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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtszug über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte der Mandanten Eheleute E und E1 gemäß § 80 der Abgabenordnung – AO -.
3Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft englischen Rechts in der Rechtsform der Limited (Company No ..., Y, W (GB)) mit Sitz in Großbritannien und einer Niederlassung in U in den Niederlanden. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Wirtschaftsberatung, Steuerberatung und das Rechnungswesen. Gesellschafter und Geschäftsführer („director“) der Klägerin sind Frau V und Herr Z. Frau V gehört nicht zu dem Personenkreis des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (in der für den Streitfall gültigen Fassung: geändert durch das Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.06.2021, BGBl 2021 I, S. 2154ff. - StBerG -). Herr Z war in Deutschland ursprünglich als Steuerberater bestellt. Seine Bestellung wurde wegen Vermögensverfalls inzwischen rechtskräftig wiederrufen.
4Mit Schreiben vom 07.07.2021 legte die Klägerin „im Namen und im Auftrag“ für Herrn E und Frau E1 (St.-Nr. ...) Einsprüche gegen die geänderten Aufteilungsbescheide vom 04.06.2021 und die Zinsbescheide vom 04.06.2021 ein (Bl. 47f. d. elektronischen Gerichtsakte). Das Einspruchsschreiben war von Frau V unterschrieben. Für Postsendungen benannte die Klägerin als Zustellungsbeauftragte in Deutschland die M Ltd. mit Sitz in der K-Straße ..., ... H, Deutschland.
5Die Klägerin ist nicht als Steuerberatungsgesellschaft nach § 32 Abs. 3, §§ 49 ff. StBerG anerkannt.
6Unter dem 04.08.2021 übersandte der Beklagte der Klägerin ein mit „Zurückweisung wegen unbefugter Hilfeleistung in den Steuersachen der Eheleute E und E1, D-Straße ..., ... Q (Deutschland) (Vollmachtgeber)“ überschriebenes Schreiben. Darin heißt es, die Klägerin werde hiermit als bevollmächtigte Person in den Steuersachen ihrer Vollmachtgeber zurückgewiesen. Die Zurückweisung gelte mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren der Vollmachtgeber im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Verfahrenshandlungen, die die Klägerin trotz dieser Zurückweisung für ihre Vollmachtgeber vornehme, seien unwirksam.
7Zur Begründung legt der Beklagte dar, dass die Klägerin geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet habe, ohne dazu befugt zu sein (Einspruch vom 07.07.2021 gegen die Aufteilungsbescheide zur Einkommensteuer 2015 und 2016 vom 04.06.2021 sowie gegen die Bescheide über Zinsen gem. § 233a AO zur Einkommensteuer 2015 und 2016 vom 04.06.2021).
8Die Bundessteuerberaterkammer führe nach § 86b StBerG ein elektronisches Gesamtverzeichnis aller in Deutschland bestellten bzw. anerkannten Steuerberater und Steuerbevollmächtigten, die gemäß § 3 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt seien. Sie werde in diesem Verzeichnis nicht geführt.
9Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union beruflich niedergelassen seien und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, seien zur vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nach § 3a Abs. 1 StBerG nur befugt, wenn sie vor der ersten Erbringung im Inland der zuständigen Stelle schriftlich Meldung erstatteten (§ 3a Abs. 2 Satz 1 StBerG). Sobald die Meldung nach § 3a Abs. 2 StBerG vollständig vorliege, veranlasse die zuständige Stelle eine vorübergehende Eintragung der Angaben nach § 3a Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 4 StBerG im Berufsregister oder ihre Verlängerung um ein Jahr (§ 3a Abs. 3 Satz 1 StBerG). Die Bundessteuerberaterkammer führe gemäß § 3b Abs. 1 StBerG ein elektronisches Verzeichnis aller Personen, die gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 StBerG als zur vorübergehenden und gelegentlichen Hilfeleistung in Steuersachen befugt vorübergehend im Berufsregister der zuständigen Steuerberaterkammer eingetragen seien. In diesem Verzeichnis werde der Klägerin ebenfalls nicht geführt.
10Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass ihren Vollmachtgebern, Herr E und Frau E1, eine Kopie des Zurückweisungsschreibens übersandt worden sei.
11Als Rechtsgrundlagen für die Zurückweisung wurden die Paragraphen § 5 Abs. 1 StBerG, § 80 Abs. 7 der Abgabenordnung – AO - und § 80 Abs. 10 AO aufgeführt.
12Das Schreiben vom 04.08.2021 enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung und wurde der Klägerin am 05.08.2021 unter der o.g. Adresse in H, K-Straße ..., mit Postzustellungsurkunde zugestellt (Bl. 54 f. d. elektronischen Gerichtsakte).
13Den Eheleuten E/E1 wurde die Zurückweisung der Klägerin jeweils getrennt mit Schreiben vom 04.08.2021 bekanntgegeben (zugestellt mit Postzustellungsurkunden am 05.08.2021, Bl. 56ff. und Bl. 64ff. d. elektronischen Gerichtsakte). In dem Anschreiben an Herrn E und an Frau E1 weist der Beklagte jeweils unter der Überschrift „Hinweis“ darauf hin, dass gegen sie ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden könne, wenn sie weiterhin die Klägerin mit der Erledigung ihrer Steuerberatungsangelegenheiten beauftragen würden. Der Verstoß gegen das Verbot sei eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 5.000 € geahndet werden könne (§ 160 StBerG und § 14 Ordnungswidrigkeitengesetz – OWiG).
14Am 03.09.2021 (Eingang bei Gericht per Fax am 06.09.2021) hatte die Klägerin, vertreten durch Herrn Z, G-Straße ... in U, (NL), Feststellungs- und Sprungklage gegen ihre am 05.08.2021 zugestellte Zurückweisung als Bevollmächtigte der Eheleute E / E1 erhoben (Bl. 3ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Der Beklagte hatte der Sprungklage fristgemäß zugestimmt (s. Schriftsatz d. Bekl. vom 27.09.2021 per Fax, Bl. 37 d. elektronischen Gerichtsakte).
15Die Klage hatte im ersten Rechtszug keinen Erfolg. Auf das Urteil des Senats vom 02.12.2021 wird Bezug genommen (Bl. 143ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Bundesfinanzhof das erstinstanzliche Urteil des Senats aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht wegen Vorliegens eines Verfahrensfehlers gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (s. BFH-Beschluss vom 28.02.2023 VII B 25/22 n.v., Bl. 192ff. d. elektronischen Gerichtsakte).
16Im zweiten Rechtszug bezieht sich die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 04.04.2023 vollinhaltlich auf ihre Klagebegründung im ersten Rechtszug, zuletzt dort mit Schriftsatz vom 25.11.2021. Sie macht im Wesentlichen weiterhin geltend, die Zurückweisung der Klägerin durch die Finanzverwaltung sei im Rahmen einer unglaublich staatlich organisierten „Kampagne“ unter erheblicher Missachtung von Grundrechten und Konventionsrechten einschließlich Unionsrecht erfolgt. Das vorrangige Unionsrecht schließe der Beklagte aus, ohne dies zu begründen und die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV überhaupt in Erwägung zu ziehen. Dies sei ihm durch das Finanzministerium NRW über die OFD NRW verboten. Dies gehe soweit, dass die OFD NRW die Finanzämter auffordere, EU-Recht in den Zurückweisungsfällen nicht anzuwenden. Zwar werde Herr Z gegen die Zurückweisungen klagen und der Finanzverwaltung „einiges an Arbeit bescheren“, aber bei den Finanzgerichten, spätestens beim BFH sei „dann Schluss“. Die würden nichts durchlassen. Gemeint sei die konsequente, „vereinbarte“ und gesteuerte Nichtvorlage an den EuGH.
17Tatsächlich seien die Berufsvorbehalte des StBerG EU-gemeinschaftswidrig und deswegen nicht anwendbar. Nach Art. 56 AEUV sei die Dienstleistungserbringung vom Niederlassungsstaat der Klägerin grenzüberschreitend gegenüber in Deutschland Ansässigen zulässig (so EuGH-Urteil vom 17.12.2015 C-342/14, HFR 2016, 290, EU:C:2015:827). Infolge der Unvereinbarkeit der Berufsvorbehalte gelte dies sogar für den Fall der Leistungserbringung in Deutschland. Die Entscheidungsfindung müsse in zwei Stufen erfolgen. In Stufe 1 sei die Frage zu entscheiden, ob die Berufsvorbehalte des StBerG anwendbar seien oder nicht. In Stufe 2 sei dann über die eigentliche Klage zu entscheiden. Lediglich die Entscheidung zu Stufe 2 obliege dem nationalen Fachgericht, nicht hingegen die Entscheidung zu Stufe 1. Dazu sei es nicht der gesetzliche Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes - GG -. Es sei vielmehr verpflichtet, diese Frage dem EuGH vorzulegen. Dieser sei insoweit der gesetzliche Richter (s. unter A) der Klagebegründung vom 25.11.2021).
18Durch die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens 2018/2171 der EU-Kommission gegen den deutschen Staat habe sich die „Problematik“ um die Zurückweisungen grundlegend geändert. Bis dato sei diskutiert und gewertet worden, ob die Berufsvorbehalte des § 3a StBerG auf grenzüberschreitende Dienstleistungen dieses Gesetzes anzuwenden seien und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Nunmehr stünden diese Berufsvorbehalte grundsätzlich in Frage. Die Zurückweisung setze die Wirksamkeit des StBerG bzw. der darin enthaltenen Berufsvorbehalte voraus. Wenn die Berufsvorbehalte wegen entgegenstehenden Gemeinschaftsrechts nichtig bzw. nicht anwendbar seien, greife dies auch auf das vorliegende Klageverfahren durch. Soweit in diesem Verfahren die Berufsvorbehalte im angefochtenen Zurückweisungsbescheid angewendet worden seien, liege ein Verstoß gegen Art. 56 AEUV und damit gegen Art. 15 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GrCh - und Art. 12 GG vor. Da diese Verstöße „besonders schwerwiegend“ seien, sei der Zurückweisungsbescheid nichtig gemäß § 125 AO.
19Das anhängige Vertragsverletzungsverfahren zwinge daher das Gericht, sich mit den Argumenten der EU-Kommission auseinanderzusetzen und ggf. ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, zumindest aber die Revision zuzulassen. Dies verlange die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (so BVerfG-Beschlüsse vom 02.12.2014 2 BvR 655/14 Rn. 14; vom 03.03.2014 1 BvR 2083/11 Rn. 33-36, vom 03.03.2014 1 BvR 2534/10 Rn. 19-21, vom 02.07.2014 1 BvR 543/12 – 544/13 – 894/12 – 2476/12 Rn. 21 und vom 04.11.2014 2 BvR 7232/12-724/13-725/12). Allerdings dürfe das Gericht diese Frage nicht selbst entscheiden, denn dadurch würde das Gericht selbst entscheiden, ob Art. 56 AEUV der Anwendung des StBerG entgegenstehe. Genau genommen könne das Gericht aus diesem Grund auch der Klage nicht stattgeben. Würde das Gericht hingegen die Berufsvorbehalte auf den vorliegenden Fall anwenden, würde es damit zwangsläufig entscheiden, dass die Einschätzung der EU-Kommission nicht haltbar sei und würde damit die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV auslegen. Zu einer solchen Auslegung sei jedoch nur der EuGH befugt, der der gesetzliche Richter sei, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Daher könne auch nur dieser das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) gewähren (s. unter A) I. der Klagebegründung vom 25.11.2021).
20Das Gericht sei unter jedem denkbaren Gesichtspunkt zur Einholung einer Vorabentscheidung verpflichtet (so auch das BVerfG: s. BVerfG-Entscheidungen vom 08.03.2013 2 BvR 1561- 1562-1563-1564/12 Rn. 177; vom 03.03.2014 1 BvR 2083/11 Rn. 23; vom 02.12.2014 2 BvR 655/14 Rn. 11, vom 06.10.2017 1 BvR 987/16 Rn. 3 und jüngst vom 14.01.2021 1 BvR 2853/19 Rn. 8-10, 14f.). Komme ein deutsches Gericht seiner Vorlagepflicht an den EuGH nicht nach, entziehe es dem Rechtsschutzsuchenden den gesetzlichen Richter (so BVerfG-Entscheidung vom 08.03.2013 2 BvR 1561- 1562-1563-1564/12 Rn. 176f.). Sollte der EuGH entscheiden, dass Art. 56 AEUV den Berufsvorbehalten des StBerG entgegenstehe, würde dies auch auf alle behaupteten „Vorgaben“ des BFH durchgreifen; insoweit wäre diesen die Grundlage entzogen. Im Übrigen träfe dies auch zu, wenn der Prozessbevollmächtigte eine berufliche Niederlassung in Deutschland unterhalten würde. Denn das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission richte sich nicht gegen die Anwendung dieses Gesetzes bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen, sondern insgesamt, also auch auf Dienstleistungen, die aufgrund einer Erlaubnis nach diesem Gesetz ausgeübt werden würden. Insoweit fehle es an einer einschlägigen Entscheidung eines Gerichts, so dass das Vorabentscheidungsverfahren zwingend sei. Die Vorlagepflicht bestehe nach Art. 267 Satz 3 AEUV unbedingt nur für letztentscheidende Gerichte. Nach Satz 2 der Vorschrift hätten „Instanzengerichte“ zwar einen Spielraum, diese gelte jedoch nicht für deutsche Instanzengerichte. Insoweit werde auf die BVerfG-Entscheidung vom 04.10.2011 (Az. 1 BvL 3/08), dort im Tenor unter 2. und den Gründen unter Rn. 52-54 verwiesen. Entscheide das Instanzengericht in solchen Fällen ohne ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, müsse es die Revision zulassen (BVerfG-Entscheidung vom 02.12.2014 2 BvR 655/14 Rn. 22). Ergänzt werde das sehr deutlich durch das BVerfG vom 14.01.2021 (1 BvR 2853/19 Rn. 8). Daraus folge, dass auch das Finanzgericht hier „letztinstanzliches“ Gericht i.S.d. Art. 267 AEUV sei, wenn es die Revision nicht zulasse (s. unter A) II.3. der Klagebegründung vom 25.11.2021).
21Das Vertragsverletzungsverfahren stehe der Notwendigkeit der Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV nicht entgegen. Dieses könne allenfalls zu einer Gesetzesänderung für die Zukunft führen. Entscheidungen des EuGH würden hingegen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der mit der Entscheidung ausgelegten Gemeinschaftsrechtsnorm zurückwirken. Dies könne somit zur Beschleunigung des Vertragsverletzungsverfahrens führen (s. unter A) II.4. der Klagebegründung vom 25.11.2021).
22Die Nichtvorlage an den EuGH würde nicht nur den Beteiligten den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entziehen, sondern und es würde auch zu einer Verweigerung des rechtlichen Gehörs führen. Dies hätte einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 119 FGO zur Folge.
23Zudem würde die Nichtvorlage an den EuGH den Tatbestand der Rechtsbeugung gemäß § 339 des Strafgesetzbuches – StGB – erfüllen. Wer bewusst gegen „Recht und Gesetz“ – insbesondere gegen § 31 Abs. 1 BVerfGG - handele, erfülle die Voraussetzungen des Tatbestandes der Rechtsbeugung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14.07.2016 2 BvR 661/16) (s. unter A) II.5. der Klagebegründung vom 25.11.2021).
24Die Vorlagepflicht sei in der Vergangenheit regelmäßig argumentativ dadurch umgangen worden, dass eine Entscheidung nach der „Acte-clair-Theorie“ angenommen werde. Diese gehe auf die CILFIT-Entscheidung des EuGH zurück (EuGH-Urteil vom 06.10.1982 Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415). Danach entfalle die Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung in drei Fällen:
251. der EuGH habe einen identischen Fall bereits entschieden
262. es existiere eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH
273. die Unionslage sei derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung des EuGH bestehen könnte.
28In Wahrheit gebe es bislang keine einzige Entscheidung des EuGH, die die Argumente der EU-Kommission widerlege; es gebe vielmehr viele Entscheidungen, in denen Argumente der EU-Kommission ihre Bestätigung finden können. Zudem datiere das Eröffnungsschreiben der EU-Kommission auf den 19.07.2018. Entscheidungen die vor diesem Datum ergangen seien, könnten die Argumente der EU-Kommission bereits in zeitlicher Hinsicht nicht widerlegen (s. unter A) III. d. Klagebegründung vom 25.11.2021).
29Wenn der Straftatbestand der Rechtsbeugung objektiv erfüllt sei, dann entziehe das Gericht dem Betroffenen den gesetzlichen Richter (vgl. auch BGH vom 07.07.2010 5 StR 555/09 Rn. 30).
30Zur Kernfrage würde das klägerseitige Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt werden, verbunden mit der Verletzung der Rechte aus 103 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 12 GG, Art. 47 GRCh, Art. 15 GRCh und Art. 6 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK -. Demnach wäre der Straftatbestand der Rechtsbeugung selbst dann gegeben, wenn das Gericht der Klage ohne Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens stattgeben würde (s. unter A) IV. d. Klagebegründung vom 25.11.2021).
31Darüber hinaus beantragt die Klägerin in der Klagebegründung vom 25.11.2021, die behördlichen Akten gemäß § 71 Abs. 2 FGO hinzuzuziehen (s. unter A) V. der Klagebegründung vom 25.11.2021). Hierzu verweist die Klägerin auf das Urteil des BFH vom 26.06.1996 (Az. X R 53/95). Der Beklagte habe die Akten unverändert und vollständig vorzulegen. Die Klägerin mahnt, dass die vorzulegenden Akten vollständig und unverändert sein müssen (§ 71 Abs. 2 FGO) und dass das Gericht auf die Einhaltung dieser Pflicht zu achten habe. In diese Verfahrensakten habe sie, die Klägerin, ein unbedingtes Einsichtsrechts gemäß § 78 FGO im Rahmen des nach Art. 103 GG zu gewährenden rechtlichen Gehörs. Das Dulden und „Übersehen“ der pflichtwidrigen Nichtvorlage durch den Beklagten sowie die Nichtzuziehung notwendiger Akten, verletze den Anspruch der Klägerseite auf rechtliches Gehör, welches bereits ausdrücklich gerügt werde. Dies sei ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 119 FGO. Bei der Akteneinsicht am 04.08.2021 habe sich ergeben, dass der Beklagte nicht die vollständigen Akten vorgelegt habe, sondern lediglich „Spielmaterial“ in Form der angefochtenen Verwaltungsakte und Benachrichtigungen an die Mandanten übersandt habe (s. S. 2f. d. Klagebegründung vom 25.11.2021).
32Die Klägerin beantragt in der Klagebegründung vom 25.11.2021 Beweis zu erheben (s. unter B) der Klagebegründung vom 25.11.2021), zu der Frage, dass nach geltendem Recht, aufgrund dem deutschen Recht vorrangigen EU-Gemeinschaftsrecht die Befugnis der Klägerin zur Erbringung der konkreten gegenständlichen Dienstleistungserbringung aufgrund des Art. 56 AEUV unbedingt besteht und die Annahme des Nichtbestehens unbedingt die Auslegung des AEUV erfordert durch
33Einholung eines EU-Rechtsgutachtens durch den Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, L 2925 Luxemburg
34und für die Tatsache, dass das deutsche StBerG grundsätzlich mit dem vorrangigen Gemeinschaftsrecht, insbesondere der EU-Dienstleistungsfreiheit, nicht vereinbar ist durch
35Einholung einer amtlichen Auskunft / Stellungnahme der Europäischen Kommission, Generalsekretariat, Avenue d’Auderghem 45, B- 1040 Bruxelles und
36Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Mitglied der EU-Kommission Frau P, zu laden über Generalsekretariat, Avenue d’Auderghem 45, B - 1040 Bruxelles
37Soweit das Gericht die Beweisantritte übergehen sollte, müssten diese als wahr dem Urteil zu Grunde gelegt werden (Art. 103 Abs. 1 GG, vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 14.12.2001 2 BvR 189/01 Rn. 16ff.; vom 09.10.2007 2 BvR 1268; vom 18.01.2011 1 BvR 2441/10; vom 24.01.2012 1 BvR 1819/10; vom 14.08.2013 1 BvR 3157/11; vom 06.05.2015 1 BvR 2724/14 sowie BFH-Entscheidungen vom 06.11.2007 VIII B 25/07, vom 10.10.2007 IV B 130, IV B 131/06, vom 08.06.2007 II B 60/06; vom 07.02.1995 IX R 54/92; vom 27.11.1997 V R 48/97; vom 21.01.1993 XI R 25/92, 28/92, 29/92; vom 16.02.1998 VIII B 46/97; vom 29.01.1997 XI R 70/96; vom 19.06.1997 V R 54/96, vom 22.03.1995 IV B 68/94, vom 23.02.1994 III R 65/93; vom 29.01.1997 II R 67/94; vom 09.05.1996 V R 24/95; vom 26.01.1989 IV R 71/87 und vom 07.11.1995 III R 46/93 sowie pointiert BGH-Beschluss vom 23.08.2016 VIII ZR 178/15 - s. unter A) VI. der Klagebegründung vom 25.11.2021).
38Zur Berufsausübungsbefugnis der Klägerin im Streitfall führt diese aus (s. unter B) der Klagebegründung vom 25.11.2021), dass die konkrete Leistung der Klägerin von ihrer Niederlassung in U / Niederlande aus erfolge. Sie sei dort in das zuständige Register bei der „Kamer von Koophandel“ eingetragen und dort umfassend zur Hilfeleistung in Steuersachen, wie sie im deutschen StBerG reglementiert sei, befugt. Die hier im Streitfall zu beurteilende Dienstleistung sei grenzüberschreitend im Sinn des Urteils des EuGH vom 17.12.2015 (Az. C-342/14, HFR 2016, 290, EU:C:2015:827) erfolgt. Damit falle sie unter die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV.
39Zu den Grundfreiheiten der EU gehöre auch die Dienstleistungsfreiheit. Wie alle anderen Grundfreiheiten gewähre die Dienstleistungsfreiheit einem jeden in der EU ansässigen Dienstleister, seine Dienstleistung einem jeden in der EU Ansässigen anzubieten und ihm gegenüber zu erbringen. Dabei richte sich seine Berufsausübungsbefugnis nach dem Recht am Ort seiner Niederlassung. Letztlich richte sich für jeden Dienstleister in der EU seine Berufsausübungsbefugnis nach dem Recht am Ort seiner Niederlassung. Der Ort der Niederlassung lege fest, ob und welche „Qualifikation“ den Dienstleister zur Erbringung der Dienstleistung berechtige. Diese „Qualifikationen“ seien in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der EU verschieden. Deswegen hätten sich alle Mitgliedstaaten verbindlich verpflichtet, welche „Qualifikationen“ aus jeweils anderen Mitgliedstaaten sie akzeptieren und akzeptieren müssen; dies sei in der Berufsqualifikationsrichtlinie 2005/36/EG niedergelegt. Diese Richtlinie sei von allen Mitgliedstaaten bis zum 20.10.2007 umzusetzen gewesen. Spätestens seit diesem Tag sei der Regelungsgehalt zwingendes Recht in allen EU-Staaten; widerstreitende Normen seien seither nichtig, jedenfalls aber unwirksam. Geändert und ergänzt sei diese Richtlinie durch die Richtlinie vom 20.11.2013, 2013/55/EU worden. Letztere Richtlinie sei von den Mitgliedstaaten bis zum 18.01.2016 umzusetzen gewesen. Der deutsche Staat hätte alle Normen seines nationalen Rechts entsprechend anpassen müssen, etwa § 3a StBerG, § 62 FGO, § 67 VwGO, § 73 SGG, § 11 ArbGG, § 22 BVerfGG, § 10 FamFG und §§ 78, 78b, 78c und 79 ZPO. Zu § 3a StBerG habe der EuGH in seinem Urteil vom 17.12.2015 (C-342/14, HFR 2016, 290, EU:C:2015:827) eindeutig die Unvereinbarkeit mit dem Recht der Dienstleistungsfreiheit festgestellt und dem deutschen Staat klar seine Versäumnisse infolge der Nichtumsetzung vorgehalten. Folge dieser Nichtumsetzung sei, dass sich jeder Dienstleister direkt auf Art. 56 AEUV berufen könne. Die Erkenntnisse des Generalanwalts des EuGH aus dem zuvor genannten Verfahren nehme die EU-Kommission zum Anlass, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den deutschen Staat zu führen (2018/2171). Nach Auffassung der EU-Kommission sei der Vorbehalt der Tätigkeiten von Steuerberatern im Steuerberatungsgesetz unverhältnismäßig. Hierzu führt die EU-Kommission überzeugend aus, dass in § 4 StBerG eine große Zahl von Berufsgruppen aufgeführt sei, die zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt seien, obgleich sie weder einer behördlichen Genehmigung bedürften noch Anforderungen an deren Berufsqualifikation gestellt werden würden, wie dies bei den Leitungsorganen von Steuerberatungsgesellschaften der Fall sei. Berufsgruppen, wie Notare und Patentanwälte, Verwahrer und Verwalter fremden Vermögens, Unternehmer eines Handelsgewerbes, Berufsvertretungen und –vereinigungen, Lohnsteuerhilfevereine und Arbeitgeber, dürften im Rahmen ihrer Haupttätigkeit zusätzlich Hilfe in Steuersachen leisten. Demnach hinke die Behauptung, die deutschen Regelungen im Steuerberatungsgesetz würden durch die Anforderungen an die Berufsqualifikation der für die Leitung von Steuerberatungsgesellschaften Verantwortlichen die Empfänger der Leistungen schützen. Diesen Vortrag der EU-Kommission mache sie, die Klägerin, sich zu Eigen.
40Soweit der Beklagte nach dem EuGH-Urteil vom 17.12.2015 (C-342/14, HFR 2016, 290, EU:C:2015:827) zu § 3a StBerG in der Fassung des Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 08.04.2008 (gültig bis 22.04.2016) nunmehr § 3a StBerG (gültig ab 23.04.2016) für unionskonform halte, stehe dies dem Inhalt des Urteils und dem gesetzgeberischen Willen entgegen. Die einzige Änderung in dem derzeit gültigen § 3a StBerG, dass die vorübergehende und gelegentliche geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen vom Staat der Niederlassung erfolgen könne, beseitige die Berufsausübungsbeschränkungen nicht, sondern manifestiere sie. Dies sei auch vom Gesetzgeber so gewollt (BT-Drs. 18/11132, S. 36f.) (s. unter C) I.1.-2. der Klagebegründung vom 25.11.2021).
41Wenn der Beklagte „Voraussetzungen“ für die Dienstleistungserbringung aus dem Urteil des BFH vom 16.09.2016 (Az. II R 44/12, im Nachgang zum EuGH-Urteil vom 17.12.2015, C-342/14) ableite, verkenne der Beklagte die EU-Normenhierarchie. Bei seiner Entscheidung hat der BFH lediglich Hinweise im Rahmen der Zurückverweisung des Verfahrens an das Niedersächsische Finanzgericht gegeben. Die Hinweise würden den Fall betreffen, dass § 3a StBerG anzuwenden sei. Für den Fall der Leistungserbringung ohne physischen Grenzübertritt vom Ort der Niederlassung gegenüber einem in Deutschland ansässigen Dienstleistungsempfänger, sei § 3a StBerG nicht anwendbar, so dass die Hinweise des BFH ins Leere laufen würden.
42Insoweit tritt die Klägerin Beweis an durch Vernehmung von
43Frau Vorsitzende Richterin am BFH O
44Herr Richter am BFH R
45Herr Richter am BFH T
46Herr Richter am BFH S
47Frau Richterin am BFH H, jeweils zu laden über den BFH
48als Zeugen.
49Abschließend nimmt die Klägerin zur Berufshaftpflichtversicherung, Berufsqualifikation und zur Niederlassung in Deutschland eingehend Stellung (s. unter C) II. 1.-3. der Klagebegründung vom 25.11.2021).
50Im BFH-Urteil vom 16.09.2016 (Az. II R 44/12, im Nachgang zum EuGH-Urteil vom 17.12.2015, C-342/14) werde auf das BFH-Urteil vom 21.07.2011 (Az. II R 6/10, BStBl II 211, 906) verwiesen. Da die „X-StBG“ nicht die Pflichten aus §§ 33, 57 StBerG habe, falle sie auch nicht unter § 51 DVStB und könne daraus nicht verpflichtet werden, eine Berufshaftpflichtversicherung zu haben.
51Zur Berufsqualifikation werde auf Art. 5 der Richtlinie 2005/36/EG vom 07.09.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen verwiesen. Die sich daraus ergebende zweijährige Berufserfahrung in den Niederlanden sei die anzuerkennende Berufsqualifikation. Die „X-StBG“ berufe sich auf keine in Deutschland ausgeübte steuerberatende Tätigkeit, da sie eine solche in Deutschland nicht ausübe.
52Zur Frage der Niederlassung weist die Klägerin auf RL 2006/123/EG (dort Rn. 37) hin.
53Darüber hinaus trägt sie im zweiten Rechtszug mit Schriftsatz vom 04.04.2023 ergänzend vor, dass nach dem Beschluss des BFH nunmehr sowohl über die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit als auch über die Anfechtung zu entscheiden sei.
54Zudem werde die Beiladung der EU nach § 60 FGO beantragt, da die EU die Pflicht habe, Unionsbürger zu schützen, wenn Steuergesetze, wie die AO, FGO oder das StBerG, in EU-Grundfreiheiten eingreifen würden. Diese Pflichten erfülle die EU durch ihre Organe, damit auch durch die EU-Kommission. Verletze die EU durch ihre Organe diese Pflichten und verursache dadurch einen Schaden sei sie nach Art. 340 AEUV schadensersatzpflichtig. Im konkreten Fall habe die EU-Kommission die Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV durch Anwendung unwirksamer gemeinschaftswidriger Normen festgestellt und unter dem 19.07.2018 das Vertragsverletzungsverfahren 2018/2171 eingeleitet. Dem deutschen Staat sei eine Erwiderungsfrist von zwei Monaten eingeräumt worden. Dem sei dieser bislang nach 4,5 Jahren noch nicht nachgekommen. Auch im Bereich des Gemeinschaftsrechts gelte das unbedingte Beschleunigungsgebot, gegen welches die EU-Kommission bedingt durch ihr Zuwarten erheblich verstoße. Daher sie die Beiladung zulässig und begründet.
55Zudem verweist die Klägerin auf zwei Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 30.05.2022 (Az. II B 55/21, BFH/NV 2022, 903 und II B 56/21, BFH/NV 2022, 905). Sie führt aus, dass in dem Verfahren unter dem Aktenzeichen II B 55/21 das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zunächst keine Akteneinsicht gewährt habe, sondern nur auf Rüge der Klägerseite hin die Möglichkeit eröffnet habe, die Akten am Tag der mündlichen Verhandlung vor Beginn der Verhandlung einsehen zu können. Die Nichtteilnahme der Klägerseite an der mündlichen Verhandlung habe das Finanzgericht Rheinland-Pfalz als Verzicht auf das Rügerechts gewertet. Diese Entscheidung habe der Bundesfinanzhof nicht bestätigt. Das Finanzgericht hätte nach dem bereits mit der Klageerhebung gestellten Antrag von sich aus tätig werden müssen, unabhängig vom Inhalt der vorgelegten Akten. Dieser Antrag habe durch die Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht verloren gehen können. In seinem Beschluss in dem Verfahren unter dem Aktenzeichen II B 56/21 nehme der Bundesfinanzhof sehr deutlich zur Zuziehung der Amtsakten Stellung. Der Bundesfinanzhof habe ausgeführt, dass die fehlende Anforderung der den Streitfall betreffenden Akten des Finanzamtes der Grundordnung des Verfahrens widerspreche. Das Recht, die fehlende Beiziehung der Akten zu rügen, gehe nach § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO nicht verloren. Es seien diejenigen Akten vorzulegen, die die finanzamtsseitige Bearbeitung des Vorgangs dokumentieren würden. Im Streitfall habe sich aus der Akteneinsicht ergeben, dass nicht nur der chronologische Ablauf der Bearbeitung aus den Akten ersichtlich sein müsse, sondern auch die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen, die zum Erlass der angefochtenen Verwaltungsakte geführt haben. Dazu würden auch Angaben zu bestehenden Amts- und Dienstanweisungen sowie zur nachvollziehbaren Bekanntgabe des Inhalts gehören. In diesem Zusammenhang sei auf ein parallel anhängiges Verfahren der Klägerin gegen das Finanzministerium NRW auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO verwiesen (s. FG Düsseldorf 13 K 1730/20 AO, BFH IX B 109/22). In diesem Verfahren habe das Finanzministerium NRW eingeräumt, dass bezüglich der Klägerin auch wegen Zurückweisungen, Aktenvorgänge und „Schriftgut“ vorliegen würden, welche geheim zu halten seien. Unter Berufung auf § 86 Abs. 2 FGO verweigere das Finanzministerium trotz ausdrücklicher Aufforderung durch das Finanzgericht die Vorlage. Es werde die Zuziehung dieser Akten beantragt und Vernehmung von Herrn N, zu laden über das Finanzministerium NRW.
56Die Vorlage dieser Akten werde die Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit des hier angefochtenen Verwaltungsaktes beweisen. Soweit der Beklagte diese Akten nicht vorlegen werde, begehe er konkret Beweisvereiterung, § 155 FGO i.V.m. § 444 ZPO. Die Rechtsfolgen des § 444 ZPO ergeben sich auch aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB (s. BGH vom 21.06.2000 IV ZP 157/99).
57Zur Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 267 AEUV sei nochmals auf das Bundeverfassungsgericht vom 02.12.2014 (Az. 2 BvR 655/14, Rn. 20 bis 22) verwiesen. Danach sei nach der bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Finanzgericht verpflichtet gewesen, die Revision zuzulassen. Eine andere Entscheidung würde zu einer Verletzung der Grundordnung des Verfahrens führen und wäre im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zu korrigieren. Hierzu sei auf den EuGH vom 04.06.2002 (C-99/00 – Kenny Roland Lyckeskoog, Rn. 18) zu verweisen. Aus Art. 267 AEUV folge, dass das letztinstanzliche Gericht die Frage dem EuGH vorlegen müsse. Wenn der Bundesfinanzhof die Nichtzulassungsbeschwerde ablehne, stelle sich die Frage, ob das Finanzgericht nicht bereits letztinstanzliches Gericht und somit zur Vorlage verpflichtet sei. Sollte sich im hiesigen Verfahren nach der Beweisaufnahme herausstellen, dass der EuGH im Vertragsverletzungsverfahren noch keine Entscheidung getroffen habe, ihm die Frage noch nicht einmal vorgelegt worden sei, stehe dies fest.
58Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf den Klageschriftsatz vom 25.11.2021 und vom 04.04.2023 Bezug genommen.
59In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte erklärt, dass er die bisher im ersten und zweiten Rechtsgang gestellten Anträge auf Aktenbeiziehung und Akteneinsicht sowie Beweiserhebung nicht mehr aufrechterhalten bzw. deren Verletzung wird nicht mehr gerügt. Dies gilt insbesondere auch für die im zweiten Rechtsgang gestellten Anträge auf Beiladung, Vernehmung des Herrn N als Zeugen und Hinzuziehung der Akten des Finanzministeriums NRW.
60Der Klägerin beantragt nunmehr,
611. in der Sache, unter Feststellung dessen Nichtigkeit den angefochtenen Bescheid aufzuheben,
2. hilfsweise, den Bescheid als rechtswidrig aufzuheben,
643. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen,
654. dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen,
665. das Verfahren auszusetzen und dem europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
67„Stehen Art. 49 AEUV und Art. 56 AEUV, auch in Ausgestaltung des Art. 59 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG, einem Berufsvorbehalt, wie dem des deutschen StBerG für den/die dort geregelten Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften, entgegen ?“
68„Steht Art. 56 AEUV auch in Verbindung mit Art. 62 und Art. 54 AEUV einer nationalen Regelung wie der der §§ 78, 78b, 78c und 79 der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) - gleichermaßen § 62 FGO, § 67 VwGO, § 73 SGG, § 11 ArbGG, § 22 BVerfGG, § 10 FamFG, §§ 1, 2, 25 bis 29 EuRAG, 3a StBerG-D - entgegen, soweit dort natürlichen Personen Befugnisse eingeräumt werden, die gleichgestellten Gesellschaften, die gleiche Dienstleistungen erbringen, verweigert werden?“
69„Steht Art. 56 AEUV einer nationalen Regelung wie der des § 3a StBerG- D, gleichermaßen der §§ 78, 78b, 78c und 79 ZPO, § 62 FGO, § 67 VwGO, § 73 SGG, § 11 ArbGG, § 22 BVerfGG, § 10 FamFG, §§ 1, 2, 25 bis 29 EuRAG - entgegen, soweit diese Bestimmungen Rechtsdienstleister mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU, die nach dem Recht ihres Niederlassungsstaates zu derartigen Rechtsdienstleistungen befugt sind und ihre Dienstleistungen vom Ort ihrer beruflichen Niederlassung in dem anderen Mitgliedstaat aus erbringen, diese Rechtsdienstleistungen für in der Europäischen Union, einschließlich Deutschland, Ansässigen gegenüber deutschen Gerichten untersagt?“
70„Steht Art. 56 AEUV der Beschränkung der Dienstleistungserbringung durch Dienstleister auf dem Gebiet der im deutschen StBerG geregelten Berufsausübung, die ihre Dienstleistung von ihrer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aus gegenüber in Deutschland ansässigen Wirtschaftsteilnehmern erbringen, nach dem Recht ihres Niederlassungsstaates, wie mit der Neufassung des § 3a StBerG-D mit Wirkung zum 23.04.2016 durch die Einfügung in § 3a Abs. 1 als Satz 2:
71„Die vorübergehende und gelegentliche geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen kann vom Staat der Niederlassung aus erfolgen.“
72nach Auslegung durch den deutschen Staat mit der Bedeutung, dass die Norm des § 3a StBerG-D auch auf die Dienstleistungen anwendbar ist, die entsprechende Dienstleister von ihrer Niederlassung aus ohne physischen Grenzübertritt erbringen, entgegen; entsprechend dem Urteil des EuGH vom 17.12.2015 unter dem Az. C-342/14, ergangen zu § 3a StBerG-D in der Fassung bis zum 22.04.2016?“
73„Steht Art 56 AEUV, auch in Ausgestaltung der Richtlinie 2006/123/EG, dort insbesondere den Gründen 37, einer nationalen Vorschrift eines Mitgliedstaates entgegen, die bei Bestehen auch einer Niederlassung in diesem Mitgliedstaat die Dienstleistungserbringung von einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat aus nach dem Recht dieses Niederlassungsstaates ausschließt?“
74Der Beklagte beantragt,
75die Klage abzuweisen.
76Im zweiten Rechtszug hält der Beklagte an seinen Ausführungen aus dem ersten Rechtszug in vollem Umfang fest. Die Nichtigkeitsfeststellungsklage sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, da sie zeitgleich mit der Anfechtungsklage erhoben worden sei.
77Soweit die Klägerin im Rahmen der Anfechtungsklage die Ansicht vertrete, dass das StBerG auf ihren Fall nicht anwendbar sei, da sie die Dienstleistungen nicht „im Anwendungsbereich dieses Gesetzes“ erbringe, sei auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG hingewiesen. Indem die Klägerin Einsprüche eingelegt habe, sei sie im Anwendungsbereich des StBerG tätig geworden. Daher seien die §§ 3, 3a, 3b StBerG auf den Streitfall anzuwenden. Soweit die Klägerin ihre Niederlassung in den Niederlanden habe, sei die in § 3a Abs. 2 Satz 1 StBerG normierte Meldeverpflichtung auf die von der Klägerin ausgeübte geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen ihrer Mandanten anzuwenden, unabhängig von der Frage, ob diese Dienstleistung grenzüberschreitend erbracht worden sei oder nicht. Die Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt.
78Darüber hinaus könne die Klägerin ihre Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen auch nicht aus der Dienstleistungsfreiheit i.S.d. Art. 56 AEUV i.V.m. der Richtlinie 2005/36/EG herleiten und sich dabei auf das EuGH-Urteil vom 17.12.2015 (Az. C-342/14, HFR 2016, 290, EU:C:2015:827) berufen. Dies folge aus dem Urteil des Finanzgerichts Köln vom 22.11.2015 (Az. 4 K 2652/17, EFG 2019, 480). Da die Klägerin eine in den Niederlanden erworbene berufliche Qualifikation, die Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung einer steuerberatenden Tätigkeit vermittele bzw. eine dortige mindestens einjährige einsprechende Berufsausübung sowie das Vorliegen einer entsprechenden Berufshaftpflichtversicherung weder vorgetragen noch nachgewiesen habe, könne sie sich nicht auf Art. 56 und 57 AEUV berufen. Diese Ansicht sei durch den BFH in seinem Beschluss vom 02.12.2020 (Az. VII R 14/20, BFH/NV 2021, 655) bestätigt worden. Wegen weiterer Einzelheiten werde auf den Beschluss verwiesen.
79Aus dem Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2018/2171) ergebe sich kein anderes Ergebnis. Die EU-Kommission habe auf die Regelung des § 4 StBerG in den Fassungen vom 22.11.2019 Bezug genommen. Für das streitgegenständliche StBerG in der Fassung vom 26.06.2013 bzw. vom 08.12.2010 lasse sich hieraus jedoch kein anderes Ergebnis herleiten. Dem EuGH seien die Einwände des Generalanwalts in seinen Schlussanträgen vom 01.10.2015 bekannt gewesen, er hatte jedoch in Kenntnis dieser Einwände in der im Urteil vom 17.12.2015 (Az. C-342/14, HFR 2016, 290, EU:C:2015:827) dargelegten Weise entschieden (so auch BFH-Beschluss vom 02.12.2020 VII R 14/20, BFH/NV 2021, 655).
80Hinsichtlich der Pflicht, die Verwaltungsakten gemäß § 71 Abs. 2 FGO zu übersenden, betont der Beklagte, dass er diese Pflicht auch im Hinblick auf die von der Klägerin benannten Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 30.05.2022 in größtmöglichem Maße erfüllt habe. Insoweit wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 24.04.2023 verwiesen (Bl. 352f. d. elektronischen Gerichtsakte).
81Am 18.10.2021 hatten die Direktorin der Klägerin, Frau V, Einsicht in die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 27.09.2021 (Eingang bei Gericht am 04.10.2021) übersandten Verwaltungsvorgänge (s. Bl. 47-71 d. elektronischen Gerichtsakte) und in die Gerichtsakte genommen (Bl. 73 d. elektronischen Gerichtsakte). Im zweiten Rechtszug hat das Gericht mit Verfügung vom 06.04.2023 nochmals beim Beklagten sämtliche Verwaltungsakten angefordert. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.04.2023 auf die bereits am 18.06.2021 im Original übersandten Verwaltungsvorgänge hingewiesen (Bl. 326f. d. elektronischen Gerichtsakte). Daraufhin hat die Klägerin mit gerichtlicher Verfügung vom 25.04.2023 erneut Gelegenheit erhalten, Akteneinsicht in die dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte zu nehmen (Bl. 329 d. elektronischen Gerichtsakte). Hiervon hat die Klägerin keinen Gebrauch mehr gemacht.
82Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
83Entscheidungsgründe
84Die Klage ist als zulässige Anfechtungsklage unbegründet. Als Nichtigkeitsfeststellungsklage ist sie unzulässig.
85I. Die Klägerin hat sowohl eine Nichtigkeitsfeststellungs- als auch eine Anfechtungsklage erhoben. Der Antrag der Klägerin lautete in der Hauptsache, "unter Feststellung dessen Nichtigkeit den angefochtenen Bescheid aufzuheben". Die Klägerin hat in ihrer Klagebegründung ausgeführt, sowohl Anfechtungs- als auch Nichtigkeitsfeststellungsklage erheben zu wollen, was ihrer Meinung nach gemäß § 43 FGO zulässig sei (Bl. 109 der elektronischen Gerichtsakte). Der VII. Senat des Bundesfinanzhofs hat den Antrag der Klägerin in seinem Beschluss über die Nichtzulassung der Revision vom 28.02.2023 (Az. VII B 25/22 n.v.) dahingehend verstanden, dass die Klägerin neben der Anfechtungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO zugleich eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO erhoben hat (vgl. auch Urteil des FG Köln vom 22.11.2018 4 K 2652/17, EFG 2019, 480 unter 1.a.; a.A. wohl BFH-Urteil vom 19.10.2016 II R 44/12, BStBl II 2017, 797 unter 2. und Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 07.12.2022 2 K 211/21, DStR 2023, 854 unter I., NZB VII B 14/23). An diese rechtliche Beurteilung ist der erkennende Senat nach der Aufhebung seines Urteils und Zurückverweisung gebunden (§ 116 Abs. 6 FGO i.V.m. § 126 Abs. 5 FGO entsprechend; so auch Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 116 Rn. 65 m.w.N.).
86II. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, jedoch unbegründet.
871. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - statthaft. Da der Beklagte der Klage fristgerecht zugestimmt hat, ist sie als Sprungklage ohne Vorverfahren nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO zulässig.
882. Der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom 04.08.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Klägerin war für die Eheleute E / E1 weder nach nationalem (a.) noch nach europäischem Recht (b.) befugt, geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen zu leisten. Der Zurückweisungsbescheid ist insbesondere auch nicht nichtig (c.).
89Bei dieser Beurteilung unterstellt der Senat den Sachvortrag der Klägerin, wonach sie keine Niederlassung in Deutschland unterhält, sondern ausschließlich von ihrer Niederlassung in U / Niederlande aus tätig geworden ist, als zutreffend.
90a. Der Klägerin war bei Ergehen des Bescheids vom 04.08.2021 nach nationalem Recht nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt.
91Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 AO sind Bevollmächtigte mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des Steuerpflichtigen im Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, ohne dazu befugt zu sein.
92Durch die Einlegung der Einsprüche mit Schreiben vom 07.07.2021 ist die Klägerin als Bevollmächtigte für Herrn E und Frau E1 gegenüber dem Beklagten aufgetreten, da sie die Einsprüche „im Namen und im Auftrag“ für die Eheleute E / E1 eingelegt hat (§ 80 Abs. 1 Satz 1 AO).
93Die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen darf nach § 2 Satz 1 StBerG nur von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die hierzu nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes befugt sind. Das Steuerberatungsgesetz ist auf die Hilfeleistungen in Angelegenheiten anzuwenden, die durch Bundesrecht, Recht der Europäischen Union oder der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum geregelten Steuern und Vergütungen betreffen, soweit diese durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden, § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG. Gleiches gilt in Angelegenheiten, die die Realsteuern betreffen (§ 1 Abs. Nr. 2 StBerG). Die Klägerin hat im Streitfall im Namen und im Auftrag Einsprüche für ihre Mandanten gegen Aufteilungs- und Zinsbescheide vom 04.06.2021 eingelegt. Somit findet das Steuerberatungsgesetz im Streitfall Anwendung.
94aa. Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sind nach § 3 Nr. 1 StBerG Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer und nach § 3 Nr. 3 StBerG Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften befugt.
95Die Klägerin ist eine in Form einer Limited englischen Rechts organisierte Steuerberatungsgesellschaft. Steuerberatungsgesellschaften bedürfen der Anerkennung (§ 32 Abs. 3 Satz 1 StBerG). Die Anerkennung setzt den Nachweis voraus, dass die Gesellschaft von Steuerberatern, die bestellt sein müssen, verantwortlich geführt wird (§ 32 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 StBerG). Die Klägerin ist keine solche Gesellschaft, da sie von keinem bestellten Steuerberater verantwortlich geführt wird. Die Bestellung zum Steuerberater wurde für Herrn Z bestandskräftig widerrufen und Frau V ist keine bestellte Steuerberaterin.
96bb. Auch die Voraussetzungen des § 3a StBerG für eine vorübergehende und gelegentliche Hilfeleistung in Steuersachen liegen im Streitfall nicht vor.
97(1) Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG sind Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, zur vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes befugt. Die vorübergehende und gelegentliche geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen kann vom Staat der Niederlassung aus erfolgen (§ 3a Abs. 1 Satz 2 StBerG). Der Umfang der Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen im Inland richtet sich nach dem Umfang dieser Befugnis im Niederlassungsstaat (§ 3a Abs. 1 Satz 3 StBerG). Bei ihrer Tätigkeit im Inland unterliegen sie denselben Berufsregeln wie die in § 3 StBerG genannten Personen (§ 3a Abs. 1 Satz 4 StBerG). Wenn weder der Beruf noch die Ausbildung zu diesem Beruf im Staat der Niederlassung reglementiert ist, gilt die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Inland nur, wenn die Person den Beruf in einem oder in mehreren Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten oder der Schweiz während der vorhergehenden zehn Jahre mindestens ein Jahr lang ausgeübt hat (§ 3a Abs. 1 Satz 5 StBerG). Ob die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen vorübergehend und gelegentlich erfolgt, ist insbesondere anhand ihrer Dauer, Häufigkeit, regelmäßiger Wiederkehr und Kontinuität zu beurteilen (§ 3a Abs. 1 Satz 6 StBerG).
98Darüber hinaus ist die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3a Abs. 1 StBerG nur zulässig, wenn die Person vor der ersten Erbringung im Inland der zuständigen Stelle schriftlich Meldung erstattet (§ 3a Abs. 2 Satz 1 StBerG) und dabei die nach Satz 3 Nrn. 1 bis 8 der Vorschrift erforderlichen Angaben und Nachweise dafür erbringt. Sobald die Meldung nach Absatz 2 vollständig vorliegt, veranlasst die zuständige Stelle eine vorübergehende Eintragung der Angaben nach Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 bis 4 im Berufsregister oder ihre Verlängerung um ein Jahr (§ 3a Abs. 3 Satz 1 StBerG). Die Bundessteuerberaterkammer führt gem. § 3b Abs. 1 StBerG ein elektronisches Verzeichnis aller Personen, die gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 StBerG als zur vorübergehenden und gelegentlichen Hilfeleistung in Steuersachen befugt vorübergehend im Berufsregister der zuständigen Steuerberaterkammer eingetragen sind. Das Verzeichnis dient der Information der Behörden und Gerichte, der Rechtsuchenden sowie anderer am Rechtsverkehr Beteiligter.
99(2) Die Voraussetzungen des § 3a StBerG für eine vorübergehende und gelegentliche Hilfeleistung in Steuersachen liegen nicht vor. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass § 3a StBerG in der o.g. Fassung auch anwendbar ist auf Fälle, in denen die Hilfeleistung, wie im Streitfall, ohne physischen Grenzübertritt stattfindet (vgl. § 3a Abs. 1 Satz 2 StBerG). Der nationale Gesetzgeber hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, festzulegen, unter welchen Voraussetzungen ein Zugang zur Tätigkeit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erfolgen kann. Im Streitfall hat die Klägerin die nach § 3a Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 3 StBerG erforderlichen Nachweise nicht erbracht. Die Klägerin hat weder einen Nachweis über ihre Berufsqualifikation (§ 3a Abs. 2 Satz 3 Nr. 6 StBerG) noch einen Nachweis darüber vorgelegt, dass sie ihren Beruf im Staat ihrer Niederlassung - in den Niederlanden - mindestens ein Jahr ausgeübt hat (§ 3a Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 StBerG). Die Klägerin ist dem zufolge auch nicht in das elektronische Verzeichnis nach § 3b Abs. 1 StBerG eingetragen. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie bei der Steuerberaterkammer F – als der zuständigen Stelle – eine Eintragung in das Verzeichnis nach § 3b Abs. 1 StBerG vorantreibt.
100cc. Die Voraussetzungen einer Befugnis zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 4 StBerG sind ebenfalls nicht erfüllt, da die Klägerin nicht unter die dort im Einzelnen aufgezählten Gruppen fällt.
101b. Die Zurückweisung der Klägerin durch den Beklagten verstößt auch nicht gegen Unionsrecht, so dass der Klägerin auch nicht unmittelbar aus den Freiheitsrechten des AEUV ein Recht auf Erbringung von Hilfeleistungen in Steuersachen ableiten kann.
102aa. Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen voraussetzt, dass eine dauernde Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2016, BFHE 255, 367, BStBl II 2017, 797 unter II.5.c.). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin im Streitfall nicht dargelegt. Sie macht vielmehr geltend, dass sie keine Niederlassung in Deutschland habe und in den Niederlanden in U ansässig sei.
103bb. Eine Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung kann die Klägerin auch nicht unmittelbar aus der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 AEUV) ableiten.
104(1) Nach Art. 56 AEUV sind die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Sie verlangt nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands, dass er in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist als dem, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten -, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und dort rechtmäßig vergleichbare Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Solche Beschränkungen sind allerdings dann gerechtfertigt, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH-Urteil vom 17.12.2015 C-342/14, HFR 2016, 290, EU:C:2015:827, Rn. 48 und 52). Dienstleistungen in diesem Sinne sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen (Art. 57 Abs. 1 AEUV). Als Dienstleistungen gelten insbesondere freiberufliche Tätigkeiten (Art. 57 Abs. 2 Buchst. d AEUV). Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Mitgliedstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt (Art. 57 Abs. 3 AEUV; vgl. auch BFH-Beschluss vom 02.12.2020 VII R 14/20, BFH/NV 2021, 655).
105(2) Diesen Rechtsfertigungsanforderungen genügen §§ 3ff. StBerG, so dass sie die in Art. 56 AEUV garantierte Dienstleistungsfreiheit nicht unverhältnismäßig beschränken. Sie sind nicht diskriminierend, weil sie die Prozessvertretung durch ausländische Dienstleister nicht von höheren Voraussetzungen als für inländische Dienstleister abhängig machen. Sie dienen zwingenden Allgemeininteressen, nämlich dem Schutz der Verbraucher vor Schäden durch nicht hinreichend qualifizierte Prozessvertreter und einer geordneten Rechtspflege, sind zu deren Erreichung geeignet und gehen nicht über das hinaus, was zur Erreichung des besagten Ziels erforderlich ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.05.2020 14 B 435/20, juris, Rn. 38 m.w.N.). Bereits der EuGH hatte in seinem Urteil vom 17.12.2015 C-342/14 (s. HFR 2016, 290, EU:C:2015:827, Rn. 48 und 52) explizit festgestellt, dass die Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 3a StBerG in seiner alten Fassung auf die vorliegende Konstellation nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung des mit der Regelung bezweckten Ziels – der Verhinderung von Steuerhinterziehung und des Verbraucherschutzes – erforderlich sei (EuGH-Urteil vom 17.12.2015 C-342/14, HFR 2016, 290, EU:C:2015:827, Rn. 56; dem folgend: FG Köln, Urteil vom 22.11.2018 4 K 278/18, EFG 2019, 472). Dies gilt auch für § 3a StBerG in der Fassung vom 23.6.2017 mit Wirkung vom 25.6.2017, sodass die Vorschrift weder nichtig noch unwirksam ist.
106(3) Selbst, wenn man aber zu Gunsten der Klägerin davon ausginge, dass § 3a StBerG aus europarechtlichen Gründen nicht anwendbar wäre, ließe sich keine Befugnis der Klägerin zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung aus der dann unmittelbar anwendbaren Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 AEUV) ableiten.
107(a) In Bezug auf diese Regelungen hat der EuGH mit Urteil vom 17.12.2015 C-342/14 (HFR 2016, 290, EU:C:2015:827) entschieden, dass die Mitgliedstaaten, solange es an einer Harmonisierung der Voraussetzungen für den Zugang zu einem Beruf fehle, zwar festlegen dürften, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zu dessen Ausübung notwendig seien; insbesondere blieben die Mitgliedstaaten, da die Bedingungen für den Zugang zur Tätigkeit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen bisher nicht auf Unionsebene harmonisiert worden seien, befugt, diese Voraussetzungen festzulegen. Allerdings müssten die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse unter Beachtung der vertraglich garantierten Grundfreiheiten ausüben (EuGH-Urteil vom 17.12.2015 C-342/14 HFR 2016, 290, EU:C:2015:827, Rn. 47, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 2.12.2020 VII R 14/20, BFH/NV 2021, 655).
108Für den Fall einer Steuerberatungsgesellschaft, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen ist, gegründet wurde und in diesem Mitgliedstaat, in dem die steuerberatende Tätigkeit nicht reglementiert ist, einen Einspruch für einen Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat einlegt, in dem besondere Voraussetzungen für den Zugang zur Tätigkeit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen festgelegt sind, bedeute dies dem EuGH zufolge, dass die Qualifikation, die diese Gesellschaft oder die natürlichen Personen, die für die Gesellschaft die Dienstleistung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erbringen, in anderen Mitgliedstaaten erworben hätten, ihrem Wert entsprechend anzuerkennen und angemessen zu berücksichtigen sei (EuGH-Urteil vom 17.12.2015 C-342/14 HFR 2016, 290, EU:C:2015:827, Rn. 60).
109Der EuGH hat weiterhin entschieden, dass eine Dienstleistung mit grenzüberschreitendem Charakter, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU für einen inländischen Steuerpflichtigen erbracht werde, ohne dass sich der Dienstleister oder die für ihn handelnden Personen auf deutsches Hoheitsgebiet begeben würden, weder unter Art. 5 der RL 2005/36/EG noch unter Art. 16 Abs. 1 und 2 der RL 2006/123/EG falle (vgl. EuGH-Urteil vom 17.12.2015 C-342/14 HFR 2016, 290, EU:C:2015:827, Rn. 40; dem folgend: BFH-Beschluss vom 02.12.2020 VII R 14/20, BFH/NV 2021, 655).
110Der II. Senat des BFH hat im Anschluss an diese Entscheidung des EuGH ausgeführt, dass es, wenn es keine nationalen Regelungen gebe, die eine Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Qualifikation einer Gesellschaft oder der für sie handelnden Personen zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erlaubten, Aufgabe der nationalen Behörden und Gerichte sei, festzulegen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Qualifikation eine Befugnis des Dienstleisters zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen durch grenzüberschreitende Dienstleistungen für inländische Steuerpflichtige begründe; denn der EuGH habe hierzu keine Rechtsgrundsätze aufgestellt (BFH-Urteil vom 19.10.2016 II R 44/12, BStBl II 2017, 797, Rn 57).
111Seien in dem anderen Mitgliedstaat weder der Beruf noch die Ausbildung zu diesem Beruf reglementiert, genüge in Anlehnung an § 3a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 StBerG a.F., dass die betreffende Person den Beruf im Staat der Niederlassung während der vorhergehenden zehn Jahre mindestens zwei Jahre ausgeübt habe. Die Berufsausübung in dem anderen Mitgliedstaat dürfe sich in diesem Fall aber nicht von vornherein darauf beschränken, ausschließlich grenzüberschreitende Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige zu erbringen. Die aufgrund der Berufserfahrung erworbene Qualifikation eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleisters sei nur anzuerkennen, wenn sie auf einer Beratungstätigkeit beruhe, die ihn unionsrechtlich dazu befuge, für inländische Steuerpflichtige tätig zu werden. Da in Deutschland die steuerberatende Tätigkeit reglementiert sei, liege eine unionsrechtlich zulässige Beratungstätigkeit nicht vor, wenn der Dienstleister ausschließlich grenzüberschreitende Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige erbringe, ohne vorher eine berufliche Qualifikation in dem anderen Mitgliedstaat erworben zu haben; denn auch dem EuGH zufolge berechtige aus unionsrechtlicher Sicht erst die in dem anderen Mitgliedstaat erworbene berufliche Qualifikation den Dienstleister zu den grenzüberschreitenden Dienstleistungen für inländische Steuerpflichtige. Insoweit reiche es nicht aus, dass der Dienstleister über Berufserfahrung aus einer in Deutschland ausgeübten steuerberatenden Tätigkeit verfüge (BFH-Urteil vom 19.10.2016 II R 44/12, BStBl II 2017, 797, Rn. 57).
112Handle es sich bei dem Dienstleister um eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Gesellschaft, sei diese zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen in Form grenzüberschreitender Dienstleistungen befugt, wenn der verantwortliche Geschäftsführer über die erforderliche Qualifikation verfüge und ihm die steuerberatende Tätigkeit obliege. Seien bei einer Steuerberatungsgesellschaft mehrere Geschäftsführer bestellt, sei die Gesellschaft nur zu grenzüberschreitenden Dienstleistungen in Steuersachen für inländische Steuerpflichtige befugt, wenn der die Dienstleistung erbringende Geschäftsführer die in dem anderen Mitgliedstaat erworbene Qualifikation besitze. Insoweit könne bei einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft nicht auf die formellen Voraussetzungen von § 32 Abs. 3 und § 50 StBerG abgestellt werden. Die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) erfordere vielmehr nur die Berücksichtigung der Qualifikation der Gesellschaft oder der natürlichen Personen, die für sie die Dienstleistung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erbrächten. Entscheidend sei danach die Qualifikation der jeweils für die Steuerberatungsgesellschaft verantwortlich handelnden Person, welche die konkrete Steuerberatungsleistung erbringe (BFH-Urteil vom 19.10.2016 II R 44/12, BStBl II 2017, 797, Rn. 61).
113Die für die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit notwendigen Voraussetzungen seien von dem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister in geeigneter Weise darzulegen und nachzuweisen. Das Gericht erforsche zwar den Sachverhalt von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Da aber ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen sei, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes beziehe, bestünden erhöhte Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO). Der Dienstleister, der sich unmittelbar auf die Dienstleistungsfreiheit berufe, trage insoweit die Feststellungslast für alle Tatsachen, die für eine Anwendung der Dienstleistungsfreiheit erforderlich seien. Allerdings dürften an den vom Dienstleister zu erbringenden Nachweis in formeller Hinsicht keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere könne die Befugnis eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters zu grenzüberschreitenden Steuerberatungsleistungen nicht deshalb abgelehnt werden, weil er nicht die Nachweise i.S. des § 3a Abs. 2 Satz 3 Nrn. 5 bis 7 StBerG a.F. für eine vorübergehende und gelegentliche Hilfeleistung in Steuersachen auf deutschem Hoheitsgebiet erbracht habe; denn diese Regelungen gälten nicht für eine von einem anderen Mitgliedstaat aus erbrachte Steuerberatungsdienstleistung ohne physischen Grenzübertritt der handelnden Personen, auch wenn der Inhalt der Regelungen zum Teil bei der Berücksichtigung der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen herangezogen werde. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete es, dass Rechtsvorschriften vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben könnten, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssten (BFH-Urteil vom 19.10.2016 II R 44/12, BStBl II 2017, 797 Rn. 64 f., m.w.N.).
114Der VII. BFH-Senat hat sich diesen Ausführungen des II. Senats ausdrücklich angeschlossen (vgl. BFH-Beschluss vom 02.12.2020 VII R 14/20, BFH/NV 2021, 655). Er teilt insbesondere die Auffassung, dass eine Berufsausübung, die von vornherein darauf beschränkt sei, ausschließlich grenzüberschreitende Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige zu erbringen, nicht geeignet sei, dem Ausübenden die nach der EuGH-Rechtsprechung anzuerkennende und angemessen zu berücksichtigende Qualifikation zu verschaffen. Der EuGH beziehe sich in seiner Entscheidung ausdrücklich auf einen Dienstleistenden, "der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und dort rechtmäßig vergleichbare Dienstleistungen erbringt" (EuGH-Urteil vom 17.12.2015 C-342/14 HFR 2016, 290, EU:C:2015:827, Rn. 48; ebenso bereits EUGH-Urteil Konstantinides vom 12.09.2013 C-475/11, EU:C:2013:542, Rn. 44). Erst dieser Umstand, das rechtmäßige Erbringen vergleichbarer Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat - dem Staat der Niederlassung - vermittele demnach dem Dienstleistenden die unionsrechtliche Legitimation, auch in einem weiteren Mitgliedstaat steuerberatend tätig zu werden, in dem besondere Voraussetzungen für den Zugang zur Tätigkeit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen gelten würden. Daraus folge aber auch, dass die unionsrechtliche Legitimation zur Erbringung einer in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht legitimierten Dienstleistung in schlüssiger Weise nicht durch die nicht legitimierte Dienstleistung selbst geschaffen werden könne. Dies käme einem Zirkelschluss gleich (s. u.a. BFH-Beschluss vom 02.12.2020 VII R 14/20, BFH/NV 2021, 655).
115(b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen zu Art. 56 AEUV, die der erkennende Senat für zutreffend hält und denen er sich anschließt, kann sich die Klägerin im vorliegenden Streitfall zur Begründung einer Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nicht unmittelbar auf Art. 56 AEUV und die hierzu ergangene EuGH-Rechtsprechung berufen. Dies folgte bereits daraus, dass die Klägerin, wie sie geltend macht, ausschließlich, ohne Grenzübertritt, von den Niederlanden aus tätig wurde.
116Denn die Klägerin hat eine im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung, in den Niederlanden, erworbene berufliche Qualifikation, die Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung einer dortigen steuerberatenden Tätigkeit vermittelt, nicht nachgewiesen. Sie hat weder dargelegt noch nachgewiesen, dass sie bzw. ihre Direktoren während der letzten zehn Jahre – entsprechend der aktuellen Fassung des § 3a Abs. 1 Satz 5 StBerG – mindestens ein Jahr über die grenzüberschreitenden Beratungsleistungen für inländische Steuerpflichtige hinaus den Beruf eines Steuerberaters "originär" in den Niederlanden jemals ausgeübt hat. Auf das Steuergeheimnis kann sich die Klägerin insoweit schon deshalb nicht berufen, weil sie zum einen noch nicht einmal dargelegt hat, dass und in welchem Umfang sie sonstige Beratungsleistungen in den Niederlanden erbracht haben will, und weil zum anderen entsprechende Nachweise auch in anonymisierter Form hätten vorgelegt werden können, beispielsweise durch teilgeschwärzte Abrechnungen über die erbrachten Dienste.
117cc. Soweit die Klägerin meint, die angefochtene Entscheidung verstoße zudem gegen Art. 5 der RL 2005/36/EG und gegen Art. 16 Abs. 1 und 2 der RL 2006/123/EG, verkennt sie, dass nach dem EuGH-Urteil vom 17.12.2015 C-342/14 (HFR 2016, 290, EU:C:2015:827, Rn. 40) Dienstleistungen mit grenzüberschreitendem Charakter, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU für einen inländischen Steuerpflichtigen erbracht werden, ohne dass sich der Dienstleister oder die für ihn handelnden Personen auf deutsches Hoheitsgebiet begeben, nicht unter die genannten Bestimmungen fallen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 02.12.2020 VII R 14/20, BFH/NV 2021, 655).
118c. Der Zurückweisungsbescheid ist im Übrigen auch nicht nichtig. Gemäß § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ein besonders schwerwiegender Fehler liegt nur vor, wenn der Verwaltungsakt die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maß verletzt, dass von niemanden erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen (BFH-Beschluss vom 01.10.1981 IV B 13/81, BStBl II 1982, 133; BFH-Beschluss vom 14.04.1989 III B 5/89, BStBl II 1990, 351). Der Verwaltungsakt muss schlechterdings unerträglich erscheinen, d.h. mit den tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen unvereinbar sein (BFH-Beschluss vom 30.11.1987 VIII B 3/87, BStBl II 1988, 183). Da der vorliegende Bescheid aber den gesetzlichen Wertungen des § 80 Abs. 7 AO entspricht und rechtmäßig ist, kann ein schwerwiegender Fehler im genannten Sinne nicht vorliegen.
119Weitere Gründe, die eine Nichtigkeit des Bescheides bewirken würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere verstößt der Erlass des Zurückweisungsbescheids für sich genommen auch nicht gegen die guten Sitten (§ 125 Abs. 2 Nr. 4 AO). Vielmehr entspricht es der gesetzlich vorgesehenen Verpflichtung der Finanzbehörde, einen Bevollmächtigten, der geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leistet, ohne dazu befugt zu sein, zurückzuweisen (§ 80 Abs. 7 AO). Der Bescheid enthält keinerlei unsachliche, als sittenwidrig zu wertende Erwägungen. Vor diesem Hintergrund bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erlass der Zurückweisungsverfügung von dem Beklagten willkürlich und rechtsmissbräuchlich erfolgt ist.
120III. Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist jedoch mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
1211. Der BFH hat die Frage der Zulässigkeit der Nichtigkeitsfeststellungsklage in seinem o.g. Zurückweisungsbeschluss ausdrücklich offengelassen. Eine Nichtigkeitsfeststellungsklage, die zeitgleich mit einer Anfechtungsklage erhoben wird, ist unzulässig (vgl. Urteil des FG Köln vom 22.11.2018 4 K 2652/17, EFG 2019, 480 unter 1. m.w.N.). In einem solchen Fall fehlt es am Feststellungsinteresse bzw. an einem Rechtschutzbedürfnis für die Nichtigkeitsfeststellungsklage. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken der gesetzlich angeordneten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Anfechtungsklage (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO). Diese Subsidiarität gilt zwar gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt wird. Damit eröffnet das Gesetz dem Steuerpflichtigen aber nur die Wahl, die Nichtigkeit entweder über die Anfechtungs- oder über die Feststellungsklage geltend zu machen. Eine kumulative Erhebung beider Klagearten ist nicht zulässig, da es für die Feststellungsklage am berechtigten Interesse fehlt. Die Nichtigkeit des Zurückweisungsbescheids kann im Streitfall im Rahmen der zeitgleich erhobenen Anfechtungsklage vollumfänglich geltend gemacht werden (vgl. Urteil des FG Köln vom 22.11.2018 4 K 2652/17, EFG 2019, 480 unter 1.b. m.w.N.; Urteil des FG Köln vom 26.11.2015 12 K 3926/12, juris unter 1.; von Beckerath in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 174. EGL 4/23; § 41 FGO Rn. 80; s. auch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 07.12.2022 2 K 211/21, DStR 2023, 854 unter I., nrk VII B 14/23).
1222. Im Übrigen wäre die Nichtigkeitsfeststellungsklage aus den unter II.2.c. folgenden Gründen auch unbegründet.
123IV. Der Senat sieht keine Veranlassung, das Verfahren gemäß § 74 FGO i.V.m. Art. 267 AEUV zwecks Vorlage an den EuGH im Hinblick auf die von der Klägerin gerügte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der einschlägigen Regelungen des StBerG auszusetzen.
124Eine Vorlage an den EuGH ist im Streitfall im Hinblick darauf, dass vorliegend dahinstehen kann, ob die maßgebliche Vorschrift des § 3a StBerG europarechtskonform ist, nicht geboten. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausginge, dass § 3a StBerG aus europarechtlichen Gründen nicht anwendbar wäre, ließe sich aus o.g. Gründen keine Befugnis der Klägerin zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung aus der dann unmittelbar anwendbaren Dienstleistungsfreiheit (Art. 56, 57 AEUV) ableiten.
125Der erkennende Senat hält das von ihm im Anschluss an die o.g. BFH-Rechtsprechung, diese im Nachgang zum EuGH-Urteil vom 17.12.2015 (C-342/14, HFR 2016, 290, EU:C:2015:827), gefundene Ergebnis zur Anwendung des einschlägigen Unionsrechts für eindeutig. Eine Verpflichtung zur Einholung einer weiteren Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl. EuGH-Urteil - CILFIT - vom 06.10.1982 C-283/81, EU:C:1982:335, Slg 1982, 3415; BFH-Beschluss vom 02.12.2020 VII R 14/20, BFH/NV 2021, 655).
126Aus dem Umstand, dass die Europäische Kommission gegen Deutschland ein das StBerG betreffendes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und dabei insbesondere auf die Regelungen über die Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen in § 4 StBerG Bezug genommen hat, lässt sich kein anderes Ergebnis herleiten. Zwar hat in der Rechtssache C-342/14 der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen die Auffassung vertreten, die deutschen Regelungen seien inkohärent und unsystematisch, da nach § 4 StBerG auch Personen zur Steuerberatung befugt seien, die über keine Berufszulassung oder eine vergleichbare berufliche Qualifikation wie Steuerberater verfügten (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 01.10.2015 - C-342/14, EU:C:2015:646). Es handelt sich jedoch nicht um einen, wie die Klägerin meint, neuen, bislang noch nicht berücksichtigten Gesichtspunkt. Die diesbezüglichen Einwände waren dem EuGH vielmehr bekannt; gleichwohl hat er, in Kenntnis dieser Einwände, in der oben dargelegten Weise entschieden. Im Übrigen teilt der Senat nicht die wegen unzureichender Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG zum Ausdruck kommende Auffassung der Europäischen Kommission zum Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2018/2171, die in § 4 StBerG vorgesehenen Ausnahmen von der Beschränkung der Erbringung von Hilfeleistung in Steuersachen stünden einer systematischen und kohärenten Zweckverfolgung entgegen (so auch BGH-Urteil vom 10.12.2020 1 ZR 26/20, DB 2021, 951, 27ff.).
127Abgesehen davon bestünde auch dann keine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV, wenn die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV im vorliegenden Fall für den Senat zweifelhaft wäre. Der Senat ist nicht letztinstanzliches Gericht im Sinne dieser Vorschrift, da gegen seine Entscheidung die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen ist (§ 115 Abs. 1 FGO).
128V.1. Den ursprünglichen Beweisanträgen der Klägerin musste das Gericht nicht von Amtswegen nachgehen. Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen und erhebt die erforderlichen Beweise (§§ 76 Abs. 1 Satz 1, 81 Abs. 1 Satz 2 FGO). Einen Beweis über nicht entscheidungserhebliche Tatsachen braucht das Gericht nicht zu erheben (vgl. zur Entscheidungserheblichkeit eines Beweisantrags: BFH-Beschluss vom 01.06.2015 X B 6/15, BFH/NV 2015, 1265). Ebenso bedarf es keiner Beweisaufnahme über Rechtsfragen.
129a. Die Klägerin hat ursprünglich für den Fall, dass vom erkennenden Senat kein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH eingeleitet werde, die Einholung eines EU-Rechtsgutachtens durch den Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs und die Einholung einer amtlichen Auskunft der Europäischen Kommission und eines Sachverständigengutachtens durch das Mitglied der EU-Kommission P zum Beweis der Tatsache, dass das deutsche StBerG grundsätzlich mit dem vorrangigen Gemeinschaftsrecht, insbesondere der EU-Dienstleistungsfreiheit, nicht vereinbar sei, beantragt. Zudem hat sie die Vernehmung mehrerer BFH-Richterinnen und -Richter zur Anwendbarkeit des § 3a StBerG beantragt.
130Diese Rechtsfragen sind von dem Senat selbst zu entscheiden.
131b. Die weiteren unter Zeugenbeweis gestellten Tatsachen, insbesondere die interne Weisungslage beim Finanzministerium NRW, sind nicht entscheidungserheblich. Daher scheidet insoweit eine Vernehmung des Herrn N aus.
1322. Die Akten des Beklagten wurden gemäß § 71 Abs. 2 FGO vom Beklagten übermittelt. Der Beklagte hat den Zurückweisungsvorgang mit Schriftsatz vom 27.09.2021 (Eingang bei Gericht am 04.10.2021) übersandt (Bl. 47-71 d. elektronischen Gerichtsakte). Es besteht für den Senat kein Grund, an der Vollständigkeit der übersandten Verwaltungsvorgänge zu zweifeln. Am 18.10.2021 haben die Direktoren der Klägerin, Frau V und Herr Z, im ersten Rechtszug Einsicht in die vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge und in die Gerichtsakte genommen (Bl. 73 d. elektronischen Gerichtsakte). Hierdurch hat der Senat dem Anspruch der Klägerin gemäß § 78 Abs. 1 FGO, die vorgelegten Akten einzusehen, entsprochen. Aus den Beschlüssen des Bundesfinanzhofs vom 30.05.2022 (Az. II B 55/21, BFH/NV 2022, 903 und II B 56/21, BFH/NV 2022, 905) ergibt sich kein anderes Ergebnis, da der Senat sämtliche Verwaltungsakten beim Beklagten nochmals im zweiten Rechtszug angefordert und der Klägerin Gelegenheit zur nochmaligen Akteneinsicht gewährt hat. Hiervon hat die Klägerin keinen Gebrauch mehr gemacht.
133Eine Beiziehung der Akten weiterer Behörden, insbesondere der Akten des Finanzministeriums NRW, kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil nicht erkennbar ist und auch nicht hinreichend dargelegt ist, inwieweit diese unter der geltenden Rechtslage entscheidungserheblich sein könnten.
1343. Die EU war nicht nach § 60 FGO beizuladen, da die Voraussetzungen – entgegen der ursprünglichen Ansicht der Klägerin - nicht vorliegen.
135VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 i.V.m. §§ 135 Abs. 1 und 2 FGO.
136VII. Die Revision wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Zulässigkeit von Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 115 Abs. 2 FGO zugelassen (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2016 II R 44/12, BStBl II 2017, 797 unter 2. und Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 07.12.2022 2 K 211/21, DStR 2023, 854 unter I., nrk VII B 14/23).