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Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von inländischen Einkünften aus Gewerbetrieb für 2010 vom 21.10.2020 und für 2011 bis 2014 vom 21.10.2020 und vom 26.04.2021 sowie die negativen Feststellungsbescheide über nach dem DBA-Großbritannien steuerfreie dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegende Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2010 vom 21.10.2020 und für 2011 bis 2014 vom 21.10.2020 und vom 26.04.2021 werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die nach dem DBA-Großbritannien steuerfrei sind und dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen, erneut gesondert und einheitlich nunmehr wie folgt festzustellen:
für 2010 Gesamteinkünfte i.H.v. ... €, davon nach Quote zu verteilen ... €, Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €,
für 2011 Gesamteinkünfte i.H.v. ./. ... €, davon nach Quote zu verteilen ./. ... € (davon bis 30.11.2011 ./. ... €, v.1.12. – 31.12.
./. ... €), Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €, Veräußerungsgewinn des Gesellschafters Y ... €,
für 2012 Gesamteinkünfte i.H.v. ... €, davon nach Quote zu verteilen ... €, Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €,
für 2013 Gesamteinkünfte i.H.v. ... €, davon nach Quote zu verteilen ... € (davon bis 31.10.2013 ... €, v.1.11. – 31.12,
./. ... €), Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €, Veräußerungsverlust des Gesellschafters X i.H.v. ./. ... €,
für 2014 Gesamteinkünfte i.H.v. ./. ... €, davon nach Quote zu verteilen ./. ... €, Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €,
und diese nach Maßgabe der Gründe der Entscheidung auf die Gesellschafter zu verteilen.
Die Berechnung der konkret für die einzelnen Gesellschafter festzustellenden (anteiligen) Beträge wird dem Beklagten auferlegt.
Die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 und 2010 jeweils vom 21.10.2020 und für 2011 bis 2014 jeweils vom 21.10.2020 und vom 26.04.2021 werden aufgehoben.
Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des gewerbesteuerlichen Verlust-vortrags auf den 31.12.2009, 31.12.2010, jeweils vom 21.10.2020, und auf den 31.12.2011, 31.12.2012, 31.12.2013 und 31.12.2014 jeweils vom 21.10.2020 und vom 26.04.2021 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten in erster Linie darüber, ob die Klägerin ausschließlich von S (Großbritannien) aus tätig war und daraus in den Streitjahren in Deutschland steuerfreie Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, erzielte, oder ob sie nur in Deutschland eine Betriebsstätte unterhielt, woraus sie laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte.
3Die Klägerin ist eine General Partnership (GP) britischen Rechts. Sie wurde durch Gesellschaftsvertrag (partnership agreement) vom ....2009 mit Sitz in S / Großbritannien gegründet (Bl. 146f. d. elektronischen Gerichtsakte). Am Kapital der Klägerin in Höhe von zunächst ... €, ab dem 01.12.2011 von ... € und ab dem 01.11.2013 von ... € waren in den Streitjahren folgende Gesellschafter, die sämtlich ihren Wohnsitz in Deutschland hatten, wie folgt beteiligt:
42009 |
ab 1.12.2011 |
ab 1.11.2013 |
|
Z |
... € |
... € |
... € |
W |
... € |
... € |
... € |
Y |
... € |
... € |
... € |
V |
... € |
... € |
... € |
U |
... € |
... € |
... € |
T |
... € |
... € |
... € |
X |
... € |
... € |
... € |
R |
... € |
... € |
... € |
... € |
... € |
... € |
Gesellschaftszweck der Klägerin war der Kauf, Verkauf, Handel und andere Vereinbarungen mit physischem Gold, Gold-Futures und Gold-Optionen (s. Nr. 4 des partnership agreement, Bl. 146 d. elektronischen Gerichtsakte). Die An- und Verkäufe erfolgten durch telefonische Order im Handelsraum der jeweiligen Bank. Sodann platzierte ein Broker der Bank die Order im elektronischen Handel, so dass das entsprechende Geschäft mit dem Käufer bzw. Verkäufer hergestellt wurde (s. K 58 Orderliste – Bl. 341ff. d. elektronischen Gerichtsakte). 2009 erfolgten am ....2009 (Tag der Gesellschafterversammlung) ein Ankauf von ... Barren und am 17.12.2009 zwei Ankäufe von ... Barren und weiteren ... Barren. Der erste Ankauf und der Ankauf der ... Barren wurde nach der Entscheidung in der Gesellschafterversammlung vom Beigeladenen Z ausgeführt. Die Barren wurden sämtlich im Januar 2010 wieder veräußert. 2010 folgten Handelsgeschäfte mit jeweils ... Barren. Sodann kaufte die Klägerin durch den Beigeladenen Z am ....2011 nach einer Entscheidung der Gesellschafterversammlung vom gleichen Tag ... Barren Gold, die sie im Januar 2012 wieder veräußerte. Den letzten Barren Gold kaufte die Klägerin am 13.12.2013. Die angekauften Goldbarren befanden sich zunächst in einem Depot bei Q in S und ab April 2011 in einem Depot der P AG in der Schweiz. Der Goldbarrenbestand im Depot der Klägerin entwickelte sich wie folgt:
62009 |
2010 |
2011 |
2012 |
2013 |
2014 |
|
erworbene Goldbarren |
||||||
Verkäufe |
||||||
Bestand 31.12. |
In der konstituierenden Gesellschafterversammlung am ....2009 im dafür angemieteten Meetingraum des in M in S wurde u.a. die Thematik der partner meetings diskutiert. Da sich die Partner eine monatliche Reise nach S nur schwer vorstellen konnten, wurde überlegt, einen hauptverantwortlichen Geschäftsführer zu bestellen (s. TOP 2 d. nicht unterschriebenen Protokolls zur Gesellschafterversammlung, Bl. 169f. d. elektronischen Gerichtsakte), so dass die Beigeladenen Z und R als „managing partner“ (= geschäftsführende Gesellschafter) bestellt wurden. Der Beigeladene Z wurde in der Gesellschafterversammlung beauftragt, in S, bevorzugt im N, Büroräume zu suchen (TOP 5). Auch die Erstausstattung der Büroräume wurde besprochen (TOP 3).
8Zum 01.12.2009 schloss die Klägerin mit dem Zeugen K einen Arbeitsvertrag als „administrator“ (= Verwalter) in S (Kontakt über Herrn L, Vorstellungsgespräch mit Herrn Z am 01.12.2009 in S, Unterschrift Herr K am 05.12.2009, s. Bl. 171ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Als Arbeitsplatz wurde im N in S bei einer täglichen Arbeitszeit von 9.30 bis 18 Uhr vereinbart. Der Zeuge K half mit, das Büro im N mit Tischen, Bürostühlen, Computer, Telefon, Beamer usw. auszustatten (s. Rechnung von J vom 12.12.2009 – Lieferadresse N -, H v. 11.12.2009 – Lieferadresse: , I-Straße, S, G vom 11.12.2009 – Lieferadresse wie vor; Bl. 221f., 226, 228 d. elektronischen Gerichtsakte). Zudem unterstützte er die Klägerin dabei, die Internetverbindung aufzubauen, eine Website aufzustellen und Email-Adressen einzurichten.
9Ebenfalls zum 01.12.2009 wurde ein Beratervertrag mit dem Zeugen F, der bis zu als „...“ bei Q tätig war (K 54, Bl. 329ff. d. elektronischen Gerichtsakte), geschlossen, welcher am 15.12.2009 abschließend unterzeichnet wurde (K 56, Bl. 336ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Der Zeuge F hatte bereits bei der konstituierenden Sitzung am ....2009 zur Goldhistorie vorgetragen und seine Einschätzung zur Goldpreisentwicklung dargelegt (s. TOP 4 d. Protokolls vom ....2009, Bp-Handakte d. Bekl., Bd.1, Bl. 160f.). Zunächst hatte der Zeuge F keine Vollmacht zugunsten der Klägerin, sondern übermittelte täglich einen Marktbericht und ggf. konkrete Handelsempfehlungen an die Zeugen L oder K. Im Februar/März 2011 vereinbarten die Gesellschafter mit dem Zeugen F rückwirkend zum 01.12.2010 eine feste Zusammenarbeit, für die er eine Festvergütung und eine 20%ige Erfolgsbeteiligung erhielt (s. Beschluss d. Gesellschafterversammlung v. ...2011, Niederschrift vom 04.04.2011, K 57, Bl. 339ff. d. elektronischen Gerichtsakte). In diesem Zusammenhang erhielt der Zeuge F Vollmacht, im Namen der Klägerin im Goldhandel tätig zu werden (K 53 – Bl. 325ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Die Zusammenarbeit endete im Juli 2011, nachdem sich der gewünschte Geschäftserfolg nicht eingestellt hatte.
10Die Aufgaben des Zeugen F wurden sodann vom Zeugen L übernommen, der seit dem 01.04.2011 bereits (offiziell) als „general manager“ (= Hauptgeschäftsführer) für die Klägerin tätig war (K 55, Bl. 331ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Schon zuvor hatte er bereits den Zeugen K bei seiner Tätigkeit unterstützt und in Urlaubszeiten vertreten. Der Zeuge L verfügte aus seinen Tätigkeiten in der Vergangenheit für verschiedene Goldhandelsgesellschaften über eigene Kenntnisse im Goldhandelsgeschäft.
11Bereits seit dem ....2009 bestand für die Klägerin ein eigenes Geschäftskonto bei der E Bank mit Kontovollmachten für den Beigeladenen Z und den Zeugen K. Zudem wurde mit Q mit Datum vom 07.12.2009 ein Vertrag über Derivategeschäfte abgeschlossen (K 49, Bl. 303ff. d. elektronischen Gerichtsakte) und es wurden dem Beigeladenen Z und dem Zeugen K Vollmachten erteilt. Seit dem 09.12.2009 standen für die Klägerin eigene Telefon- und Internetanschlüsse zur Verfügung (K 43: Vertrag mit C und D, Bl. 229ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Darüber hinaus hatte die Klägerin seit dem 09.12.2009 einen Zugang beim Real-Time-Kursportal von ... (K 44, Bl. 263 ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Schließlich wurde am 14.12.2009 ein Kreditvertrag mit Q über ... USD abgeschlossen (K 52, Bl. 313ff. d. elektronischen Gerichtsakte).
12Im Jahr 2010 ging die Klägerin eine neue Geschäftsbeziehung mit der P Bank ein und schloss einen Rahmenkreditvertrag ab (K 53: Vollmacht für den Zeugen F, Bl. 325ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Die Geschäftsbeziehung endete 2015 nach Verkauf des letzten Goldbestandes.
13Mit Datum vom 07.12.2009 schloss die Klägerin einen dreijährigen Mietvertrag (Agreement for Lettering) über die Miete eines Büroraums im N in S ab (B-Straße, ... ) (Bl. 175 ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Als „rent days“ (= Mietzahltage) waren der 25.03., 24.06., 29.09. und 25.12. vereinbart. Die Klägerin war damit berechtigt, ihren Firmennamen auf einem gemeinsamen Schild in der Eingangshalle anzuzeigen (Part B Nr. 2 des Mietvertrags). Für den Zeitraum 21.12.2009 bis 24.12.2009 zahlte die Klägerin anteilig ... £, im Übrigen für jeweils drei Monate ... £ (s. Abrechnungen, Bl. 197ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Im N wurden sowohl der Strom sowie öffentliche Abgaben gesondert abgerechnet (K 45 und 46, Bl. 265ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Zudem war eine Betriebsversicherung abgeschlossen worden (K 47, Bl. 277ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Der Mietvertrag endete (vorzeitig) am 30.09.2011.
14Nach einer Auflistung der Klägerin (s. Bl. 164ff. d. elektronischen Gerichtsakte) fanden im N an folgenden Terminen „partner meetings“ statt:
15....2009 |
(Entscheidung Kauf Goldbarren, Unterzeichnung diverser Verträge) |
30.04.2010 |
|
02.07.2010 |
|
27.09.2010 |
|
10.12.2010 |
|
....2011 |
(u.a. Einsetzung des Zeugen L als „general manager“ und Erteilung Vollmacht für P für den Zeugen F) |
01.07.2011 |
(Entscheidung Anmietung neues Büro in ... A-Straße) |
Bereits zum 15.07.2011 mietete die Klägerin einen neuen Büroraum in ..., ... A-Straße in S an (s. Mietvertrag mit „ZZ Ltd.“ vom 15.07.2011, Bl. 207ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Director der „ZZ Ltd.“ war der Zeuge L. Der Büroraum hatte einen eigenen Eingang und war separat von den anderen Büroräumen der „ZZ Ltd.“ abschließbar (Bl. 210 d. elektronischen Gerichtsakte).
17Nach der o.g. Auflistung der Klägerin fanden im Büro in der ... A-Straße an folgenden Terminen „partner meetings“ statt:
1823.09.2011 |
|
....2011 |
(u.a. Beschluss Kapitalreduzierung Y; Entscheidung Kauf von ... Barren Gold) |
02.03.2012 |
(Kauf ... Gold) |
22.06.2012 |
|
14.12.2012 |
(Kauf ... Gold) |
26.04.2013 |
(u.a. Beschluss Kapitalreduzierung X zum 31.10.2013) |
04.04.2014 |
(Entscheidung neues Büro ... XX-Straße) |
Es folgten sodann weitere Mietverhältnisse: Zum 14.07.2014 mietete die Klägerin von der „ZZ Ltd.“ einen anderen Büroraum, , ... XX-Straße, in S an (Mietvertrag vom 14.07.2014, Bl. 212 ff. d. elektronischen Gerichtsakte), zum 26.10.2015 das Büro im , ... YY-Straße, in S (Mietvertrag vom 26.10.2015, Bl. 215 d. elektronischen Gerichtsakte) und zum 03.04.2016 das Büro in WW, VV-Straße, in UU (Großbritannien) (Mietvertrag vom 03.04.2016, Bl. 218 d. elektronischen Gerichtsakte).
20Die Klägerin gab in Großbritannien für die Veranlagungszeiträume zum 05.04.2010 bis zum 05.04.2014 jeweils online Steueranmeldungen („partnership tax return“) ab und erklärte dort die Einkünfte als „income from trade or buisness“ in folgender Höhe (K 66-70, Bl. 380-459 d. elektronischen Gerichtsakte):
21net profit / loss |
taxable profit / loss |
|
05.04.2010: |
... £ |
... £ |
05.04.2011: |
./. ... £ |
./. ... £ |
05.04.2012: |
... £ |
... £ |
05.04.2013: |
./. ... £ |
./. ... £ |
05.04.2014: |
./. ... £ |
./. ... £ |
Den Gewinn oder Verlust („net profit“ oder „net loss“) ermittelte sie durch Gegenüberstellung der „sales/buisness Income (turnover)“ zu den „cost of sales“ abzüglich weiterer Kosten („expenses“). Sodann wurde der „net profit“ bzw. „net loss“ für steuerliche Zwecke angepasst („Tax adjustments to net profit or loss - Taxable Profit“; „Disallowable Expenses“). Zudem enthielt (nur) die Steueranmeldung zum 05.04.2010 eine Zusammenfassung der Bilanzwerte („summery of balance sheet for this accounting period“ – s. Bl. 381 d. elektronischen Gerichtsakte). Darin wies die Klägerin folgende Positionen aus:
23Assets:
24Other fixed assets (premises, goodwill, Investements etc) |
... £ |
Debtors /prepayments /other current assets |
... £ |
Bank / building society balances |
... £ |
... £ |
Liabilities:
26Trade creditors / accruals |
... £ |
= Net buisness assets |
... £ |
Represented by Partners‘ current and capital accounts |
|
Net profit / (loss) |
... £ |
Capital Introduced |
... £ |
= balance at end of period |
... £ |
Die Klägerin reichte die Erklärungen ohne Gewinnermittlungen oder sonstige Anlagen online zu folgenden Daten bei den britischen Finanzbehörden (HMRC) ein:
2905.04.2010: |
21.-31.01.2011 |
05.04.2011: |
Ende 01/2012 |
05.04.2012: |
29.-31.01.2013 |
05.04.2013: |
31.01.2014 |
05.04.2014: |
30.01.2015 |
05.04.2015: |
29.01.2016 |
Gewinnermittlungen wurden von den britischen Finanzbehörden für die Streitjahre nicht nachträglich angefordert. Die Gesellschafter entrichteten die jeweils auf sie entfallende britische income tax. Die von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Gewinnermittlungen wiesen keine Details zur Bilanzierung aus („balance sheet details“ – „No figures to report for this accounting period“, Bl. 389ff. d. elektronischen Gerichtsakte).
31In Deutschland erklärte die Klägerin in ihren einheitlichen und gesonderten Feststellungserklärungen nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26.11.1964 (BGBl II 1966, 358); geändert durch Revisionsprotokoll vom 23.03.1970 (BGBl II 1971, 45) - im Folgenden kurz: DBA 1964/1970 - bzw. vom 30.03.2010, gültig ab 01.01.2011, (BGBl II 2010, 1333) – im Folgenden kurz: DBA 2010 - in Deutschland steuerfreie Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Die Gewinne / Verluste ermittelte sie jeweils durch Einnahmenüberschussrechnungen nach § 4 Abs. 3 EStG und fügte diese ihren Feststellungserklärungen bei (s. Feststellungsakte d. Bekl.).
32Sie gab die Feststellungserklärungen beim zuständigen Finanzamt an folgenden Daten ab:
332009: |
29.07.2010 |
2010: |
13.01.2012 |
2011: |
30.11.2012 |
2012: |
01.07.2014 |
2013: |
21.12.2015 |
2014: |
04.04.2016 |
Der Beklagte erließ zunächst erklärungsgemäße Feststellungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, in denen sie steuerfreie Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, feststellte.
35Nach einer Betriebsprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung TT (Betriebsprüfungsbericht vom 05.03.2020, Bp-Akte d. Bekl.) änderte er mit Datum vom 21.10.2020 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die 2010 bis 2014 (2009 ist Feststellungsverjährung eingetreten) und stellte darin für die Klägerin laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest.
36Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin in den Streitjahren ausschließlich in Deutschland eine Betriebsstätte unterhalten habe und dieser die Gewinne / Verluste aus dem Goldhandel als laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Inland steuerpflichtig zuzurechnen seien.
37Der Gewinn sei nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich zu ermitteln. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung habe die Klägerin in Großbritannien tatsächlich Bücher geführt und Abschlüsse erstellt. Sie habe mit Schreiben vom 12.01.2017 Steuererklärungen, Bilanzen und Gewinnermittlungen vorgelegt. Es könne nicht nachvollzogen werden, dass die Bilanzen nur für interne Zwecke erstellt worden seien, jedoch nicht für die Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses herangezogen worden seien. Jedenfalls bis zum 05.04.2013 seien für steuerliche Zwecke die Gewinne nach den Grundsätzen der UK-GAAP durch Erstellung von Bilanzen ermittelt worden. Erst nach Einführung der Section 25a Income Tax (Trading and Other Income) mit dem Finance Act 2013 sei die Gewinnermittlungsmethode „cash basis accouting“ in Großbritannien zugelassen. Bis dahin hätte die Gewinnermittlung für steuerliche Zwecke nach britischen Bilanzierungsvorschriften (UK-GAAP) erstellt werden müssen (sec. 25 par. 1 + 2 des Income Tax Act 2005). Die Vorlage bei den britischen Steuerbehörden sei nicht verpflichtend (lediglich Vorhaltepflicht). Es sei zudem beachtlich, dass die von der Klägerin geführten Excel-Tabellen von Einnahmen und Ausgaben zu gleichen Ergebnissen geführt hätten (s. im Einzelnen Tz. 2.5.1. d. Bp-Berichts vom 05.03.2020, Bp-Akte d. Bekl.).
38Als typisches Handelsgewerbe i.S.d. § 1 HGB und unter Berücksichtigung der Umsatz- und Gewinnhöhe sei die Klägerin nach §§ 140, 141 AO im Inland buchführungspflichtig. Daher müssten die Einkünfte im Schätzungswege nach § 162 Abs. 2 AO ermittelt werden (vgl. Tz. 2.6.3.1 des Betriebsprüfungsberichts vom 05.03.2020 - Bp-Akte des Bekl.). Dafür sei eine vereinfachte Ermittlung der Einkünfte durch Bestandsvergleich auf der Grundlage der bisherigen Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben vorzunehmen, bei der zu den Abschlussstichtagen keine Forderungen oder Verbindlichkeiten angenommen worden seien. Pro Prüfungsjahr sei eine Überleitungsrechnung zur Ermittlung durch Bestandsvergleich vorgenommen worden, wobei eine Anpassung lediglich für die Goldbarrenbestände erfolgt sei.
39Die in 2009 erworbenen Goldbarren seien erst in 2010 veräußert worden, so dass im ersten offenen Jahr eine Korrektur des Warenbestandes zu erfolgen habe. Der Warenanfangsbestand sei daher erfolgswirksam zu korrigieren (Gewinnerhöhung ... €). Da nach Ansicht des Beklagten von Beginn an eine inländische gewerbliche Tätigkeit vorgelegen habe, ziehe dieser Vorgang keine außensteuerlichen Folgen nach sich. Die Tatsache, dass das Jahr 2009 aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr korrigiert werden könne, begründe keine gewerbliche Betriebsstätte in S. Durch die Veräußerung sämtlicher Goldbarren in 2010 würden sich keine weiteren Anpassungen mehr ergeben.
40Im Einzelnen stellte der Beklagte folgende Einkünfte fest:
41laufende Einkünfte Gewerbebetrieb |
Sonderbetriebseinnahmen Z |
Veräußerungsgewinne bzw. –verluste |
|
2010 |
... € |
... € |
|
2011 |
./. ... € |
... € |
(Y) ... € |
2012 |
... € |
... € |
|
2013 |
./. ... € |
... € |
(X) ./. ... € |
2014 |
./. ... € |
... € |
Diese verteilte er nach den folgenden Anteilen auf die Mitunternehmer:
432010 bis 30.11.2011
441. Z |
.../ |
2. W |
.../ |
3. Y |
.../ |
4. V |
.../ |
5. U |
.../ |
6. T |
.../ |
7. X |
.../ |
8. R |
.../ |
ab 01.12.2011-31.10.2013:
461. Z |
.../ |
2. W |
.../ |
3. Y |
.../ |
4. V |
.../ |
5. U |
.../ |
6. T |
.../ |
7. X |
.../ |
8. R |
.../ |
ab 01.11.2013
481. Z |
.../ |
2. W |
.../ |
3. Y |
.../ |
4. V |
.../ |
5. U |
.../ |
6. T |
.../ |
7. X |
.../ |
8. R |
... |
Gewerbesteuermessbeträge setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 21.10.2020 wie folgt fest (Bl. 42 ff. d. elektronischen Gerichtsakte):
502009: |
0 € |
2010: |
... € |
2011: |
0 € |
2012: |
... € |
2013: |
0 € |
2014: |
0 € |
Der Beklagte stellte die folgenden vortragsfähigen Gewerbeverluste mit Bescheiden vom 21.10.2020 fest (Bl. 53ff. d. elektronischen Gerichtsakte):
5231.12.2009: |
...€ |
31.12.2010: |
0 € |
31.12.2011: |
... € |
31.12.2012: |
... € |
31.12.2013: |
... € |
31.12.2014: |
... € |
Gegen sämtliche Bescheide hat die Klägerin am 30.10.2020 Sprungklage erhoben (Zustellung an Beklagten durch Empfangsbekenntnis am 06.11.2020, Bl. 76 elektronische Gerichtsakte), der der Beklagte am 23.11.2020 zugestimmt hat (Bl. 77 d. elektronischen Gerichtsakte).
54Die Klägerin trägt zur Begründung vor, dass im gesamten Streitzeitraum nur in Großbritannien, nicht jedoch in Deutschland, eine Betriebsstätte bestanden habe. Auch habe kein Gewerbebetrieb i.S.d. GewStG im Inland bestanden, so dass die Gewerbesteuermessbescheide aufzuheben seien. Zudem sei sie, die Klägerin, weder in Deutschland noch in Großbritannien verpflichtet gewesen, Bilanzen zu erstellen.
55Betriebsstätte
56Für eine Betriebsstätte in Deutschland i.S.d. § 12 AO habe es an einer „festen Geschäftseinrichtung“ gefehlt (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO). Die Klägerin habe im Inland weder über eine Zweigniederlassung noch über eine Geschäftsstelle verfügt, § 12 Satz 2 Nr. 2 bis 8 AO. Sämtliche Handlungen, die als „Tagesgeschäfte“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 29.11.2017, I R 58/15) verstanden werden könnten, seien ausschließlich von S aus, jedoch niemals vom Inland aus vorgenommen worden. Auch im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Großbritannien (vom 26.11.1964 - DBA 1964 - und vom 30.03.2010 - DBA 2010 -) habe in Deutschland keine Betriebsstätte bestanden. Danach sei erforderlich, dass die Haupttätigkeit des Unternehmens in der festen Geschäftseinrichtung ausgeübt werde. Hieran fehle es im Streitfall.
57Für Zwecke der Doppelbesteuerung sei zumindest von einer Vertreterbetriebsstätte nach Art. Il Abs. 1 Buchstabe I) (iv) DBA GBR 1964 bzw. Art. 5 Abs. 5 DBA GBR 2010 auszugehen. Diese liege vor, wenn Personen für das Unternehmen in Großbritannien tätig seien, diese Personen Vollmacht besäßen, im Namen des Unternehmens zu handeln und diese Personen die Vollmacht ausüben würden. Für die Klägerin seien mehrere Personen bevollmächtigt gewesen, Goldhandelsgeschäfte vorzunehmen und hätten dafür über die entsprechenden Vollmachten verfügt.
58Im Einzelnen trägt die Klägerin weiter vor, dass sie in den Streitjahren in S Geschäftsräume gemietet und dort in den ersten Jahren mindestens vierteljährlich Gesellschafterversammlungen abgehalten habe, in deren Rahmen die Gesellschafter über die aktuelle Geschäftsentwicklung unterrichtet worden seien. Bei diesen Versammlungen seien grundlegende Entscheidungen getroffen und weitere wichtige Themen besprochen worden. In der konstituierenden Gesellschafterversammlung am ....2009 sei etwa die Entscheidung über den Namen der Gesellschaft getroffen, die Beigeladenen Z und R als „managing partner“ benannt, der Gesellschaftsvertrag unterzeichnet, das Budget aufgestellt und genehmigt, die Büroräumlichkeiten ausgewählt und die Unterlagen zur Kontoeröffnung bei der E Bank unterzeichnet worden. Der Zeuge F habe sich vorgestellt und über den Goldmarkt referiert. Sodann seien die „managing partner“ beauftragt worden, den Mietvertrag vorzubereiten, geeignete Handelsbanken auszuwählen und Mitarbeiter in S auszusuchen.
59Bei der Gesellschafterversammlung am ....2009, bereits in den vollständig eingerichteten Geschäftsräumen im N in S, sei der Mietvertrag und der Arbeitsvertrag mit dem Zeugen K unterzeichnet, den Geschäftsführern Einzelvertretungsbefugnis und Einzelgeschäftsführungsbefugnis erteilt, den Geschäftsführern gestattet worden, Vollmachten zu teilen, die Order für die erste Tranche Goldbarren bei Q telefonisch durch den Beigeladenen Z erteilt und die Handelsstrategie für das nächste Quartal festgelegt worden.
60Bei den „partner meetings“ seien jeweils Rückblicke auf die Handelsstrategie („review trading strategy“) gegeben und über „Leitplanken“ der weiteren Handelstätigkeit entschieden worden, etwa über den Umfang der für die Handelstätigkeit zur Verfügung stehenden Eigenmittel, den Umfang der Inanspruchnahme von Fremdmitteln, Anzahl der maximal gleichzeitig zu handelnden oder im Bestand zu haltenden Barren, Art und Umfang von Absicherungen (Termingeschäfte, Stop-Loss-Orders), etwaige Schwellenwerte für Ein- oder Ausstieg. Hierüber seien sodann die Zeugen K, F und L informiert worden, damit sie diese Vorgaben beachten. Die einzelnen Aufträge (= Orders) seien vom Beigeladenen Z bzw. dem Zeugen K telefonisch bei Q erteilt worden, in der Regel beim zuständigen Händler Herrn RR. Die telefonischen Aufträge seien ausschließlich vom jeweiligen Büro der Klägerin in S aus erfolgt. Aufträge ab 2011 an die P seien von den Zeugen F und L auch über deren Mobilfunktelefone vorgenommen worden. Aus Deutschland seien jedoch niemals Aufträge erteilt worden. Hinsichtlich der Order-Liste wird auf K 58 (Bl. 341ff. d. elektronischen Gerichtsakte) verwiesen. Telefonische Aufträge vom Zeugen F habe dieser per SMS an den Zeugen K weitergeleitet. Die telefonisch erteilten Aufträge seien von Q und der P jeweils per E-Mail bestätigt worden.
61Die von der Klägerin angemieteten Räumlichkeiten hätten ausschließlich zur Nutzung durch sie, die Klägerin, zur Verfügung gestanden und seien auch ausschließlich durch diese genutzt worden. Die Räume seien immer abschließbar gewesen. Über Schlüssel hätten die Beigeladenen Z und R und die Zeugen L und K verfügt. Der Zeuge K habe die jeweiligen Räumlichkeiten jeden Werktag aufgesucht. In den Räumlichkeiten hätten die Gesellschafterversammlungen stattgefunden und die Beigeladenen Z und R hätten dort anderweitige Besprechungen durchgeführt. Damit seien die, die Gesellschaft leitenden Entscheidungen, in den jeweiligen Räumlichkeiten in S getroffen worden. Insbesondere die Goldhandelsgeschäfte seien durch die weisungsgebundenen Zeugen K, L und F, die jeweils Vollmachten für den Goldhandel in Großbritannien für die Klägerin besaßen, dort getätigt worden. Insoweit werde auf die Orderliste (K 58, Bl. 341ff. d. elektronischen Gerichtsakte), die E-Mail-Korrespondenz zwischen Q (RR) und den Zeugen K bzw. L (s. K 76, Bl. 648-744 d. elektronischen Gerichtsakte) sowie die SMS-Verläufe zwischen den Zeugen K und F bzw. L der Jahre 2010 und 2011 (K 77 – Bl. 744-823 d. elektronischen Gerichtsakte) verwiesen. Die Räumlichkeiten seien mit Büromöbeln ausgestattet gewesen (Konferenztisch, Stühle, Aktenschränke). Zudem hätten ein Computer mit Monitor, ein Drucker, ein Beamer und ein Konferenztelefon zur Verfügung gestanden. Der Zeuge K habe über den Computer auch nötige Überweisungen online getätigt. Es seien in die Räumlichkeiten zudem Getränke und Snacks geliefert worden.
62Zudem werde auf das Urteil des Finanzgerichts München vom 02.10.2019 (Az. 7 K 982/17) verwiesen, in dem sich das Finanzgericht eingehend mit der Frage des Vorliegens einer britischen Betriebsstätte einer Goldhandelsgesellschaft auseinandersetze. Auch auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 30.06.2020 (5 K 3305/17) werde hingewiesen.
63Bilanzierungspflicht
64Durch die Art der geführten Aufzeichnungen und den Verzicht auf die Aufstellung einer Eröffnungsbilanz, sowie die Einrichtung einer den jeweiligen Stand des Vermögens darstellende Buchführung habe sie, die Klägerin, bewusst die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG gewählt. Diese Wahl könne nachträglich nicht geändert werden und sei sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland nach außen dokumentiert worden.
65Sie sei nicht nach britischem Handels- und Gesellschaftsrecht verpflichtet gewesen, Bücher zu führen und eine Ergebnisermittlung durch Betriebsvermögensvergleich vorzunehmen. Sie sei nicht beim Companies House registriert und unterliege als general partnership nach britischem Handels- und Gesellschaftsrecht keinerlei Verpflichtung. Auch nach britischem Steuerrecht sei sie dazu nicht verpflichtet gewesen. Es sei nach britischem Steuerrecht ausreichend, zunächst ein Liquiditätsergebnis nach Art einer Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln, und dieses sodann gegebenenfalls durch einzelne „adjustments“ an die für steuerliche Zwecke zu beachtenden „principals“ anzupassen, etwa zur Abschreibung oder Rechnungsabgrenzung. Diese habe sie durch ihre eigenen Aufzeichnungen beachtet. Die An- und Verkäufe seien in einer Excel-Tabelle aufgezeichnet und das wirtschaftliche Ergebnis sei fortlaufend kontrolliert worden. Dies sei in den Räumlichkeiten der Klägerin in S durch die Zeugen K und L geschehen. Daneben seien Aufzeichnungen zu den laufenden Betriebsausgaben geführt worden sowie Bankbelege und Rechnungen abgelegt worden. Diese Excel-Dateien seien dem Beklagten ausgehändigt worden. Die Aufzeichnungen seien von den Geschäftsführern im Büro der Klägerin eingesehen und geprüft worden. Zudem seien die Aufzeichnungen auf den „partner meetings“ präsentiert worden. Inventuren seien nicht durchgeführt, auch offene Forderungen oder Verbindlichkeiten seien nicht erfasst worden. Lediglich zu den Stichtagen der Kapitalherabsetzungen von den Beigeladenen Y und X seien spezifische Berechnungen durchgeführt worden, ebenso wie zur Kapitalerhöhung. Eine Eröffnungsbilanz sei nicht erstellt worden. Zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, dass sich aus Art. 25 des britischen Income Tax (Trading and Other Income) Act 2005 ergeben würde, dass für Zwecke des britischen Steuerrechts die Einkünfte der Klägerin zwingend und ausschließlich durch Bilanzierung zu ermitteln wären.
66Mit Vereinbarung vom 24.03./24.06.2010 sei die britische Steuerberatungsfirma QQ mit der Erstellung der Steuererklärung für die Klägerin basierend auf deren Aufzeichnungen beauftragt worden (K 59, Bl. 349ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Entsprechend seien Steuererklärungen für die Klägerin („partnership tax returns“) erstellt worden (s. K 66-70, Bl. 380-445 d. elektronischen Gerichtsakte). Sodann habe die Firma QQ zum 31.08.2010 eine Rechnung für ihre Tätigkeiten bis zum 31.03.2010 („preparation of profit and loss“ = Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnung und „cash book“ = Kassenbuch) gestellt (K 60, Bl. 364 d. elektronischen Gerichtsakte). Zu der Tatsache, dass in der Steuererklärung zum 05.04.2010 für die Steuerperiode 2009/2010 Zahlen auf der Grundlage etwaiger „balance sheets“ enthalten seien, führt die Klägerin aus, dass dies fehlerhaft erfolgt sei. Diese Zahlen seien bei der Prüfung der Steuererklärungen in der Sitzung am 21.01.2011 mit den Beigeladenen Z und R nicht aufgefallen.
67Mit Vertrag vom 08./10.03.2010 habe sie, die Klägerin, die PP GmbH & Co KG (nunmehr NN GmbH & Co KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) in KK als deutschen Steuerberater beauftragt. Die steuerlichen Berater seien beauftragt worden, anhand der laufenden Aufzeichnungen der Klägerin über ihre Einnahmen und Ausgaben jährliche Einnahmen-Überschussrechnungen nach § 4 Abs. 3 EStG zu erstellen (s. K 62, Bl. 366ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Aus dem Vertrag gehe hervor, dass sie, die Klägerin weder davon ausginge, in Großbritannien zur Erstellung eines Abschlusses verpflichtet zu sein, noch die Absicht hatte, freiwillig dort einen Abschluss zu erstatten.
68Sie habe auch nicht freiwillig Abschlüsse erstellt. Soweit während der Betriebsprüfung u.a. auch „balance sheets“ vorgelegt worden seien, habe die Steuerberatungsfirma (nunmehr: NN ... Ltd.) nachträglich mit Schreiben vom 15.09.2020 ihr Vorgehen erläutert (K 61 - Bl. 365 d. elektronischen Gerichtsakte). Danach seien etwaige „balance sheets“ (Bilanzen) lediglich im Rahmen der „good pracitice“ erstellt, jedoch nicht geprüft worden. Diese seien auch nicht mit den Steuererklärungen eingereicht worden. Weder die Geschäftsführer der Klägerin noch die Gesellschafter hätten sich diese „balance sheets“ zu Eigen gemacht. Sie seien weder unterzeichnet noch zum Gegenstand von Gesellschafterbeschlüssen gemacht worden.
69Zudem könne sich aus § 140 AO allenfalls eine Buchführungspflicht, nicht aber eine Pflicht zur Erstellung von Abschlüssen ergeben. Insoweit unterscheide sich § 140 AO von § 141 AO, der von der Erstellung von Abschlüssen spreche. Das Wahlrecht der Klägerin sei durch § 140 AO daher nicht tangiert (Hinweis auf Drüen, IStR 2019, 833; Urteil des FG München vom 02.10.2019 7 K 982/17 und Urteil des FG Baden-Württemberg vom 30.06.2020 5 K 3305/17).
70Höhe der Einkünfte
71Zwischen ihr, der Klägerin, und dem Beklagten sei lediglich die Frage über die richtige Gewinnermittlungsmethode (§ 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 EStG) für die Streitjahre streitig.
72Hinsichtlich der Höhe der Einkünfte – je nach Gewinnermittlungsmethode – und der Verteilung aufgrund des abweichenden Wirtschaftsjahres bestehe zwischen den Beteiligten Einigkeit. Es werde auf die Anlagen K 63-K 65 verwiesen (Bl. 374-376 d. elektronischen Gerichtsakte).
73Die Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen Z seien bislang unstreitig.
74Der Veräußerungsgewinn des Beigeladenen Y in 2011 in Höhe von ... € und der Veräußerungsverlust des Beigeladenen X in 2013 in Höhe von ./. ... € seien nicht zu beanstanden.
75Gewerbesteuermessbetrag 2009
76Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für 2009 sei nach § 174 Abs. 1 Satz 1 AO wegen widerstreitender Steuerfestsetzung aufzuheben, da im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2009 festgestellt worden sei, dass sie, die Klägerin, die alleinige Betriebsstätte in Großbritannien habe.
77Zudem sei die vierjährige Festsetzungsfrist Ende des Jahres 2013 abgelaufen, so dass die Anordnung der Betriebsprüfung in 2016 diese nicht mehr hemmen konnte. Es habe nach § 14a GewStG keine Steuererklärungspflicht gegeben. Auch aus § 25 GewStDV habe die Abgabe der Gewerbesteuererklärung nicht verlangt werden dürfen. Danach greife für den Beginn der Festsetzungsfrist die Grundregel des § 170 Abs. 1 AO ein, nach der die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2009 begonnen habe.
78Nach Erörterungsgesprächen mit der Klägerin hat der Beklagte datierend vom 26.04.2021 für die Jahre 2011 bis 2014 geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Gewerbesteuermessbescheide und gesonderte Feststellung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags auf den 31.12.2011, 31.12.2012, 31.12.2013 und 31.12.2014 erlassen (Bl. 589 ff. d. elektronischen Gerichtsakte), mit denen er die Gewinnverteilung entsprechend der jeweiligen Beteiligungsquoten der Gesellschafter an der Klägerin in den Streitjahren geändert hat. Diese Beteiligungsquoten sind zwischen den Beteiligten damit unstreitig. Zudem haben die Beteiligten Einigkeit über die zeitanteilige Aufteilung der festgestellten Einkünfte für die Jahre 2011 und 2013 sowohl bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 als auch nach § 4 Abs. 3 EStG erzielt.
79Die Klägerin beantragt,
801. die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von inländischen Einkünften aus Gewerbetrieb für 2010 vom 21.10.2020 und für 2011 bis 2014 vom 21.10.2020 und vom 26.04.2021 sowie die negativen Feststellungsbescheide über nach dem DBA-Großbritannien steuerfreie dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegende Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2010 vom 21.10.2020 und für 2011 bis 2014 vom 21.10.2020 und vom 26.04.2021 aufzuheben und
2. den Beklagten zu verpflichten, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die nach dem DBA-Großbritannien steuerfrei sind und dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen gesondert und einheitlich nunmehr wie folgt festzustellen
für 2010 Gesamteinkünfte i.H.v. ... €, davon nach Quote zu verteilen ... €, Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €,
84für 2011 Gesamteinkünfte i.H.v. ./. ... €, davon nach Quote zu verteilen ./. ... € (davon bis 30.11.2011 ./. ... €, v. 1.12. – 31.12. ./. ... €), Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €, Veräußerungsgewinn des Gesellschafters Y ... €,
85für 2012 Gesamteinkünfte i.H.v. ... €, davon nach Quote zu verteilen ... €, Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €
86für 2013 Gesamteinkünfte i.H.v. ... €, davon nach Quote zu verteilen ... € (davon bis 31.10.2013 ... €, v. 1.11. – 31.12, ./. ... €), Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €, Veräußerungsverlust des Gesellschafters X i.H.v. ./. ... €
87für 2014 Gesamteinkünfte i.H.v. ./. ... €, davon nach Quote zu verteilen ./. ... €, Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €
88und diese wie folgt zu verteilen
892010 bis 30.11.2011
901. Z |
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2. W |
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3. Y |
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4. V |
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5. U |
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6. T |
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7. X |
.../ |
8. R |
.../ |
ab 01.12.2011-31.10.2013:
921. Z |
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2. W |
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3. Y |
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4. V |
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5. U |
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6. T |
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7. X |
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8. R |
ab 01.11.2013
941. Z |
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2. W |
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3. Y |
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4. V |
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5. U |
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6. T |
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7. X |
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8. R |
3. die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2009 und 2010 jeweils vom 21.10.2020 und 2011 bis 2014 jeweils vom 21.10.2020 und vom 26.04.2021 aufzuheben sowie
4. die Bescheide über die gesonderte Feststellung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags auf den 31.12.2009, 31.12.2010, jeweils vom 21.10.2020, und auf den 31.12.2011, 31.12.2012, 31.12.2013 und 31.12.2014 jeweils vom 21.10.2020 und vom 26.04.2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
99Beweis zu erheben, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens wie im Schriftsatz vom 07.09.2023 ausgeführt und
100die Klage abzuweisen.
101Der Beklagte tritt dem Klagebegehren der Klägerin entsprechend seiner Ansicht im Verwaltungsverfahren entgegen (s. Schriftsatz vom 23.03.2021, Bl. 570ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Ergänzend trägt er vor:
102Betriebsstätte
103Es werde weiterhin bestritten, dass das Tagesgeschäft der Klägerin von S aus geführt worden sei und sich dies aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergebe. Gleiches gelte für eine sog. DBA-Betriebsstätte (Art. Il Abs. 1 Buchstabe I) DBA GBR 1964 bzw. Art. 5 Abs. 1 DBA GBR 2010), die eine feste Geschäftseinrichtung voraussetze, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt werde. Es fehle auch insoweit an der nachweislichen Geschäftstätigkeit der Klägerin in S. Es sei nicht hinreichend nachgewiesen, dass sie ihre geschäftsleitenden Entscheidungen in S getroffen habe. Soweit die Klägerin auf die Urteile des FG München vom 02.10.2019 und des FG Baden-Württemberg vom 30.06.2020 verweise, handele es sich um Einzelfallentscheidungen auf der Grundlage der allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Betriebsstätte. Es werde im Streitfall bezweifelt, dass die Gesellschafter und /oder angestellte Verwalter nur aus einem Büro in S aus tätig geworden seien. Auch das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung und das tatsächliche Handeln in dieser Geschäftseinrichtung werde weiter bezweifelt. Es bestünden weiterhin Zweifel an den vorgetragenen „Arbeitsverhältnissen“. So seien Orderbestätigungen an die privaten Email-Adressen der Zeugen K (ab Februar 2010) und L (ab Juli 2010, z.B. Trade vom ...2010) gesandt worden, obwohl diese als Vertreter der Klägerin Zugriff auf deren Email-Account hätten haben müssen.
104Maßgebliche Geschäftstätigkeit
105Für die Geschäftstätigkeit maßgebend seien die Entscheidungen (decision) zur Goldtransaktion. Die folgende Orderausführung sei lediglich als Hilfstätigkeit einzuordnen, da diese aufgrund vollumfänglicher Ordervorgaben erfolge. Dies folge aus der „Übersicht über die Goldtransaktionen“ (K 58 – Bl. 341ff. d. elektronischen Gerichtsakte), der Angaben zu einem Berater (advisor), Entscheidungsträger (decision) und Ordererteiler (transmission) zu entnehmen seien. Auch wenn als Entscheidungsträger Gesellschafterversammlungen oder einzelne Gesellschafter ausgewiesen seien, verbleiben die Zweifel, dass die Entscheidungen stets in S in einer festen Geschäftseinrichtung der Klägerin getroffen worden seien. Der reine Erhalt von Bestätigungen von Transaktionen zur Dokumentation sei keine wesentliche Tätigkeit im Goldhandel. Handlungsentscheidungen könnten mit dem Handy oder per Email von jedem Ort aus vorgenommen werden.
106Feste Geschäftseinrichtung
107Fraglich sei, ob die Klägerin die Räumlichkeiten im N vor dem 21.12.2009 tatsächlich angemietet habe, da zwar Vertragsbeginn der 07.12.2009 sei, die Mietzahlungen jedoch erst zum 21.12.2009 begonnen hätten. Auch sei der Vertrag erst nachträglich am 15.12.2009 unterzeichnet worden. Es lägen keinerlei Nachweise für die Nutzung des Raumes ab dem 07.12.2009 vor, da auch Gegenstände für die Büroausstattung nicht an diese Adresse geliefert worden seien.
108Auch die weiteren Untermietverträge wiesen auf ungewöhnliche Vorgänge im Geschäftsverkehr hin. Beispielsweise datiere der Untermietvertrag zur XX-Straße auf den 14.07.2014 und sei erst am 28.08.2014 unterschrieben worden. Daher habe er, der Beklagte, ab 2011 auch erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Durchführung der Untermietverhältnisse. Der Untervermieter, der Zeuge L, der zugleich seit 01.04.2011 als „general manager“ der Klägerin tätig gewesen sei, habe als gleichzeitiger Vertreter der Klägerin gleichwohl die angrenzenden Räume als auch die Räumlichkeiten der Klägerin jederzeit nutzen können, so dass es auf die Verschließbarkeit des Raumes nicht ankommen könne. Bei dem Büroraum in der A-Straße liege der Verdacht nahe, dass der Zeuge L den Raum habe durchqueren müssen, um in das andere Büro zu gelangen („back office“). Die Entscheidungen über die Transaktionen von Goldbarren könnten somit keiner festen Geschäftseinrichtung zugeordnet werden.
109Anwesenheit der Gesellschafter in S
110Selbst unterstellt, es könne von der Klägerin zuordenbaren Räumlichkeiten ausgegangen werden, fehle es an Nachweisen dafür, dass die Entscheidungen tatsächlich in S getroffen worden seien. Es fehle an entsprechenden Reisedokumenten zu den in Anlage K 27 benannten Aktivitäten in S. Auch Protokolle der Gesellschafterversammlungen mit Anwesenheitslisten würden nicht vorliegen. Zudem seien Protokolle nur mit großer zeitlicher Verzögerung erstellt worden, wie die Protokolle zur Kapitalreduzierung (K 24 und K 26). Das Protokoll vom ....2011 sei von allen Gesellschaftern unterschrieben worden, obwohl lt. Klägerin lediglich die Beigeladenen Z und R in S gewesen sein sollten (s. Anlage K 27). Das Protokoll vom ....2013 sei an einem Tag erstellt worden, an dem lt. Klägerin keiner der Gesellschafter in S gewesen sei.
111Aus den im Klageverfahren vorgelegten Reisebelegen (s. Bl. 860-919 d. elektronischen Gerichtsakte) würde sich ergeben, dass nicht an allen Partnermeetings sämtliche Gesellschafter nachweislich teilgenommen hätten.
112Sofern das Gericht aufgrund des von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalts entgegen der Auffassung des Beklagten eine Betriebsstätte (ggf. Vertreterbetriebsstätte im Sinne des Art. Il Abs. 1 Buchstabe I) (iv) DBA GBR 1964 bzw. Art. 5 Abs. 5 DBA GBR 2010) in Großbritannien annehme, stelle sich weiterhin die Frage, ob bzw. in welchem Umfang dieser Betriebsstätte wirtschaftliche Aktivitäten und damit Gewinne zuzurechnen seien. Auch sei darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt gegen eine wirtschaftliche Tätigkeit in Großbritannien spreche.
113Gewinnermittlung
114Ergänzend trägt der Beklagte vor, dass im Rahmen der Betriebsprüfung britische Gewinnermittlungen der Klägerin vorgelegt worden seien, die u.a. eine Bilanz („balance sheet“) und umfangreiche Kapitalkontenentwicklungen („capital commitments“) enthielten. Zumindest aufgrund der notwendigen Überleitung zu UK-GAAP für steuerliche Zwecke liege ein hinreichend bilanzähnlicher Abschluss vor, um das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Inland zu sperren. Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 07.09.2023 Bezug genommen.
115Sachverständigengutachten
116Mit dem Schriftsatz vom 07.09.2023 (Bl. 1376 f. d. elektronischen Gerichtsakte) beantragt der Beklagte zudem ein Sachverständigengutachten zu den Fragen einzuholen:
117Stellt UK-GAAP die maßgebliche und alleinige Gewinnermittlungsvorschrift für steuerliche Zwecke in den Streitjahren in GB dar (Sec. 25 Income Tax Act 2005) und beinhaltet UK-GAAP eine Buchführungs- und Abschlusspflicht (= Bilanzierungspflicht) für steuerliche?
Durfte die Klägerin in den Streitjahren den Gewinn „unter Anwendung von UK-GAAP“ ermitteln, und wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage war dies zulässig, wenn Sec. 25 Income Tax Act 2005 mit UK-GAAP eine grundsätzliche Bilanzierungspflicht für die steuerliche Gewinnermittlung vorgibt?
Stellt „unter Anwendung von UK-GAAP“ eine weitere gesetzlich zulässige gesonderte Gewinnermittlungsart in GB dar oder besteht die grundsätzliche Bilanzierungspflicht über Sec. 25 Tax Act 2005 und UK-GAAP als alleinige Gewinnermittlungsvorschrift in GB weiter, sodass „unter Anwendung von UK-GAAP“ lediglich eine Art „Buchführungserleichterung“ darstellt?
Ist die Überleitungsrechnung hin zu UK-GAAP mit einem „Abschluss“ (mindestens im Sinne des Urteils des BFH vom 20.04.2021, IV R 3/20) vergleichbar, welche grundsätzlichen Anforderungen an eine Überleitungsrechnung hin zu UK-GAAP in GB bestehen und welche Unterlagen werden hierfür verwendet bzw. sind hierfür zu erstellen? Wird in der „Praxis“ hierfür ein balance sheet oder „Ähnliches“, ggf. als Hilfsrechnung, erstellt?
Mit Beschluss vom 04.05.2022 hat der Senat die Gesellschafter der Klägerin, Herrn Z, Herrn W, Herrn Y, Frau V, Herrn U, Herrn T, Herrn X und Herrn R, zum Verfahren beigeladen (s. Bl. 1019ff. d. elektronischen Gerichtsakte).
123In der mündlichen Verhandlung am 14.09.2023 hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der präsenten Zeugen K, F und L. Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung wird insoweit Bezug genommen.
124Entscheidungsgründe
125Die zulässige Klage ist begründet.
126A. Die Entscheidung konnte in Abwesenheit der nicht erschienen Beigeladenen getroffen werden, da diese gemäß §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 57 Nr. 3, 53 Abs. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO - in Verbindung mit §§ 176, 180, 181 der Zivilprozessordnung – ZPO - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen wurden (s. Postzustellungsurkunden vom 14.07.2023 und Email der Beigeladenen V vom 12.09.2023) und in der Ladung darauf hingewiesen wurden, dass beim Ausbleiben ohne sie verhandelt und entschieden werden könne, § 91 Abs. 2 FGO.
127B. Die Klage ist als Sprungklage auch ohne die Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, weil der Beklagte der Klage am 23.11.2020 innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift (Empfangsbekenntnis vom 06.11.2020) zugestimmt hat, § 47 FGO.
128C. Die ursprünglich angefochtenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 bis 2014, die Gewerbesteuermessbescheide 2009 bis 2014 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes aus Gewerbebetrieb auf den 31.12.2009, 31.12.2010, 31.12.2011, 31.12.2012, 31.12.2013 und 31.12.2014 vom 21.10.2020 als auch die Änderungsbescheide vom 26.04.2023, die gemäß § 68 FGO insoweit zum Gegenstand des Verfahrens wurden, sind rechtswidrig. Zu Unrecht hat der Beklagte inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb gesondert und einheitlich nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO festgestellt und der Gewerbesteuer unterworfen.
129Zugleich hat der Beklagte rechtswidrig die von der Klägerin beantragte gesonderte und einheitliche Feststellung von in Großbritannien erzielten, im Inland nach DBA steuerfreien und dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften für die Streitjahre durch negative, mit den zuvor genannten Feststellungsbescheiden verbundene Bescheide abgelehnt und dadurch die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Da die Sache spruchreif ist, wird der Beklagte verpflichtet, die begehrten Feststellungsbescheide für die Streitjahre zu erlassen (§ 101 FGO).
130I. Gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO sind nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage ausgenommene Einkünfte gesondert und einheitlich festzustellen, wenn sie bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind.
1311. Die von der Klägerin in den Streitjahren erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. nach Art. 23 Abs. 1 DBA-Großbritannien 2010 steuerfrei und unterliegen gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG in Deutschland dem Progressionsvorbehalt.
132a. Die Betätigung der Klägerin stellt einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG dar. Die den Beigeladenen zuzurechnenden Einkünfte sind daher als gewerblich und damit als Unternehmensgewinne i.S.d. Art. III DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 7 DBA-Großbritannien 2010 zu qualifizieren. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls, der erheblichen Anzahl der kurzfristigen An- und Verkäufe von Goldbarren (s. Orderliste, Bl. 341ff. d. elektronischen Gerichtsakte), der hohen Fremdfinanzierung mit einem Kreditvolumen von ... $ (s. Kreditvertrag mit Q vom ....2009, Bl. 313ff. d. elektronischen Gerichtsakte) und der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten
133Kriterien (vgl. nur BFH-Urteil vom 19.01.2017 IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456; Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 06.09.2021 8 K 1871/13, juris unter 2. m.w.N.) ist der Senat von der Qualifizierung der Tätigkeit der Klägerin als gewerblich überzeugt.
134b. Die Klägerin ist eine nicht im Companies House registrierte GP, an der ausschließlich natürliche Personen, die Beigeladenen, beteiligt waren. Daher wird die Klägerin in Großbritannien als steuerlich transparent behandelt und ist auf Grund des Rechtstypenvergleichs ihrer Struktur nach auch in Deutschland mit einer Personengesellschaft deutschen Rechts vergleichbar (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2017 IV R 50/13, BFH/NV 2017, 751 unter B.II.1.a. m.w.N.). Damit sind die Einkünfte letztlich auf der Ebene der beigeladenen Gesellschafter der Klägerin mit ausnahmslos inländischen Wohnsitzen zu besteuern.
135Die Einkünfte der Klägerin unterliegen auch in Großbritannien der britischen Income Tax und wurden dort von den beigeladenen Gesellschaftern auch entsprechend versteuert.
136Für Zwecke der Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens ist die Klägerin als ein deutsches Unternehmen zu qualifizieren, da alle beigeladenen Gesellschafter in Deutschland ansässig waren (vgl. Art. II Abs. 1 Buchst. h und j DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h i.V.m. Art. 4 Abs. 1 DBA-Großbritannien 2010).
137c. Nach der Überzeugung des Senats auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), insbesondere der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung, der vorliegenden Akten des Beklagten und der von der Klägerin übersandten Unterlagen, sind die gewerblichen Einkünfte der Klägerin jedoch in allen Streitjahren vollumfänglich einer in Großbritannien belegenen Betriebsstätte zuzuordnen und somit ausschließlich in Großbritannien zu versteuern.
138Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wird nach Art. III Abs. 1 DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 7 Abs. 1 DBA–Großbritannien 2010 zwar grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Unternehmens unter den dort genannten Voraussetzungen ein ausschließliches Besteuerungsrecht gewährt. Davon abweichend können Unternehmensgewinne aber auch im Quellenstaat besteuert werden, wenn das Unternehmen eine dort belegene Betriebsstätte unterhält und das Ergebnis dieser Betriebsstätte zuzuordnen ist.
139Auch der Anteil an gewerblichen Gewinnen eines Unternehmens darf grundsätzlich nur im Ansässigkeitsstaat des jeweiligen Mitunternehmers besteuert werden (ausdrücklich: Art. III Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 5 DBA-Großbritannien 2010). Übt das Unternehmen jedoch eine gewerbliche Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat durch eine dort belegene Betriebsstätte im Sinne des Art. II Abs. 1 Buchst. l) DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 5 DBA-Großbritannien 2010 aus, so darf der Betriebsstättenstaat diese Einkünfte des Mitunternehmers nach Art. III Abs. 2 Satz 2 DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 7 Abs. 1 DBA-Großbritannien 2010 besteuern, soweit sie der Betriebsstätte zuzurechnen sind (vgl. BFH-Urteil vom 26.02.1992 I R 85/91, BFHE 168, 52, BStBl II 1992, 937).
140(1) Die von der Klägerin in den Streitjahren angemieteten Büroräume in S, Großbritannien, stellen jeweils die Betriebsstätte der Klägerin i.S.d. Art. II Abs. 1 Buchst. l (i) DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 5 Abs. 1 DBA-Großbritannien 2010 dar, der die Einkünfte zuzurechnen sind. Es handelte sich insoweit jeweils um eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeiten der Klägerin ganz oder teilweise ausgeübt wurden und bei denen es sich nicht um bloße Hilfs- oder Vorbereitungsarbeiten handelte.
141(a) Eine Betriebsstätte ist dann im anderen Vertragsstaat belegen, wenn sich dort eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird (Art. II Abs. 1 Buchst. l) i) DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 5 Abs. 1 DBA-Großbritannien 2010) oder eine Vertreterbetriebsstätte (Art. II Abs. 1 Buchst. I) iv) DBA 1964/1970 bzw. Art. 5 Abs. 5 DBA 2010) befindet. Dieser Betriebsstättenbegriff entspricht insoweit dem Begriff der Betriebstätte des § 12 Satz 1 AO (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 20.06.2020 5 K 3305/17, juris unter II.3.1.1. m.w.N.). Eine Geschäftseinrichtung kann nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann eine Betriebsstätte darstellen, wenn der Steuerpflichtige über diese nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat, sondern diese auf Dauer angelegt ist. Eine solche Verfügungsmacht besteht stets dann, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeit bestimmter Räume eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne weiteres entzogen oder die ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres verändert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 17.03.1982 I R 189/79, BFHE 136, 120, BStBl II 1982, 624 unter 1. und BFH-Beschluss vom 10.11.1998 I B 80/97, BFH/NV 1999, 665 unter II.2.b. m.w.N.). Die bloße Berechtigung zur Nutzung eines Raumes im Interesse eines anderen sowie die bloße tatsächliche (gelegentliche) Mitbenutzung eines Raumes genügen für sich genommen nicht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14.07.2004 I R 106/03, BFH/NV 2005, 154 unter II.2.c.).
142Entscheidend ist vielmehr, dass eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit durch eine Geschäftseinrichtung mit fester örtlicher Bindung regelmäßig an dem nämlichen Ort ausgeübt wird und dadurch eine gewisse Verwurzelung des Unternehmens mit diesem Ort entsteht. Hierzu kann es genügen, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen ist, dass dem Steuerpflichtigen ein bestimmter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellt und seine Verfügungsmacht darüber nicht bestritten wird (vgl. BFH-Beschluss vom 10.11.1998 I B 80/97, BFH/NV 1999, 665 unter II.2.b. m.w.N., dem folgend: Urteil des FG Baden-Württemberg vom 20.06.2020 5 K 3305/17, juris unter II.3.1.1.). Entsprechend kann die Betriebsstätte eines Unternehmens somit auch in der Betriebsstätte eines anderen Unternehmens gelegen sein, sofern es sich nicht lediglich um ein gelegentliches, beispielsweise einmaliges oder sich selten wiederholendes Tätigwerden handelt, sondern dasselbe auf Dauer angelegt ist. Ist dies der Fall, kann auch die Mitbenutzung von Räumen eine Betriebsstätte begründen (vgl. Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 06.092021 8 K 1871/13, juris unter II.4.a. m.w.N.) und steht auch eine abwechselnde oder sogar gleichzeitige Nutzung von Räumen für unterschiedliche Zwecke (oder durch verschiedene Unternehmen) der Annahme einer Betriebsstätte nicht entgegen.
143(b) Ausgehend von diesen Grundsätzen, die der Senat für zutreffend hält und denen er folgt, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin in den verschiedenen angemieteten Räumlichkeiten in S im N, der A-Straße und der XX-Straße jeweils über eine feste Geschäftseinrichtung verfügte.
144Der Mietvertrag für die Räumlichkeiten im N räumte der Klägerin die alleinige Verfügungsmacht über die angemieteten Büroräume ein (Bl. 178ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Für die Räume zahlte die Klägerin durch entsprechende Belege nachgewiesen Miete und Nebenkosten (Bl. 200ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Die Räume waren abschließbar und wurden nach dem Vortrag der Beigeladenen Z und R in der mündlichen Verhandlung, sowie der Schilderung des Zeugen K ausschließlich vom angestellten Zeugen K, von den Gesellschaftern für die Durchführung von regelmäßigen partner meetings und von den geschäftsführenden Gesellschaftern Z und R für monatliche Besprechungen benutzt. Der Zeuge K suchte die Räumlichkeiten arbeitstäglich während seiner vereinbarten Arbeitszeit auf. Er arbeitete dort am eigens für die Tätigkeiten der Klägerin mit einem Computer, einem Drucker, einem Telefon und Schreibtisch eingerichteten Büroarbeitsplatz. Die Tatsache, dass er – nach eigener Aussage in der mündlichen Verhandlung - neben den Aufgaben für die Klägerin in den Räumlichkeiten seine eigenen (weiteren beruflichen) Angelegenheiten bearbeitete, ist dabei unschädlich, da die Betriebsstätte eines Unternehmens sogar in der Betriebsstätte eines anderen Unternehmens gelegen sein kann und die abwechselnde oder gleichzeitige Nutzung von Räumen für unterschiedliche Zwecke der Annahme einer Betriebsstätte nicht entgegen steht (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 20.06.2020 5 K 3305/17, juris unter II.3.1.3. m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist es bereits ausreichend, wenn einem Steuerpflichtigen in einem gemeinschaftlichen Großraumbüro ein eigener Schreibtisch zur ständigen Verfügung steht, den er auch regelmäßig, nicht nur einmalig zur Erledigung seiner Tätigkeiten nutzt (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 20.06.2020 5 K 3305/17, juris unter II.3.1.1. und Urteil des Hessischen FG vom 06.092021 8 K 1871/13, juris unter II.4.a. m.w.N.). Die konkrete Nutzung des Büros geht im Streitfall weit über die von der Rechtsprechung aufgestellten Mindestanforderungen hinaus.
145Die im Rahmen eines Untermietverhältnisses angemieteten Räumlichkeiten in der A-Straße standen ebenfalls zur alleinigen Verfügung der Klägerin (Bl. 206ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Dies haben sämtliche Zeugen übereinstimmend ausgesagt und entsprechen somit den Schilderungen des Beigeladenen Z in der mündlichen Verhandlung. Der Raum war nach den übereinstimmenden Beschreibungen der Zeugen und Beigeladenen ebenfalls separat abschließbar und büromäßig mit einem Schreibtisch nebst Computer und einem Besprechungstisch mit entsprechender Bestuhlung – wie zuvor bereits im N - eingerichtet. Unschädlich für die Annahme einer festen Geschäftseinrichtung in diesen Räumlichkeiten ist, dass das Mietverhältnis als Untermietverhältnis mit der Firma „ZZ Ltd.“, deren Geschäftsführer der Zeuge L war, ausgestaltet war. Hieraus lässt sich – entgegen der Meinung des Beklagten - kein Argument gegen das Bestehen einer festen Geschäftseinrichtung herleiten. Entscheidend für die Einordnung als feste Geschäftseinrichtung ist vielmehr, ob dem Steuerpflichtigen eine gesicherte Rechtsposition zustand, die nicht nur zu einer vorübergehenden Verfügungsmacht über das Büro und den eingerichteten Arbeitsplatz berechtigte. Dies war hier aufgrund des auf Dauer angelegten (Unter-) Mietverhältnisses der Fall. Schließlich entsprach auch der angemietete Büroraum in der XX-Straße diesen Anforderungen.
146(c) Die in den Geschäftseinrichtungen ausgeübten Tätigkeiten waren in den Streitjahren nicht bloße Hilfs- oder Vorbereitungsarbeiten i.S.d. Art. II Abs. 1 Buchst. l) iii) ee) DBA-Großbritannien 1964/1970. Nach dieser Vorschrift ist erforderlich, dass die in der festen Geschäftseinrichtung ausgeübten Tätigkeiten nicht nur vorbereitender Art sind oder nur eine Hilfstätigkeit darstellen oder die Geschäftseinrichtung nicht nur ausschließlich zur Werbung, Erteilung von Auskünften, wissenschaftlichen Forschung oder Ausübung ähnlicher Tätigkeiten unterhalten wird. Ähnliches wurde im DBA-Großbritannien 2010 geregelt. Nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. e DBA 2010 gilt eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder Hilfstätigkeiten darstellen, nicht als Betriebsstätte.
147Zu den die Tätigkeit eines Goldhändlers prägenden Tagesgeschäften zählen grundsätzlich die Kauf- und Verkaufsentscheidungen sowie deren Vollzug und die Marktbeobachtung und - einschätzung. Dabei stellt die Umsetzung der Kaufentscheidung durch telefonische Order nicht lediglich eine Hilfstätigkeit im vorgenannten Sinne dar. Denn erst die Kontaktaufnahme und Beauftragung der Banken, einhergehend mit der hierfür zuvor erteilten Zulassung durch die Bank, führt zum konkreten Geschäftserfolg im Goldhandel. Hinzu kommt der Abschluss von flankierenden Options- und Absicherungsgeschäften (Stopp-Loss oder Call-Optionen) sowie die mit der Unternehmensführung verbundenen allgemeinen administrativen Aufgaben, einschließlich der Erfüllung von handels- und steuerrechtlichen Aufzeichnungspflichten (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 30.06.2020 5 K 3305/17, juris unter II.3.1.4.1.).
148All diese Tätigkeiten des täglichen Geschäfts fanden in den jeweiligen Büroräumen der Klägerin statt. Nach den Schilderungen des Zeugen K umfasste sein tägliches Arbeits- und Aufgabengebiet, die eingehende Post der Klägerin zu öffnen, die postalisch versandten Bankbestätigungen über abgewickelte Goldtransaktionen in dafür bereitstehende Ordner abzuheften, Aufzeichnungen über die Goldan- und –verkäufe in Form einer Excel-Tabelle zu führen, die Korrespondenz per Email mit den Zeugen F und später L über die auszuführenden Goldgeschäfte auszudrucken und abzuheften, sowie Unterlagen für die Anfertigung der britischen Steuererklärungen vorzuhalten. Zudem bereitete er die in den jeweiligen Büroräumen stattfindenden partner meetings vor und traf in den Büroräumen monatlich den Beigeladen Z und etwas seltener den Beigeladenen R zur Besprechung der laufenden Geschäfte. Treffen außerhalb der Büroräume der Klägerin fanden nach den übereinstimmenden Darstellungen des Zeugen K und der Beigeladenen Z und R niemals statt.
149Zudem wurden sämtliche Goldhandelsgeschäfte in den jeweiligen angemieteten Räumlichkeiten der Klägerin von dem Zeugen K, später auch von dem Zeugen L und im Einzelfall vom Beigeladenen Z durch telefonische Ordererteilung an die Bank (Q oder P) ausgeführt. Sowohl die anwesenden Beigeladenen als auch sämtliche Zeugen haben diese Vorgehensweise auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts bestätigt und zugleich irgendeine Goldhandelstätigkeit für die Klägerin von Deutschland aus verneint.
150Schließlich wurden sämtliche partner meetings in den Räumlichkeiten der Klägerin abgehalten, obwohl die beigeladenen Gesellschafter sämtlich ihren Wohnsitz in Deutschland hatten und die Anreise zu den Gesellschafterversammlungen für sie einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeutete. Zwar stellen diese Gesellschafterversammlungen nicht das die Tätigkeit prägende Tagesgeschäft der Klägerin dar, obwohl auf den partner meetings auch über die in 2009/2010 und 2011/2012 ausgeführten umfangreicheren Goldhandelsgeschäfte nebst Absicherungen abgestimmt wurde. Sie sind aber als zusätzliches Indiz dafür heranzuziehen, dass sämtliche geschäftlichen Aktivitäten der Klägerin in ihren Büroräumen in S stattfanden.
151(d) Soweit der Beklagte das Bestehen einer festen Geschäftseinrichtung und die tatsächliche Durchführung der Goldhandelstransaktionen in den Büroräumen der Klägerin bezweifelt, konnte er nicht zur Überzeugung des Senats anhand konkreter Tatsachen darlegen, woran er seine Zweifel im Einzelnen festmacht. Allein der Hinweis auf ein untypisches geschäftliches Verhalten reicht nicht aus, um die zuvor genannten durch die Beweisaufnahme festgestellten Tatsachen zu widerlegen. Es haben sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich bei den gemieteten Büroräumen lediglich um Schein- oder sog. Briefkastenadressen der Klägerin gehandelt habe.
152(2) Ob die Betriebsstätte der Klägerin in S zusätzlich als Vertreterbetriebsstätte i.S.d. Art. Il Abs. 1 Buchstabe I) (iv) DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 5 Abs. 5 DBA-Großbritannien 2010 zu qualifizieren ist, kann der Senat auf Grund der Annahme einer festen Geschäftseinrichtung im Ergebnis offenlassen.
153(3) Eine weitere, inländische Betriebsstätte konnte der Senat nach den Umständen des Streifalls und dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht feststellen. Insbesondere von einer ggf. in der Wohnung des Geschäftsleiters zu lokalisierenden Betriebsstätte (sog. Geschäftsleiterbetriebsstätte) kann nicht ausgegangen werden. Jedes gewerbliche Unternehmen hat zumindest eine, am Ort der Geschäftsleitung anzusiedelnde Betriebsstätte, welcher im Zweifel und bei Fehlen einer anderweitigen zusätzlichen Betriebsstätte der gesamte Unternehmensgewinn zuzurechnen ist. Ist keine andere feste Geschäftseinrichtung vorhanden, so ist regelmäßig die Wohnung des Geschäftsleiters als Geschäftsleitungsbetriebsstätte anzusehen, wenn dort die geschäftliche Planung vorgenommen wird (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.2017 I R 98/15, BFHE 260, 169, BFH/NV 2018, 497 unter II.2.b. und Urteil des FG München vom 30.11.2020 7 K 36/18, EFG 2021, 1891 unter III.2.2.3. Rev. I R 5/21). Dabei setzt die Geschäftsleitungsbetriebsstätte keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraus (vgl. BFH-Urteil vom 28.07.1993 I R 15/93, BFHE 172, 301, BStBl II 1994, 148 unter II.2.b. und Urteil des FG München vom 30.11.2020 7 K 36/18, EFG 2021, 1891 unter III.2.2.3. Rev. I R 5/21).
154Da bereits eine feste Geschäftseinrichtung der Klägerin in S zur Überzeugung des Senats festgestellt wurde und die Zeugen und Beigeladenen übereinstimmend bekundet haben, dass in Deutschland an keinem Ort Tätigkeiten für die Klägerin vorgenommen wurden, kann der Senat keine hinreichenden Tatsachen feststellen, die auf eine weitere Betriebsstätte an einem anderen Ort der Geschäftsleitung als S hindeuten könnten. Der geschäftsführende Gesellschafter Z hat von seiner Wohnung aus weder Goldhandelsgeschäfte für die Klägerin getätigt, noch hat er dort sonstige Tagesgeschäfte erledigt. Vielmehr hat er dargelegt und anhand von Flugtickets nachgewiesen, dass er regelmäßig vor Ort in S in den Büroräumen der Klägerin war. Sogar bei der ersten großen Goldtransaktion im Jahr 2009 ist er zwei Tage nach der Gesellschafterversammlung, in der die Transaktion beschlossen und mit dem Kauf von ... Barren in die Wege geleitet wurde, erneut am 17.12.2009 nach S gereist, um den Kauf von insgesamt weiteren ... Barren Gold vor Ort in den Büroräumen der Klägerin durch Ordererteilung an Q durchzuführen (s. auch Email von Q zur Orderbestätigung vom 17.12.2009, Bl. 648 d. elektronischen Gerichtsakte). Dies hat der Beigeladene Z in der mündlichen Verhandlung nochmals nachvollziehbar geschildert. An seinen Ausführungen bestehen für den Senat keine Zweifel, da ihm und allen anderen Beteiligten bewusst war, dass sämtliche Aktivitäten für die Klägerin ausschließlich von S aus erfolgen mussten, um dort die alleinige feste Geschäftseinrichtung zu begründen. Zudem hat der Zeuge K ausgesagt, dass niemals Anweisungen für einzelne Goldhandelsgeschäfte von Herrn Z aus Deutschland kamen. Dieses Geschäftsgebaren ist unter Beachtung der Ziele der Klägerin, Goldhandel zu betreiben und die Gewinne und Verluste allein in Großbritannien zu versteuern und in Deutschland lediglich dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, konsequent und legitim.
1552. Die gewerblichen Einkünfte aus der Tätigkeit der Klägerin sind daher in vollem Umfang der Betriebsstätte in S / Großbritannien zuzurechnen. Als Quellenstaat obliegt das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte Großbritannien (Art. III Abs. 1 und 2 Satz 2 DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 7 Abs. 1 DBA-Großbritannien 2010). Nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien 1964/1970 bzw. Art. 23 Abs. 1 DBA-Großbritannien 2010 sind die Einkünfte in Deutschland steuerfrei und unterliegen nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG in Deutschland dem Progressionsvorbehalt.
156II. Die in Deutschland nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO gesondert und einheitlich festzustellenden steuerfreien dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte der Klägerin sind nach den Vorschriften des deutschen Rechts zu ermitteln (vgl. BFH-Urteile vom 22.05.1991 I R 32/90, BFHE 165, 197, BStBl II 1992, 94 unter II:2. und vom 20.09.2006 I R 59/05, BFHE 215, 130, BStBl II 2007, 756 unter II.5.c.). Zu Recht durfte die Klägerin die Gewinne und Verluste durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG berechnen.
1571. Grundsätzlich ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG als Gewinn, der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen anzusetzen. Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können – abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG - als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben zugrunde legen, § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG.
158a. Nach der Systematik der Regelungen in § 4 Abs. 1 und 3 EStG bezieht sich das Wahlrecht lediglich auf die Gewinnermittlung durch Überschussrechnung. Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG greift kraft Gesetzes automatisch ein, wenn ein bestehendes Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG nicht ausgeübt wird bzw. ein Wahlrecht nach dieser Vorschrift nicht (mehr) besteht.
159Ein Steuerpflichtiger übt sein Wahlrecht i.S. einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG regelmäßig in der Weise aus, dass er nur die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben aufzeichnet. An die Dokumentation der Wahl zugunsten der Überschussrechnung sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung (st. Rspr. vgl. nur BFH-Urteil vom 02.06.2016 IV R 39/13, BFHE 254, 118, BStBl II 2017, 154 II.1.c.aa. m.w.N.). Daher entfällt die Wahl der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung erst mit der Erstellung eines Abschlusses und nicht bereits mit der Einrichtung einer Buchführung oder der Aufstellung einer Eröffnungsbilanz (vgl. BFH-Urteil vom 02.06.2016 IV R 39/13, BFHE 254, 118, BStBl II 2017, 154 II.1.c.aa. m.w.N.). Allein das Anlegen von Aufzeichnungen, die sowohl die Erstellung einer Überschussrechnung als auch eines Jahresabschlusses ermöglichen, schließt daher die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG noch nicht aus, solange nicht auch Jahresabschlüsse aufgestellt und der Ermittlung der deklarierten Einkünfte zu Grunde gelegt werden. Erst wenn ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss erstellt, auf dem seine erklärten Einkünfte basieren, sind die Tatbestandsvoraussetzungen für das Gewinnermittlungswahlrecht durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht mehr erfüllt (vgl. BFH-Urteile vom 02.06.2016 IV R 39/13, BFHE 254, 118, BStBl II 2017, 154 und vom 05.11.2015 III R 13/13, BFHE 252, 322, BStBl II 2016, 468). Als objektives Beweisanzeichen dafür, dass ein Steuerpflichtiger die fertiggestellte Gewinnermittlung als endgültig ansieht, kann etwa die Tatsache gewertet werden, dass er sie z.B. durch die Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr bringt (vgl. BFH-Urteile vom 20.12.2012 III R 33/12, BFHE 240, 107, BStBl II 2013, 1035 unter II.2.c. m.w.N.; vom 05.11.2015 III R 13/13, BFHE 252, 322, BStBl II 2016, 468, II.1.c.aa. und vom 02.06.2016 IV R 39/13, BFHE 254, 118, BStBl II 2017, 154 II.1.c.aa.).
160b. Die Auswahl des Rechts, den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln, steht nicht buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen prinzipiell unbefristet zu. Formal wird es allein durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. Feststellung begrenzt (vgl. BFH-Urteile vom 19.10.2005 XI R 4/04, BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509 unter II.1. und vom 21.07.2009 X R 46/08, BFH/NV 2010, 186 unter II.3.b. und vom 02.06.2016 IV R 39/13, BFHE 254, 118, BStBl II 2017, 154 II.1.d.aa.). Das bedeutet allerdings nicht, dass dem Steuerpflichtigen das Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG solange offen steht, wie sich das Ergebnis der Gewinnermittlungsart steuerlich auswirken kann. Ist das Wahlrecht allerdings einmal wirksam ausgeübt worden, so ist diese Wahl der Gewinnermittlungsart nachträglich regelmäßig nicht mehr durch eine nachträglich erstellte Buchführung oder Bilanz abzuändern (vgl. BFH-Urteil vom 02.06.2016 IV R 39/13, BFHE 254, 118, BStBl II 2017, 154 II.1.d.aa.).
1612. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und zur Überzeugung des Gerichts hat die Klägerin durch Einreichung ihrer Feststellungserklärungen beim zuständigen Finanzamt, erstmals am 29.07.2010 für den Veranlagungszeitraum 2009, denen sie jeweils Einnahmenüberschussrechnungen nach § 4 Abs. 3 EStG beigefügt hatte, die Gewinnermittlungsmethode nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG bewusst und in zulässiger Weise gewählt. Die Voraussetzungen für die Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG statt durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG lagen vor, da die Klägerin in den Streitjahren weder zur Buchführung verpflichtet war, noch tatsächlich Bücher geführt und Abschlüsse erstellt hat.
162a. Die Klägerin war weder nach deutschem (unter aa.) noch nach britischem Recht (unter bb.) verpflichtet, Bücher i.S.d. § 140 AO zu führen.
163Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG knüpft an die allgemeinen abgabenrechtlichen Bestimmungen über die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten in §§ 140ff. AO an. Die Regelung des § 140 AO verweist nicht nur auf inländische, sondern auch auf ausländische Buchführungspflichten (grundlegend: BFH-Urteil vom 14.11.2018 I R 81/16, BStBl II 2019, 390 unter 2.b.). Eine materielle Buchführungspflicht kann sich danach auch aus ausländischen Rechtsvorschriften ergeben, wobei die ausländischen Buchführungspflichten dabei nicht umfassend den deutschen Buchführungspflichten entsprechen müssen.
164aa. Nach inländischem Recht sind die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten i.S.d. § 140 AO auf die einschlägigen handelsrechtlichen Pflichten zurückzuführen (vgl. BFH-Urteile vom 25.06.2014 I R 24/13, BFHE 246, 404, BStBl II 2015, 141 II.3.a. und vom 19.01.2017 IV R 50/14, BStBl II 2017, 456 unter II.2.a.aa.). Nach § 238 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs – HGB – ist jeder Kaufmann verpflichtet Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ersichtlich zu machen. Personenhandelsgesellschaften in Form der OHG und KG gelten als Kaufmann (§ 6 Abs. 1 HGB). Auch eine Gesellschaft ausländischen Rechts kann grundsätzlich unter § 6 Abs. 1 HGB fallen. Allerdings können die §§ 238 ff. HGB für eine ausländische Personengesellschaft allenfalls dann eingreifen, wenn die Gesellschaft entweder ihren Verwaltungssitz im Inland hat oder sie über eine inländische Zweigniederlassung i.S.d. § 13d HGB verfügt (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2017 IV R 50/14, BStBl II 2017, 456 unter II.2.a.aa. (1) m.w.N). Hieran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat ihren Sitz in S und verfügt alleine dort – wie zuvor festgestellt - über eine Betriebsstätte.
165Es bestand auch keine steuerrechtliche Buchführungspflicht gemäß § 141 AO. Insoweit erfolgte unstreitig keine Aufforderung durch die Finanzbehörde nach § 141 Abs. 2 AO.
166bb. Die Klägerin war zudem nicht nach § 140 AO i.V.m. ausländischem – hier britischem - Recht verpflichtet, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen.
167(1) Für das Eingreifen der Sperrwirkung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 140 AO und ausländischem Recht kommt es darauf an, dass die ausländischen Gesetze sowohl eine Buchführungs- als auch eine Abschluss- und damit eine Bilanzierungspflicht normieren.
168Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die der Senat für zutreffend hält und der er folgt, reicht das Bestehen einer bloßen (ggf. auch laufenden) Buchführungspflicht nach ausländischem Recht nicht aus. Zudem sind bloße (branchenspezifische) ausländische Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten, die keine laufende Buchführungspflicht begründen, nicht geeignet, das Wahlrecht auszuschließen, auch wenn sie über § 140 AO zu inländischen Pflichten werden. Es ist vielmehr eine laufende Buchführungspflicht erforderlich, mit der eine Abschlusspflicht einhergeht, welche darauf gerichtet sein muss, eine Grundlage für den Betriebsvermögensvergleich zu liefern, also eine Pflicht zur Aufstellung einer Bilanz beinhaltet (vgl. BFH-Urteil vom 20.04.2021 IV R 3/20, BFHE 273, 119, BStBl II 2023, 703 unter B.III.4.b.aa. m.w.N.). Deshalb muss auch die ausländische Bilanz - vergleichbar mit § 242 Abs. 1 HGB - das Vermögen und die Schulden des Gewinnermittlungssubjekts stichtagsbezogen darstellen. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine bilanzielle Grundlage gegeben, die für den Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG nutzbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 20.04.2021 IV R 3/20, BFHE 273, 119, BStBl II 2023, 703 unter B.III.4.b.aa.). Die Sperrwirkung setzt allerdings nicht voraus, dass der sich nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ergebende Gewinn aus den ausländischen Büchern und dem ausländischen Abschluss (Bilanz) ohne nennenswerte Umrechnungen entnommen werden kann. Entspricht der ausländische Abschluss nicht der Gewinnermittlung nach deutschem Steuerrecht (§ 4 Abs. 1 EStG), ist ggf. eine entsprechende Überleitungsrechnung vorzunehmen (vgl. dazu eingehend BFH-Urteil vom 20.04.2021 IV R 3/20, BFHE 273, 119, BStBl II 2023, 703 unter B.III.4.b.bb.).
169(2) Die Ermittlung des maßgeblichen ausländischen Rechts hat gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz von Amts wegen zu erfolgen (vgl. BFH vom 13.06.2013 III R 63/11, BStBl II 2014, 711 unter II.4.b. und Urteil des Hessischen FG vom 06.09.2021 8 K 1871/13 juris unter II.5.a.cc.). Die Art und Weise der Ermittlungen steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2007 I R 46/07, BFH/NV 2008, 930 unter II.1.b.aa. m.w.N.). Daher konnte der erkennende Senat im Streitfall über die Frage der Bilanzierungspflicht der Klägerin nach britischem Recht ohne Beweisaufnahme durch die Einholung eines vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung beantragten Sachverständigengutachtens aus eigener Sachkunde heraus entscheiden. Die einschlägigen Normen des Income Tax Act 2005 und 2013 sind ebenso aus dem Internet gerichtsbekannt (www.legislation.gov.uk; Bl. 1475 d. elektronischen Gerichtsakte) wie die Anleitungen zur Erstellung der Steueranmeldung (Partnership Tax Return Guide von HMRC; Self Assessment Helpsheet 222 u.a. – www.gov.uk, Bl. 1477f. der elektronischen Gerichtsakte) und waren Gegenstand des Verfahrens. Die konkreten von der Klägerin durchgeführten Ermittlungen des steuerlichen Gewinns in Großbritannien sind den vorliegenden Steueranmeldungen zu entnehmen. Zudem konnte der Senat bei der Ermittlung des maßgeblichen ausländischen Rechts auf zahlreiche Entscheidungen deutscher Finanzgerichte und Literaturbeiträge zurückgreifen.
170(3) Auf der Grundlage des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und des gesamten Verfahrens ist der Senat davon überzeugt, dass nach britischem Recht für die Klägerin keinerlei Bilanzierungspflichten in den Streitjahren bestanden. Sie war nach britischem Recht nicht verpflichtet, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen.
171(a) Als GP ist die Klägerin nach britischem Handelsrecht nicht verpflichtet Bilanzen aufzustellen. Lediglich für sog. „qualifying partnerships“, also Personengesellschaften, bei denen jeder Gesellschafter eine haftungsbeschränkte Gesellschaft („limited company“) ist oder wenn sämtliche Gesellschafter nicht haftungsbeschränkte Gesellschaften sind, deren sämtliche Gesellschafter wiederum haftungsbeschränkte Gesellschaften sind (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Partnerships (Accounts) Regulations 2008, Bl. 1476 d. elektronischen Gerichtsakte), besteht eine handelsrechtliche Bilanzierungspflicht, Art. 4 Abs. 1 der Partnerships (Accounts) Regulations 2008 (so auch Schmidt/Renger IStR 2015, 253 (255); Schandleben/Hörtnagel, DStR 2017, 2298 (2299f.), Drüen IStR 2019, 833 (843) und Urteil des FG Münster v. 11.12.2013 6 K 3045/11 F, EFG 2014, 753 unter II.3. und Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris unter 1.d.ee.bbb.-ccc.). Dies gilt für die Klägerin nicht, da an ihr ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind.
172(b) Auch aus dem britischen Steuerrecht ergibt sich für Personengesellschaften - wie der Klägerin - keine Verpflichtung, Bilanzen aufzustellen (ebenso: Urteil d. FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris unter 1.d.ee.ccc., NZB I B 61/22).
173(aa) Im britischen Steuerrecht unterliegt eine GP dem Income Tax Act 2005 bzw. 2013.
174Section 25 Abs. 1 Income Tax Act 2005 / 2013 lautet (www.legislation.gov.uk – Bl. 1475 d. elektronischen Gerichtsakte):
175„The profits of a trade must be calculated in accordance with generelly accepted ac-counting practice, subject to any adjustment required or authorised by law in calcula-ting profits for income tax purposes.“
176In Section 25 Abs. 2 Buchst. a Income Tax Act 2005 /2013 heißt es weiter:
177„This does not -
178(a) require a person to comply with the requirements of [the Companies Act 2006 or subordinate legislation made under this Act] except as to the basis of calculation“
179Section 25 Abs. 1 Income Tax Act 2005 / 2013 ist zu entnehmen, dass die Gewinne in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Rechnungslegungsvorschriften, den bis zum 01.01.2015 geltenden „Generally Accepted Accounting Practice in the United Kingdom“ (UK-GAAP) zu ermitteln sind, soweit nicht Anpassungen auf Grund steuerlicher Vorschriften erforderlich sind (vgl. Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris unter 1.d.ee.ccc., NZB I B 61/22). Section 25 Abs. 2 Buchst. a Income Tax Act 2005 / 2013 ergänzt klarstellend, dass dies nicht die Anwendung des britischen Handelsrechts (Companies Act) – außer für die Gewinnberechnung – oder eine Prüfung oder Offenlegung zur Folge hat. Die Gewinnermittlung erfordert damit weder einen Bestandsvergleich durch Gegenüberstellung des Betriebsvermögens am Schluss und am Beginn des Wirtschaftsjahres noch die Erstellung einer Bilanz. Es ist danach ebenso zulässig, das Ergebnis auf der Grundlage der Einnahmen und Ausgaben („profit and loss account“) zu ermitteln und dieses durch eine Überleitungsrechnung in Übereinstimmung mit den UK-GAAP sowie den steuerlichen Vorschriften zu modifizieren (so auch: Schmidt/Renger IStR 2015, 253 (255); Sandleben/Hörtnagl, DStR 2017, 2298 (2300) und Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris unter 1.d.ee.ddd., NZB I B 61/22). Auch aus dem Wort „calculated“ in Section 25 Abs. 1 Income Tax Act 2005 / 2013 in Verbindung mit Section 25 Abs. 2 Buchst. a Income Tax Act 2005 / 2013 ist keine Pflicht zur Führung entsprechender Bücher, insbesondere nicht zur Einrichtung einer doppelten Buchführung und Gewinnermittlung durch Bilanz, abzuleiten (vgl. Urteile des Hessischen FG vom 06.09.2021 8 K 1871/13, juris; NZB I B 12/22 und des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris, unter 1.d.ee.fff., NZB I B 61/22). Vielmehr stellt Section 25 Income Tax Act 2005 / 2013 die Ermittlung des Gewinns lediglich unter den Vorbehalt von Anpassungen auf der Grundlage der UK-GAAP. Unter UK-GAAP wird die Einhaltung des britischen Gesellschaftsrechts, der Rechnungslegungsgrundsätze, der besten Praktiken und die Einhaltung des Grundsatzes der Periodenabgrenzung verstanden (dazu näher: Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris unter 1.d.ee.ccc., NZB I B 61/22). Diese Anpassungen führen aber nicht dazu, dass eine GP eine Buchführung („accounts“) oder eine Bilanz („balance sheet“) fertigen und bei der britischen Steuerbehörde einreichen müsste (ebenso bereits: Urteil des FG Baden-Württemberg vom 30.06.2020 5 K 3305/17, juris, unter III. 2.2.2, NZB I B 53/20 zurückgewiesen am 12.01.2022; Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris, unter 1.d.ee.fff., NZB I B 61/22 und Urteil des FG Düsseldorf vom 23.05.2023 13 K 2029/22 F, juris unter 1.c.bb.(2)(b)). Auch den britischen Steueranmeldungen sind grundsätzlich keine Abschlüsse beizufügen. Stattdessen werden im Steueranmeldungsformular vergleichbar der Anlage EÜR bestimmte Werte abgefragt (vgl. Schmidt/Renger IStR 2015, 253 (255)), wie auch bei der Klägerin in den Steueranmeldungen geschehen (s. Bl. 380ff. d. elektronischen Gerichtsakte).
180Auch durch die Einführung von Section 25a Abs. 1 Income Tax Act 2013 für kleinere Unternehmen hat sich an dieser Auslegung nichts geändert. Dort heißt es (www.legislation.gov.uk – Bl. 1475 d. elektronischen Gerichtsakte):
181„(1) A person who is or has been carrying on a trade may elect for the profits of the trade to be calculated on the cash basis (instead of in accordance with generally accepted accounting practice).“
182Allein die Tatsache, dass sich ein Gewerbetreibender für die Ermittlung seines Gewinns für die Berechnung auf Einnahmen- und Ausgabenbasis („cash basis“) entscheiden kann, anstatt den Gewinn nach den allgemein anerkannten Rechnungslegungsvorschriften zu ermitteln, führt nicht zu dem Schluss, dass alle anderen Gewerbetreibenden zwingend eine Buchführung („accounts“) einrichten und damit einhergehend Bilanzen („balance sheets“) erstellen müssten. Denn die Alternative zur Gewinnberechnung auf „cash basis“ ist die Gewinnermittlung unter Beachtung der UK-GAAP („instead of in accordance with generally accepted accounting practice“), die allerdings – wie zuvor festgestellt – gerade keine Bilanzierungspflicht bedingt.
183(bb) Desgleichen ist dem Partnership Tax Return Guide von HMRC (z.B. für das Steuerjahr 06.04.2011 bis 05.04.2012, Bl. 1478ff. d. elektronischen Gerichtsakte), der Anleitung für die britische Steueranmeldung von Personengesellschaften, nicht zu entnehmen, dass für eine GP eine Verpflichtung zur Erstellung einer Bilanz besteht. Ausweislich der Vorgaben auf Seite 7 berechnet sich der Gewinn aus der Differenz zwischen den Umsätzen und sonstigen Geschäftsvorfällen für den persönlichen Gebrauch der Gesellschafter („turnover, other business receipts and goods taken for partners’ personal use“) und den zulässigen Betriebsausgaben („allowable business expenses“). Weitere Unterlagen sind der Anmeldung nicht beizufügen, es sei denn, der Umsatz beträgt mehr als 15 Millionen britische Pfund. In diesem Fall sind zwar die Buchführung und die Berechnungen beizufügen, nicht aber Bilanzen (Seite 8). Nur wenn tatsächlich eine Bilanz vorhanden ist, sind die Werte zum Betriebsvermögen bzw. den Betriebsverbindlichkeiten in den entsprechenden Feldern der Steueranmeldung auszufüllen („if you have a balance sheet, provide information about your business assets or liabilities in boxes …“). Weitergehende Pflichten sind dem Partnership Tax Return Guide nicht zu entnehmen (so auch Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris, unter 1.d.ee.ggg., NZB I B 61/22).
184Auch im Self Assessment Helpsheet 222 („How to calculate your taxable profits“), Stand 2023 (www.gov.uk, Bl. 1477 d. elektronischen Gerichtsakte), finden sich keinerlei Bilanzierungspflichten für eine GP. Das Helpsheet 222 befasst sich mit der traditionellen Buchhaltung („traditional accounting („accrual basis“). Hierfür müssen Unterlagen zu sämtlichen Umsätzen („sales“) und Einnahmen („takings“) sowie Einkäufe („purchases“) und Ausgaben („expenses“) vorgehalten werden (s. Nr. 1 des Helpsheet 222). Sodann wird erläutert, was unter den einzelnen Begriffen zu verstehen ist und welche Ausgaben steuerlich abzugsfähig sind. Wenn eine Ausgabe mehr als einen Besteuerungszeitraum betrifft, müssen die Kosten aufgeteilt werden (vgl. auch Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris, unter 1.d.ee.ggg., NZB I B 61/22).
185(cc) In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge L darüber hinaus bestätigt, dass die Klägerin als GP keinerlei Bilanzen erstellen und bei den britischen Steuerbehörden einreichen musste. Die Kenntnisse des Zeugen L resultieren aus seiner langjährigen Tätigkeit für mehrere Goldhandelsgesellschaften und andere Anlagegesellschaften in Großbritannien.
186(dd) Die von der Klägerin bei den britischen Steuerbehörden (HRMC) eingereichten Steueranmeldungen (partnership tax return) basieren auf einer den o.g. Vorschriften und Anleitungen entsprechenden Gewinn- und Verlustrechnung („profit and loss account“), dessen Ergebnis für steuerliche Zwecke durch die Hinzurechnung weniger nicht abziehbarer Betriebsausgaben angepasst wurde. Diese für steuerliche Zwecke modifizierten Gewinnermittlungen wurden von der britischen Steuerbehörde anstandslos akzeptiert. Auch aus diesem Umstand folgert der Senat, dass die Klägerin lediglich eine Anpassungsrechnung, jedoch keine Gewinnermittlung in Form einer Bilanz einzureichen hatte (so auch Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris unter 1.d.ee.hhh., NZB I B 61/22). Soweit darin eine Überleitungsrechnung zu den UK-GAAP zu verstehen ist, kommt dieser jedenfalls keinem bilanziellen Abschluss gleich. Weder das Vermögen noch die Schulden der Klägerin lassen sich aus dem der Steueranmeldung immanenten „profit and loss account“ entnehmen oder ableiten. Aus den nach britischem Recht für steuerliche Zwecke vorgenommenen Anpassungen lässt sich jedenfalls keine Bilanzierungspflichten nach § 140 AO begründen (vgl. Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris unter 1.d.ee.hhh., NZB I B 61/22).
187b. Die Klägerin hat nach Überzeugung des Senats auch tatsächlich keine freiwilligen Abschlüsse erstellt.
188aa. Die Möglichkeit den Gewinn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG zu ermitteln entfällt zudem, wenn freiwillig, ohne eine nach ausländischem Recht bestehende Rechtspflicht, tatsächlich Bücher geführt und Abschlüsse gemacht werden, (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.2014 I R 3/13, BFH/NV 2015, 667 unter II.1.). Führt eine GP im Ausland tatsächlich Bücher und stellt sie dort tatsächlich einen Abschluss nach ausländischem Recht auf, ohne auch eine Einnahmenüberschussrechnung zu erstellen, ist die Entscheidung zugunsten des Betriebsvermögensvergleichs getroffen. Will die ausländische Personengesellschaft für Zwecke der Ermittlung der nach DBA steuerfreien Progressionseinkünfte hingegen die Einnahmenüberschussrechnung wählen, muss das Wahlrecht entsprechend ausgeübt werden, bevor im In- oder Ausland eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich erfolgt. Als starkes Beweisanzeichen hierfür kann der Umstand gewertet werden, dass bei dem zuständigen inländischen Finanzamt eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eingereicht wird, bevor der ausländischen Steuerverwaltung ggfs. eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zugeleitet worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 20.04.2021 IV R 3/20, BFHE 273, 119, BStBl II 2023, 703 unter I.4.d.; im Anschluss Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris unter 1.e., NZB I B 61/22). Hat der Steuerpflichtige demgegenüber nur die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgezeichnet, so hat er aufgrund dieser tatsächlichen Handhabung sein Wahlrecht im Sinne einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt.
189bb. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des erkennenden Senats weder gegenüber den britischen noch gegenüber den deutschen Finanzbehörden Bilanzen in den Rechtsverkehr gebracht. Sie hat in jedem Streitjahr allein Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG beim zuständigen inländischen Finanzamt eingereicht und somit ihr Wahlrecht zugunsten der Überschussrechnung ausgeübt.
190aaa. Ob die Entscheidung zugunsten der Bilanzierung getroffen wurde, bestimmt sich maßgeblich danach, ob eine Eröffnungsbilanz aufgestellt, eine kaufmännische Buchführung eingerichtet und für den Schluss eines Geschäftsjahres ein das Verhältnis des Vermögens und der Schulden darstellender Abschluss gemacht wurde (vgl. § 242 Abs. 1 HGB). Die erforderliche Eröffnungsbilanz ist zeitnah aufzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 14.03.2018 IV B 46/17, BFH/NV 2018, 728).
191bbb. Im Streitfall fehlt es sowohl an einer Eröffnungsbilanz als auch an Schlussbilanzen. Die in den Steueranmeldungen in Großbritannien enthaltenen steuerlichen Überleitungsrechnungen („tax adjustments“) stellen weder eine Eröffnungs- noch eine Schlussbilanz dar. Durch diese Anpassungen wurden lediglich zwei Korrekturen an der auf Einnahmen- Ausgabenbasis ermittelten Gewinne bzw. Verluste vorgenommen, ohne dass ein Eigenkapital sowie aktive Vermögensgegenstände (z.B. Bank- oder Kassenbestände) oder passive Vermögensgegenstände ermittelt worden wären. Bank-oder Kassenbestände wurden ebenso wenig ausgewiesen wie Rückstellungen oder Verbindlichkeiten. Dasselbe gilt für Rücklagen und den Gewinn- oder Verlustvortrag. Auch wurde keine körperliche Bestandsaufnahme vorgenommen.
192Allein durch das einmalige, nach dem überzeugenden Vortrag der Klägerin versehentliche Ausfüllen der Zusammenfassung von Bilanzpositionen („summerary of balance sheet for this accounting period“) in der Steueranmeldung auf den 05.04.2010 (Bl. 381 d. elektronischen Gerichtsakte) lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin in den Streitjahren tatsächlich freiwillig Bilanzen erstellt und gegenüber den britischen Steuerbehörden in den Rechtsverkehr gebracht hat. Die Eintragungen enthalten lediglich eine grobe Zusammenfassung von aktiven Vermögenswerten („assets“) und Verbindlichkeiten („liabilities“) und stellen die Kapitalkonten der Gesellschafter gegenüber. Eine Bestandsaufnahme und vor allem die Erstellung einer Eröffnungsbilanz sind daraus nicht erkennbar (vgl. zum Erfordernis der Bestandsaufnahme BFH-Urteil vom 19.10.2005 XI R 4/04 BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509 unter II.2. m.w.N.). Unabhängig davon hat die Klägerin vor Einreichung der britischen Steueranmeldung auf den 05.04.2010 Ende Januar 2011 bereits am 29.07.2010 die Feststellungserklärung für 2009 nebst einer Einnahmenüberschussrechnung bei den deutschen Steuerbehörden eingereicht. Hierdurch hat sie eindeutig und klar nach außen zum Ausdruck gebracht, dass sie ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ermitteln möchte und ihr Wahlrecht damit bereits wirksam ausgeübt. Die zeitlich spätere Abgabe der britischen Steueranmeldung Ende Januar 2011 ändert an dieser Wahl nichts mehr (vgl. zur nachträglich erstellten Buchführung oder Bilanz BFH-Urteil vom 19.10.2005 XI R 4/04 BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509 unter II.2.).
193Soweit im Rahmen der Betriebsprüfung „balance sheets“ durch die Klägerin vorgelegt worden sind, entsprechen diese ebenfalls nicht den Anforderungen an einen bilanziellen Abschluss. Vielmehr geben auch diese lediglich Einnahme- und Ausgabepositionen wieder. Darüber hinaus haben die Beigeladenen Z und R bestätigt, dass diese „balance sheets“ weder bei der britischen Steuerberatungsgesellschaft beauftragt noch durch die Gesellschafterversammlung genehmigt oder von den geschäftsführenden Gesellschaftern unterschrieben worden sind. Jedenfalls sind die „balance sheets“ nicht in den Rechtsverkehr gelangt, da sie nach dem überzeugenden Vortrag der Klägerin und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung weder den britischen noch den deutschen Steuerbehörden vorgelegt wurden.
1943. Die Klägerin hat zu Recht die Anschaffungskosten der jeweiligen Goldbarren im Veranlagungszeitraum der Verausgabung als Betriebsausgaben und nicht erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses nach § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG berücksichtigt.
195Bei der Einnahmen-Überschussrechnung sind Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens grundsätzlich im Zeitpunkt der Verausgabung der Mittel als Betriebsausgaben abziehbar (§ 11 EStG). Dabei ist es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt, eine Anschaffung noch kurz vor Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums vorzunehmen und den Kaufpreis zu begleichen. Die Voraussetzungen für die Anwendung von § 4 Abs. 3 Satz 4 Variante 1 EStG, der regelt, dass die dort genannten Wirtschaftsgüter - in Variante 1 „nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens“ - erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, liegen nicht vor, da das zum Zwecke der Handelstätigkeit angeschaffte Gold nicht dem Anlagevermögen, sondern dem Umlaufvermögen der Klägerin zuzuordnen war. Bei dem Erwerb von physischem Gold handelt es sich auch nicht um ein den Wertpapieren vergleichbares nicht verbrieftes Recht im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 4 Variante 3 EStG. Die Goldbarren wurden im Streitfall physisch zunächst bei Q und später bei der P separat, der Klägerin zuordenbar, im Depot aufbewahrt. Damit war eine Eigentumszuordnung gewährleistet (vgl. dazu ausführlich BFH-Urteil vom 19.01.2017 IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456 unter 1.b.dd.).
1964. Die Anschaffungskosten für die Goldbarren sind auch im Hinblick auf § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG i.d.F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809) zutreffend von der Klägerin berücksichtigt worden. Nach § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG i.d.F. AmtshilfeRLUmsG sind für den Fall, dass die nach einem DBA steuerfreien Auslandseinkünfte nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln sind, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (erst) im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber wollte hiermit eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sicherstellen (BT-Drs. 17/12375, Seite 37). Die Vorschrift ist erstmals anwendbar auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die nach dem 28.02.2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt worden sind (vgl. § 52 Abs. 43a Satz 11 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG, jetzt § 52 Abs. 33 Satz 1 EStG). Die Klägerin hat der Vorschrift entsprechend ihren Gewinn für 2013 und 2014 ermittelt - was zwischen den Beteiligten nach der Betriebsprüfung unstreitig ist - da lediglich der letzte in 2013 erworbene Goldbarren nicht auch in 2013 veräußert wurde (s. Orderliste, Bl. 341ff. d. elektronischen Gerichtsakte).
1975. Über das Vorliegen verrechenbarer Verluste i.S. des § 15b EStG musste der Senat im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entscheiden, da ein Verlustfeststellungsbescheid nach § 15b Abs. 4 EStG nicht Gegenstand des Verfahrens ist (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
198Der in allen offenen Fällen anzuwendende § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz - AIFM-StAnpG - (vgl. § 52 Abs. 43a Satz 12 i.d.F. d. AIFM-StAnpG, jetzt § 52 Abs. 33 Satz 2 EStG) ordnet an, dass § 15b EStG (insgesamt) sinngemäß anzuwenden ist. Damit gilt auch § 15b Abs. 4 EStG. Bei Vorliegen eines Steuerstundungsmodells i.S. des § 15b Abs. 2 bis Abs. 3a EStG sind die geltend gemachten Verluste für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 15b Abs. 4 EStG durch einen eigenen Verwaltungsakt gesondert festzustellen. Für das finanzgerichtliche Verfahren bedeutet dies, dass es sich bei dem Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO und dem Verlustfeststellungsbescheid nach § 32b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 15b Abs. 4 EStG um zwei selbständige -- voneinander zu unterscheidende -- Klagebegehren handelt (vgl. Urteil des FG München vom 29.09.2022 11 K 539/18, juris unter VI., NZB I B 61/22 m.w.N.).
199III. Die auf der Grundlage der Einnahmenüberschussrechnung ermittelten, nach dem DBA-Großbritannien steuerfreien dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG unterliegenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Streitjahre sind zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitig und stellen sich für die Streitjahre wie folgt dar
200für 2010
201Gesamteinkünfte i.H.v. ... €, davon nach Quote zu verteilen ... €, Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €,
202für 2011
203Gesamteinkünfte i.H.v. ./. ... €, davon nach Quote zu verteilen ./. ... € (davon bis 30.11.2011 ./. ... €, v. 1.12. – 31.12. ./. ... €),
204Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €,
205Veräußerungsgewinn des Gesellschafters Y ... €,
206für 2012
207Gesamteinkünfte i.H.v. ... €, davon nach Quote zu verteilen ... €,
208Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €
209für 2013
210Gesamteinkünfte i.H.v. ... €, davon nach Quote zu verteilen ... € (davon bis 31.10.2013 ... €, v. 1.11. – 31.12, ./. ... €),
211Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €,
212Veräußerungsverlust des Gesellschafters X i.H.v. ./. ... €
213für 2014
214Gesamteinkünfte i.H.v. ./. ... €, davon nach Quote zu verteilen ./. ... €,
215Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters Z i.H.v. ... €
216Die Einkünfte sind nach den jeweiligen Beteiligungsverhältnissen der beigeladenen Gesellschafter auf diese wie folgt zu verteilen:
2172010 bis 30.11.2011
2181. Z |
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2. W |
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3. Y |
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4. V |
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5. U |
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6. T |
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7. X |
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8. R |
ab 01.12.2011-31.10.2013:
2201. Z |
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2. W |
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3. Y |
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4. V |
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5. U |
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6. T |
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7. X |
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8. R |
ab 01.11.2013
2221. Z |
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2. W |
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4. V |
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5. U |
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6. T |
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8. R |
IV. Die Berechnung der neu festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb war dem Beklagten ermessensgerecht gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung unter C.III. aufzuerlegen, da die Ermittlung der festzustellenden Beträge einen nicht unerheblichen Aufwand für das Gericht bedeuten würde.
224V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen waren nicht zu erstatten (§ 139 Abs. 4 FGO), da sie keinen Antrag gestellt und damit kein eigenes Kostenrisiko i.S.d. § 135 Abs. 3 FGO getragen haben. Zudem haben sie das Verfahren weder durch einen eigenen Sachvortrag noch durch Rechtsausführungen gefördert (vgl. BFH-Urteil vom 16.03.2021 II R 3/19, BStBl II 2022, 706, unter II.7.).
225VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
226VII. Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die Grundsätze zur Begründung einer Betriebsstätte und zum Gewinnermittlungswahlrecht sind höchstrichterlich geklärt. Der Senat entscheidet auf dieser Grundlage in einem Einzelfall.