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Der Einkommensteueränderungsbescheid 1998 vom 01.04.2008 sowie die weiteren Änderungsbescheide vom 18.02.2010 und 11.04.2014 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten um die Frage, ob § 32a KStG auch dann die Änderung einer Einkommensteuerfestsetzung erlaubt, wenn für diese im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Korrekturvorschrift bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.
3Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute und jeweils zu 50 % Gesellschafter der A GmbH (GmbH). Geschäftsführer der GmbH war seit deren Gründung der Kläger.
4Bei der GmbH fand eine steuerliche Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1998-2000 statt (Prüfungsanordnung vom 27.11.2002; Bericht vom 09.05.2007), nach deren Ergebnis bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für das Streitjahr verdeckte Gewinnausschüttungen zu berücksichtigen sind. Dies beruhte auf folgenden Feststellungen:
5Die Immobilie B-Straße ... in E, die zuvor im Eigentum einer Erbengemeinschaft stand, wurde im Juni 1998 durch die Kläger und durch die GmbH erworben. Das Grundstück hatte eine Gesamtfläche von 5298 m² und war mit einer Villa sowie mit einer Doppelgarage mit kleiner Wohnung bebaut. Auf Veranlassung der Käufer erfolgten eine Aufteilung des Grundstücks und eine Verteilung der jeweiligen Kaufpreisanteile auf die Kläger und die GmbH. Die GmbH erwarb mit Kaufvertrag vom .24.06.1998 (UR.-Nr. ...1/98) zum Kaufpreis von 1.350.000 DM eine noch zu bestimmende Teilfläche von 1407 m², auf der sich die vorgenannte Doppelgarage befand. Mit Kaufvertrag gleichen Datums erwarben die Kläger zu jeweils 1/2 Anteil eine Teilfläche von 3891 m² mit der aufstehenden Villa (Raummaß: 1470 m³) zum Kaufpreis von 1.750.000 DM zzgl. 250.000 DM für das übernommene Inventar. Eine ungehinderte Nutzung der Villa konnte nur über einen Zugang des Grundstücks der GmbH erfolgen. Im November 1998 wurde die ursprüngliche Grundstücksauffahrt mit einem Kostenaufwand von 30.000 DM in der Weise geteilt, dass nunmehr beide Grundstücke getrennt zu erreichen waren. Mit notariellem Vertrag vom 29.09.2004 (UR.-Nr. ...2/2004) wurde die endgültige Größen- und Lagebestimmung der Teilfläche des von der GmbH erworbenen Grundstücks vorgenommen. Die hierzu beantragte Teilungsgenehmigung wurde von der Stadt E am ...05.2004 erteilt. Im Wege dieser Teilung trat die GmbH die Doppelgarage nebst Wohnung und die Grundstücksteile an der Haupteinfahrt an die Kläger ab. Die der GmbH zum Ausgleich gewährten Grundstücksteile befanden sich im hinteren Grundstücksbereich (Bl. 23 der Gerichtsakte – GA –). Die Gesamtgröße der der GmbH übertragenen Fläche betrug 1405 m².
6Nach Darlegung der GmbH sollte auf dem von ihr erworbenen Teilgrundstück ein Dreifamilienhaus errichtet werden. Im Frühjahr 1999 stellte die GmbH bei der Stadt E eine Bauvoranfrage, aufgrund derer am 06.1999 ein Vorbescheid mit einer Gültigkeitsdauer von zwei Jahren erteilt wurde. Eine Baugenehmigung wurde in der Folgezeit nicht beantragt. Ein Bebauungsplan existiert für den Grundstücksteil der GmbH nicht. Bei der Zufahrtstraße „B-Straße“ handelte es sich teilweise um einen privaten Weg, so dass bauliche Veränderungen der Zustimmung aller Anwohner bedurften. An einer fehlenden Zustimmung einer Anwohnerin scheiterte das Vorhaben der GmbH, ihren in Hanglage befindlichen Grundstücksteil durch eine neue Zufahrt von der hinteren Seite zu erschließen. Auf diesem Grundstücksteil befand sich ein sehr dichter Baumbestand. Von der auf einem Plateau gelegenen Villa der Kläger eröffnete sich nach einer schräg abfallenden Rasenfläche der Blick über diesen parkähnlichen Baumbestand.
7Nach Auffassung der Betriebsprüfung entsprach der Kaufpreis für das von der GmbH erworbene Teilgrundstück nicht dem Marktwert. Dieser belaufe sich ausweislich der Feststellungen des Bausachverständigen des Finanzamts vom 24.01.2007, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, lediglich auf 607.006 DM. Bei dem von der GmbH gezahlten Überpreis einschließlich anteiliger Folgekosten (Grunderwerbsteuer, Maklerprovision, Notar- und Gerichtskosten, Refinanzierungszinsen) von 796.803 DM handele es sich daher um eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an die Kläger. Gleiches gelte für den von der GmbH für die Errichtung der neuen Auffahrt gezahlten Betrag i.H.v. 30.000 DM. Ein entsprechend geänderter Körperschaftsteuerbescheid 1998 erging am 02.04.2008.
8Am 01.04.2008 änderte der Beklagte die – erstmals am 03.11.2000 aufgrund der Erklärungsabgabe im gleichen Jahr ergangene und zuletzt am 29.11.2002 geänderte – Einkommensteuerfestsetzung der Kläger für das Jahr 1998 gemäß § 32a Abs. 1 KStG, indem er verdeckte Gewinnausschüttungen i.H.v. 826.803 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasste.
9Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch trugen die Kläger vor, dass die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1998 am 31.12.2004 abgelaufen sei. Im Übrigen gelte § 32a KStG nur für Vorgänge, die unter das Halbeinkünfteverfahren fielen. Zweifelhaft sei überdies, ob § 32a Abs. 1 KStG auf natürliche Personen als Anteilseigner unmittelbar anzuwenden sei. Zudem setze § 32a KStG eine fehlerfreie Ermessensausübung voraus, bei der insbesondere geprüft werden müsse, ob der entsprechende Körperschaftsteuerbescheid materiell rechtmäßig sei. Tatsächlich erweise sich die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung – mit Ausnahme der Aufwendungen für die Grundstückseinfahrt i.H.v. 30.000 DM – als unzutreffend.
10Der Kaufvertrag über das Teilgrundstück der GmbH sei mit einem fremden Dritten abgeschlossen worden. Noch in seinem Gutachten vom 06.03.2006 habe der Bausachverständige des Finanzamts den Bodenwert des Teilgrundstücks auf den Stichtag 24.06.1998 mit 1.124.000 DM (1405 m² x 800 DM) ausgewiesen. In dem Ausweis des Bodenwertes in seiner Stellungnahme vom 24.01.2007 mit nur noch 700.000 DM liege eine nicht nachvollziehbare Meinungsänderung des Bausachverständigen. Die von ihm nunmehr angenommenen wertmindernden Umstände (ungünstiger Grundstückszuschnitt, Wertminderung durch Wegerechte, starke Geländeneigung, unsichere planungsrechtliche Situation, unsichere Bebaubarkeit) begründeten tatsächlich, wie im Einzelnen in der Einspruchsbegründung ausgeführt, keine Minderung des Bodenwertes. Ausweislich des Gutachtens des von ihnen beauftragten Sachverständigen N vom 28.04.2007 unterliege die Bebaubarkeit des Teilgrundstücks keinen Einschränkungen und sei der einschlägige Bodenrichtwert laut Gutachterausschuss der Stadt E i.H.v. 800 DM pro Quadratmeter noch um einen Zuschlag für eine höherwertige bauliche Ausnutzung zu erhöhen. Vor notarieller Beurkundung des Kaufvertrages sei seitens der Geschäftsführung der GmbH eine Wirtschaftlichkeitsberechnung aufgestellt worden, ausweislich derer nach Erwerb des Grundstücks zum Preis von 1.350.000 DM und dessen anschließender Bebauung ein Gewinnpotenzial von 250.000 DM verbleibe. Der dabei angesetzte mögliche Verkaufspreis der Eigentumswohnungen entspreche dem Grundstücksmarktbericht 1998 der Stadt E. Der Teilwert des Grundstücks unter Berücksichtigung dieser Verwertungsmöglichkeiten entspreche dem gezahlten Kaufpreis. Mit der in den beiden Kaufverträgen vorgenommenen Aufteilung hätten die Vertragsparteien keine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt, sondern im Rahmen der Vertragsfreiheit ihrer Bewertung der Wirtschaftsgüter Ausdruck verliehen. Wenn man aber eine Aufteilung des Gesamtkaufpreises beider Grundstücke vornehmen wolle, so sei hierbei von einem Verkehrswert des Teilgrundstücks der GmbH von 1.239.000 DM und einem Verkehrswert beider Grundstücke von 3.250.000 DM auszugehen. Der letztgenannte Verkehrswert ergebe sich aus dem für die Erbengemeinschaft erstellten Gutachten der Sachverständigen F und W vom 31.12.1997. Der Ansatz des Bausachverständigen für das gesamte Grundstück i.H.v. 4.162.232 DM sei völlig unrealistisch. Teile man den Kaufpreis entsprechend dem Verhältnis der vorgenannten Verkehrswerte auf, so ergebe sich ein auf das Grundstück der GmbH entfallender Anteil zwischen 1.181.720 DM und 1.277.020 DM.
11Schließlich sei unabhängig davon aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz auch ein überhöhter Kaufpreis als Umlaufvermögen zu aktivieren, so dass im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs noch keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen könne. Eine Gewinnminderung könne erst im Zeitpunkt der Weiterveräußerung eintreten (Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 04.09.2006 – 2 K 247/04). Es fehle damit an der Grundlage für eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheides 1998, so dass § 32a KStG auf der Ebene der Gesellschafter nicht zur Anwendung kommen könne. Schließlich werde beanstandet, dass die Anrechnung der auf die verdeckten Gewinnausschüttungen entfallenden Körperschaftsteuer entsprechend den vorgelegten Steuerbescheinigungen nicht erfolgt sei.
12Mit der Einspruchsentscheidung vom 19.06.2008 erfasste der Beklagte die auf die unstreitige verdeckte Gewinnausschüttung i.H.v. 30.000 DM entfallende Körperschaftsteuerbelastung entsprechend dem hilfsweisen Begehren der Kläger als Einnahme und Abzugsbetrag bei der Steueranrechnung. Die verbleibende Einkommensteuer nach Abrechnung betrug danach 160.233,76 €. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück.
13Gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG i.V.m. § 34 Abs. 13b KStG ende die Festsetzungsfrist für die Erfassung einer in einem nach dem 18.12.2006 ergangenen Körperschaftsteueränderungsbescheid berücksichtigten verdeckten Gewinnausschüttung in der Einkommensteuerfestsetzung der Gesellschafter nicht vor Ablauf eines Jahres nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides der Körperschaft. Die an sich bereits eingetretene Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer 1998 stehe daher der angegriffenen Änderung nicht im Wege. Vielmehr sei durch den Erlass des geänderten Körperschaftsteuerbescheides 1998 vom 02.04.2008 für die GmbH die Möglichkeit für den Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheides 1998 vom 01.04.2008, wenn auch zeitversetzt, geschaffen worden. Der Ermessensspielraum des Beklagten sei hierbei auf Null reduziert, da er verpflichtet sei, die richtige Steuer gegenüber dem Anteilseigner festzusetzen. Eine Beschränkung der Änderungsbefugnis auf Vorgänge, die unter das Halbeinkünfteverfahren fallen, sehe § 32a KStG nicht vor.
14Die auf der Ebene der Gesellschafter unabhängig von der Körperschaftsteuerfestsetzung für die GmbH durchzuführende Prüfung, ob die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG dem Grunde nach vorliegen, sei erfolgt und habe zu folgendem Ergebnis geführt:
15Die bei der GmbH eingetretene Vermögensminderung bestehe darin, dass sie für ihren Grundstücksanteil einen Überpreis zuzüglich anteiliger Folgekosten bezahlt habe, der auf einer nicht den tatsächlichen Werten entsprechenden Aufteilung des Gesamtkaufpreises beruhe. Insoweit stehe der Kaufpreiszahlung und den anteiligen Folgekosten kein Gegenwert gegenüber. Diese Vermögensminderung sei durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, da ein gewissenhafter Geschäftsführer einer nicht den tatsächlichen Werten entsprechenden Aufteilung des Kaufpreises nicht zugestimmt hätte. Die der Vermögensminderung auf der Ebene der GmbH entsprechende Vermögensmehrung auf der Ebene der Kläger stelle eine Einnahme im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar, die im Zeitpunkt des Eintritts der Vermögensminderung zufließe (§ 11 EStG).
16Ein Grundstück im Umlaufvermögen sei mit den üblichen Anschaffungskosten zu aktivieren (BFH-Urteil vom 13.03.1985, BFH/NV 1986, 116; BMF-Schreiben vom 28.05.2002, BStBl. I 2002, 603, Tz. 42 und 43). In Höhe der Differenz zum tatsächlich gezahlten Betrag komme es zu einem durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Aufwand. Die Vermögensminderung trete daher bereits bei Abfluss des Kaufpreises und der anteiligen Folgekosten im Jahr 1998 ein. Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz sei für die steuerrechtliche Beurteilung des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht von Bedeutung.
17Der Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Zur Ermittlung der üblichen Anschaffungskosten für den Grundstücksteil der GmbH sei der Gesamtkaufpreis im Wege einer sachgerechten Schätzung aufzuteilen. Dies sei durch die Wertermittlung des Bausachverständigen vom 24.01.2007 zutreffend mit dem Ergebnis geschehen, dass auf den Grundstücksteil der GmbH ein anteiliger Sachwert von 700.000 DM entfalle. Zuzüglich des Wertes der Garage betrage der Sachwert des Teilgrundstücks der GmbH 812.000 DM, was 19,58 % der Summe aller Sachwerte i.H.v. 4.162.232 DM entspreche. Dieser Quotient sei auf den tatsächlichen Gesamtkaufpreis ohne Inventar i.H.v. 3.100.000 DM anzuwenden. Der Kaufpreisanteil für das Teilgrundstück der GmbH betrage demnach 607.006 DM. Die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis und der Summe aller Sachwerte erkläre sich dadurch, dass die Faktoren, die den Wert des Grundstücksanteils der GmbH verringerten, sich werterhöhend auf den Grundstücksteil der Kläger niederschlügen. Das vorangegangene Gutachten des Bausachverständigen vom 06.03.2006 berücksichtige demgegenüber nicht die tatsächlichen Gegebenheiten betreffend die Bebaubarkeit. Zudem könne der Bodenwert für das Teilgrundstück der GmbH aus diesem Gutachten auch deshalb nicht isoliert übernommen werden, weil der ermittelte Verkehrswert für das gesamte Grundstück i.H.v. 5.500.000 DM den tatsächlich gezahlten kumulierten Kaufpreis i.H.v. 3.100.000 DM überschreite. Die von den Klägern vorgeschlagenen Berechnungsmethoden zur Aufteilung des Gesamtkaufpreises stellten keine geeigneten Aufteilungsmaßstäbe dar, da hier von einem überhöhten Grund- und Bodenwert für den Grundstücksteil der GmbH ausgegangen werde. Angesichts der den Wert des Teilgrundstücks der GmbH mindernden Gegebenheiten dränge sich die Frage auf, ob die Absicht einer Bebauung durch die GmbH jemals ernsthaft bestanden habe. Vor diesem Hintergrund gingen auch die Ausführungen der Kläger zum Teilwertgedanken ins Leere.
18In Höhe der im Rechtsbehelfsverfahren der GmbH ausgesetzten Körperschaftsteuer könne gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 i.V.m. § 36a EStG keine Anrechnung der Körperschaftsteuer erfolgen.
19Im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens hat der Beklagte mit Änderungsbescheiden vom 18.02.2010 und 11.04.2014 dem Hilfsbegehren der Kläger teilweise entsprochen, indem er die streitbefangene verdeckte Gewinnausschüttung zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer mit 760.594 DM bemessen und die anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Steueranrechnung abgezogen hat. Die verbleibende Einkommensteuer nach Abrechnung betrug danach noch 27.113,30 €. Dies beruhte im Ergebnis auf einer im Klageverfahren der GmbH (Finanzgericht Köln 13 K 2720/09) am 14.02.2013 erzielten tatsächlichen Verständigung, nach der der angemessene Kaufpreis für das von der GmbH erworbene Teilgrundstück 871.250 DM beträgt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 14.02.2013 Bezug genommen.
20Im Anschluss hieran haben die Kläger sowohl die danach verbliebene verdeckte Gewinnausschüttung nach Grund und Höhe als auch die Höhe der anrechenbaren Körperschaftsteuer außer Streit gestellt. Hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit des § 32a KStG ungeachtet der am 18.12.2006 bereits eingetretenen Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer 1998 halten sie ihre Einwendungen indessen aufrecht. Hierzu haben sie auf die Urteile des Finanzgerichts Niedersachsen vom 10.02.2011 6 K 241/09, EFG 2011, 947, und des Finanzgerichts München vom 24.10.2011 7 K 2803/09, EFG 2012, 1878 verwiesen, nach denen die Änderungsbefugnis des § 32a KStG nicht bewirkt, dass eine bereits abgelaufene Festsetzungsfrist wieder in Lauf gesetzt wird.
21Das Klageverfahren hat im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Revisionsverfahren VIII R 30/12 zunächst geruht.
22In dem am 16.12.2014 sodann ergangenen Urteil hat der BFH die folgenden Leitsätze aufgestellt:
231. Im Anwendungsbereich des § 32a KStG ist nach § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG --als lex specialis zu den Korrekturtatbeständen der §§ 171 ff. AO-- grundsätzlich von einer Ablaufhemmung für die Festsetzung der Einkommensteuer im Zusammenhang mit der Berücksichtigung einer vGA auszugehen, solange über diese vGA in einem Körperschaftsteuerbescheid nicht bestandskräftig entschieden worden ist.
242. Die Regelung führt nur dann nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen echten, sondern zu einer verfassungskonformen sog. unechten Rückwirkung, wenn im Zeitpunkt der Einführung des § 32a KStG die Festsetzungsverjährung für den Einkommensteuerbescheid noch nicht eingetreten war.
25In den Gründen der Entscheidung führt der BFH aus, dass im Falle der Änderung einer festsetzungsverjährten Einkommensteuerveranlagung nach § 32a KStG eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung vorliege, weil der Gesetzgeber damit eine bereits erloschene Steuerschuld nachträglich abändere. Besondere Rechtfertigungsgründe, die der Verfassungswidrigkeit dieser Rückwirkung entgegenstehen könnten, seien nicht ersichtlich. Für eine Normenkontrollvorlage an das Bundesverfassungsgericht fehle es im konkreten Fall jedoch an der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage, weil in der Vorinstanz notwendige tatsächliche Feststellungen zur Frage des Ablaufs der Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer nicht getroffen worden seien.
26Der Beklagte hat in der Folge die Auffassung vertreten, dass die Veröffentlichung des Urteils VIII R 30/12 im BStBl. II 2015, 858 sich nicht auf die Ausführungen des BFH zu der Frage beziehe, ob in der Änderung von Einkommensteuerfestsetzungen nach § 32a KStG, die bereits vor der Einführung der Vorschrift am 18.12.2006 festsetzungsverjährt gewesen seien, eine verfassungswidrige echte Rückwirkung liege. Es bestehe daher keine Bindung der Finanzverwaltung hinsichtlich dieser Ausführungen zur unzulässigen Rückwirkung des § 32a KStG.
27Am 20.04.2016 hat der Senat das Klageverfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes darüber eingeholt, ob § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG i. d. F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 i.V.m. § 34 Abs. 13c KStG i. d. F. vom 10.10.2007 insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als die rückwirkend eintretende Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG auch die Änderung einer beim Inkrafttreten des § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG am 19.12.2006 bereits festsetzungsverjährten Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Gesellschafter, dem die verdeckte Gewinnausschüttung zuzurechnen ist, in offener Festsetzungsfrist ermöglicht.
28Mit Beschluss vom 18.12.2023 hat das Bundesverfassungsgericht die Vorlage als unzulässig zurückgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Ausgehend von der Auffassung des Finanzgerichts, dass die Anwendung des § 32a KStG auf im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits festsetzungsverjährte Einkommensteuerfestsetzungen eine nicht gerechtfertigte echte Rückwirkung begründet, liege eine verfassungskonforme Auslegung nahe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 18.12.2023 verwiesen.
29Das Klageverfahren ist daraufhin wiederaufgenommen worden.
30Die Kläger beantragen,
31den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 01.04.2008 sowie die Änderungsbescheide vom 18.02.2010 und 11.04.2014 aufzuheben.
32Der Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er an, dass eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung des § 32a KStG festsetzungsverjährte Einkommensteuerbescheide von der Regelung ausgenommen werden müssten, nicht angezeigt sei. Das Bundesverfassungsgericht habe keine Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift gemacht, sondern die Vorlage des FG als unzulässig beurteilt. Die Möglichkeit einer ausnahmsweise zulässigen echten Rückwirkung - z.B. wegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses - sei nicht ausgeschlossen.
35Entscheidungsgründe
36Die Klage ist begründet.
37Der angegriffene Einkommensteueränderungsbescheid 1998 vom 01.04.2008 sowie die nachfolgenden Änderungsbescheide vom 18.02.2010 und 11.04.2014 sind rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
38Der Beklagte ist unzutreffend davon ausgegangen, dass er nach Änderung des Körperschaftsteuerbescheides der A GmbH nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG auch zu einer Korrektur der Einkommensteuerfestsetzung der Kläger berechtigt gewesen ist. Einer solchen Änderung stand der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
391. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
40a) Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1998 begann gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2000, in dem die Kläger die Einkommensteuererklärung eingereicht hatten. Die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO endete demnach – wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist – am 31.12.2004 und war damit im Zeitpunkt des Ergehens des Änderungsbescheides im April 2008 bereits verstrichen.
41b) Eine Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ist nicht eingetreten. Der Senat konnte nicht feststellen, dass die Kläger durch die Nichtdeklaration einer vGA in der zuletzt im Änderungsbescheid vom 11.04.2014 erfassten Höhe den Tatbestand einer vorsätzlichen Steuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs. 1 AO verwirklicht haben.
42aa) Für die Frage, ob die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung vorliegen, trägt die Finanzbehörde die Feststellungslast. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist, obwohl der strafverfahrensrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" auch im finanzgerichtlichen Verfahren gilt, das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach den Vorschriften der AO und der FGO zu beurteilen. Für die Feststellung einer Steuerhinterziehung ist danach kein höherer Grad von Gewissheit notwendig, als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt (BFH-Urteil vom 19.03.1998 V R 54/97, BStBl II 1998, 466, m. w. N.).
43Steuern werden u.a. dann hinterzogen, wenn der Steuerpflichtige gegenüber der Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder diese pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder sonst nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 AO). Die Verkürzung muss vorsätzlich, d.h. mit Wissen und Wollen desjenigen, der die unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben macht oder steuererhebliche Angaben unterlässt, geschehen.
44Vorsätzlich handelt auch, wer es für möglich hält, dass er den Tatbestand verwirklicht oder das billigt oder doch in Kauf nimmt (sog. bedingter Vorsatz, vgl. BFH-Urteil vom 31.07.1996 XI R 74/95, BStBl II 1997, 157). Dabei kann es sich um einen an sich unerwünschten Erfolg handeln, mit dessen möglichem Eintritt der Täter sich aber abfindet. Der Wille muss sich auf die Verwirklichung des Tatbestandes in Kenntnis seiner Tatbestandsmerkmale beziehen. Hierbei reicht es - da sonst nur die Strafbarkeit von Steuerfachleuten in Betracht käme - aus, dass der Täter anhand einer laienhaften Bewertung der Umstände erkennt, dass ein Steueranspruch existiert, auf den er einwirkt. In diesem Zusammenhang ist auf die konkreten Fähigkeiten des Betroffenen zur möglichen steuerrechtlichen Wertung von Tatbeständen abzustellen. Es genügt daher für die Annahme einer Steuerhinterziehung, wenn sich der Steuerpflichtige aufgrund dieser sog. Parallelwertung in der Laiensphäre des sozialen Sinngehalts seines Verhaltens bewusst ist.
45bb) Der im zuletzt ergangenen Änderungsbescheid vom 11.04.2014 erfasste Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung beruht, soweit er nicht auf der Erfassung der anrechenbaren Körperschaftsteuer als Einnahme entfällt, auf dem Unterschiedsbetrag zwischen dem von der GmbH für das von ihr erworbene Teilgrundstück gezahlten Kaufpreis von 1.350.000 DM und einem im Wege der tatsächlichen Verständigung festgelegten Verkehrswert des Teilgrundstücks i.H.v. 871.250 DM. Hierbei wurde in Anlehnung an das für die Erbengemeinschaft erstellte Gutachten der Sachverständigen F und W vom 31.12.1997 von einem Quadratmeterpreis von 650 DM und einem Wert des aufstehenden Garagengebäudes von 115.000 DM ausgegangen. Der so gefundene Zwischenwert von 1.025.000 DM wurde sodann unter Berücksichtigung eines Marktanpassungsfaktors von 15 % reduziert.
46Die Kläger haben dagegen geltend gemacht, dass aus Sicht der von ihnen beherrschten GmbH der angemessene Wert des gekauften Grundstücks durch den Ansatz des Bodenrichtwertes laut Gutachterausschuss i.H.v. 800 DM/ m² und eines Zuschlags für die geplante höherwertige Ausnutzung durch ein Dreifamilienhaus i.H.v. 79 DM/m² gefunden werden sollte, was den gezahlten Kaufpreis rechtfertige. Dies habe auch ein Gutachten des Sachverständigen N vom 19.03.2007 bestätigt. Die Bebaubarkeit des Teilgrundstücks unterliege aus ihrer Sicht keinen Einschränkungen. Sie haben weiterhin auf eine, vor notarieller Beurkundung des Kaufvertrages, aufgestellte Wirtschaftlichkeitsberechnung verwiesen, ausweislich derer nach Erwerb des Grundstücks zum Preis von 1.350.000 DM und dessen anschließender Bebauung ein Gewinnpotenzial von 250.000 DM verbleibe.
47Dass derartige Verkehrswertschätzungen beträchtlichen Unsicherheiten und Bandbreiten unterliegen und daher ohne den Vorsatz der Verkürzung der Einkommensteuer auch ein höherer Verkehrswert als marktgerecht angesehen werden konnte, zeigt bereits das im Vorfeld der tatsächlichen Verständigung eingeholte gerichtliche Wertgutachten vom 08.03.2011, ausweislich dessen der Wert des Teilgrundstücks bei rund 1.180.000 DM, also bei nahezu dem doppelten Betrag des Wertansatzes des Bausachverständigen des Beklagten (607.006 DM), liegen sollte. Angesichts der mit den konkurrierenden Bewertungsmethoden und Schätzungsunsicherheiten verbundenen subjektiven Beurteilungsspielräume lässt sich nicht ausschließen, dass die Kläger den von der GmbH gezahlten Kaufpreis für das Teilgrundstück als marktgerechten Preis einschätzen konnten. Der Senat konnte daher nicht mit dem erforderlichen Grad der Überzeugung die Feststellung treffen, dass die Kläger bei der Erklärung ihrer Einkünfte für das Streitjahr wussten oder billigend in Kauf genommen haben, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) in der streitbefangenen Höhe nicht deklariert wurde. Auch der Beklagte ist davon ausgegangen, dass in der Streitsache die reguläre Festsetzungsfrist von 4 Jahren zum Tragen kommt und den Klägern keine Steuerverfehlung nach § 370 AO anzulasten ist (vgl. Seite 10 der Einspruchsentscheidung vom 21.06.2009).
482. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war im Streitfall auch nicht gehemmt. Weder greift die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO noch kann sich der Beklagte mit Erfolg auf § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG stützen.
49a) Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO setzt voraus, dass vor Eintritt der Verjährung beim Steuerpflichtigen mit einer Außenprüfung begonnen wurde. Das war hier nicht der Fall. Die Prüfungsanordnung richtete sich nur gegen die A GmbH. Durch eine Betriebsprüfung bei einer GmbH wird die Verjährung der Einkommensteuer des Gesellschafters nicht gehemmt, auch soweit es um die Einkommensteuer aus verdeckten Gewinnausschüttungen geht (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.1979 VIII R 64/77, BStBl II 1979, 744). Das entspricht auch der Rechtsansicht der Finanzverwaltung (vgl. z.B. BMF-Schreiben vom 29.09.2005, BStBl I 2005, 903).
50b) Die Ablaufhemmung des § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG greift bei verfassungskonformer Auslegung der Norm und der dazu ergangenen Anwendungsbestimmung des § 34 Abs. 13 b KStG (inhaltsgleich übernommen durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 in § 34 Abs. 13c KStG) nicht ein.
51aa) Nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG kann, soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA erlassen, aufgehoben oder geändert wird, ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die vGA zuzurechnen ist, ebenfalls erlassen, aufgehoben oder geändert werden. Die Festsetzungsfrist endet insoweit nach § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG nicht vor Ablauf eines Jahres nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides der Körperschaft. § 32a KStG gilt nach § 34 Abs. 13b Satz 1 KStG i. d. F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (bzw. § 34 Abs. 13c Satz 1 KStG in der ab dem 18.08.2007 geltenden gleichlautenden Fassung vom 10.10.2007) erstmals für nach dem 18.12.2006 erlassene, aufgehobene oder geänderte Steuerbescheide.
52bb) Die Ablaufhemmung kann sich nach Überzeugung des Senates jedenfalls in Fällen einer Änderung zulasten des Steuerpflichtigen nur auf Fälle beziehen, bei denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war. Denn anderenfalls läge aufgrund der damit verbundenen echten Rückwirkung und in Ermangelung besonderer Rechtfertigungsgründe ein verfassungswidriger Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor (vgl. Urteil des BFH in BStBl. II 2015, 858; Rengers in: Blümich § 32a KStG Rn. 9; Intemann in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 32a KStG Rn. 6; Oellerich in: Mössner/Seeger § 32a KStG Rn. 22; Kohlhaas GmbHR 2015, 1035, 1039; Stöber in: Lademann § 32a KStG Rn. 51 sowie in: FR 2013, 448, 451).
53(1) Die im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stehen belastenden Gesetzen mit echter Rückwirkung beziehungsweise der Rückbewirkung von Rechtsfolgen grundsätzlich entgegen. Eine im Steuerrecht - grundsätzlich unzulässige - echte Rückwirkung liegt vor, wenn der Gesetzgeber eine entstandene oder - wie hier - festsetzungsverjährte und damit bereits erloschene Steuerschuld nachträglich abändert (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1). Belastende Steuergesetze dürfen ihre Wirksamkeit aus Gründen der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte grundsätzlich nicht auf bereits abgelaufene Tatbestände erstrecken (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 29.10.1999 1 BvR 1996/97, Zeitschrift für offene Vermögensfragen --ZOV-- 2000, 23; vom 15.10.2008 Az. 1 BvR 1138/06, juris; vom 10.10.2012 Az. 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932). Mit Eintritt der Festsetzungsverjährung darf der Steuerpflichtige darauf vertrauen, dass eine Änderung nur unter den zu diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Änderungsmöglichkeiten vorgenommen werden kann.
54Besondere Rechtfertigungsgründe für eine ausnahmsweise zulässige echte Rückwirkung sind vorliegend nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht benannt worden. Die zuvor bestehende Rechtslage war weder unklar und verworren noch in einem Maße systemwidrig und unbillig, dass ernsthafte Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit bestanden. Die Thematik ggf. abweichender Festsetzungsfristen auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene ist auch von der Finanzverwaltung erkannt und bis 2006 als unbedenklich angesehen worden (vgl. BMF-Schreiben vom 29.09.2005 BStBl I 2005, 903). Es sind schließlich auch keine überragenden Gründe des Gemeinwohls erkennbar, die die echte Rückwirkung der Korrekturvorschrift des § 32a KStG erfordern. Die bloße Absicht, Steuerausfälle zu vermeiden bzw. das Steueraufkommen zu mehren, ist für sich genommen noch kein den Vertrauensschutz betroffener Steuerpflichtiger überwindendes Gemeinwohlinteresse. Anderenfalls würde der Vertrauensschutz gegenüber rückwirkenden Verschärfungen des Steuerrechts praktisch leerlaufen (vgl. BFH-Beschluss vom 19.10.2023 IV R 13/22, DStR 2014, 418).
55(2) Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist die Anwendungsvorschrift des § 34 Abs. 13c Satz 2 KStG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass § 32a KStG zulasten des Steuerpflichtigen nur für die Steuerfälle gilt, bei denen die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO bei Inkrafttreten der Vorschrift noch nicht abgelaufen war (Rengers a.a.O. Rn. 9; Intemann a.a.O. Rn. 6; Oellerich a.a.O. Rn. 92; Stöber a.a.O. Rn. 51; Kohlhaas a.a.O. S. 1039). Die Grenze der zulässigen Gesetzesauslegung wird dadurch nicht überschritten.
56(a) Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen nur eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten (vgl. Beschluss des BVerfG vom 09.01.1991 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 201). Eine verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze lediglich dort, wo sie zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. die Ausführungen des BVerfG in dem zur Vorlage des Senats ergangenen Beschluss vom 18.12.2023 2 BvL 7/16). Beides ist hier nicht der Fall.
57(aa) Der Wortlaut des § 34 Abs. 13c (bzw. Abs. 13b) KStG verhält sich nicht dazu, ob auch bei Inkrafttreten der Normen am 19.12.2006 bereits festsetzungsverjährte Steuerbescheide von der in § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG geregelten Ablaufhemmung erfasst sein sollen (vgl. Luft, SteuK 2011, 409). Die Übergangsbestimmung stellt nur darauf ab, dass der aufzuhebende oder zu ändernde Steuerbescheid vor dem 18.12.2006 erlassen worden ist. Dies kann am 18.12.2006 festsetzungsverjährte Steuerbescheide einschließen, ebenso aber zur Vermeidung einer unzulässigen echten Rückwirkung restriktiv interpretiert werden. Die Formulierung in § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG, wonach die Festsetzungsfrist in den in Satz 1 genannten Fällen erst später „endet“, legt die Auslegung nahe, dass darunter nur die Fälle zu subsumieren sind, bei denen die Festsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes noch nicht abgelaufen ist und schon abgelaufene Verjährungsfristen nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen wieder in Lauf gesetzt werden sollen (so z.B. FG Niedersachsen, Urteil vom 10.02.2011 Az. 6 K 241/09, EFG 2011, 947; siehe auch Herrmann/Heuer/Raupach, § 32a KStG Anm. 6).
58(bb) Als Zweck der Regelung gibt die Gesetzesbegründung an, es solle sichergestellt werden, dass Bezüge des Anteilseigners, die auf Ebene der Kapitalgesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttung dem Einkommen hinzugerechnet werden, bei diesem nach den Grundsätzen des Halbeinkünfteverfahrens besteuert werden (vgl. BT-Drucks 16/2712, S. 38). Ohne die Korrekturvorschrift käme es zu Doppelbegünstigungen oder Doppelbelastungen und somit zu mit den Grundsätzen des Halbeinkünfteverfahrens nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen (vgl. BT-Drucks 16/2712, S. 71). Hieraus lässt sich nicht ableiten, dass der Gesetzgeber auch eine Rückwirkung auf Sachverhalte bezweckt hat, die - wie hier - nicht dem Halbeinkünfte-, sondern dem Anrechnungsverfahren unterfallen und bei denen keine systemwidrige Mehrfachbegünstigung oder Mehrfachbelastung droht.
59(b) Zwar findet sich in der Gesetzesbegründung - ohne Ausführungen zur Frage der Verfassungsmäßigkeit - die Bemerkung, dass die Änderungsvorschrift des § 32a KStG auch dann Anwendung finden kann, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes die Festsetzungsfrist beim Anteilseigner bereits abgelaufen ist (vgl. BT-Drucks. 16/2717, S. 72). Das schließt es nach den Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 18.12.2023 Az. 2 BvL 7/16 aber nicht aus, die Rückwirkung verfassungskonform auf die Fälle zu beschränken, in denen eine für den Steuerpflichtigen günstige - und damit verfassungsrechtlich unbedenkliche - Änderung im Raum steht.
60(3) Den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken kann nach Dafürhalten des Senates nach alldem schon auf Tatbestandsebene bei Auslegung der Übergangsvorschrift Rechnung getragen werden, zumindest aber hätten sie auf der Ebene des nach § 32a Abs. 1 KStG auszuübenden Ermessens Berücksichtigung finden und den Beklagten veranlassen müssen, von einer Änderung der Steuerfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsfrist abzusehen.
61Die Finanzbehörde handelt ermessensfehlerhaft, wenn sie die inneren Grenzen des Ermessens missachtet, die durch eine Reihe von zwingenden Rechtsgrundsätzen vorgegeben sind. Zu diesen Rechtsgrundsätzen gehört u.a. auch der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Vertrauensschutzgedanke (Neumann in: Gosch § 5 AO Rn. 19). Mit der als unzulässige echte Rückwirkung einzustufenden Festsetzung einer bereits verjährten und damit erloschenen Steuerschuld sind die Grenzen des Ermessens überschritten (vgl. Kohlhaas, GmbHR 2015, 1035; Stöber, FR 2013, 448).
62Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass im Rahmen des § 32a KStG zur Herstellung einer rechtmäßigen Besteuerung das Ermessen im Regelfall vorgeprägt ist und nach Feststellung einer verdeckten Gewinnausschüttung grundsätzlich eine Anpassung des Einkommensteuerbescheides des Gesellschafters an einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid der GmbH zu erfolgen hat. Denn vorliegend geht es nicht um den Regelfall, sondern um die Sondersituation, dass eine Korrektur des Einkommensteuerbescheides gerade kein rechtskonformes Besteuerungsergebnis herbeiführen würde.
633. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.