Grundstücks Einfluss zu nehmen. Dabei sei der Umstand, dass Aufhebungs- und Weiterveräußerungsvertrag in einer Urkunde zusammengefasst worden seien, ein Indiz dafür, dass der Verkäufer seine ursprüngliche Rechtsposition nicht wiedererlangt habe. Denn der Veräußerer werde erst mit der Unterzeichnung des Vertrags durch alle Vertragsbeteiligten aus seiner Übereignungsverpflichtung gegenüber dem früheren Erwerber entlassen, zu diesem Zeitpunkt sei er jedoch bereits an den Zweiterwerber gebunden.
14Überdies sei grunderwerbsteuerlich die als Vertragsaufhebung bezeichnete Rückgängigmachung von einer Vertragsübernahme bzw. einem Vertragsbeitritt abzugrenzen. Bürgerlich-rechtliche Vertragsänderungen durch teilweisen Wegfall, Austausch oder Beitritt von Erwerbspersonen könnten grunderwerbsteuerlich als Neuabschluss zu beurteilen sein. Insbesondere bei Erwerben durch Bruchteilsgemeinschaften seien Vertragspartner Veräußerer und alle Erwerber. Bei Austausch nur eines Erwerbers seien sowohl der Veräußerer als auch die übrigen Bruchteilsgemeinschafter weiter an den Vertrag gebunden, so dass nicht von einer vollständigen Rückabwicklung gesprochen werden könne (Hinweis auf Pahlke, GrEStG, § 16 GrEStG, Rz 28-29 und BFH v. 28.11.2003 - II B 143/02, nicht veröffentlicht). Danach liege eine schädliche Einflussnahme des Ersterwerbers auch dann vor, wenn nach Ersterwerb durch zwei Miteigentümer zu je 1/2-Anteil der Kaufvertrag dahingehend geändert werde, dass ausschließlich einer der beiden Miteigentümer zu Alleineigentum erwerbe; auch in diesen Fällen liege eine tatsächliche Verwertung aufgrund der Rechtsposition im eigenen Interesse des Erwerbers vor. Denn die Ersterwerberin habe das Interesse, sowohl aus dem Grundstückskaufvertrag als auch aus dem Darlehnsvertrag entlassen zu werden, was nur dadurch möglich gewesen sei, dass der ursprüngliche Miterwerber, der bereits Mitschuldner des Darlehns gewesen sei, auch ihren Anteil übernommen habe. Es bleibe daher dabei, dass der ursprüngliche Erwerb durch die Klägerin als Miterwerberin in Bruchteilsgemeinschaft erfolgt und nur dieser Teilerwerb rückgängig gemacht worden sei; eine vollumfängliche Rückgängigmachung des Kaufvertrags sei dadurch nicht erfolgt. Der Verkäufer habe nicht wieder frei über sein Grundstück als wirtschaftliche Einheit verfügen können.
15Die Klägerin macht geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten sei nicht nur eine formelle Rückgängigmachung des Kaufvertrages erfolgt, sondern auch eine tatsächliche. Dazu verweist die Klägerin ergänzend auf ihre Ausführungen im Vorverfahren in den Schriftsätzen vom 3.9., 11.10. und vom 30.12.2021. Zur Aufhebung sei es gekommen, weil sich die Klägerin und L getrennt hätten. Danach habe die Klägerin keinerlei Interesse mehr an dem Grundstück gehabt und nur irgendwie aus den Verpflichtungen aus dem Grundstücksübertragungsvertrag herauskommen wollen; das weitere Schicksal des Grundstücks sei ihr vollkommen gleich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätten lediglich der Kaufvertrag, die darin vereinbarte Auflassungsvormerkung und das Grundpfandrecht bestanden. In dieser Situation habe L auf Betreiben der im Grundbuch immer noch als Eigentümer ausgewiesenen Verkäufer letztlich das Grundstück zu Alleineigentum erworben, sodass keine Rede davon sein könne, dass die Klägerin eine ihr verbliebene Rechtsposition in eigenem wirtschaftlichen Interesse verwertet habe. Der Klägerin sei es ausschließlich darum gegangen, den Kaufvertrag nicht erfüllen zu müssen. Das Ziel, den Kaufvertrag nicht erfüllen zu müssen, und die mit der Nichterfüllung des Vertrags verbundenen wirtschaftlichen, finanziellen und sonstigen Folgen zu vermeiden, begründe kein der Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entgegenstehendes eigenes wirtschaftliches Interesse des Ersterwerbers.
16Die Auffassung des Beklagten, dass die Zusammenfassung von Aufhebung und Veräußerung in einem Vertrag Indiz gegen die tatsächliche Rückgängigmachung sei, widerspreche dem Urteil des BFH v. 5.9.2013 - II R 16/12. Der Sache nach handele es sich um ein sog. "verunglücktes" Grundstücksgeschäft, für das die Korrekturvorschrift des § 16 GrEStG gerade eingeführt worden sei. Die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs sei wie von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gefordert innerhalb von zwei Jahren seit Steuerentstehung und vor Grundstücksübergang auf die Klägerin erfolgt.
17Überdies habe nicht die Klägerin den Käufer benannt, sondern die Eheleute N. Der Rechtsträgerwechsel sei dementsprechend von den ursprünglichen Veräußerern, den Eheleuten N, auf L erfolgt und eben nicht von der Klägerin, sodass nicht von einer Vertragsübernahme ausgegangen werden könne. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei Annahme einer Vertragsübernahme um einen steuerfreien Vorgang handelte, da die nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbare Vertragsübernahme nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 5a GrEStG steuerfrei wäre, weil L in diesem Fall das Grundstück von seiner damaligen Lebensgefährtin erworben habe, mit der Folge, dass der gegenüber L ergangene Grunderwerbsteuerbescheid vom 26.7.2021 auf der Grundlage von § 174 AO aufzuheben wäre. L habe die Grunderwerbsteuer auch tatsächlich gezahlt, sodass der Beklagte die auf den nachträglich durch L erworbenen Anteil der Klägerin entfallende Grunderwerbsteuer doppelt erhalten würde.
18Im Übrigen habe der Kaufvertrag vom ....2020 der Sache nach zwei Kaufverträge beinhaltet, da Miteigentumsanteile erworben worden seien. Jeder Erwerb sei für sich zu betrachten und gesondert zu beurteilen, sodass jeder Erwerber auch nur die auf seinen Anteil entfallenden Steuer schulde (Hinweis auf Viskorf, GrEStG, § 13 Rz 15). Nach Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags hätten die Veräußerer die Verfügungsmacht über den ursprünglich von der Klägerin erworbenen Miteigentumsanteil zurückerhalten.
19Die Klägerin beantragt,
20den Beklagten unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung vom 26.7.2021 und der Einspruchsentscheidung vom 24.1.2022 zu verurteilen, die Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 14.4.2020 auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Der Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung.
24Entscheidungsgründe
25Die Klage ist begründet. Die Grunderwerbsteuerfestsetzung gegen die Klägerin vom 14.4.2020 war auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben, weil der Erwerbsvorgang der Klägerin im Sinne dieser Vorschrift rückgängig gemacht wurde, obwohl das Ausscheiden der Klägerin und der Weiterverkauf des von ihr ursprünglich erworbenen Miteigentumsanteils durch die Grundstücksverkäufer in einer notariellen Urkunde zusammengefasst worden sind.
261. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird auf Antrag eine Steuerfestsetzung u.a. aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist und wenn die Rückgängigmachung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet.
272. Da die Steuertatbestände des § 1 GrEStG an Rechtsvorgänge anknüpfen, ist für die einmal entstandene Steuer ohne Belang, ob die mit diesen Rechtsvorgängen intendierten Änderungen der (eigentumsmäßigen) Zuordnung von Grundstücken wirtschaftlich auch tatsächlich eintreten und bestehen bleiben. Dies kann zu vom Steuerzweck nicht gedeckten Härten führen, da nur der wirtschaftliche Grundstücksumsatz besteuert werden soll. Zur Vermeidung solcher Härten ist § 16 GrEStG eine am Besteuerungszweck orientierte Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG (BFH v. 9.3.1994 - II R 86/90, BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413; ferner BFH v. 29.9.2005 - II R 36/04 BFHE 210, 535, BStBl II 2006, 43).
283. "Rückgängig gemacht" ist ein Erwerbsvorgang, wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (BFH v. 5.9.2013 - II R 16/12, BFHE 242, 181, BStBl II 2014, 42 m.w.N.).
29a) Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demzufolge nicht aus seinen Bindungen entlassen war (BFH v. 19.9.2018 - II R 10/16, BFHE 2019, 465, BStBl II 2019, 176; v. 5.9.2013 - II R 16/12, BFHE 242, 181, BStBl II 2014, 42; v. 28.3.2012 - II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486).
30b) Dem früheren Erwerber verbleibt die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition jedenfalls dann, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind. In diesem Fall hat er die rechtliche Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen. Denn der Veräußerer wird aus seiner Übereignungsverpflichtung gegenüber dem früheren Erwerber erst mit der Unterzeichnung des Vertrags durch alle Vertragsbeteiligten und damit erst in dem Augenblick entlassen, in dem er bereits wieder hinsichtlich der Übereignung des Grundstücks an den Zweiterwerber gebunden ist (BFH v. 19.9.2018 - II R 10/16, BFHE 2019, 465, BStBl II 2019, 176; v. 5.9.2013 - II R 16/12, BFHE 242, 181, BStBl II 2014, 42; v. 28.3.2012 - II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486).
31Da sich diese Schlussfolgerung trotz gleicher Beweggründe der Parteien mühelos umgehen lässt, indem die Aufhebung des ursprünglichen und der Abschluss des neuen Kaufvertrags nacheinander beurkundet werden, kann der Abschluss beider Verträge in aufeinanderfolgenden Urkunden nicht anders beurteilt werden als ihre Zusammenfassung in einer Urkunde (BFH v. 28.3.2012 - II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486; v. 25.08.2010 - II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301; v. 25.4.2007 - II R 18/05, BFHE 217, 276, BFH/NV 2007, 1792).
32Um eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auszuschließen, muss bei beiden Vorgehensweisen, also auch im Falle der Zusammenfassung von Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde, hinzukommen, dass der Ersterwerber die verbliebene Rechtsposition (auch) in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat. Eine Verwertung in diesem Sinne liegt vor, wenn die Einflussnahme des Ersterwerbers auf die Weiterveräußerung Ausfluss der ihm verbliebenen Rechtsposition ist. In diesem Fall sind die Interessen Dritter an der Weiterveräußerung unbeachtlich (BFH v. 5.9.2013 - II R 16/12, BFHE 242, 181, BStBl II 2014, 42, auch zur Zurechnung von Interessen ggf. beteiligter Personen; v. 28.3.2012 - II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486; ferner BFHv. 19.9.2018 - II R 10/16, BFHE 2019, 465, BStBl II 2019, 176: Rückgängigmachung der Grundstücksveräußerung durch eine Gesellschaft bei gleichzeitiger Anteilsveräußerung; BFH v. 14.11.2007 - II R 2/06, GmbHR 2008, 221 für den Fall des Zweiterwerbs durch eine Kapitalgesellschaft, an der der Ersterwerber maßgeblich beteiligt ist). Dies gilt insbesondere dann, wenn bei einer vom Verkäufer im Zusammenhang mit dem Rücktritt vorgenommenen Weiterveräußerung an einen Dritten der Ersterwerber wie ein Zwischenhändler auftritt und im Ergebnis selbst wie ein Veräußerer das Grundstück an den Dritten weiterverkaufen lässt (BFH v. 9.3.1994 - II R 86/90, BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413).
33c) Ist dem Ersterwerber das weitere Schicksal des Grundstücks indes gleichgültig, so hindert die Benennung des Dritten als Ersatzkäufer nicht die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Das gilt insbesondere dann, wenn der Eigentümer des Grundstücks dieses auf jeden Fall verkaufen will und daher von dem Käufer die Benennung eines Ersatzkäufers verlangt. Ob die Benennung des Ersatzkäufers auf Verlangen des Verkäufers oder im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse des Ersterwerbers erfolgt ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen festzustellen. Dabei begründet allein das beim Ersterwerber vorhandene Ziel, den Kaufvertrag nicht erfüllen zu müssen und die mit der Nichterfüllung des Vertrags verbundenen wirtschaftlichen, finanziellen und sonstigen Folgen vermeiden zu wollen, kein der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entgegenstehendes eigenes (wirtschaftliches) Interesse des Ersterwerbers an der Weiterveräußerung des Grundbesitzes (so ausdrücklich BFH v. 5.9.2013 – II R 16/12, BFHE 242, 181, BStBl II 2014, 42 unter Bezugnahme auf BFH v. 6.10.2010 - II R 31/09, BFH/NV 2011, 306 insbesondere für den Fall, dass sich das Interesse des Ersterwerbers an der Ersatzkäufergestellung in der Abwendung möglicher Schadensersatzforderungen der Verkäuferseite erschöpft; grundlegend bereits BFH v. 4.12.1985 – II R 171/84, BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271).
34d) Den Steuerschuldner trifft hier eine erhöhte Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts und zur Bestimmung der wechselseitigen Interessenlagen; er trägt auch die Feststellungslast (objektive Beweislast) dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihm begehrten Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt sind (BFH v. 5.9.2013 - II R 16/12, BFHE 242, 181, BStBl II 2014, 42; v. 4.12.1985 - II R 171/84, BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271).
35e) Die Entscheidung des Streitfalls hängt damit maßgeblich von der Bestimmung der Interessen der am Übertragungsvorgang beteiligten Personen ab. Soweit die Klägerin auch nach dem Gang der mündlichen Verhandlung ein Interesse an der Bestimmung des L, ihres früheren Lebensgefährten, als Erwerber hatte, ging es ihr offensichtlich nicht darum, das weitere Schicksal des Grundstücks bestimmen zu wollen. Vielmehr erschöpfte sich ihr Interesse in einer notwendigen Begleiterscheinung ihres etwaige weitere Beweggründe überragenden Interesses, aus dem Vertrag herauszukommen. Denn L, der nach wie vor das Grundstück erwerben wollte, hätte einer vollständigen Aufhebung des Geschäfts ebenso wenig zugestimmt wie die Eheleute N als Verkäufer, denen daran lag, das Grundstück auf jeden Fall zu veräußern. L hatte überdies ein Interesse daran, dass der Anteil der Klägerin nicht an eine ihm fremde Person ging; er hätte also einem Verkauf an einen beliebigen Dritten nicht zustimmen können. Diese - gegenläufigen - Interessen der Klägerin, ihres früheren Lebensgefährten und der Grundstücksveräußerer waren unter Herauslösung der Klägerin aus dem Erwerbsvorgang im Hinblick auf die erforderliche Einverständlichkeit aus Sicht der Eheleute N als Veräußerer nur zu verwirklichen, wenn es grundsätzlich bei der Grundstücksveräußerung blieb, und aus der Sicht des L nur dann, wenn er nicht zu einer Eigentümergemeinschaft mit einer ihm fremden Person gezwungen würde. Daher ändert die Einbeziehung des weiteren Erwerbsvorgangs in den Rückabwicklungsvertrag nichts daran, dass der Klägerin das weitere Schicksal des Grundstücks gleichgültig war und sie in erster Linie nur aus dem Grundstückserwerb entlassen werden wollte.
36f) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus der nicht veröffentlichten Entscheidung des FG Baden-Württemberg v. 18.9.2002 - 13 K 235/97. Denn der Streitfall ist anders als der vom FG Baden-Württemberg entschiedene Fall dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin in erster Linie aus den Verpflichtungen des Vertrages heraus wollte und sie kein Interesse daran hatte, das weitere Schicksal des Grundstücks bestimmen zu wollen. Demgegenüber bestand die Lebensgemeinschaft der Erwerber im Fall des FG Baden-Württemberg gerade fort. Beide Erwerber wollten den gemeinsam erworbenen Grundbesitz auch nach dem Ausscheiden eines der Partner aus dem Erwerbsvorgang gemeinsam bewohnen und die Partner setzten diese gemeinsame Lebensplanung in der Folgezeit auch um. Der ausscheidende Partner hatte daher im Fall des FG Baden-Württemberg ein über sein Ausscheiden hinaus bestehendes Interesse daran, dass der verbleibende Partner das Volleigentum erwarb; ihm war das künftige Schicksal seines ehemaligen Anteils gerade nicht gleichgültig, sodass der Streitfall mit dem vom FG Baden-Württemberg entschiedenen Fall nicht vergleichbar ist.
374. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
385. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung vor dem Hintergrund des in der Bewertung der Rechtsfrage möglicherweise abweichenden Urteils des FG Baden-Württemberg v. 18.9.2002 - 13 K 235/97 und der anschließenden BFH-Entscheidung v. 28.11.2003 - II B 143/02, BFH/NV 2004, 368 zuzulassen.